Early this mornin', when you knocked upon my door
Early this mornin', oooh, when you knocked upon my door
And I said, "Hello, Satan, I believe it’s time to go"
Early this mornin', oooh, when you knocked upon my door
And I said, "Hello, Satan, I believe it’s time to go"
Das sind die einleitenden Worte der ersten Strophe vom Song Me and the Devil Blues der Blues-Legende Robert Johnson. Auf Grundlage dieses Meilensteins der Musikgeschichte kreierte Hiramoto Akira ab Anfang 2004 ein kleines Manga-Juwel, welches nachfolgend kurz vorgestellt werden soll. (Zur Feier meines 1.000. Posts im PB, da wollte ich doch etwas Stimmungsvolles und qualitativ Hochwertiges, also entschied ich mich für einen Serienthread. Danach zermaterte ich mir mein Hirn, welcher Manga es wert wäre und meine Wahl fiel also schließlich auf diesen Titel.)
Über den Autor:
Der Mann hinter dem Werk nennt sich Hiramoto Akira, wahrscheinlich den wenigsten Usern hier im Board ein Begriff und ich muss einräumen, dass auch ich nur vergleichsweise wenig zu ihm sagen kann, da er sich vorzugsweise bedeckt hält. Im Jahr 1995 gab er sein Debüt im Weekly Young Magazine von Kodansha mit der Kurzgeschichte Sono tomodachi ni gimon ari.
Drei Jahre später gelang Hiramoto dann sein großer Wurf und er kreierte einen 32 Taschenbücher umfassenden, über 11 Jahre laufenden Gag-Titel der Extraklasse: Agonashi Gen to ore monogatari (dt. Die Erzählung vom kinnlosen Gen und mir). Die Abenteuer des kinnlosen Gen oder wie die Japaner es auch in Kurzform nannten AgoGen waren Hiramotos großer Durchbruch und er machte sich durchaus einen Namen. 2009 endete AgoGen.
Im Jahr 2004 erschien in der Februar-Ausgabe der Monthly Afternoon der Titel, um den es in diesem Thread gehen soll. Von 2007-2008 schuf Hiramoto den humorlastigen Erotiktitel Yarisugi Companion to atashi monogatari (Dt. Die Erzählung der Hostess, die es stets übertreibt und mir), der ebenfalls wieder im angestammten Young Magazine erschien. Dort veröffentlicht Hiramoto seit Anfang diesen Jahres auch seine neueste Serie Prison School.
Allgemeine Informationen:
Story
Handlungsort sind die Staaten der späten 1920er, der Sezessionskrieg des 19. Jahrhunderts mag einige Jahrzehnte zurückliegen, doch von einer wirklichen Emanzipation der schwarzen Bevölkerungsschicht ist man noch weit entfernt. Allgemeine Segregation und Lynchjustiz bestimmen das Bild der Zeit.
Hauptperson der Geschichte ist der junge RJ, ein Afroamerikaner, der den ganzen Tag nichts anderes tut als auf dem Feld zu schuften, um des Abends in seine kleine Hütte, die er mit seiner schwangeren Gattin Virginia bewohnt, zurückzukehren. Des Wochenendes geht es schließlich in die Kirche und der Zyklus beginnt zum Wochenanfang von vorne. Die einzige Freude, die RJ in diesem harten und monotonen Alltag bleibt, sind die Besuche des Juke Joints, der lokalen Kneipe für die schwarze Gemeinde, in der Musik, Alkohol und Tanz regieren.
RJs größter Wunsch ist es Blues-Musiker zu werden. Doch gibt es da mehr als bloß ein Problem. Manch einer möchte dies als mangelndes Talent bezeichnen, andere hingegen mit der simplen Tatsache, dass RJ den Blues nicht lebt oder gar versteht.
Es existiert jedoch eine Legende, die besagt, dass man einen Pakt mit dem Teufel eingehen kann, wenn man auf einer Straßenkreuzung ein Lied auf seiner Gitarre spielt. Wie es der Zufall so will – war es wirklich Zufall oder doch eher Schicksal? –, findet sich RJ nach einer durchzechten Nacht auf einer Kreuzung wieder und spielt… was einige schwerwiegende Folgen haben soll!
Artwork – 10/10 Punkte:
Es fehlen mir eigentlich die Worte, um das Artwork dieses Titels zu beschreiben. Es ist einfach verdammt genial und technisch auf irrsinnig hohem Niveau. Selbst in die kleinsten Panels quetscht Hiramoto noch soviel Details und arbeitet sie so fabelhaft aus, dass man eigentlich nicht anders kann, als seinen Hut zu ziehen. Die Zeichnungen wirken realistisch und stimmungsvoll, besonders sei hierbei die Atmosphäre hervorgehoben. Es mag viele Zeichner geben, die bestimmte Emotionen und Eindrücke gut umzusetzen wissen (Tragik, Düsterkeit, Badassery, Dynamik, etc.), Hiramoto kann all das und zu weiten Teilen besser als manch einer seiner Kollegen sich nur erträumen lassen kann. Gleichzeitig ist das Artwork nicht stereotyp oder ekelhafter Mainstream-Käse, nein, der Zeichner kann auch expressiv und experimentell arbeiten und er tut das, wenn ihm danach steht und es die Situation verlangt.
Ich kann wenig schlechte Worte über den optischen Aspekt, quasi die Verpackung der Geschichte, verlieren – kleine Kritik ist vielleicht, dass man in ein paar wenigen der düsteren Szenen Probleme haben könnte, alle Details im Bild zu erfassen –, darum werde ich wie immer lieber die Bilder sprechen lassen. Absolut willkürlich ausgewählt, glaubt mir, wenn ihr einen Manga mit durchweg hohem künstlerischen Niveau lesen wollt, dann gehört dieses Werk zu meinen Top-10-Empfehlungen an euch.
Plot – 9/10 Punkte:
Es ist schwierig den Plot den Manga groß zu bewerten, da die Geschichte auf Metaebene eigentlich noch im Anfangsstadium steckt, d.h. der Hauptplot ist weit davon entfernt aufgelöst zu sein. Es bleiben uns also nur die einzelnen kleinen Kapitel und Arcs, die trotz allem zu gefallen wissen und auch für ein großes Maß an Spannung sorgen.
Im Zentrum der Geschichte bewegt sich, wie angefügt, RJ. Nicht zuletzt der Titel verrät, dass es sich bei diesem um eine Anlehnung an den großen Robert Johnson handelt, dessen Biographie und Karriere mehr als nur ein paar Fragen aufwirft und von Mysterien und Mythen umrankt wird. Selbstverständlich sind Johnson und RJ nicht deckungsgleich, Hiramoto bewegt sich durchaus von der Vorlage weg und lässt seine Figur für sich agieren. Nicht zuletzt das übernatürliche Moment des Manga kommt hier zum Tragen.
Doch ist RJ nicht Alleinunterhalter und einzige Reflexionsfigur des Lesers. So steht ein Zeitgenosse von Robert Johnson ebenfalls im Zentrum der Geschichte: Clyde Barrow! (Japp, der legendäre Ganove mit seiner besseren Hälfte Bonnie.) Und auch dessen Biographie wird von Hiramoto neu geschrieben und so kommt es schließlich zum Aufeinandertreffen des gesellschaftlich geächteten RJ und des abgebrannten Kriminellen Clyde.
Was mir bei der Geschichte seiner Zeit Probleme bereitet hat, war die Chronologie des Geschehenen bzw. auch die Handlungsebenen. Dies fiel mir auch wieder ins Auge als ich den Manga nochmals für diesen Thread überblättert habe. Ein paar Beispiele hierfür finden sich m.E. vorwiegend in Band 1: RJs Hintergrundgeschichte (vom Lümmel zur Legende, was dauerte wie lange? Welche Szene sind Einbildung und Alkohol-Phantasien?) sowie die Einführungsszene von Bonnie und Clyde (Erwähnung von RJ?) seien als Exempel angefügt.
Vielleicht möchte sich der ein oder andere ja an einer Interpretation und Aufwicklung der Handlungs- und Zeitebenen versuchen. Ich wäre gleichermaßen gespannt und dankbar!
Charaktere – 9/10 Punkte:
Ein Großteil der Figuren, besonders im ersten Band der Geschichte, dienen als Stützpfeiler der Handlung. Es handelt sich hierbei also tatsächlich weniger um echte Charaktere als um Typen. Wir haben um den Hauptcharakter eine Traube an solchen Figuren geschart. Trotz allem sind die Figuren nicht langweilig, im Gegenteil, und zudem besitzen viele von ihnen eine erfrischende Glaubhaftigkeit in all ihrer Einseitigkeit (ein Paradebeispiel wären Bessie und ihr Ehemann).
Darüber hinaus werden die tragenden Figuren der Geschichte auch entsprechend ausgearbeitet. Faszinierend ist hierbei wie wenig Zeit Hiramoto dafür benötigt. Ich weiß nicht, ob es am Artwork liegt (dass man beispielsweise allein in den Gesichtern der Charaktere einen Teil ihrer Lebensgeschichte ablesen kann), aber Figuren wie Sheriff und Gefolgschaft hatten binnen kürzester Zeit ein Wesen, durch das man sie einschätzen wusste. Insbesondere gilt es zwei Figuren hervorzuheben, die es mir besonders angetan haben: Clyde und Mr. McDonald.
Zu ersterem will ich noch ein paar Worte verlieren, quasi als Heißmacher: Clyde ist die coolste Sau in diesem Manga und auch einer der interessanteren Charaktere, die ich in den letzten paar Jahren erlebt habe. Irgendwo zur Halbzeit des Manga hin stiehlt er RJ ganz einfach die Show und etabliert sich zur primären handlungstreibenden Kraft. Er wandelt dabei zwischen Extremen und Gegensätzen, bleibt sich im Grunde jedoch durchaus treu. Auf der einen Seite cholerische, psychopathische Drecksau und doch hat er durchaus seine ehrenvollen Momente. (Auch wenn er dies als Bedachtsein auf den eigenen Vorteil verpacken mag.)
Themen und Motive – 8/10:
Wie auch schon bei meinem Thread zu Cesare muss ich diesen Abschnitt mit einer Frage einleiten, weil sich das Hauptthema des Manga mE in den ersten vier Bänden noch nicht in all seiner Klarheit erkennen lässt. Was also könnte es sein? Ich möchte diese Frage jeden für sich entscheiden lassen und picke mir daher ein paar der wichtigsten Aspekte und Hintergründe heraus:
Sehr schön finde ich von vornherein schon einmal das Setting der Geschichte. Es ist faszinierend, was für ein – so denke ich zumindest, wenn ich mein Wissen über Zeit/Land heranziehe – authentisches und stimmiges Bild der Autor geschaffen hat. Nicht nur optisch (Personen, Kleidung/Mode/Accessoires, etc.), sondern auch inhaltlich hat Hiramoto hier wirklich seine Hausaufgaben wirklich gemacht! Glaubhafte Dialoge und ein akkurates Bild der Mentalität verschiedenster Bevölkerungsteile (Rassismus, Religion und Religiösität, damit verbunden die Prohibition in weiten Teilen der USA in dem Zeitrahmen), all dies tut sein übriges.
Daran anknüpfend selbstverständlich überhaupt die tolle und abwechslungsreiche Idee a) einen Manga über Blues (dessen Prinzipien und Philosophie) im Allgemeinen, aber natürlich auch b) der Versuch der tragenden Figur des Delta-Blues’ einen kleinen Denkstein zu setzen und dessen mysteriöse Biographie unter die Lupe zu nehmen und wenn nötig auszuschmücken. Auch wenn sich der Autor seine Freiheiten genommen hat, so steht dieses Anliegen wohl zweifelsohne im Zentrum seines Werks. Hieran angeschlossen sei erwähnt, dass Hiramoto hier nicht einfach eigene, freie Umsetzung von Originalstoff liefert. Er hat sich mit Nagai "Hotoke" Takashi einen Experten zur Seite geholt, der zu den prägendsten Köpfen der japanischen Blues-Szene gehört und seit knapp 40 Jahren aktiv Blues spielt. Und gleichzeitig hat Hiramoto hier diverse Versatzstücke gesammelt und auf interessante Weise zusammengesetzt: so existieren über Johnsons Werdegang als Musiker tatsächlich Theorien und die abenteuerlichste spekuliert tatsächlich über einen Teufelspakt. Darüber hinaus spielen sowohl die Songs Me and the Devil Blues als auch Crossroad in diesem Manga eine Rolle wie sich schnell erkennen lässt.
Der größte Wermutstropfen liegt bei diesem Manga zweifelsohne in seinem unschönen Ende, welches den Leser irgendwo zwischen Hunger auf mehr und dicken Fragezeichen des Ungewissen zurücklässt. Wird die Geschichte je fortgesetzt? Oder müssen wir uns doch mit diesem Abschluss zufrieden geben? Fakt ist: je mehr Zeit vergeht, desto unwahrscheinlich wird eine Fortsetzung. Hoffnungsschimmer ist, dass Hiramoto nach wie vor an Kodansha gebunden bleibt und seine aktive Karriere noch nicht beendet hat…
Trotz allem handelt es sich hier um einen äußerst gelungenen Manga mit einem atemberaubenden und stimmungsreichen Artwork. Da ich immer so viele Klagerufe höre, dass die Leute nicht zu lange Serien lesen wollen, sollte dieser Titel mit seinen vorerst vier Bänden auch für jene Kandidaten im Rahmen des Möglichen sein.
Über den Autor:
Der Mann hinter dem Werk nennt sich Hiramoto Akira, wahrscheinlich den wenigsten Usern hier im Board ein Begriff und ich muss einräumen, dass auch ich nur vergleichsweise wenig zu ihm sagen kann, da er sich vorzugsweise bedeckt hält. Im Jahr 1995 gab er sein Debüt im Weekly Young Magazine von Kodansha mit der Kurzgeschichte Sono tomodachi ni gimon ari.
Drei Jahre später gelang Hiramoto dann sein großer Wurf und er kreierte einen 32 Taschenbücher umfassenden, über 11 Jahre laufenden Gag-Titel der Extraklasse: Agonashi Gen to ore monogatari (dt. Die Erzählung vom kinnlosen Gen und mir). Die Abenteuer des kinnlosen Gen oder wie die Japaner es auch in Kurzform nannten AgoGen waren Hiramotos großer Durchbruch und er machte sich durchaus einen Namen. 2009 endete AgoGen.
Im Jahr 2004 erschien in der Februar-Ausgabe der Monthly Afternoon der Titel, um den es in diesem Thread gehen soll. Von 2007-2008 schuf Hiramoto den humorlastigen Erotiktitel Yarisugi Companion to atashi monogatari (Dt. Die Erzählung der Hostess, die es stets übertreibt und mir), der ebenfalls wieder im angestammten Young Magazine erschien. Dort veröffentlicht Hiramoto seit Anfang diesen Jahres auch seine neueste Serie Prison School.
Allgemeine Informationen:
- Serie: Me and the Devil Blues (von Hiramoto Akira)
- Genre: Drama, Historie, Übernatürliches, Musik, Philosophie
- Magazin: Monthly Afternoon (2004-2008*)
- Status: 4 Bände in Japan erschienen; Scanlations 100%
- Anmerkung: Der Manga erschien in den Jahren 2004 bis 2008 in der Afternoon. Aufgrund Hiramotos parallelen Arbeitens an diversen Projekten und einem persönlichen "Krea-Tief" litten die Erscheinungsintervalle von der Serie sehr und ab der April-Ausgabe pausierte der Manga schließlich. Interessant ist nun, dass ab der Juli-Ausgabe der Hinweis auf die Pause des Manga ausbleiben sollte und auch seither keine Neuigkeiten zu diesem Punkt kamen. Es existiert kein offizielles Statement über ein Ende oder den Verbleib der Serie. Manche denken, sie wurde abgesägt, andere spekulieren auf einen unbefristeten Hiatus. Vergangenes Jahr kamen Gerüchte über eine Fortführung der Serie auf, bisher blieben es jedoch nur Gerüchte…
Story
Handlungsort sind die Staaten der späten 1920er, der Sezessionskrieg des 19. Jahrhunderts mag einige Jahrzehnte zurückliegen, doch von einer wirklichen Emanzipation der schwarzen Bevölkerungsschicht ist man noch weit entfernt. Allgemeine Segregation und Lynchjustiz bestimmen das Bild der Zeit.
Hauptperson der Geschichte ist der junge RJ, ein Afroamerikaner, der den ganzen Tag nichts anderes tut als auf dem Feld zu schuften, um des Abends in seine kleine Hütte, die er mit seiner schwangeren Gattin Virginia bewohnt, zurückzukehren. Des Wochenendes geht es schließlich in die Kirche und der Zyklus beginnt zum Wochenanfang von vorne. Die einzige Freude, die RJ in diesem harten und monotonen Alltag bleibt, sind die Besuche des Juke Joints, der lokalen Kneipe für die schwarze Gemeinde, in der Musik, Alkohol und Tanz regieren.
RJs größter Wunsch ist es Blues-Musiker zu werden. Doch gibt es da mehr als bloß ein Problem. Manch einer möchte dies als mangelndes Talent bezeichnen, andere hingegen mit der simplen Tatsache, dass RJ den Blues nicht lebt oder gar versteht.
Es existiert jedoch eine Legende, die besagt, dass man einen Pakt mit dem Teufel eingehen kann, wenn man auf einer Straßenkreuzung ein Lied auf seiner Gitarre spielt. Wie es der Zufall so will – war es wirklich Zufall oder doch eher Schicksal? –, findet sich RJ nach einer durchzechten Nacht auf einer Kreuzung wieder und spielt… was einige schwerwiegende Folgen haben soll!
Artwork – 10/10 Punkte:
Es fehlen mir eigentlich die Worte, um das Artwork dieses Titels zu beschreiben. Es ist einfach verdammt genial und technisch auf irrsinnig hohem Niveau. Selbst in die kleinsten Panels quetscht Hiramoto noch soviel Details und arbeitet sie so fabelhaft aus, dass man eigentlich nicht anders kann, als seinen Hut zu ziehen. Die Zeichnungen wirken realistisch und stimmungsvoll, besonders sei hierbei die Atmosphäre hervorgehoben. Es mag viele Zeichner geben, die bestimmte Emotionen und Eindrücke gut umzusetzen wissen (Tragik, Düsterkeit, Badassery, Dynamik, etc.), Hiramoto kann all das und zu weiten Teilen besser als manch einer seiner Kollegen sich nur erträumen lassen kann. Gleichzeitig ist das Artwork nicht stereotyp oder ekelhafter Mainstream-Käse, nein, der Zeichner kann auch expressiv und experimentell arbeiten und er tut das, wenn ihm danach steht und es die Situation verlangt.
Ich kann wenig schlechte Worte über den optischen Aspekt, quasi die Verpackung der Geschichte, verlieren – kleine Kritik ist vielleicht, dass man in ein paar wenigen der düsteren Szenen Probleme haben könnte, alle Details im Bild zu erfassen –, darum werde ich wie immer lieber die Bilder sprechen lassen. Absolut willkürlich ausgewählt, glaubt mir, wenn ihr einen Manga mit durchweg hohem künstlerischen Niveau lesen wollt, dann gehört dieses Werk zu meinen Top-10-Empfehlungen an euch.
Plot – 9/10 Punkte:
Es ist schwierig den Plot den Manga groß zu bewerten, da die Geschichte auf Metaebene eigentlich noch im Anfangsstadium steckt, d.h. der Hauptplot ist weit davon entfernt aufgelöst zu sein. Es bleiben uns also nur die einzelnen kleinen Kapitel und Arcs, die trotz allem zu gefallen wissen und auch für ein großes Maß an Spannung sorgen.
Im Zentrum der Geschichte bewegt sich, wie angefügt, RJ. Nicht zuletzt der Titel verrät, dass es sich bei diesem um eine Anlehnung an den großen Robert Johnson handelt, dessen Biographie und Karriere mehr als nur ein paar Fragen aufwirft und von Mysterien und Mythen umrankt wird. Selbstverständlich sind Johnson und RJ nicht deckungsgleich, Hiramoto bewegt sich durchaus von der Vorlage weg und lässt seine Figur für sich agieren. Nicht zuletzt das übernatürliche Moment des Manga kommt hier zum Tragen.
Doch ist RJ nicht Alleinunterhalter und einzige Reflexionsfigur des Lesers. So steht ein Zeitgenosse von Robert Johnson ebenfalls im Zentrum der Geschichte: Clyde Barrow! (Japp, der legendäre Ganove mit seiner besseren Hälfte Bonnie.) Und auch dessen Biographie wird von Hiramoto neu geschrieben und so kommt es schließlich zum Aufeinandertreffen des gesellschaftlich geächteten RJ und des abgebrannten Kriminellen Clyde.
Was mir bei der Geschichte seiner Zeit Probleme bereitet hat, war die Chronologie des Geschehenen bzw. auch die Handlungsebenen. Dies fiel mir auch wieder ins Auge als ich den Manga nochmals für diesen Thread überblättert habe. Ein paar Beispiele hierfür finden sich m.E. vorwiegend in Band 1: RJs Hintergrundgeschichte (vom Lümmel zur Legende, was dauerte wie lange? Welche Szene sind Einbildung und Alkohol-Phantasien?) sowie die Einführungsszene von Bonnie und Clyde (Erwähnung von RJ?) seien als Exempel angefügt.
Vielleicht möchte sich der ein oder andere ja an einer Interpretation und Aufwicklung der Handlungs- und Zeitebenen versuchen. Ich wäre gleichermaßen gespannt und dankbar!
Charaktere – 9/10 Punkte:
Ein Großteil der Figuren, besonders im ersten Band der Geschichte, dienen als Stützpfeiler der Handlung. Es handelt sich hierbei also tatsächlich weniger um echte Charaktere als um Typen. Wir haben um den Hauptcharakter eine Traube an solchen Figuren geschart. Trotz allem sind die Figuren nicht langweilig, im Gegenteil, und zudem besitzen viele von ihnen eine erfrischende Glaubhaftigkeit in all ihrer Einseitigkeit (ein Paradebeispiel wären Bessie und ihr Ehemann).
Darüber hinaus werden die tragenden Figuren der Geschichte auch entsprechend ausgearbeitet. Faszinierend ist hierbei wie wenig Zeit Hiramoto dafür benötigt. Ich weiß nicht, ob es am Artwork liegt (dass man beispielsweise allein in den Gesichtern der Charaktere einen Teil ihrer Lebensgeschichte ablesen kann), aber Figuren wie Sheriff und Gefolgschaft hatten binnen kürzester Zeit ein Wesen, durch das man sie einschätzen wusste. Insbesondere gilt es zwei Figuren hervorzuheben, die es mir besonders angetan haben: Clyde und Mr. McDonald.
Zu ersterem will ich noch ein paar Worte verlieren, quasi als Heißmacher: Clyde ist die coolste Sau in diesem Manga und auch einer der interessanteren Charaktere, die ich in den letzten paar Jahren erlebt habe. Irgendwo zur Halbzeit des Manga hin stiehlt er RJ ganz einfach die Show und etabliert sich zur primären handlungstreibenden Kraft. Er wandelt dabei zwischen Extremen und Gegensätzen, bleibt sich im Grunde jedoch durchaus treu. Auf der einen Seite cholerische, psychopathische Drecksau und doch hat er durchaus seine ehrenvollen Momente. (Auch wenn er dies als Bedachtsein auf den eigenen Vorteil verpacken mag.)
Themen und Motive – 8/10:
Wie auch schon bei meinem Thread zu Cesare muss ich diesen Abschnitt mit einer Frage einleiten, weil sich das Hauptthema des Manga mE in den ersten vier Bänden noch nicht in all seiner Klarheit erkennen lässt. Was also könnte es sein? Ich möchte diese Frage jeden für sich entscheiden lassen und picke mir daher ein paar der wichtigsten Aspekte und Hintergründe heraus:
Sehr schön finde ich von vornherein schon einmal das Setting der Geschichte. Es ist faszinierend, was für ein – so denke ich zumindest, wenn ich mein Wissen über Zeit/Land heranziehe – authentisches und stimmiges Bild der Autor geschaffen hat. Nicht nur optisch (Personen, Kleidung/Mode/Accessoires, etc.), sondern auch inhaltlich hat Hiramoto hier wirklich seine Hausaufgaben wirklich gemacht! Glaubhafte Dialoge und ein akkurates Bild der Mentalität verschiedenster Bevölkerungsteile (Rassismus, Religion und Religiösität, damit verbunden die Prohibition in weiten Teilen der USA in dem Zeitrahmen), all dies tut sein übriges.
Daran anknüpfend selbstverständlich überhaupt die tolle und abwechslungsreiche Idee a) einen Manga über Blues (dessen Prinzipien und Philosophie) im Allgemeinen, aber natürlich auch b) der Versuch der tragenden Figur des Delta-Blues’ einen kleinen Denkstein zu setzen und dessen mysteriöse Biographie unter die Lupe zu nehmen und wenn nötig auszuschmücken. Auch wenn sich der Autor seine Freiheiten genommen hat, so steht dieses Anliegen wohl zweifelsohne im Zentrum seines Werks. Hieran angeschlossen sei erwähnt, dass Hiramoto hier nicht einfach eigene, freie Umsetzung von Originalstoff liefert. Er hat sich mit Nagai "Hotoke" Takashi einen Experten zur Seite geholt, der zu den prägendsten Köpfen der japanischen Blues-Szene gehört und seit knapp 40 Jahren aktiv Blues spielt. Und gleichzeitig hat Hiramoto hier diverse Versatzstücke gesammelt und auf interessante Weise zusammengesetzt: so existieren über Johnsons Werdegang als Musiker tatsächlich Theorien und die abenteuerlichste spekuliert tatsächlich über einen Teufelspakt. Darüber hinaus spielen sowohl die Songs Me and the Devil Blues als auch Crossroad in diesem Manga eine Rolle wie sich schnell erkennen lässt.
Der größte Wermutstropfen liegt bei diesem Manga zweifelsohne in seinem unschönen Ende, welches den Leser irgendwo zwischen Hunger auf mehr und dicken Fragezeichen des Ungewissen zurücklässt. Wird die Geschichte je fortgesetzt? Oder müssen wir uns doch mit diesem Abschluss zufrieden geben? Fakt ist: je mehr Zeit vergeht, desto unwahrscheinlich wird eine Fortsetzung. Hoffnungsschimmer ist, dass Hiramoto nach wie vor an Kodansha gebunden bleibt und seine aktive Karriere noch nicht beendet hat…
Trotz allem handelt es sich hier um einen äußerst gelungenen Manga mit einem atemberaubenden und stimmungsreichen Artwork. Da ich immer so viele Klagerufe höre, dass die Leute nicht zu lange Serien lesen wollen, sollte dieser Titel mit seinen vorerst vier Bänden auch für jene Kandidaten im Rahmen des Möglichen sein.