Ich habe die Folge auch gesehen und muss der Serie leider ein vernichtendes Fazit ausstellen. Nachdem die bisherigen Serien wie Loki, Moon Knight und Ms. Marvel allesamt durchaus ihre Stärken und positiven Seiten hatten, die mich über teils doch eklatante Drehbuchschwächen hinwegtrösten konnten, versagt She-Hulk für mich wirklich auf fast jeder erdenklichen Ebene. Die heutige Folge komprimiert diesen Eindruck eines fehlgeschlagenen Witzes ganz hervorragend.
Ich wollte die Serie wirklich mögen. Wollte, dass die Serie eine witzige und sympathische Superhelden-Sitcom oder Legal Comedy über eine Anwältin für Superheldenrecht wird, die selbst zur Superheldin wird. Das Potenzial war endlos. Welche potenziellen Interessenskonflikte entstehen dadurch? Inwiefern verändert sich Jennifers Blick auf die Superhelden, die sie vertritt oder verklagt? Kann sie ihre Arbeit überhaupt objektiv verfolgen, wo sie doch quasi selbst ihr eigenes Ziel und/oder Mandant ist? Was verändert sich in ihrem Privatleben, wodurch unterscheiden sich Jen und She-Hulk? Ist Jen eine knallharte Business Lady, die sich ihre Stellung in einem männerdominierten Beruf hart erarbeiten musste und dann kalt erwischt wird, wenn die laszive und dauerflirtende She-Hulk auf den Plan tritt? Genießt die eher schüchterne Jen vielleicht die Aufmerksamkeit, die ihr ihre neue Kraft und ihr Alter Ego einbringen? Oder den Respekt, den ihr plötzlich gestandene Männer entgegen bringen? Vielleicht sogar deren Angst? Will sie plötzlich zu viel? Superheldin und Anwältin sein? Wächst ihr die Sache über den Kopf? Verliert sie ein Gefecht? Einen wichtigen Fall? Verliert sie sich sogar ein wenig in diesem Rausch, verprellt Freunde und Kollegen? Bringt ihre Karriere in Gefahr und das Leben der Menschen, die sie liebt?
All das waren Fragen, die ich mir gestellt habe. Ein echter Charakter-Arc für eine auf dem Papier wahnsinnig interessante Figur, die mit den Problemen des Hulks und den Problemen einer Frau in einer Männerwelt zurechtkommen muss. Die Zutaten für eine fantastische Heldenreise sowohl im Gerichtssaal als auch auf den Straßen von L.A. waren gegeben, sie hätten nur zu einem köstlichen Kuchen zusammengemixt werden müssen. Leider hat das die Serie mMn aber komplett verkackt.
Ich weiß nicht, wie es euch ging, aber für mich kam Jennifer Walters nicht wie eine erfolgreiche Anwältin in ihren 30ern rüber. Sie stammelte, sie quiekte, sie stotterte und zeigte insgesamt das Selbstbewusstsein einer 14-Jährigen, die neu an der Schule ist. Grundsätzlich hätte das funktionieren können, auch wenn es eigentlich ihrem Posten als gute Anwältin widerspricht. Hat es aber nicht, denn auch als She-Hulk wurde die Figur nicht wirklich besser. Die Szene, in der sie vor diesem (beinahe beleidigend klischeehaften) Mode-Fuzzi kuscht, war an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. Sie ist Staranwältin und She-Hulk, aber gebärdet sich wie ein kleines Mädchen. Jen erinnerte mich die ganze Staffel über mehr an eine Disney-Prinzessin wie Anna: Quirlig, süß, ein bisschen witzig (manchmal), aber gleichzeitig seltsam unsicher und nur dann selbstbewusst, wenn die Serie einen anderen Charakter (idR einen Mann) schlechter dastehen lassen wollte. Ansonsten war Jen alles, aber keine resolute Anwältin. Für eine Serie, die die Stärke und Intelligenz und generelle Wertigkeit von Frauen so offensiv in den Fokus rücken will, agiert Jen meist wahnsinnig unreif und unaufgeräumt. Sei es als Mensch oder als She-Hulk, wo leider ohnehin kein großer Unterschied besteht. Gerade im Vergleich zu Mallory, die eine absolute Badass ist, wirkt Jen zahnlos und ungefährlich.
Selbiges gilt auch für den Plot, der eigentlich nicht existent ist. Alle paar Folgen gibt es mal eine kurze Sequenz, in der Jen irgendwie Blut abgezapft werden soll oder sie von Online-Trollen bedroht wird, bevor es zum klassischen Case of the Week geht. Diese Fälle sind, mit Verlaub, albern und langweilig. Das beste an der Sache mit Wong war Madysinn, während Wong selbst allmählich zu nerven beginnt. Also sorry, aber warum sollte der Sorcerer Supreme plötzlich den Rechtsweg gehen, um einen abtrünnigen (und gefährlich inkompetenten) Magier seinen Sling-Ring abzunehmen? Seien wir ehrlich, all diese Fälle kamen genauso aus dem Nichts wie plötzlich all die Zivilsten mit Superkräften und dienten eigentlich bloß einem Zweck: Männer wie Arschlöcher und/oder Idioten dastehen zu lassen.
Womit wir beim Hulk-großen Elefanten im Raum wären: Der Darstellung von Männern.
Wer meine Beiträge in diesem Forum kennt, der weiß, in welche Richtung ich bei solchen Themen schwinge. Ich bin liberal, ich wünsche mir mehr handlungstragende Frauen in diversen Werken, ich wünsche mir generell mehr Diversität und eine Abkehr von tradierten, aber schädlichen Tropen wie der Damsel in Distress oder dem schwulen (schwarzen) besten Freund. Entsprechend habe ich nicht damit gerechnet, dass mir diese Serie dermaßen auf den Zahn fühlen würde. Aber heilige Scheiße. Die Männer in She-Hulk sind entweder dumme egoistische Schweine, dumme rücksichtslose Schweine, dumme Schweine, Feiglinge, Incels, Mobber, Fuckboys, Toyboys oder Boomer. Ungelogen. Ich zähle vier Männer in der Serie, die nicht vollkommene Ärsche sind: Bruce Banner, Matt Murdock, Augustus Pugliese und Jens Vater. Die ersten beiden sind etablierte Figuren, die der Zuschauer mögen soll und nicht für die Serie kreiert wurden. Der dritte erfüllt im Grunde die Rolle des schwulen besten Freundes. Ob er schwul ist, bleibt abzuwarten. Jens Vater ist insgesamt super, da kann ich nichts sagen. Achso, da gab es noch eine Gruppe an "netten" Männern, zu denen ich noch kommen werde.
Die Serie wird nicht müde, die Unzulänglichkeiten und Idiotien und Arschigkeiten der männlichen Spezies zu betonen, die alle nur das eine wollen oder anderweitig von entwicklungspsychologischen Störungen und freudianischen Trieben geleitet werden. Und all das wäre mir sogar egal oder willkommen, wäre die Serie intelligent in ihrer Demontage toxischer oder sonst wie feindseliger Männlichkeitsklischees. "Die Schadenfreundinnen" ist eine meiner liebsten RomComs, die Serie The Boys zerlegt am laufenden Band überholte männliche Stereotype -- und das ist absolut genial. Aber She-Hulk ist so billig, so pubertär, so mies-transparent in ihrer "feministischen" Mission, dass jeder gute Wille durch blanke Inkompetenz zunichte gemacht wird. Wenn Jen etwa für den "Female Lawyer Award" ausgezeichnet wird, passieren drei Dinge: Erstens, der männliche Moderator macht einen chauvinistischen Witz über Highheels und stellt herablassende Fragen. Zweitens, es werden mehrere Frauen gleichzeitig ausgezeichnet. Drittens, Mallory macht eine passiv-aggressive Bemerkung darüber, wie sexistisch Erstens und Zweitens sind. Szenen wie diese zeigen eine seltsame Unsicherheit im Drehbuch. Zum einen glaube ich nicht, dass ein männlicher Moderator ungeprüft solche Kommentare auf einer solchen Veranstaltung machen dürfte (oder engagiert würde), zum anderen muss Mallory das nicht auch noch kommentieren. Es ist, als wären die Autoren nicht selbstbewusst in ihrem Visual Storytelling gewesen oder wollten ihren Punkt mit der Brechstange einprügeln. Jedes. Verdammte. Mal. Wie sowas richtig geht, zeigt eine absolut brillante Szene in Fleabag, wo in einem tollen Nebensatz auf die sexistischen Untertöne solcher Auszeichnungen hingewiesen wird, ohne es derart plakativ herauszustellen. (An dieser Stelle eine klare Empfehlung, sich unbedingt Fleabag anzusehen. Tolle Serie, verfügbar über Amazon Prime. Ihr seid es euch wert!)
Gleichzeitig zeigt aber auch Jen nicht, warum sie es denn verdient, einen guten Mann abzubekommen. Nicht nur ist sie, wie oben beschrieben, wahnsinnig inkonsequent geschrieben, sie verfällt sogar selbst in die Verhaltensweisen, die an Männern kritisiert werden. Die ganze Serie eigentlich. Mansplaining ist böse, außer eine Gruppe von armen Außenseitern in einer Selbsthilfegruppe führt Jen auf den rechten Pfad zurück. Harmlose Loser sind wohl keine richtigen Männer, oder sind eben zu unverfänglich, als dass sie in die Schiene der toxischen Männlichkeit fallen? Jen lechzt nach Matt Murdock und macht zotige Kommentare durch die vierte Wand. Das wäre lustiger und sympathischer, wenn die Serie nicht vorher viel Zeit darauf verwettet hätte, notgeile Männer als hassenswerte Drecksäcke zu brandmarken. Am Ende des Tages waren die zentralen Themen in Jens Leben auch nur Männer und Mode, grob gesagt, womit unsere Superheldenanwältin dieselben Probleme plagen wie Carrie Bradshaw aus Sex & the City. Herzlichen Glückwunsch. Super Sache.
Es gibt einfach so viele Szenen, die nicht richtig funktionieren, weil die Serie keine eigene Identität entwickelt und ihre Botschaft nicht vernünftig ausbalanciert. Weite Teile der Folgen wirken, salopp gesagt, wie eine Self-insert Rachefantasie. Sei es Jen, die auf der Hochzeit einer gehässigen Highschool-Freundin der Braut die Show stiehlt; oder eine Folge, in der unzählige Exen einen unsterblichen Mann auf Unterhalt verklagen und sämtliche Figuren, einschließlich seiner eigenen Anwälte, auf den Typen draufhauen. Es wirkte auf mich, als dürften sämtliche Autor*innen mal den Frust über schlimme Exen an den Figuren auslassen, und das kam dabei heraus. Eine nachtragende und rachsüchtige Serie, in der auf unreife Weise wichtige und komplexe Themen ins Lächerliche gezogen wurden.
Und ich bin da noch nicht einmal bei dem grausigen CGI, dem Fehlen eines richtigen Plots, der Charakterermordung von Matt Murdock alias Daredevil, der enttäuschenden Rückkehr von Tim Roth als Blonsky/Abomination ins MCU, dem anscheinenden Fehlen echter Rechtsexperten hinter den Kulissen oder den absolut hanebüchenen Durchbrüchen der vierten Wand. She-Hulk ist nicht Deadpool und die Autor*innen sind nicht schlau oder witzig genug, das angemessen durchzuziehen. Die finale Folge war ein unfassbarer Clusterfuck. Wie arrogant kann eine Serie sein, um metakritisch das gesamte MCU durch den Fleischwolf drehen zu wollen? Wenn Deadpool das macht, dann ist das eine Sache. Ryan Reynolds ist wenigstens witzig. She-Hulk ist nicht witzig. Das Finale hatte nicht einmal eine Auflösung. She-Hulk hat nichts gerissen. Jen hat per buchstäblichem Deus Ex Machina die finale Konfrontation übersprungen. Hier stand ich und dachte, nach dem übersprungenen Endkampf in Moon Knight könnte mich nichts mehr schocken. Aber da wusste ich ja noch nicht, was She-Hulk sich anmaßen wurde. Als Zuschauer fühle ich mich verarscht, als jahrelanger Fan des MCU sogar seltsam beleidigt. Nicht, weil ich nicht über die Schwächen des MCU lachen kann. Natürlich kann und sollte man das. Aber das muss intelligent erfolgen, nicht auf so eine eklatante und selbstgerechte Art und Weise. Nicht von einer Serie wie She-Hulk. Das MCU hat in den ersten drei Phasen das größte Filmepos der Leinwandgeschichte hervorgebracht. She-Hulk besitzt nicht einmal einen richtigen Plot. Oder Character Arc. Was für ein Witz.
Wie gesagt, ich wollte die Serie mögen. Zu Beginn sah es auch ganz vielsprechend aus. Frisch, humorvoll, die Verweise auf Internet-Trolle und die Social Media Kultur waren zeitaktuell und passend. Sogar die feministischen Untertöne haben wunderbar funktioniert. Doch dann bröckelte die Fassade und entblößte eine schlecht geschriebene Blaupause. Jen als Figur ist inkonsequent und unglaubwürdig in der Rolle als Anwältin UND She-Hulk, die Nebenfiguren sind austauschbare Pappschablonen von der Stange, die Zurschaustellung problematischer Männlichkeiten erinnert eher an Revenge Porn als an gelungen feministische Sozialsatire. Das CGI ist übel, der Metahumor überheblich und verfehlt seinen Zweck -- Nur weil man das eigene schlechte Drehbuch kommentiert, wird es nicht weniger schlecht, Jen. Alles in allem ist die Serie ein Totalschaden für mich. Wenn euch die Serie gefallen hat, sehr gut, freut mich. Bin immer froh, wenn Menschen Spaß mit den Medien haben, die sie konsumieren. Aber für mich besitzt die Serie keinen Rettungsanker, nichts, woran ich mich festhalten kann. Madysinn ist glorreich, Pugliese ist heiß, Mallory ist Badass. Aber nichts davon kann diese Show für mich retten. Nichts.
/rant over
Ich wollte die Serie wirklich mögen. Wollte, dass die Serie eine witzige und sympathische Superhelden-Sitcom oder Legal Comedy über eine Anwältin für Superheldenrecht wird, die selbst zur Superheldin wird. Das Potenzial war endlos. Welche potenziellen Interessenskonflikte entstehen dadurch? Inwiefern verändert sich Jennifers Blick auf die Superhelden, die sie vertritt oder verklagt? Kann sie ihre Arbeit überhaupt objektiv verfolgen, wo sie doch quasi selbst ihr eigenes Ziel und/oder Mandant ist? Was verändert sich in ihrem Privatleben, wodurch unterscheiden sich Jen und She-Hulk? Ist Jen eine knallharte Business Lady, die sich ihre Stellung in einem männerdominierten Beruf hart erarbeiten musste und dann kalt erwischt wird, wenn die laszive und dauerflirtende She-Hulk auf den Plan tritt? Genießt die eher schüchterne Jen vielleicht die Aufmerksamkeit, die ihr ihre neue Kraft und ihr Alter Ego einbringen? Oder den Respekt, den ihr plötzlich gestandene Männer entgegen bringen? Vielleicht sogar deren Angst? Will sie plötzlich zu viel? Superheldin und Anwältin sein? Wächst ihr die Sache über den Kopf? Verliert sie ein Gefecht? Einen wichtigen Fall? Verliert sie sich sogar ein wenig in diesem Rausch, verprellt Freunde und Kollegen? Bringt ihre Karriere in Gefahr und das Leben der Menschen, die sie liebt?
All das waren Fragen, die ich mir gestellt habe. Ein echter Charakter-Arc für eine auf dem Papier wahnsinnig interessante Figur, die mit den Problemen des Hulks und den Problemen einer Frau in einer Männerwelt zurechtkommen muss. Die Zutaten für eine fantastische Heldenreise sowohl im Gerichtssaal als auch auf den Straßen von L.A. waren gegeben, sie hätten nur zu einem köstlichen Kuchen zusammengemixt werden müssen. Leider hat das die Serie mMn aber komplett verkackt.
Ich weiß nicht, wie es euch ging, aber für mich kam Jennifer Walters nicht wie eine erfolgreiche Anwältin in ihren 30ern rüber. Sie stammelte, sie quiekte, sie stotterte und zeigte insgesamt das Selbstbewusstsein einer 14-Jährigen, die neu an der Schule ist. Grundsätzlich hätte das funktionieren können, auch wenn es eigentlich ihrem Posten als gute Anwältin widerspricht. Hat es aber nicht, denn auch als She-Hulk wurde die Figur nicht wirklich besser. Die Szene, in der sie vor diesem (beinahe beleidigend klischeehaften) Mode-Fuzzi kuscht, war an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. Sie ist Staranwältin und She-Hulk, aber gebärdet sich wie ein kleines Mädchen. Jen erinnerte mich die ganze Staffel über mehr an eine Disney-Prinzessin wie Anna: Quirlig, süß, ein bisschen witzig (manchmal), aber gleichzeitig seltsam unsicher und nur dann selbstbewusst, wenn die Serie einen anderen Charakter (idR einen Mann) schlechter dastehen lassen wollte. Ansonsten war Jen alles, aber keine resolute Anwältin. Für eine Serie, die die Stärke und Intelligenz und generelle Wertigkeit von Frauen so offensiv in den Fokus rücken will, agiert Jen meist wahnsinnig unreif und unaufgeräumt. Sei es als Mensch oder als She-Hulk, wo leider ohnehin kein großer Unterschied besteht. Gerade im Vergleich zu Mallory, die eine absolute Badass ist, wirkt Jen zahnlos und ungefährlich.
Selbiges gilt auch für den Plot, der eigentlich nicht existent ist. Alle paar Folgen gibt es mal eine kurze Sequenz, in der Jen irgendwie Blut abgezapft werden soll oder sie von Online-Trollen bedroht wird, bevor es zum klassischen Case of the Week geht. Diese Fälle sind, mit Verlaub, albern und langweilig. Das beste an der Sache mit Wong war Madysinn, während Wong selbst allmählich zu nerven beginnt. Also sorry, aber warum sollte der Sorcerer Supreme plötzlich den Rechtsweg gehen, um einen abtrünnigen (und gefährlich inkompetenten) Magier seinen Sling-Ring abzunehmen? Seien wir ehrlich, all diese Fälle kamen genauso aus dem Nichts wie plötzlich all die Zivilsten mit Superkräften und dienten eigentlich bloß einem Zweck: Männer wie Arschlöcher und/oder Idioten dastehen zu lassen.
Womit wir beim Hulk-großen Elefanten im Raum wären: Der Darstellung von Männern.
Wer meine Beiträge in diesem Forum kennt, der weiß, in welche Richtung ich bei solchen Themen schwinge. Ich bin liberal, ich wünsche mir mehr handlungstragende Frauen in diversen Werken, ich wünsche mir generell mehr Diversität und eine Abkehr von tradierten, aber schädlichen Tropen wie der Damsel in Distress oder dem schwulen (schwarzen) besten Freund. Entsprechend habe ich nicht damit gerechnet, dass mir diese Serie dermaßen auf den Zahn fühlen würde. Aber heilige Scheiße. Die Männer in She-Hulk sind entweder dumme egoistische Schweine, dumme rücksichtslose Schweine, dumme Schweine, Feiglinge, Incels, Mobber, Fuckboys, Toyboys oder Boomer. Ungelogen. Ich zähle vier Männer in der Serie, die nicht vollkommene Ärsche sind: Bruce Banner, Matt Murdock, Augustus Pugliese und Jens Vater. Die ersten beiden sind etablierte Figuren, die der Zuschauer mögen soll und nicht für die Serie kreiert wurden. Der dritte erfüllt im Grunde die Rolle des schwulen besten Freundes. Ob er schwul ist, bleibt abzuwarten. Jens Vater ist insgesamt super, da kann ich nichts sagen. Achso, da gab es noch eine Gruppe an "netten" Männern, zu denen ich noch kommen werde.
Die Serie wird nicht müde, die Unzulänglichkeiten und Idiotien und Arschigkeiten der männlichen Spezies zu betonen, die alle nur das eine wollen oder anderweitig von entwicklungspsychologischen Störungen und freudianischen Trieben geleitet werden. Und all das wäre mir sogar egal oder willkommen, wäre die Serie intelligent in ihrer Demontage toxischer oder sonst wie feindseliger Männlichkeitsklischees. "Die Schadenfreundinnen" ist eine meiner liebsten RomComs, die Serie The Boys zerlegt am laufenden Band überholte männliche Stereotype -- und das ist absolut genial. Aber She-Hulk ist so billig, so pubertär, so mies-transparent in ihrer "feministischen" Mission, dass jeder gute Wille durch blanke Inkompetenz zunichte gemacht wird. Wenn Jen etwa für den "Female Lawyer Award" ausgezeichnet wird, passieren drei Dinge: Erstens, der männliche Moderator macht einen chauvinistischen Witz über Highheels und stellt herablassende Fragen. Zweitens, es werden mehrere Frauen gleichzeitig ausgezeichnet. Drittens, Mallory macht eine passiv-aggressive Bemerkung darüber, wie sexistisch Erstens und Zweitens sind. Szenen wie diese zeigen eine seltsame Unsicherheit im Drehbuch. Zum einen glaube ich nicht, dass ein männlicher Moderator ungeprüft solche Kommentare auf einer solchen Veranstaltung machen dürfte (oder engagiert würde), zum anderen muss Mallory das nicht auch noch kommentieren. Es ist, als wären die Autoren nicht selbstbewusst in ihrem Visual Storytelling gewesen oder wollten ihren Punkt mit der Brechstange einprügeln. Jedes. Verdammte. Mal. Wie sowas richtig geht, zeigt eine absolut brillante Szene in Fleabag, wo in einem tollen Nebensatz auf die sexistischen Untertöne solcher Auszeichnungen hingewiesen wird, ohne es derart plakativ herauszustellen. (An dieser Stelle eine klare Empfehlung, sich unbedingt Fleabag anzusehen. Tolle Serie, verfügbar über Amazon Prime. Ihr seid es euch wert!)
Gleichzeitig zeigt aber auch Jen nicht, warum sie es denn verdient, einen guten Mann abzubekommen. Nicht nur ist sie, wie oben beschrieben, wahnsinnig inkonsequent geschrieben, sie verfällt sogar selbst in die Verhaltensweisen, die an Männern kritisiert werden. Die ganze Serie eigentlich. Mansplaining ist böse, außer eine Gruppe von armen Außenseitern in einer Selbsthilfegruppe führt Jen auf den rechten Pfad zurück. Harmlose Loser sind wohl keine richtigen Männer, oder sind eben zu unverfänglich, als dass sie in die Schiene der toxischen Männlichkeit fallen? Jen lechzt nach Matt Murdock und macht zotige Kommentare durch die vierte Wand. Das wäre lustiger und sympathischer, wenn die Serie nicht vorher viel Zeit darauf verwettet hätte, notgeile Männer als hassenswerte Drecksäcke zu brandmarken. Am Ende des Tages waren die zentralen Themen in Jens Leben auch nur Männer und Mode, grob gesagt, womit unsere Superheldenanwältin dieselben Probleme plagen wie Carrie Bradshaw aus Sex & the City. Herzlichen Glückwunsch. Super Sache.
Es gibt einfach so viele Szenen, die nicht richtig funktionieren, weil die Serie keine eigene Identität entwickelt und ihre Botschaft nicht vernünftig ausbalanciert. Weite Teile der Folgen wirken, salopp gesagt, wie eine Self-insert Rachefantasie. Sei es Jen, die auf der Hochzeit einer gehässigen Highschool-Freundin der Braut die Show stiehlt; oder eine Folge, in der unzählige Exen einen unsterblichen Mann auf Unterhalt verklagen und sämtliche Figuren, einschließlich seiner eigenen Anwälte, auf den Typen draufhauen. Es wirkte auf mich, als dürften sämtliche Autor*innen mal den Frust über schlimme Exen an den Figuren auslassen, und das kam dabei heraus. Eine nachtragende und rachsüchtige Serie, in der auf unreife Weise wichtige und komplexe Themen ins Lächerliche gezogen wurden.
Und ich bin da noch nicht einmal bei dem grausigen CGI, dem Fehlen eines richtigen Plots, der Charakterermordung von Matt Murdock alias Daredevil, der enttäuschenden Rückkehr von Tim Roth als Blonsky/Abomination ins MCU, dem anscheinenden Fehlen echter Rechtsexperten hinter den Kulissen oder den absolut hanebüchenen Durchbrüchen der vierten Wand. She-Hulk ist nicht Deadpool und die Autor*innen sind nicht schlau oder witzig genug, das angemessen durchzuziehen. Die finale Folge war ein unfassbarer Clusterfuck. Wie arrogant kann eine Serie sein, um metakritisch das gesamte MCU durch den Fleischwolf drehen zu wollen? Wenn Deadpool das macht, dann ist das eine Sache. Ryan Reynolds ist wenigstens witzig. She-Hulk ist nicht witzig. Das Finale hatte nicht einmal eine Auflösung. She-Hulk hat nichts gerissen. Jen hat per buchstäblichem Deus Ex Machina die finale Konfrontation übersprungen. Hier stand ich und dachte, nach dem übersprungenen Endkampf in Moon Knight könnte mich nichts mehr schocken. Aber da wusste ich ja noch nicht, was She-Hulk sich anmaßen wurde. Als Zuschauer fühle ich mich verarscht, als jahrelanger Fan des MCU sogar seltsam beleidigt. Nicht, weil ich nicht über die Schwächen des MCU lachen kann. Natürlich kann und sollte man das. Aber das muss intelligent erfolgen, nicht auf so eine eklatante und selbstgerechte Art und Weise. Nicht von einer Serie wie She-Hulk. Das MCU hat in den ersten drei Phasen das größte Filmepos der Leinwandgeschichte hervorgebracht. She-Hulk besitzt nicht einmal einen richtigen Plot. Oder Character Arc. Was für ein Witz.
Wie gesagt, ich wollte die Serie mögen. Zu Beginn sah es auch ganz vielsprechend aus. Frisch, humorvoll, die Verweise auf Internet-Trolle und die Social Media Kultur waren zeitaktuell und passend. Sogar die feministischen Untertöne haben wunderbar funktioniert. Doch dann bröckelte die Fassade und entblößte eine schlecht geschriebene Blaupause. Jen als Figur ist inkonsequent und unglaubwürdig in der Rolle als Anwältin UND She-Hulk, die Nebenfiguren sind austauschbare Pappschablonen von der Stange, die Zurschaustellung problematischer Männlichkeiten erinnert eher an Revenge Porn als an gelungen feministische Sozialsatire. Das CGI ist übel, der Metahumor überheblich und verfehlt seinen Zweck -- Nur weil man das eigene schlechte Drehbuch kommentiert, wird es nicht weniger schlecht, Jen. Alles in allem ist die Serie ein Totalschaden für mich. Wenn euch die Serie gefallen hat, sehr gut, freut mich. Bin immer froh, wenn Menschen Spaß mit den Medien haben, die sie konsumieren. Aber für mich besitzt die Serie keinen Rettungsanker, nichts, woran ich mich festhalten kann. Madysinn ist glorreich, Pugliese ist heiß, Mallory ist Badass. Aber nichts davon kann diese Show für mich retten. Nichts.
/rant over