Buchrezensionen

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    • "The Invention of Nature is my quest to rediscover Humboldt, and to restore him to his rightful place in the pantheon of nature and science. It's also a quest to understand why we think as we do today about the natural world."

      The Invention of Nature
      The Adventures of Alexander von Humboldt
      The Lost Hero of Science

      Andrea Wulf


      'The Invention of Nature' gehört zu einer der wohl am langweiligsten anmutenden Gattung von Büchern. Es ist eine Biographie. Doch dank ihrer bildlichen Schreibweise und Wortgewalt, gelingt es der Autorin, aus dieser Biographie eine Geschichte zu machen. Ein Abenteuer durch die Regenwälder Südamerikas, auf die Spitze der höchsten Berge der Anden, in das junge Nordamerika, durch die politischen Unruhen Europas und nach Russland. Sie erweckt die Reisen von Alexander von Humboldt zum Leben und beschreibt, wie diese Reisen und Humboldts Erkenntnisse daraus unser Denken bis heute beeinflussen.

      Das Buch beginnt mit Humboldts Kindheit, seinem Verhältnis zu seinem Bruder und seiner Mutter und seiner unbändigen Reiselust, welche ihn schliesslich dazu verleitete, auf Reisen zu gehen. In diesen Reisen liegt die grösste Stärke des Buches. Sie sind lebhaft und mit schillernden Farben beschrieben, mit unzähligen kleinen Episoden über Zitteraale, Unfälle mit dem Gift der Einheimischen und tierische Überraschungsangriffe in der Nacht. Dabei schildert die Autorin mit vielen Zitaten und Beschreibungen den Gedankenprozess Humboldts, was sie schliesslich zum Höhepunkt seiner Südamerikareise führt, dem Naturgemälde.
      Doch es sind nicht nur die Reisen, die dieses Buch so grossartig machen. Andrea Wulf beschreibt auch, wie Humboldt mit seinem emotionalen und poetischen Schreibstil nicht nur andere Forscher - wie Charles Darwin - inspirierte, sondern auch der Öffentlichkeit die Wunder der neuen Welt näherbrachte. Sie zeigt auch, wie Humboldts gesamtheitliche Herangehensweise an seine Beobachtungen ihn dazu führte, sich nicht nur zu entdeckten Pflanzen und dem von ihm entdeckten Konzept der Klimazonen zu äussern. Er kritisierte in denselben Büchern die Sklaverei und den unbedachten Umgang mit der Natur durch die Menschen. Damit wurde er zum ersten Menschen, der öffentlich vor unumkehrbaren Mensch-gemachten klimatischen Veränderungen warnte, wobei er insbesondere Waldabholzung, Bodenbewässerung und die hohe Produktion von Dampf und Gas in den Industriezentren kritisierte. Mit seinen Schriften wurde Humboldt zum Urvater der Umweltschutzbewegung und der erste Bote der Schäden durch Menschen-gemachten Klimawandel.

      Humboldt hatte die Eigenschaft, Menschen zu inspirieren. Er inspirierte Wissenschaftler, Künstler und viele mehr. In diesem Buch widmet Andrea Wulf einigen dieser Menschen jeweils ein Kapitel. Darunter befinden sich Charles Darwin, die Revolutionäre Simón Bolívar und Thomas Jefferson, die Künstler Henry David Thoreau, Goerge Perkins Marsh und Ernst Haeckel und der Begründer der Nordamerikanischen Umweltschutzbewegung, John Muir.

      Humboldt beeinflusste nicht nur grosse Denker. Sein Werk beeinflusst bis heute, wie die Natur an der Schule gelehrt wird, wie die Natur in Sachbüchern für Kinder beschrieben wird und Zeitschriften wie Geo folgen Humboldts Ideal eines vernetzten Kosmos, in dem jedes Thema von Relevanz ist. Seine Einflüsse sind derart selbstverständlich in unserem Denken, dass sich nur die wenigsten noch an ihn erinnern. Aufgrund der Aktualität vieler seiner Themen, wie Klimawandel und Metadisziplinarität, und seiner inspirierenden Art zu schreiben, ist dies ein grosser Verlust. 'The Invention of Nature', oder auf Deutsch 'Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur', legt Humboldts Leben und seine Einflüsse auf inspirierende Art und Weise dar und zeigt, weshalb er bis heute von grosser Relevanz ist. Dank dem faszinierenden Thema und der wundervollen Schreibweise hat diese Buch es sofort zu meinen Lieblingsbüchern geschafft. Ich kann dieses Buch jedem empfehlen. Ohne Vorbehalte.
      Cause this is Brook!
    • The Rise and Fall of the Dinosaurs
      -
      A New History of a Lost World

      Steve Brusatte


      Für nicht-professionelle Dinofans ein Muss. Für alle anderen ist diese Rezension.

      Steve Brusatte ist ein prominenter Paläontologe einer neuen Generation, die mit neuen Ideen und Technologien unser Verständnis von Dinosauriern radikal überarbeiten. In diesem Buch erzählt er die Geschichte der Dinosaurier von ihren Anfängen im frühen Tria bis zu ihrem Aussterben beim abrupten Ende der Kreidezeit und sogar noch ein wenig darüber hinaus. Dabei beschränkt er sich nicht darauf, neue Erkenntnisse zu präsentieren, sondern schildert auf wundervolle Weise, wie die Welt der Dinosaurier demnach ausgesehen haben muss. Aber es bleibt nicht nur bei den Dinosauriern und ihrer Welt. Brusatte erzählt die Geschichten der Forscher und Forscherinnen, wie sie zu ihren Erkenntnissen gekommen waren und wie die Sichtweise der Paläontologie auf die Ära der Dinosaurier immer wieder revolutioniert wurde. Die Dinosaurier-Begeisterung und die neuen Gelegenheiten der Entdeckungen unserer Zeit (zur Zeit wird im Durchschnitt eine neue Dinosaurierspezies pro Woche entdeckt) heben dabei vom Papier ab und erwecken die Aufbruchsstimmung, die in der Paläontologie zur Zeit herrscht, zum Leben

      Das Buch ist chronologisch aufgebaut. Es beginnt mit dem Massensterben, welches das Tria einläutet und den Dinosauriern überhaupt die Gelegenheit bietet, eine dominante Rolle im Ökosystem einzunehmen. Die Geschichte führt uns über den Kontinent Pangäa und die frühen Entwicklungen der Dinosaurier, durch das Jura mit seinen Brachiosauriern und Allosaurusen zur Kreidezeit, wo die Kontinente getrennt waren und sich verschiedene Ökosysteme entwickelt hatten. Sich der Interessen seines Publikums wohl bewusst, stellt Brusatte den Tyrannosaurus Rex in den Mittelpunkt seiner Kapitel über die Kreidezeit. Von dort aus findet er jedoch einen direkten Weg zu seinem nächsten Thema, der Entwicklung von fliegenden Dinosauriern und schliesslich, den Vögeln (welche sich aus einer Familie der Theropoden - zu denen auch die Tyrannosaurier und Raptoren gehören - entwickelt haben).
      Danach nimmt die Geschichte eine brutale Wendung, wenn ein Asteroid (oder Komet) auf der Erde einschlägt und die Kreidezeit - und die Ära der Dinosaurier - beendet. Die Ursprünge der Asteroiden-Theorie und die Indizien, dass dieser Hauptverantwortlicher für das Aussterben der Dinosaurier ist, werden erläutert. Zuletzt blickt Brusatte auf die Zeit nach dem Einschlag des Asteroiden. Er wirft einen kurzen Blick auf den frühen Aufstieg der Säugetiere und der ersten Primaten, nur fünftausend Jahre nach dem Aussterben der Dinosaurier.

      Durch das ganze Buch hinweg spielen Umweltbedingungen, tektonische Plattenverschiebungen und Massensterben eine zentrale Rolle. Paläontologie hat in den letzten Jahrzehnten eine bedeutende Rolle in der Erforschung des Klimawandels eingenommen, da sie uns einen Einblick in frühere globale Umweltkatastrophen und Massensterben bietet. Auf diesem Weg schlägt Brusatte immer wieder, wenn auch nicht immer explizit, den Bogen in die Gegenwart und zu Themen, die uns alle betreffen.

      Den Schreibstil des Buches würde ich als ‚journalistisch/US-Amerikanisch‘ bezeichnen. Brusatte erzählt gerne Geschichten und vermittelt die paläontologischen Erkenntnisse auf diese Weise. Er schmückt diese Geschichten im Rückblick auf die Welt der Dinosaurier auch gerne künstlerisch aus; die eigentlichen Erkenntnisse bleiben jedoch sorgfältig beschrieben und begründet.

      Die grösste Schwäche des Buches ist wohl, dass es zu wenige Illustrationen hat. Es sind durchaus einige vorhanden, doch wenn Brusatte erzählt, wie er in seiner Dissertation einen phylogenetischen Baum für Dinosaurierarten gemacht hat, dann will ich diesen Baum sehen. Ähnliches gilt für einige andere Stellen, wo sich eine Illustration wunderbar angeboten hat, diese jedoch leider gefehlt hat.

      Ich habe es schon zu Beginn gesagt: Für Dinosaurierfans gibt es keinen Grund, das Buch nicht zu lesen. Wer sich für die Massensterben und Klimawandel interessiert, wird in dem Buch immer wieder interessante Informationen über frühere extreme Ereignisse finden, welche eine frische Perspektive auf aktuelle Themen ermöglichen.
      Cause this is Brook!
    • Buchempfehlung gesucht!


      Nach 10-minütiger Suche habe ich leider keinen besseren Thread als diesen hier finden können, daher verzeiht mir, dass ich diesen etwas eingestaubten Thread etwas zweckentfremde (falls ein Admin eine besseren Ort findet, bitte ich um einen Hinweis).

      Hier mal ein kleiner Absatz, damit ihr euch stimmungsmäßig in meine Lage versetzen könnt und somit besser versteht, was ich eigentlich suche:

      Obwohl wir uns gerne anderes einreden, sind wir Menschen ja nicht wirklich von Bedeutung im Universum. Unsere annähernd 100 Jahre Lebenszeit sind nichts im Vergleich zum Alter der Erde oder des Sonnensystems oder was noch so da draußen ist. Und selbst in unserer Welt ist das Leben eines einzelnen Menschen für den allergrößten Teil der restlichen Gesellschaft ziemlich egal. Ich selber bin zum Beispiel seit 2013 in diesem Forum angemeldet und habe einige Beiträge verfasst. Aber würde ich mich ab morgen nicht mehr anmelden, es würde wohl kaum jemandem auffallen. Doch nicht nur die Unbedeutsamkeit unseres Wirkens erscheint mir sinnlos. Betrachtet man unsere verschwindend kurze Lebenszeit und die Tatsache, dass die Zeit unerbitterlich voranschreitet und jede einzelne Sekunde, die verstrichen ist, unwiederbringlich vergangen ist, sollte man doch meinen, wir nutzen unsere Zeit wenigstens, um das beste aus unserem Leben zu machen. Doch stattdessen gehen wir täglich ins Büro, 5 Tage die Woche, um niemals endende Arbeit zu erledigen. Wir schauen Serien und lesen Bücher, die wir fast auswendig kennen, statt neues auszuprobieren. Wir suchen die Routine, den Alltag, das Hamsterrad. Aber wenn dann irgendwann der Moment kommt, indem man auf sein Leben zurückblickt, was will man da sehen, um sagen zu können: "Ja, meine Existenz war von Bedeutung. Ich habe meine Zeit genutzt"

      ?

      Im Grunde bin ich also nach einem Buch, das die Frage aufgreift: Was ist der Sinn des Lebens?
      Wobei ich hier ziemlich deutlich sagen möchte, dass ich nicht an einer kitschigen Lösung interessiert bin, wie sie die Popkultur oft liefert. Auch will ich mich fernhalten von pseudowissenschaftlicher Ratgeberliteratur. Es sollte eher philosophisch sein, aber nicht unbedingt Fachliteratur aus dem Studium. Auch muss es nicht zwingend ein Sachbuch oder ähnliches sein. Im Gegenteil: wenn ihr einen fiktiven Roman kennt, der dieses Thema sehr schön umsetzt, umso besser. Hier mal meine Anforderungen zusammengefasst:
      • Thema: Bedeutung/ Sinn des Lebens
      • Form: Sachbuch oder Roman
      • Länge: 150-300 Seiten, ungefähr
      • Keine komplizierte Fachliteratur; es sollte Spaß machen beim Lesen und für jedermann/-frau lesbar sein
      • Keine pseudowissenschaftlichen Ratgeber oder Kitsch a la "Der Sinn des Lebens ist die Liebe"


      Ich bin auf eure Vorschläge gespannt :)
    • Thread erst jetzt bemerkt.^^
      @Hugo Ich kann dir „Der Mann, der glücklich sein wollte“ (221 Seiten) empfehlen. Das Buch hatte ich neulich erst gelesen und fand es richtig gut. Würde ich eher dem Nischenbereich
      Sinn des Lebens/Persönlichkeitsentwicklung zuordnen.
      Das Werk ist vom Philosophen und Soziologen Laurent Gounelle und bin nebenbei dabei seinen anderen Roman „Der Philosoph, der nicht mehr denken wollte“ zu lesen.

      Ich füge einfach mal unten die kleine Zusammenfassung des erstgenannten Romans als Anhang mit bei.

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    • Ich kann "Die Pest", "Der Fremde" und weitere Bücher von Albert Camus wärmstens empfehlen. In Die Pest geht es vor allem um einen Arzt aber auch um viele weitere Nebencharaktere, die im Angesicht einer schleichenden Gefahr und von massenhaftem Tod über den Sinn und Unsinn ihres Handelns nachdenken. Gerade jetzt zu Corona-Zeiten ist die Lektüre doppelt interessant. Camus ist als Philosoph bekannt, der sich mit dem Absurden also mit der Frage vom Sinn-suchenden Menschen in einer sinnlosen Welt beschäftigt. Er hat auch Sachbücher bzw. Essays geschrieben (bspw. "Der Mythos des Sisyphos" oder "Der Mensch in der Revolte"), aber gerade die Romane schaffen es m.M.n. die ganze Thematik sehr gut erfahrbar zu machen.

      Außerdem kann ich Bücher wie "Solaris" oder die Kurzgeschichtensammlungen von Stanislav Lem und "Picknick am Wegesrand", sowie "Es ist nicht leicht ein Gott zu sein" der Brüder Strugatzki empfehlen, falls zu mehr auf Science Fiction stehst. Dort geht es ebenfalls um essentielle Fragen der menschlichen Existenz, bspw. um Kommunikation, Macht und Herrschaft oder die Grenzen der menschlichen Wahrnehmungsfähigkeit. Solaris und Picknick am Wegesrand (als STALKER) wurden auch toll von Tarkowski verfilmt.
    • ​​Simon Beckett: ​​Die Verlorenen

      Simon Beckett: Die Verlorenen
      Genre: Thriller

      [Spoilerfreie Rezension]:

      Ja, was soll ich sagen? Ich bin maßlos enttäuscht. Ich bin wahrlich ein großer Fan von Simon Beckett und seinen Thriller-/Kriminalromanen rund um David Hunter (Die Chemie des Todes etc.) gewesen. Sicherlich sind Thriller selten eine Offenbarung an Stilistik oder charakterlicher Tiefe, aber Beckett gelang es doch über mehrere Bände hinweg forensisches Fachwissen mit einem kurzweiligen Erzählstil zu verbinden, um doch grundlegend sehr fesselnde und unterhaltsame Thriller zu schreiben, die zu unterhalten wussten. Perfekt als Lektüre für den Urlaub oder Abwechslung zu dem ein oder anderen schweren Roman.
      Mit Der Hof hat er sich schon vor Jahren an einem alleinstehenden Roman versucht, der in meinen Augen auch nicht wirklich gelungen ist, aber mit Die Verlorenen (engl. The Lost) versucht Beckett offensichtlich eine neue Reihe rund um den Polizisten Jonah Colley zu starten.
      Leider zeigt sich von Becketts Stärken oder sagen wir zumindest mal positiven Eigenschaften (kurzweiliger Schreibstil, durchdachte Handlung, interessante Charaktere) nicht mehr viel. Die Handlung wirkt nach Schema F konstruiert: Traumatisierter Polizist mit komplizierter Vergangenheit wird in ein Verbrechen mit persönlichen Bezug gezogen und stolpert buchstäblich durch die Handlung, die am Ende nur sehr konstruiert aufgelöst werden kann.
      Der Protagonist, Jonah Colley, wirkt hierbei trotz seiner Ausbildung bei einer Spezialeinheit der Polizei unheimlich unbeholfen und überstrapaziert naiv, dass man sich zwischenzeitlich durchaus an den Kopf fassen möchte und nicht hofft, dass Behördenangestellte nicht wirklich so kurzsichtig im Umgang mit Journalisten, Tatorten etc. sein können. Generell bleiben alle Charaktere in diesem Roman blass, charakterlos, austauschbar. Es werden Charaktere eingeführt, die keine Rolle mehr spielen und die Handlung bleibt trotz interessanter Ausgangslage (Korruption, Menschenhandel etc.) erstaunlich spannungsarm, während die zweite Hälfte des Romans daran krankt, dass man den Eindruck gewinnen könnte, dass Beckett erst da klar geworden wäre, dass die Handlung auch tatsächlich aufgelöst werden muss.
      Das Ende bleibt dabei so sehr an den Haaren herbeigezogen, dass ich trotz meiner Zuneigung für die David-Hunter-Reihe keinen weiteren Band der Jonah-Colley-Reihe anfassen werde.

      Ein meiner Meinung nach desaströser Einstieg.

    • Eine Geschichte der europäischen Universität

      von Stefan Fisch

      Dann will ich diesen Thread mal aus der Versenkung heben mit einem etwas unscheinbareren Buch. Der Titel ist der Inhalt in diesem Fall. Es ist ein (relativ kurzes) Buch über die Geschichte der Universität als Institution. Es geht also einerseits um Organisationsgeschichte (wie waren Universitäten organisiert; wie hat sich das geändert?) und andererseits (aus meiner Sicht in geringerem Grade) um Wissensgeschichte (was hat man an Universitäten und um sie herum als 'Wissen' oder später 'Forschung' verstanden?).

      Vorneweg kann ich sagen, dass meine Meinung zu dem Buch gespalten ist. Einerseits finde ich das Thema hochspannend und irgendwo auch wichtig, wenn man bedenkt wie viele von uns eine Ausbildung an einer Universität durchlaufen und welcher Stellenwert ihnen oft eingeräumt wird. Und ich habe beim Lesen auch einiges über die Geschichte der Universitäten gelernt. Andererseits ist das Buch in einem eher mühsamen Stil geschrieben (Akademikerdeutsch), was das Lesen doch unnötig schwierig macht. Gerade die ersten paar Seiten sind richtig mühsam. Dabei gehören sie zu den wichtigsten im ganzen Buch. Ausserdem gibt es gewisse Themen, die ich gerne im Buch behandelt gesehen hätte, welche nur beiläufig erwähnt werden. Aber dazu später mehr.

      Der Aufbau des Buches ist chronologisch. Es beginnt mit den ersten Universitäten, wie und wozu sie gegründet wurden und als was sie sich selbst gesehen haben. Danach werden die Entwicklungen bis zur Aufklärung nachgezeichnet, wobei die Aufmerksamkeit des Autors weitgehend auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands, Frankreichs und Englands liegt.
      Mit der französischen Revolution spaltet sich die Erzählung des Buches in mehrere Teile, da sich die Universitätstraditionen ab diesem Punkt in verschiedenen 'Nationen (oder eher 'Imperien') weitgehend unabhängig entwickelt haben. Die grösste Aufmerksamkeit wird dabei auf die französische Universitätsgeschichte und die deutsche Universitätsgeschichte gelegt. Dazwischen gibt es ein Unterkapitel, welches der Integration von Frauen in die Universitäten gewidmet ist. Es gibt immer wieder Verweise (und manchmal Unterkapitel) auf die Entwicklungen ausserhalb von Frankreich und Deutschland, diese bleiben allerdings eher kurz. Die letzten drei Kapitel sind der Geschichte von Universitäten im Nationalsozialismus, während der BDR/DDR-Zeit und schliesslich den aktuellsten Jahrzehnten gewidmet.

      Wie anfangs erwähnt, behandelt das Buch ein Thema, das mich sehr interessiert, weil es mich tagtäglich betrifft. Es gab immer wieder Momente beim Lesen, wo ich mir dachte: "Das erklärt so viel! Das Verhalten der Leute in meinem Arbeitsalltag macht viel mehr Sinn mit diesem Kontext." Mein Hauptkritikpunkt (abgesehen vom mühsamen Schreibstil) ist, dass es noch ein paar Themen gibt, wo ich solche Erklärungen suche, speziell zur Entwicklung der Hierarchien an Universitäten, dem Selbstverständnis von Akademikern, wer Zugang zu Universitäten hatte, und der Geschichte ihrer Finanzmodelle. Es gab einige Themen, welche im Buch für die Ära des Mittelalters gut beschrieben wurden, danach allerdings für die Moderne nicht mehr aufgegriffen wurden.
      Kurz gesagt: Ein informatives Buch über ein interessantes Thema, welches über gewisse Strecken mühsam geschrieben ist und leider nicht so gründlich ist, wie ich es mir wünschen würde. Wer sich mal mit dem Thema auseinandersetzen will, findet hier einen Ausgangspunkt (die Bibliographie des Buches bietet sicher Möglichkeiten, tiefer zu graben).
      Cause this is Brook!
    • How to stand up to a dictator
      Maria Ressa


      Dieses Buch ist letztendlich eine Autobiographie und das ist der schwächste Teil daran. Allerdings handelt es sich bei der Person um eine Journalistin, die eine zentrale Rolle in der Aufdeckung der staatlichen und Unternehmens-gelenkten Verbreitung von Desinformationen in sozialen Medien gespielt hat und auch heute noch eine zentrale Rolle darin spielt, Gegenmassnahmen zu entwickeln. Das zentrale Thema des Buches sind daher Desinformation, soziale Medien und wie diese von Autokraten, Macht- und Geldhungrigen verwendet werden, um Demokratie und Rechtsstaatlichkeit um die ganze Welt zu erodieren und zerstören. Damit geht es in dem Buch um ein sehr heisses, wichtiges und interessantes Thema.

      Das Buch ist weitgehend chronologisch aufgebaut. Es beginnt vor der Zeit der sozialen Medien, was einen interessanten Einblick in die damalige Welt des Journalismus in den Philippinen und den USA bietet. Daraufhin folgen die Anfänge der sozialen Medien und die Phase, in der die Autorin eine der frühen Zeugen für die Manipulation sozialer Medien für Rufmord, Unterdrückung und den Aufbau einer Diktatur. Dabei kommen auch ein paar andere Schlüsselfiguren in der Erarbeitung unseres heutigen Wissens zur Sprache, wie zum Beispiel der Whistleblower für den Cambridge Analytica Skandal. Im letzten Teil des Buches kommen Massnahmen -- kurz-, mittel-, und langfristig -- gegen die Zerstörung des öffentlichen Informationsnetzwerkes in den Fokus.

      Besonders erwähnenswert sind die Beschreibungen davon, wie Datenanalyse für die Investigation von Desinformation verwendet wird. Das Buch geht nirgendwo in technische Details, aber es ist genug da, inklusive einiger hilfreicher visueller Darstellungen und Grafiken, um einen kleinen Einblick in diese Welt zu kriegen. Wer sich mit Netzwerk- und Datenanalyse ein wenig mehr auskennt, mag schon aus den Beschreibungen und Grafiken eine wesentlich konkretere Vorstellung davon kriegen, wie die Autorin, ihr Unternehmen und andere Journalisten bei Investigationen im Cyberspace vorgehen und welche Hilfsmittel sie haben.

      Wer sich für Desinformation, psychologische Kriegsführung im Cyberspace und Manipulation im Cyberspace interessiert, aber kein technisches Vorwissen hat, ist mit diesem Buch sicher gut beraten. Für Spezialisten mag es interessant sein die Anfänge der Geschichte von Desinformation im Cyberspace durch dieses Buch mitzuerleben.
      Cause this is Brook!
    • Mario und der Zauberer – ein tragisches Reiseerlebnis

      Meine erste Buchkritik, bitte nicht zu hart mit meiner Einordnung ins Gericht gehen :D



      Mario und der Zauberer ist eine Novelle, die im faschistischen Italien spielt. Die Hauptsaison der Badezeit des Städtchens am Badestrand neigt sich langsam dem Ende zu, aber wird noch von der Mittelschicht des Staates Mussolinien bevölkert. Das Kind des Erzählers erhält die Erlaubnis nackt vom Badestrand ins Wasser zulaufen und wieder zurückzukommen. Ein Ansturm an Hohn, Anstoß und Widerspruch galt der kompletten Familie so musste sie einen hohen Betrag von 50 Lire zahlen.


      Es wird beschrieben, dass viele Eigenarten der Italiener nicht mehr so seien, wie sie einst waren, es wird von einem Fehlen der Atmosphäre von Unschuld und Zwanglosigkeit (S. 16) gesprochen; die „Idee der Nation“ (Ebd.) geht umher. So sah man den Nacktgang des Kindes als eine Beleidigung gegenüber den Staat und ihrer Bevölkerung. Eine Stimmung, die im Ganzen eher bedrohlich als entspannend bzw. „urlaubig“ ist, da auf die Wortwahl sowie das Verhalten geachtet werden muss. Der Autor fragt sich, ob man nun abreisen sollte, wenn sich das Leben „unheimlich, nicht ganz geheuer oder etwas peinlich und kränkend“ (S. 20) anfühlt. Darauf kommt, dass man bleiben solle, es sich ansehen und sich dem aussetzen solle, eben weil man dadurch vielleicht etwas lernen könnte (à Thomas Mann verlässt Deutschland selbst nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten). Der Plot geht weiter und die Familie besucht einen Zauberkünstler Cipolla, der sich um etwa eine halbe Stunde verspätet, was für Unruhe bei der Familie sorgt, weil die Kinder auch alsbald ins Bett müssten (Zeitdruck). Cipolla macht vielfache Zaubertricks, und lässt sein Publikum ihm mit seiner Peitsche gehorchen. Der unbedingte Gehorsam, sei nur die Kehrseite, andere Menschen befehlen zu wollen. Ähnlich wie im Hauptmann von Köpenick nach Oben buckeln nach unten treten (damit man Aufsteigen kann wird gehorcht und sich erhofft befehlen zu können). Schließlich sagt er noch „wer zu gehorchen wisse, der wisse auch zu befehlen und ebenso umgekehrt“ (S. 45).


      Weitere Kuriositäten finden statt und die Pause trifft ein. Der Erzähler zieht einen Vergleich, eine Personifikation des Ortes Torre Di Venere in dem Zauberkünstler Cipolla. Dass die Veranstaltung nicht Verlassen wird ist „unserer bloßen Seßhaftigkeit“ (S. 49) anzukreiden, etwas anderes weiß der Autor nicht anzubringen. Die zweite Hälfte des Programms diente Cipolla der Demonstration der Willensentziehung und Willensaufnötigung. Noch etwa 5-10 Seiten bis zum Ende und ich wusste nicht genau, welche Stellung Mario nun haben wird, da es sich langsam dem Ende zuspitzt, weshalb ich die vorherigen relevanten Plotteile mit einer anderen Sicht betrachtete. DAS ist die Handlung; die Willensentziehung und Oktroyierung des Führers Willen. Was Mario im Endeffekt mit der Novelle zu tun hat, vermag ich an dieser Stelle nicht zu beschreiben, damit die Lektüre gelesen und in dieser wunderschönen Ausgabe gekauft wird. So viel sei gesagt, dass der Vater letztendlich mit den Kindern aus dem Saal des Zauberkünstlers flüchtet. Bis zum Ende ist ein bedrohliches Setting zu spüren. Ein tragisches im Hinblick auf Manns Vergangenheit und Geschichte mit Italien.


      Im Nachwort findet man Informationen über den Entstehungsprozess der Novelle. Thomas Mann reiste im Spätsommer des Jahres 1926 in eine italienische Küstenstadt, seine Familie und Kinder mit dabei. Ihm fiel auf, dass ein fremdenfeindlicher nationaler Gemütszustand die Ortschaft prägte. Als „Italienliebhaber“ (S. 74) fand er den Gemütszustand „widerwärtig“ (Ebd.), was als schädlicher Einfluss des Duce Benito Mussolini gesehen wurde. Er bezeichnete seine Eindrücke als einen zivilisatorischen Niveauverlust. Die nackende Tochter des Autoren während des Badeurlaubs wurde als eine Beleidigung Italiens aufgeführt, womit das mussolinische Regime und deren „veränderte Verhaltens der gesamten modernen Welt zum menschlichen Körper“ gemeint war; ein regressives Handeln gegenüber der modernen Welt, was den menschlichen Körper angeht. Noch im Jahre 1928 (also noch vor dem eigentlichen Schreibprozess) machte Mann dem deutschen Volke darauf Aufmerksam auch „Vor der eigenen Türe [zu] kehren“, womit gemeint war, dass auch in Deutschland der Faschismus auf den Straßen lauerte und sich bereit hält den Reichstag zu invadieren, was mit der Machtergreifung 1933 auch geschah. Immer wieder ermahnte Mann mit einem „Appel an die Vernunft“ vor dem ansteigenden Nationalsozialismus der später Weimarer Republik. Im Nachwort wird weiter darauf eingegangen, dass Mann sich wahrscheinlich bewusst gewesen ist, dass „Deutschland von der Mario und der Zauberer beschworen“ (S. 82) und sich mit dem Faschismus angesteckt hatte:




      Vaget schrieb:

      Und Wiewohl er sich einzureden versuchte, dass ein Cipolla in Deutschland nicht möglich sei, konnte er schwerlich die Lehre seiner Novelle ignorieren – die Lehre, dass auf die Widerstandskraft der deutschen Bürger gegenüber einem Bruder Cipollas nicht zu zählen war. (S. 83f.)
      An dieser Stelle eine klare Leseempfehlung für Mario und der Zauberer inklusive Nachwort von Hans Rudolf Vaget mit historischer Einordnung. Vielleicht hätte man noch ein bissiges Resümee für die heutige Zeit schreiben können, in der Populismus und Nationalismus sich in den europäischen Landen wieder erheben und sich gegenseitig den Rücken stärken.
    • Stephen King - Fairy Tale (2022)

      Ich habe mich mal wieder an einen Stephen King Roman Schinken herangewagt als Geburtstagsgeschenk.
      Ich lese gerne seine Werke - ob Romane oder Kurzgeschichten - und immer wieder schafft Er es mich in seinen Bann zu ziehen.
      Fairy Tale war es, welches am 14. September 2022 im deutschen Handel erschien.

      Worum geht es?

      Der 17 Jährige Charlie Reade freundet sich mit einem alten Mann namens Mrs. Bowditch an und nach dessen Tod erbt Er nicht nur sein viktorianisches Haus samt seiner deutschen Schäferhündin Radar sondern auch den Weg zu einer märchenhaften Welt im Schuppen seines Grundstückes.
      Im Land Empis erlebt Charlie zusammen mit Radar ein Abenteuer wie in einem Märchen mit all seinen schönen wie auch düsteren Seiten.

      Der Roman ist mit stolzen 893 Seiten ein echter King Schinken und verdammt ... sobald man nur angefangen hat darin zu lesen bist Du schon in seiner Welt verloren.
      Natürlich beginnt die Story typisch King verhalten und normal über die ersten 200-300 Seiten, aber danach nimmt es so richtig Fahrt auf und man spürt regelrecht in seinen Gedanken und Vorstellung wie die Welt um einen schwindet und man hinein mit Charlie und Radar durch Empis wandert.

      Ich bin kein großer Fantasy Roman Leser und meide seit ich King Fan bin die gesamte Dunkle Turm Bücher und Graphic Novel Reihe, weil ich einfach keine Lust und auch keine Motivation habe sein Epos Werk auf 7 Büchern und vielen GN zu lesen.
      Aber mit Fairy Tale hat er wieder einmal einen Fantasy Roman erschaffen, der keine großen Anlaufschwierigkeiten braucht um in Fahrt zu kommen und man sofort mitten in dieser Welt ist.

      Und ich kann jedem nur die Taschenbuch Ausgabe mit den Illustrationen ans <3 legen!
      Dies hat unglaublich stark dabei geholfen, viele Charaktere und Dinge im Roman bildlicher vorzustellen.
      Jede Illustration ist Gold wert für jedes Kapitel und man merkt kaum wie schnell die Zeit um einen herum verfliegt.

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      Aber ich bin auch froh, dass King mit Fairy Tale eine Abgeschlossene Handlung geschrieben hat ohne Hintertür für irgendein Sequel - Prequel - Year One - After Time.
      Dieser Roman hat ein gutes Ende und eines, womit man als eingefleischter King Fan absolut im Reinen ist und vielleicht als ein reiner Fantasy Leser auch sein Frieden findet mit dem Ende.

      4,5 / 5 Punkte. :thumbup: