Last but not least möchte ich ein Trio komplettieren. „Welches Trio?“ wird manch einer fragen und die Antwort ist schnell gegeben. – Die Rede ist von gut recherchierten, realistischen Epen über europäische Geschichte. Manga-Kennern kommt bei dieser Beschreibung ein Dreigespann von Titeln in den Sinn: Iwaakis Historie (griechische Antike) [seit 2004], Yukimuras Vinland Saga (nordische Geschichte der Wikinger) [seit 2005] und Cesare (italienische Renaissance) [ebenfalls 2005].
Alle drei Titel zeichnen sich durch ihre ausführliche Recherche der historischen Fakten und Begebenheiten sowie ihre Liebe zum Detail aus. Die Frau hinter Cesare ist Sōryō Fuyumi, eine alteingesessene Zeichnerin, die ihr Debüt bereits Anfang der 80er Jahre feiern konnte. Sōryō hat die längste Zeit ihrer Karriere Shōjo-Manga gezeichnet, nicht selten Liebesgeschichten (bekanntestes Werk dieser Schaffensphase dürfte MARS sein). Kurz nach dem Jahre 2000 begann für sie dann eine Umorientierung und sie wandte sich einer neuen Zielgruppe zu, ihr Debüt in einem Seinen-Magazin geschah mit dem SciFi-Titel Eternal Sabbath. Seit 2005 erscheint nun ihr aktueller Titel, um den es in diesem Thread gehen soll. Für dieses Werk, konsultierte Sōryō extra einen Historiker, dessen Spezialgebiet Dante ist. Auf diese Weise schafft es die Dame uns ein akkurates Abbild der italienischen Renaissance zu bieten.
Beginnen möchte ich wie gewohnt mit einer Kurzvorstellung:
Die Grundstory des Manga:
Cesare erzählt die Geschichte von Cesare Borgia, einem der charismatischsten Aristokraten während der italienischen Renaissance und Zögling von Rodrigo Borgia, dem späteren Papst Alexander VI. Wir lernen Borgia zu seiner Zeit als Student an der renommierten Universität Pisa kennen. Reflexionsfigur der Geschichte ist jedoch nicht Borgia selbst, sondern der aus Florenz stammende Angelo da Canossa, der neu an die Universität Pisas gewechselt hat und sich durch Naivität auszeichnet (er hat keinerlei Ahnung von den „Spielregeln“ der damaligen Gesellschaft), zugleich aber einen äußerst aufgeweckten Geist und Scharfsinn besitzt.
Die Geschichte erzählt nun vom Spannungsverhältnis und den politischen Machtkämpfen der damaligen Zeit, die sich zwischen diversen Parteien abspielten. Sei es auf Ebene des Mikrokosmos (Studentenverbindungen innerhalb der Universität von Pisa) oder auf Makroebene (Wettstreit um die Papstnachfolge und Macht innerhalb der katholischen Kirche).
Anmerkung: Die Zeichnerin hat die längste Zeit ihrer Karriere Shōjo-Manga gezeichnet, aus diesem Grund könnten manche ihrer Charaktere ein wenig weiblich/schwach anmuten, Paradebeispiel wäre Angelo. Aus diesem Grund könnte beim Leser der Eindruck entstehen, dass gewisse Szenen von Homoerotik gezeichnet sind. Ich habe den Manga jedoch bis Band 5 gelesen und kann versichern, dass es im gesamten Werk keinerlei Liebesbeziehungen dieser Art gibt. (Einzig ein Erzbischof hat homosexuelle Neigungen gezeigt, jedoch war die Szene harmlos)
Als nächste der gute alte Rezensions-Kategorien-Parcours:
Artwork – 9/10 Punkte:
Das Artwork ist in meinen Augen äußerst gelungen. Während die Figuren vielleicht stellenweise doch ein wenig simpel gestaltet sind und gewisse Merkmale klischeehafter Shōjo-Werke aufweisen (wellendes Haar, Blushing), so wissen insbesondere die Hintergründe zu gefallen. Diese sind – wie z.B. in einem Vinland Saga – einfach nur zum Niederknien. Stimmig bis ins letzte Detail, tolles Verständnis von Plastizität und Räumlichkeit, geniale Architekturzeichnungen. Würde ich nur die Charakterzeichnungen bewerten, dann wäre die Punktzahl nicht so hoch, aber die Hintergründe reißen hier einiges raus und rechtfertigen diese nahezu perfekte Wertung. (Personen: 7-8/Hintergründe: 10) Beispielbilder gibt’s wie immer für alle Interessierten:
Plot – 9/10 Punkte:
Die besten Geschichten erzählt das wahre Leben, oder? Mehr kann man hier eigentlich nicht groß sagen. Es ist eben eine Manga-Adaptation des Lebens einer echten, historischen Figur, eines Charismaten aus dem Bilderbuch. Wie eingangs erwähnt wird dem Leser hier ein politischer Machtkampf geboten, aber nicht in Form von Kriegen oder dergleichen, sondern sehr viel subtiler beispielsweise in Form von Handel und Bestechung. Aus diesem Grund könnte der Manga echten Action-Fans evtl. einen Ticken zu langweilig sein. Ich für meinen Teil weiß aber gerade dieses langsamere Tempo durchaus zu schätzen, es passt einfach sehr gut zur Geschichte.
Charaktere – 9/10 Punkte:
Auch hier gibt es eigentlich wenig zu sagen oder zu bemängeln. Die meisten Figuren existierten wirklich und die Charakterisierung jener basiert auf schriftlichen Zeugnissen. Das ist etwas, das ich an Cesare auch so bewundernswert finde. Am Ende jeden Bandes gibt es 2-3 Seiten Quellenliteratur, mit Angabe zu den jeweiligen Kapiteln, in denen Information aus eben jenen Werken auftaucht.
Wie weiter oben erwähnt, mögen manche Figuren eventuell ein wenig zu verweichlicht anmuten, aber das macht sie in meinen Augen nur realistischer. Auch in der echten Welt gibt es nicht nur Badasses wie den coolen Zorro. Aus diesem Grund ist die hohe Punktzahl gerechtfertigt. Einzig die Charakterentwicklung bleibt zu diesem Zeitpunkt noch aus, darum kein perfekter Score.
Thema und Motive – ?/10 Punkte:
Bislang noch etwas schwer festzumachen, in erster Linie wohl Ambition und Macht als Hauptthema für die Geschichte. Noch ist der Stein nicht ins Rollen gebracht worden, aber wer weiß wie das wird, wenn sich die Story weiter entwickelt. Jedoch ist auch hier mit einer nicht zu niedrigen Punktzahl zu rechnen, da allein die philosophischen Einschübe u.a. während der Unterrichtsstunden an der Universität sehr ansprechend sind und Tiefgründigkeit in die Geschichte bringen. Überlegungen zu Dante, Auftritte von Leonardo da Vinci und Machiavelli, die beide nicht mit ihrem Genie geizen und so manche Debatte mit scharfer Zunge zwischen politischen Gegnern – alles sehr unterhaltsam.
Wertung wird beizeiten nachgetragen.
Alles in allem der dritte Manga in einem großartigen Dreigespann zur europäischen Geschichte. Wenn euch Historie und Vinland Saga gefallen, dann werdet ihr bei Cesare sicher nicht sonderlich falsch liegen oder enttäuscht.
Ich hoffe, dass ich dem ein oder anderen von euch einen weiteren guten Lesetipp geben konnte und wünsche frohes Lesen!
Alle drei Titel zeichnen sich durch ihre ausführliche Recherche der historischen Fakten und Begebenheiten sowie ihre Liebe zum Detail aus. Die Frau hinter Cesare ist Sōryō Fuyumi, eine alteingesessene Zeichnerin, die ihr Debüt bereits Anfang der 80er Jahre feiern konnte. Sōryō hat die längste Zeit ihrer Karriere Shōjo-Manga gezeichnet, nicht selten Liebesgeschichten (bekanntestes Werk dieser Schaffensphase dürfte MARS sein). Kurz nach dem Jahre 2000 begann für sie dann eine Umorientierung und sie wandte sich einer neuen Zielgruppe zu, ihr Debüt in einem Seinen-Magazin geschah mit dem SciFi-Titel Eternal Sabbath. Seit 2005 erscheint nun ihr aktueller Titel, um den es in diesem Thread gehen soll. Für dieses Werk, konsultierte Sōryō extra einen Historiker, dessen Spezialgebiet Dante ist. Auf diese Weise schafft es die Dame uns ein akkurates Abbild der italienischen Renaissance zu bieten.
Beginnen möchte ich wie gewohnt mit einer Kurzvorstellung:
- Serie: Cesare – Il Creatore che ha distrutto (von Sōryō Fuyumi)
- Genre: Historie, Drama, (Philosophie)
- Magazin: Morning [Kodansha]
- Status: 7 Bände in Japan erschienen; Scanlations bis Anfang Band 4 (25 Kapitel)
- Erscheinungsrhythmus: unregelmäßig
Die Grundstory des Manga:
Cesare erzählt die Geschichte von Cesare Borgia, einem der charismatischsten Aristokraten während der italienischen Renaissance und Zögling von Rodrigo Borgia, dem späteren Papst Alexander VI. Wir lernen Borgia zu seiner Zeit als Student an der renommierten Universität Pisa kennen. Reflexionsfigur der Geschichte ist jedoch nicht Borgia selbst, sondern der aus Florenz stammende Angelo da Canossa, der neu an die Universität Pisas gewechselt hat und sich durch Naivität auszeichnet (er hat keinerlei Ahnung von den „Spielregeln“ der damaligen Gesellschaft), zugleich aber einen äußerst aufgeweckten Geist und Scharfsinn besitzt.
Die Geschichte erzählt nun vom Spannungsverhältnis und den politischen Machtkämpfen der damaligen Zeit, die sich zwischen diversen Parteien abspielten. Sei es auf Ebene des Mikrokosmos (Studentenverbindungen innerhalb der Universität von Pisa) oder auf Makroebene (Wettstreit um die Papstnachfolge und Macht innerhalb der katholischen Kirche).
Anmerkung: Die Zeichnerin hat die längste Zeit ihrer Karriere Shōjo-Manga gezeichnet, aus diesem Grund könnten manche ihrer Charaktere ein wenig weiblich/schwach anmuten, Paradebeispiel wäre Angelo. Aus diesem Grund könnte beim Leser der Eindruck entstehen, dass gewisse Szenen von Homoerotik gezeichnet sind. Ich habe den Manga jedoch bis Band 5 gelesen und kann versichern, dass es im gesamten Werk keinerlei Liebesbeziehungen dieser Art gibt. (Einzig ein Erzbischof hat homosexuelle Neigungen gezeigt, jedoch war die Szene harmlos)
Als nächste der gute alte Rezensions-Kategorien-Parcours:
Artwork – 9/10 Punkte:
Das Artwork ist in meinen Augen äußerst gelungen. Während die Figuren vielleicht stellenweise doch ein wenig simpel gestaltet sind und gewisse Merkmale klischeehafter Shōjo-Werke aufweisen (wellendes Haar, Blushing), so wissen insbesondere die Hintergründe zu gefallen. Diese sind – wie z.B. in einem Vinland Saga – einfach nur zum Niederknien. Stimmig bis ins letzte Detail, tolles Verständnis von Plastizität und Räumlichkeit, geniale Architekturzeichnungen. Würde ich nur die Charakterzeichnungen bewerten, dann wäre die Punktzahl nicht so hoch, aber die Hintergründe reißen hier einiges raus und rechtfertigen diese nahezu perfekte Wertung. (Personen: 7-8/Hintergründe: 10) Beispielbilder gibt’s wie immer für alle Interessierten:
Plot – 9/10 Punkte:
Die besten Geschichten erzählt das wahre Leben, oder? Mehr kann man hier eigentlich nicht groß sagen. Es ist eben eine Manga-Adaptation des Lebens einer echten, historischen Figur, eines Charismaten aus dem Bilderbuch. Wie eingangs erwähnt wird dem Leser hier ein politischer Machtkampf geboten, aber nicht in Form von Kriegen oder dergleichen, sondern sehr viel subtiler beispielsweise in Form von Handel und Bestechung. Aus diesem Grund könnte der Manga echten Action-Fans evtl. einen Ticken zu langweilig sein. Ich für meinen Teil weiß aber gerade dieses langsamere Tempo durchaus zu schätzen, es passt einfach sehr gut zur Geschichte.
Charaktere – 9/10 Punkte:
Auch hier gibt es eigentlich wenig zu sagen oder zu bemängeln. Die meisten Figuren existierten wirklich und die Charakterisierung jener basiert auf schriftlichen Zeugnissen. Das ist etwas, das ich an Cesare auch so bewundernswert finde. Am Ende jeden Bandes gibt es 2-3 Seiten Quellenliteratur, mit Angabe zu den jeweiligen Kapiteln, in denen Information aus eben jenen Werken auftaucht.
Wie weiter oben erwähnt, mögen manche Figuren eventuell ein wenig zu verweichlicht anmuten, aber das macht sie in meinen Augen nur realistischer. Auch in der echten Welt gibt es nicht nur Badasses wie den coolen Zorro. Aus diesem Grund ist die hohe Punktzahl gerechtfertigt. Einzig die Charakterentwicklung bleibt zu diesem Zeitpunkt noch aus, darum kein perfekter Score.
Thema und Motive – ?/10 Punkte:
Bislang noch etwas schwer festzumachen, in erster Linie wohl Ambition und Macht als Hauptthema für die Geschichte. Noch ist der Stein nicht ins Rollen gebracht worden, aber wer weiß wie das wird, wenn sich die Story weiter entwickelt. Jedoch ist auch hier mit einer nicht zu niedrigen Punktzahl zu rechnen, da allein die philosophischen Einschübe u.a. während der Unterrichtsstunden an der Universität sehr ansprechend sind und Tiefgründigkeit in die Geschichte bringen. Überlegungen zu Dante, Auftritte von Leonardo da Vinci und Machiavelli, die beide nicht mit ihrem Genie geizen und so manche Debatte mit scharfer Zunge zwischen politischen Gegnern – alles sehr unterhaltsam.
Wertung wird beizeiten nachgetragen.
Alles in allem der dritte Manga in einem großartigen Dreigespann zur europäischen Geschichte. Wenn euch Historie und Vinland Saga gefallen, dann werdet ihr bei Cesare sicher nicht sonderlich falsch liegen oder enttäuscht.
Ich hoffe, dass ich dem ein oder anderen von euch einen weiteren guten Lesetipp geben konnte und wünsche frohes Lesen!