Kokumin Quiz

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    • Kokumin Quiz


      „Das National-Quiz ist das höchste Organ der Staatsgewalt. Seine Beschlüsse stellen den höchsten Willen und das oberste Gesetz des Staates dar und haben als solche den absoluten und uneingeschränkten Vorrang gegenüber Exekutive, Legislative und Judikative, sowie allen anderen Institutionen. Auch die vorliegende Verfassung stellt in diesem Kontext keine Ausnahme dar.“
      Artikel 12, Absatz 104 der japanischen Verfassung: Das National-Quiz (Stellung des National-Quiz)

      Es ist mal wieder soweit, der Vorhang lüftet sich für eine neue Ausgabe der Manga-Edition von „Wünsch dir was“. Viele PB-User wissen unlängst, dass ich stets versuche, ein offenes Ohr für Leute zu haben, die sich nach der einen oder anderen Leseempfehlung umsehen. Oftmals gebe ich etwaige Lektüretipps dann einfach unter der Hand raus, aber dann und wann möchte ich halt auch etwas für mein Postkonto und die Qualität der Mangabereiche tun und solch einen Fall hätten wir dieses Mal. Der gute -Cé- hatte mich abermals nach einem guten Politik-Manga ersucht, nachdem ihm meine letzten zwei Empfehlungen in die Richtung bereits zu gefallen wussten. Weil aller guten Dinge bekanntlich drei sind und -Cé- ohnehin ein treuer Besucher in manchem meiner anderen Serienthreads ist, habe ich mich nicht lumpen lassen und meine HDD – PPs legendäre Schatzkiste und virtuelle Bibliothek – durchforstet und ein kleines Juwel ausgegraben, das ich fast schon vergessen hatte. Eine intelligente Politsatire in Manga-Form wie ich sie bis heute kein zweites Mal gefunden habe: Katō Shinkichis und Sugimoto Reiichis Kokumin Quiz!

      Allgemeine Informationen
      • Serie: Kokumin Quiz (übersetzt: National-Quiz)
      • Macher: Sugimoto Reiichi (Autor), Katō Shinkichi (Zeichner)
      • Genre: Politsatire, Dystopie, Gesellschaft
      • Magazin: Morning
      • Status: in 4 Bänden abgeschlossen (insg. 44 Kapitel); Scanlations 100%
      • Anmerkung: Von 1994 bis 1995 im Morning-Magazin von Kodansha veröffentlicht, unter dessen zugehörigen Comic-Imprint auch die vier Sammelbände erschienen, die mit der Zeit vergriffen waren und zuletzt aus dem Druck genommen wurden. Aufgrund der großen Nachfrage von Fanseite gab der Verlag Ohta Publishing die Serie im Jahr 2001 als zweibändige Aizōban (= Collector’s Edition) neu heraus.
      Story
      Schauplatz der Geschichte ist das Japan einer nahen Zukunft, ein Land, in dem die Tage der Demokratie gezählt sind, und das sich zu einem ganz eigenen, totalitären Staat formiert hat, in dem ein jeder Bürger durch die erfolgreiche Teilnahme an einer Quizshow in den Genuss bestimmter Privilegien und Sonderrechte kommen kann. Der Name dieser Quizshow, die ganz Japan Abend für Abend vor die Fernsehbildschirme lockt, lautet – ihr habt es wahrscheinlich bereits erraten – National-Quiz! Jeden Abend spielen hier 500 Kandidaten, angetrieben vom Wunsch nach Geld, Rache, Berühmtheit oder schlichtweg Glück, um die Erfüllung ihrer wildesten Träume. (Sei es Unterstützung bei der Suche nach einem vermissten Haustier, jede Menge Geld und Macht, eine exquisite Immobilie wie der Eiffelturm oder gar ein Mord, all das liegt im Bereich des Möglichen!)
      Denn: Das National-Quiz hat die Macht jeden auch noch so undenkbaren Traum Realität werden zu lassen. – Dies gilt aber nur für die Gewinner. Die Show besitzt nämlich auch den Einfluss und die Stellung, um das Leben der Verlierer zur Hölle auf Erden zu machen.

      Die zentrale Figur der Serie ist K-i K-ichi (bzw. Häftling KK4331), ein ehemals erfolgloser Schauspieler, der einst sein Glück beim National-Quiz versuchte, und heutiger Moderator der mächtigsten und beliebtesten Quizsendung der Welt.

      Kokumin Quiz erzählt nun die Lebensgeschichte des Medienstars und Moderators, der Personen um ihn, aber auch von den Machtkämpfe und Spannungsverhältnissen innerhalb Japans sowie auf globaler Ebene, denn radikale Veränderungen stehen unmittelbar vor der Tür…

      Über die Sendung „National-Quiz“:
      Die titelgebende Quizshow wird durch Steuergelder finanziert und vom National-Quiz-Ministerium der japanischen Regierung produziert. Die Sendung wird jeden Tag von 19 bis 23 Uhr ausgestrahlt und läuft nach dem immer gleichen Schema ab:
      500 Kandidaten, die sich im Vorfeld für die Hauptsendung qualifizieren konnten und dem Zuschauer jeweils zu Beginn einer Sendung mitsamt ihrem jeweiligen Wunschtraum vorgestellt werden, messen sich in zwei Phasen des Quiz: Runde 1 ist das aussiebende „Eliminierungs-Quiz“, bei dem jeder Teilnehmer 100 Multiple-Choice-Fragen zu den verschiedensten Themengebieten beantworten muss. Nur wer alle Fragen richtig beantwortet, darf in die nächste, finale Runde vorrücken: „Die Entscheidung: 'Das Land der Weisen'“. – Wer ausscheidet, blickt einem Leben als Zwangsarbeiter in Staatsdiensten entgegen.
      In der Finalrunde werden den verbleibenden Kandidaten dann der Anzahl der Finalteilnehmer entsprechend viele Fragen gestellt (also: 6 Kandidaten, 6 Fragen). Es gilt eine bestimmte Punktzahl zu erreichen, die in einem komplizierten Berechnungsverfahren von einem Supercomputer berechnet wird und sich individuell nach der Exklusivität des Wunschtraums eines Teilnehmers richtet. (Für die Wiederbeschaffung eines vermissten Schoßhündchens muss man beispielsweise 190 Punkte erreichen, für 10.000.000.000 Yen Preisgeld 1.559.802 Punkte und für die Besitzurkunde des Eiffelturms immerhin 60.211.905 Punkte.) Ein Kniff des Wettkampfs besteht zweifellos darin, dass die Fragen für alle Finalkandidaten offen sind und nach Schnell-Buzzer-Prinzip beantwortet werden können. Eine jede Frage ist jedoch nur für eine einzige Antwort „geöffnet“ und verfällt danach. Vor jeder Frage müssen die Kandidaten eine frei wählbare Anzahl von Punkten einsetzen (es spielt dabei keine Rolle, wie hoch ihr Punktestand ist; Punktekredite und Negativpunktestände sind möglich); beantworten sie die Frage richtig, wird ihnen die eingesetzte Summe gutgeschrieben, in allen anderen Fällen droht Punktabzug! (D.h. bei selbstgegebener Falschantwort, bei Falschantwort eines anderen Kandidaten, aber auch bei korrekter Antwort eines Gegenspielers.)
      Wer den Charakter des National-Quiz kennt und die schwere Strafe beim Ausscheiden in der ersten Runde zum Vergleich heranzieht, der kann sich denken, dass das Strafmaß im Finale nochmal eine Stufe härter ausfällt. Denn wer im Final ausscheidet, wird offiziell und mit sofortiger Gültigkeit zum Verbrecher erklärt. Die Schwere des Strafurteils richtet sich nach dem finalen Punktestand eines Kandidaten. (Übliche Strafen umfassen die Konfiszierung jeglichen persönlichen Besitzes und Vermögens sowie mehrere Jahre Zwangsarbeit, beispielsweise bei Ölbohrungen in Sibirien, oder Gefängnis- und Freiheitsstrafen.)

      Zum üblichen Aufgebot der Show zählen schrille Kulissen und verrückte und/oder aufreizende Kostüme der Moderatoren, bunte Showeinlagen und jede Menge Spaß, Spaß, Spaß. Durch die Show führen K-i K-ichi, das Gesicht des NQ mit Beliebtheitswerten von 98% in der Gesellschaft, und seine bezaubernde Assistentin M-da A-ko. Für musikalische Unterhaltung sorgt die Band Loplops, deren Leadsängerin A-ko zugleich ist. Ein weiterer fester Bestandteil der Show ist das staatliche Shōbatsu Shikō Iinkai (auf Deutsch: „Komitee zur Durchführung der Strafen und Belohnung“), in Kurzform auch SS-Einheit genannt, und dessen oberster Befehlshaber Truppenführer Murakoshi. Letztgenannter berichtet in der Regel – von Bildmaterial begleitet – von Einsätzen, die sich mit der Verwirklichung von Kandidatenwünschen beschäftigt haben. (Seien es nun Exekutionseinsätze oder die Akquisition von großen Geldsummen oder Immobilien…)
      Mein ganz persönliches Highlight sind aber die – oftmals von der japanischen Regierung selbst geschalteten – Reklamen und kurzen Informations-Filmchen, die in den schier aberhunderten Werbepausen eingespielt werden. Hier wird quasi im Vorbeigehen auf so manche Reform- und Gesetzesänderung oder wichtige Regierungsbeschlüsse hingewiesen.

      Nachdem ich den ungefähren Ablauf einer Folge NQ umrissen habe, sollte jedem klar sein, warum dieses polarisierende Format allabendlich soviele Menschen vor die Flimmerkiste lockt und zu begeistern weiß! (Ich kann also endlich mit meinem üblichen Bewertungsschema beginnen…)

      Artwork – 9,5/10 Punkte
      Ich denke, ich muss an dieser Stelle etwas weiter ausholen und meine Wertung hinreichend erläutern. Selbstverständlich mögen Katōs Zeichnungen nicht die ausgefeiltesten sein, die einem je unter die Augen kommen, und er kann auch nicht mit einem fotorealistischen Stil aufwarten, den manch ein User bei einer solch hohen Punktewertung möglicherweise voraussetzen würde, aber all dies ändert trotz allem nichts an der Tatsache, dass Katō Shinkichi ein wahnsinnig guter Zeichner ist. Und hier kann es – soweit lehne ich mich als alter Kunstabiturient dann doch aus dem Fenster – einfach keine zwei Meinungen geben! Werfen wir also einen genaueren Blick auf das AW von Kokumin Quiz:

      Manch einem Leser mögen die Zeichnungen zunächst vielleicht Probleme bereiten, da sie auf den ersten Blick unter Umständen sehr vereinfacht und vermeintlich in die Jahre gekommen bzw. überholt anmuten könnten. Dies mag sicher und im Besonderen auf einige der besonders frühen Kapitel im ersten Band der Serie zutreffen, doch sollten wir an dieser Stelle drei Punkte verinnerlichen:
      • Da wäre zunächst einmal das Erscheinungsjahr der Serie, das in geraumer Zukunft doch bald 20 Jahre zurückliegt. Zu dieser Zeit wurde Manga anders gezeichnet als heute, ich will nicht sagen besser oder schlechter, sondern belassen wir es einfach bei dieser Note: anders. Damit meine ich u.a. die Qualität der Arbeitswerkzeuge, vor allem aber auch die Arbeitsweise. Bei Katō ist wirklich noch alles Handarbeit. In einem Manga wie diesem würde heutzutage zweifelsohne eine Menge mit Grafikprogrammen und Computer gezeichnet werden. Kokumin Quiz konnte auf derartige Tricksereien und Hilfsmittel aber noch nicht zurückgreifen.
      • Daneben gilt es sich auch das Genre in Erinnerung zu rufen. In nahezu allen Mangawerken besteht zu einem gewissen Grad eine Korrelation vom Ton bzw. Gegenstand der Geschichte und der künstlerischen Aufbereitung und Gestaltungsweise. Im Falle von Kokumin Quiz haben wir es mit einem erzählenden und trotz allem im Kern durch und durch satirischen Comic zu tun. Die Zeichnungen haben einen gewissen Sinn zu erfüllen und dieser Sinn besteht sicherlich nicht darin, die einzelnen Szenen möglichst plastisch oder gar realistisch darzustellen. Katō überspitzt bzw. überzeichnet – im wahrsten Sinne des Wortes – wann immer sich ihm die Möglichkeit bietet. Und wenn er will und wenn es sich anbietet und in eben jenem Moment Sinn macht, dann kann er auch brillante Kompositionen schaffen! Es ist letzten Endes alles eine Frage vom Mehrwert, den eine bestimmte Zeichnung für die Geschichte hat.
      • Und last but not least: Nur weil etwas auf den ersten Blick vermeintlich einfach wirkt, muss dies nicht zwangsläufig der Fall sein. Fakt ist nämlich, dass es durchaus eine zeichnerische Qualität ist, Bilder so zu präsentieren, dass der Leser ohne große Probleme dem Geschehen folgen kann! Desweiteren fallen die Charakterzeichnungen (außer Katō rückt bewusst davon ab) durch hohe anatomische Akkuratesse und Detailverliebtheit auf (man achte beispielsweise auf die Instrumente der Loplops bei ihrem Konzert, wo sich u.a. der Unterschied zwischen E-Gitarre und Bass klar erkennen lässt)! Zudem ist Katō auch ein handwerklich sehr versierter Zeichner. Er kombiniert unterschiedliche Zeichenstile, variiert in Duktus und Darstellungsweise, verwendet unterschiedliche Arten der Schraffur, überzeichnet und überspitzt und reichert das Ganze noch durch einen ordentlichen Schuss Kreativität an (insbesondere bei Architektur- und Maschinenzeichnungen finden sich herrlich-schräge Designs).
                

      Die von mir hier aufgeführten Zeichnungen belegen Katōs Können als Mangaka recht gut, wie ich finde. In Beispielbild 1 und 3 zeigt er technisches Geschick und ein Händchen für ansprechende Gesamtkompositionen. Das mittlere Bild zeigt eine gewöhnliche Charakterzeichnung aus einem der späteren Bände. (Sowie eines von K-i K-ichis scheußlich-hässlichen Kostümen…)

      Trotz allem gilt es noch einmal auf ein ganz besonderes Schmankerl in Kokumin Quiz‘ AW zu sprechen zu kommen. Und zwar, ich habe es zuvor bereits kurz hervorgehoben, Katōs Spiel und Experimentierfreudigkeit mit unterschiedlichen Zeichenstilen! Oftmals finden sich Anlehnungen oder gar konkrete Anspielungen, ein Beispiel wäre jenes Kapitel-Cover, das eine Kokumin-Quiz-Variante von Max Ernsts Maria, die das Jesuskind züchtigt, darstellte. (Vgl. Beispielbild unten) Eine andere augenfällige Anspielung ist das Gebäude des National-Quiz-Ministeriums, bei dem es sich 1:1 um eine modifizierte Zeichnung des echten japanischen Parlamentsgebäudes handelt! Daneben experimentiert Katō, wie angemerkt, mit unterschiedlichsten Kunststilen und Darstellungsweisen (ob nun expressionistisch oder kubistisch, ob Zeichnungen mit altägyptischer und mittelalterlich-religiöser Ikonografie oder Bilder im Stile der insularen Buchmalerei), was das Werk für Kunstfreunde eben doch so schmackhaft macht.
                

      Plot – 10/10 Punkte
      Was gibt es zum Plot groß zu sagen? (rhetorische Frage) Es lässt sich hier nämlich abermals eine ganze Menge erzählen oder aber man wählt die Kurzversion und handelt es mit einem schlichten „Genial!“ ab. Sugimoto zeigt sich als der aufgeweckte und genau beobachtende Autor, als der er sich Ende der 80er-Jahre hervortat und zeichnet ein dystopisches Zukunftsszenario, das eine ordentliche Portion „Japan der Gegenwart“ beinhaltet. Der politisch interessierte Sugimoto verwurstet Trends, Entwicklungen und charakteristische Eigenheiten der japanischen Gesellschaft (ob nun auf Ebene der Medienlandschaft, der Politik oder im sozialen Miteinander) zu einem gleichermaßen lustigen wie verstörend-beängstigenden Schauspiel. Oftmals muss man sich vor Augen führen, was da gerade über den Fernsehbildschirm flimmert und worüber man sich wahrscheinlich allzu herzlich amüsiert. Da wird vor den Augen einer Nation der Sozialstaat und die Demokratie abgebaut, es gibt Machtkämpfe und Spannungsverhältnisse, soweit das Auge reicht, und trotzdem fragt sich ein Großteil der Bevölkerung nur: Wer wird als nächstes am NQ teilnehmen und was hofft er zu gewinnen?

      Lange Rede, kurzer Sinn: Politsatire at its best! „Genial!“

      Charaktere – keine Wertung
      Dieser Absatz lässt sich vergleichsweise schnell abhandeln. Also: Warum habe ich in dieser Kategorie nun keine Wertung vergeben? – Nun, die Antwort ist so naheliegend wie einfach: die Figuren sind keine treibenden Elemente der Geschichte bzw. kommt es gar nicht so sehr auf jeden einzelnen von ihnen an. Ein Punkt, der meine These untermauert, sind die Namen der einzelnen Charaktere. Es fällt auf, dass wir von den wenigsten Vor- UND Nachnamen wissen. (Von M-da A-ko und D-mon E-yoshi kennen wir beispielsweise gar keinen echten Namen.) Somit liegt der Schluss nahe, dass es sich bei den meisten Figuren um Typen handelt. Wenn also K-i K-ichi mit Produktionsleiter Naitō und Senderdirektor Morimura interagiert, dann haben wir es hier mit typischen Vertretern gewisser Berufsgruppen zu tun, die sich in einem typischen hierarchischen Gefälle bewegen und von denen – typischerweise – erwartet wird, sich den Gepflogenheiten entsprechend zu verhalten. Gleiches gilt selbstverständlich für die Politiker, die Revoluzzer und Aufständischen, die Regimegegner und politischen Feinde des Establishments.
      In vielen Szenen gilt: Wichtig ist nicht, WER da in der jeweiligen Situation agiert, sondern sehr viel wichtiger ist, WAS da passiert! Die Figuren definieren sich mehr über die Rolle, die ihnen zufällt, als über ihren Charakter.

      Themen und Motive – 10/10 Punkte
      Zum Abschluss kommt man nicht umher auf die vielen verschiedenen Themen und Motive zu sprechen zu kommen, die in Kokumin Quiz auftauchen und verarbeitet werden. Da wäre zunächst die japanische Medien- und Unterhaltungslandschaft, die so herrlich aufs Korn genommen und durch den Kakao gezogen wird. Quasi jede Spitze trifft ins Schwarze, die Pointen sitzen. Sei es nun, dass eine Sendung – für uns Leser zumindest – aus mehr Werbung und Sponsoren-Name-Dropping denn Inhalt besteht, sei es durch den wahnsinnig schnellen und sprunghaften Charakter der Show oder durch die absolut unsinnigen und abgefahrenen Kulissen und Kostüme. Katōs und Sugimotos Bild von der Unterhaltungsindustrie ist so absolut spot-on, allein dafür müsste man ihnen ein Denkmal setzen.
      Aber wichtiger erscheinen freilich noch die Kommentare zur politischen und gesellschaftlichen Lage. Das fängt mit einer Spaßgesellschaft von Gaffern an, die sich allabendlich vor den Bildschirmen benebeln und einlullen lassen, nur um ein bisschen unterhalten zu werden, denen in ihrer politischen Apathie aber gleichzeitig nicht bewusst ist, wie ihnen Tag für Tag übler mitgespielt wird. Solang der Futtertrog am nächsten Abend wieder gefüllt ist, ist die Welt in Ordnung. Frei nach dem Motto „Give the People What They Want“… und das endet dann halt irgendwann bei der SS-Einheit, die im direkten Auftrag der Regierung schalten und walten kann wie sie möchte.

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      Jetzt ist das alles hier doch etwas länger ausgefallen als ich es zunächst eigentlich wollte und so komme ich schnell zum Schluss. Ich spreche also eine dicke Leseempfehlung für diesen Manga aus, der damals wie heute Relevanz besaß bzw. besitzt und im weitesten Sinne als Fingerzeig verstanden werden darf. („Vorsicht! Ehe man sich versieht, könnte…“) Was ein Leser hier für sich mitnimmt, ist jedem selbstverständlich frei gestellt, doch ich denke, dass es sich hier um ein Werk handelt, das uns zum nachdenken anregt und dem Leser etwas mit auf den Weg gibt. So lob ich mir das.

      In diesem Sinne: Viel Spaß beim Lesen!
    • Ah, endlich jemand, der diesen großartigen Manga zu würdigen weiß! Ich habe ihn geliebt. Vom abgedrehten over the top Moderator bis zu den habgierigen Abgründen der Teilnehmer. Was würden sich wohl die real existierenden Menschen wünschen, wenn nichts unmöglich wäre? Geld? Ruhm? Mord? Oder wie im Manga den Eiffelturm im eigenen Garten? Ich glaube, dass sich da noch grossere Löcher auftun würden. Zugegeben, dass Artwork ist gewöhnungsbedürftig, aber dafür ist es so fernab jeglicher Realität, dass die Zeichnungen perfekt den Geisteszustand der KQ-Welt wiedergeben. Nur schade, dass er so kurz war. Und erschreckend, dass der Prince wieder einmal ein gemeinsamer, kranker Weirdo ist...
    • “Your turn, boy. Yeah, you with those Harry-Potter-Glasses. What would be your wish, if you were to win the National Quiz?“

      “My wish... that would be some more episodes of this fucking awesome show!“



      Dieser Header soll auf einen bestimmten Aspekt bezogen meine Meinung kurz und knapp wiedergeben. Ich werde darauf erst später zurückkommen, aber er erfüllt seinen anderen Zweck als allgemeines Ausdrücken von Freude nach dem Lesen eines genialen Mangas – hoffe ich jedenfalls.

      Wo fängt man denn am besten an...? Obwohl es sich doch um ein vergleichsweise kurzes Werk handelt, ist diese Frage nicht einfach. Vielleicht mit ein wenig Bezug zum Startpost.
      Zuerst natürlich ein Danke an PP; ist einmal mehr sehr ausführlich und informativ. Zwei Aspekte stechen hierbei besonders hervor, die mir auch beim Lesen noch im Kopf schwirrten und auch ihre Auswirkungen hatten. Zuerst wäre da die ziemlich ausführliche Beschreibung des Spiels. Nimmʼs nicht persönlich; aber in meinen Augen suggerierte das, dass das Quiz selbst auch ein, wenn nicht der wesentliche(r) Teil der Handlung ist. Tatsächlich aber beginnt nach – lass mich lügen – sechs oder sieben Kapiteln die eigentliche Story, ins Rollen zu kommen. Hatte mich dann doch überrascht, denn ich hatte nach der ersten gezeigten Ausgabe des National Quiz mit einem episodenhaften Charakter des Mangas gerechnet.
      Ohne lange Umschweife kommt jetzt auch der Header ins Spiel. Fakt ist, dass die ersten Kapitel sehr, sehr gelungen sind. Der Humor, das Setting, K-I als Moderator – alles vom Feinsten. (Wenn ich nur an die Werbespots denke... ein Traum.) Auch nach einem nochmaligen Überfliegen dieser Kapitel bin ich der Meinung, hier hätte der Autor strecken können. Keinesfalls ist es, so wie es ist, unstimmig, das Konzept am Anfang ist imo aber so gut, dass es gefahrlos noch länger hätte ausgenutzt werden können. Und das wäre nicht alles: Man hätte so zunächst einen scheinbar episodischen Titel aufziehen können, der durch Humor, aber trotzdem schon als Politsatire glänzt. Nachdem man dann denkt, alles sei einigermaßen Friede, Freude, Eierkuchen, kommt dann die richtige Story: Zweifel am System, Aufgreifen der Vergangenheit, Revolution, etc.
      Das ist zumindest mein Standpunkt. Ich weiß selbstredend nicht, was der Autor möglicherweise schon geplant hatte, und was nicht, das soll auch keine Kritik an ihn darstellen. Vielmehr ist es ein Lob – denn wo kann man schon mal sagen, jemand habe seine Idee nicht bis zum Maximum ausgeschöpft. Das Gegenteil ist ja sehr häufig der Fall, was auch ich hier berücksichtige; der Mann war eventuell auch nur vorsichtig und wollte nichts zu sehr ausreizen.

      Aber lassen wir mal das Fanboys-Wunschdenken und kommen direkt auf die Handlung zu sprechen. Einen Manga, der eine dystopische Gesellschaft als Basis für den Plot hat, habe ich bisher noch nicht gelesen – ich enterte also Neuland. Das Konzept des Quiz ist, ohne viele Worte zu verlieren, großartig. Es ist so herrlich und bereit Genugtuung, zu sehen, wie sich angesichts der Möglichkeiten, die sich durch diese höchste aller Staatsgewalten ergeben, die wahren Gesichter der Menschen zeigen. [Oder wurden diese Menschen, wie im Manga selbst angerissen, erst durch das Quiz so verdorben? Man weiß es nicht...] Wobei die Vielfalt der Gründe vermuten lässt, dass nicht alle Leute gleich sind, sondern auch noch vernünftige Menschen existieren. Krasse Gegensätze wären da ein Junge, der seinen Hund wiederfinden möchte, und ein Mann, der einfach nur “Gimme money!!!“ schreit.
      Grandios ist auch, wie man den Humor oftmals im Humor suchen und finden kann. So sind die Werbeunterbrechungen selbst schon so radikal und witzig, dass man fast vergisst, dass schon allein die Tatsache, dass, und die Art, wie die Spots einfach kackendreist in die Sendung geworfen werden, zum Schießen sind. Auch das doppelte In-den-Dreck-ziehen mittels Inhalt und Artwork wäre da so eine Sache.

      Sobald die Story dann richtig in die Gänge kommt, merkt man, dass hier nicht mit kleinen Fischen gehandelt wird. Ja, was wäre eine Politsatire, ohne die gesamte Welt miteinzubeziehen? Es folgt eine teilweise Darstellung mancher Geschehnisse. K-Is Vergangenheit wird aufgedeckt, seine Probleme und inneren Wünsche kommen ans Tageslicht.
      Lesen auf eigene Gefahr
      Der Mann, der zum Quiz ging, um seine (Ex-)Frau zu beeindrucken, weil diese jetzt eine erfolgreiche High-Business-Frau ist, weil sie die Firma ihres verstorbenen Vater übernommen hat, als Kandidat aber verlor und eingebuchtet wurde, versucht nun zu fliehen, um seine Tochter zu sehen, was das ganze System ins Wanken bringt (man beachte: mit einem loyalen, nicht eingebuchteten Moderator wäre dies wohl nie passiert), woraufhin man sucht und sucht, doch eine Spionin taucht auf und …

      Diese Kausalkette ist schon etwas, was man an diesem Manga lieben kann. Eine doch recht ausführliche und eben verstrickte Story wird schnell runtererzählt, wobei verschiedenste Aspekte des Parodierten aufgefasst werden. (Um es anschaulich zu machen: Machtwahn innerhalb der eigentlichen Revolution u. ä.)
      Die Geschichte liest sich trotzdem sehr flüssig; etwas anderes kann ich nicht sagen. Auch das Artwork tut hier wohl sein Übriges. Dem Leser wird dabei auch immer wieder die Freiheit gelassen, selbst zu entscheiden, wie er die aufgefundene Kritik interpretieren bzw. wie er mit dem jeweiligen Sachverhalt umgehen möchte. Gut finden, schlecht finden, WAYNE – ja, man kann auch einfach den Manga genießen, ohne sich groß für solche Themen zu interessieren. :D

      PP hat die Charakterfrage ja unbewertet gelassen, was ich verstehen kann. Aber ich möchte dennoch einen Charakter näher beleuchten – K-I, den begnadeten Moderator und Garant für den Erfolg des National Quiz. Er ist zwar neben einer oder zwei anderen Figuren die einzig wirklich nennenswerte, aber was ich ganz einfach sagen muss: Für einen Protagonisten gefällt er mir doch ganz gut! Highlight ist sicherlich die Moderation der Quizshow. Da versteht man auch, warum K-I so wichtig ist für die Leute vom Quiz – er fesselt die Leute eben an den Fernseher bzw. lockt sie in die Arena.
      Auch ansonsten ist er kein schlechter Charakter. Er hat zumindest ein paar Eier in der Hose (wenngleich es eine Person gibt, die wider der Natur wohl ein paar Dutzend mehr hat) und wirft mit seinen Handlungen gerne mal Kontroversen auf, die den Leser zum Nachdenken anregen. Auch sein innerer Kampf – als Gefangener arbeitet er für den Knasthalter – ist sehr interessant.

      Okay, weiter im Text. Genauer gesagt zum zweiten Punkt, der mich die ganze Zeit begleitete: das Artwork! Ich kann da PP auch im Großen und Ganzen zustimmen (als ob ich es wagte, einem Kunstabiturienten zu widersprechen) und mache meine Meinung einfach mal mittels Stichpunktverfahren fest. Es folgen also meine Gründe für eine hohe Bewertung des Artworks, das ja oftmals nur recht schlicht ist. (Wobei ich versuche, nicht nur zu widerholen, was schon gesagt wurde.)

      1.Dies ist eine Politsatire. Allein schon, um sich dessen immer bewusst zu bleiben – und man glaube mir, das vergisst man angesichts der sich später aufbauenden Spannung sehr, sehr schnell einmal (nimmt Züge eines Dramas an) –, ist dieser Zeichenstil hervorragend geeignet. Gerade weil alles wie eine einzige Karikatur wirkt, weil er abseits des Inhalts noch seine ganz eigene Note des Satirischen hat.
      2.Zweiter Aspekt ist einfach die Tatsache, dass der Mangaka es augenscheinlich „besser“ kann, als meist zu sehen ist. PP hat ja schon ein Panel gepostet, das dies gut vor Augen führt (das des alten Mannes). Immer wieder mal tauchen solche imo sehr gelungenen Zeichnungen auf, die der Sache richtigen Glanz verleihen.
      3.Hier kann ich dann doch nur rezitieren. – Dass in einem Manga mit so vielen Stilen probiert wird, hab ich so noch nicht gesehen! Besondere Schmankerl sind da solch Cover wie die kubistische Zeichnung, die PP ebenfalls präsentiert hat. Sowas in einem Manga zu treffen, wirft mich fast vom Hocker, vor allem da diese Art von kubistischen Bildern mir seit jeher gefallen.

      In naher Zukunft würde ich mich auch gern an ein anderes Werk des Zeichners/Autors wagen (oder eben von beiden zusammen, wenn es weitere Koproduktionen gab). Einerseits wegen des Artworks in Kokumin Quiz, das so anders ist als vieles, was man sonst sieht (und, wie gesagt, imo noch nicht das volle Potential des Mangaka darstellt), andererseits natürlich, um zu sehen, ob der Autor noch mal ein ähnlich tolles Werk schaffen kann.

      Insgesamt also mal wieder ein tolles Werk, das sehr begeistern konnte. Die einzige Frage, die sich mir noch stellt, ist: Wie viel, nein, wie wenig Zeit wird vergehen, bis ich mich an einen Reread mache? ^^
    • Tjoar, erst einmal danke -Cé- dass du diesen Thread ans Tageslicht geholt hast (ich habe PPs Post nämlich nicht mitbekommen :D ) und auch danke PP für diesen gelungenen Startpost.

      Ich möchte hier jetzt nicht so weit ausholen wie mein Vorredner, allerdings möchte ich wenigstens einen (allerdings "spoilernden") Vergleich anstellen:

      Spoiler anzeigen

      Nach dem Lesen eurer Posts dachte ich anfangs an Ozeanien, dass durch seine Lotterie die Proles hinreißt und stumm bleiben lässt (1984, für alle die gerade auf dem Schlauch stehen). In wie weit man diesen Vergleich nun ziehen kann vermag ich allerdings nicht direkt zu beantworten. Gerade der Hauptcharakter macht mir hierbei Probleme. Versteht mich nicht falsch, er ist ein Opfer des Systems, er stellt sich gegen Ende klar auf die Seite der Revolution, aber in meinen Augen liebt er dennoch seine Rolle zu sehr um sich ganz vom System abzukapseln... Inwiefern man mir hier zustimmen kann oder nicht, bleibt jedem selbst überlassen, selbst ich bin mir mit dieser Aussage unsicher; aber gerade gegen Ende des Mangas wird dies in meinen Augen ersichtlich. Er ist entsetzt dass die Menge von ihm nicht hingerissen wurde und weiter das Spiel spielen will - in meinen Augen aber nur deshalb, da er als Moderator der die Menge fesselt, anscheinend versagt hatte. Nunja, das hier ist nur eine Spinnerei meinerseits, aber diese Brücke wollte ich schlagen, um vielleicht auch eine Diskussion starten zu können.


      Um jetzt aber noch meine Meinung zu diesem Manga kund zu tun:
      Leset und feiert ihn!
      Mfg
      GG