Otoyomegatari – The Bride's Stories

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    • Otoyomegatari – The Bride's Stories


      Es war einmal vor langer Zeit… da zückte der Onkel Prancer sein Geschichtsbuch und startete eine Dreierserie von Mangathreads zu Serien, die sich allesamt als Historienmanga verstanden. Doch beleuchteten alle drei jeweils einen anderen Zeitabschnitt in einer bestimmten Region. Da geht es einmal 2.300 Jahre in die Vergangenheit nach China, ein anderes Mal in die Mitte des 16. Jahrhunderts nach Japan und zu guter Letzt noch nach Zentralasien, in die unmittelbare Nähe des kaspischen Meeres, ins 19. Jahrhundert.

      In diesem Thread soll es um das letztgenannte Werk aus der obigen Aufzählung gehen, namentlich Mori Kaorus bezauberndes Otoyomegatari – The Bride’s Stories aus dem Hause Enterbrain. Das preisgekrönte Werk genießt in Japan bei Fachleuten und Kritikern unlängst großes Ansehen und ist inzwischen auch in Übersee in aller Munde! Richtig ins Rollen kam der Stein im Jahr 2010 als der Manga auf Platz 2 der Zenkoku shoten-in ga eranda osusume Comic-Liste, einer, wie es der japanische Name erklärt, von Buchhandlungs-Mitarbeitern aus ganz Japan zusammengestellten Auflistung von Mangaempfehlungen, landete. Auch in den Folgejahren konnte sich der Titel noch in den Top 15 halten. (2011: 15., 2012: 11. Platz) Im Jahr 2011 gab es dann neben einer Nominierung für den 15. Tezuka-Osamu-Kulturpreis auch den Silberplatz auf dem Treppchen beim Manga Taishō-Preis. Neben einer Nominierung der YALSA (Young Adult Library Services Association) als eine der besten 10 Graphic Novels, brachte das Jahr 2012 der Serie zudem noch den Prix Intergénérations beim renommierten Festival d’Angoulême in Frankreich.

      Allgemeine Informationen
      • Serie: Otoyomegatari – The Bride’s Stories
      • Mangaka: Mori Kaoru
      • Genre: Historie, Romance, Slice of Life
      • Magazin: Fellows! (Enterbrain-Verlag)
      • Erscheinungsjahr(e): 2008 – heute
      • Status: +4 Bände, aktuell 23 Kapitel
      • Stand der Scanlations: up-to-date
      • Anmerkung: Die Fellows! ist ein Zweimonatsmagazin, d.h. ein neues Kapitel erscheint logischerweise nur alle 2 Monate!
      Story
      Die Geschichte spielt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Schauplatz ist Zentralasien, genauer, die fruchtbaren Gebiete um das kaspische Meer herum.

      Im Zentrum der Handlung stehen der 12-jährige Karluk und die 8 Jahre ältere Amir(a), die kürzlich miteinander verheiratet wurden und nun – wie es in den patrilokal organisierten Gesellschaften jener Region üblich ist – gemeinsam im Haushalt von Karluks Familie, dem Eihon-Clan, leben. Die Geschichte beleuchtet das Leben und den Alltag der Personen, sowohl den sesshaft gewordenen Völkern als auch der Nomaden, in unmittelbarer Umgebung der berühmten Seidenstraße. Hierbei liegt ein großer Fokus auf den Details und Gepflogenheiten des Lebens und der verschiedensten Lebensbereiche, sei es nun bei der Jagd und/oder Viehhaltung, beim Kochen und Brotbacken oder bei der (traditionellen) Stickerei und Textilkunst.
      Besonders spannend erscheint in diesem Zusammenhang zweifellos das Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen, so stammen die Eihons ursprünglich von Nomaden ab, doch haben sich die Vorfahren bereits vor einigen Generationen in einer kleinen Siedlung niedergelassen. Amir(a) ist ihres Zeichens jedoch die Tochter einer halbnomadischen Familie (Sommernomaden) von berittenen Bogenschützen und Jägern, die ein gänzlich anderes Leben pflegen.

      Doch dreht sich die Geschichte nicht ausschließlich um Karluk und Amir(a) und so wechseln die zentralen Reflexionsfiguren in den unterschiedlichen Handlungsbögen. Im zweiten Handlungsabschnitt begleiten wir zum Beispiel den englischen Forscher Henry Smith, der sich auf die Reise begeben hat, um Kultur, Sprache und Gepflogenheiten der Völker und Stämme Zentralasiens zu erforschen.

      Artwork – 9,5/10 Punkte
      Das Artwork ist – wie man es von Mori-sensei nicht anders kennt – eines der Highlights des Manga. Mori Kaoru zählt zu den Zeichnern, die sich im Laufe ihrer Karriere wahnsinnig fortgebildet und stilistisch entwickelt haben. Wenn ich Zeichnungen in ihren älteren Werken (hier natürlich primär Emma – Eine viktorianische Liebe als Beispiel zu nennen), die nie schlecht, aber bei weitem nicht so detailliert, genau und vor allem versiert erschienen, mit den Zeichnungen aus Otoyomegatari vergleiche, kann ich nur wirklich meinen Hut ziehen. Die Frau hat sich gemacht und neben gewaltiger Routine auch einiges an Expertise und handwerklichem Geschick hinzu gewonnen.
      Besonders möchte man hier Moris Liebe zum Detail hervorheben, die sich in akkuraten Zeichnungen von Gebäuden, Speisen und vor allem Stoffmustern und Kleidungsstücken allzu deutlich niederschlägt. Man merkt, dass Mori – wie auch schon bei Emma – wirklich gut recherchiert hat und hohen Wert auf diese vermeintlichen Kleinigkeiten legt. So wird dem Leser ein sehr authentisches Bild vermittelt. (Zugegeben, ich habe beim besten Willen keine Ahnung vom Leben etwaiger Nomadenvölker um 18irgendwas, aber soweit mein Eindruck…)
      Es macht einfach Spaß die Zeichnungen zu betrachten, welche sehr angenehm und einladend komponiert sind. Wie Cailon es seinerzeit in seinem Thread zu Mori Kaoru [hier entlang bitte] so trefflich schrieb: sie schmeicheln dem Auge doch sehr. Das sind keine unnötigen, technischen Spielereien, sondern aus einwandfreier Handarbeit entsprungene, schöne Bilder! (Den halben Punkt Abzug gab es lediglich aufgrund der Tatsache, dass manche Charaktere sich zu ähnlich sehen bzw. man insbesondere bei den Gesichtszeichnungen etwas die Bandbreite vermisst, weshalb es durchaus zu Verwechslungen kommen kann. – Was bei +10-Personen-Haushalten dann doch das ein oder andere Problem gibt.)



      Plot – 9/10 Punkte
      Wie oben angemerkt, wird die Geschichte in mehreren Episoden aufgefädelt, wobei die zentral agierenden Charaktere und somit die Reflexionsfiguren (also jene Personen, durch deren Augen wir die Geschichte erleben) wechseln. Dies sorgt dafür, dass stets frischer Wind in die Handlung kommt und man auch wirklich diverse Facetten des Lebens und Alltags unterschiedlicher Personen(gruppen) aufgezeigt bekommt! Diese Tatsache empfinde ich persönlich als sehr ansprechend, weil sie uns einen tieferen Einblick in die Gesellschaft(en) und zugehörigen Verhaltensregeln gibt. Wir tauchen also wirklich in die gezeigte Welt ein.
      Selbstverständlich muss man im Besonderen wohl das Setting des Werkes positiv hervorheben. Ich kann es nicht mit 100%iger Bestimmtheit sagen, aber ich glaube, dass es – wenn sie überhaupt existieren(?) – nur verschwindend wenige Manga gibt, die sich diesen Kulturkreis zum Thema nehmen. (Dies allein rechtfertigt in meinen Augen schon eine hohe Wertung.)

      Ein Leitmotiv bzw. Hauptthema der Serie ist, wie der Name auch schon andeutet, die Heirat mit all den Riten und Habitus, die dazugehören ([Um-]Werbung, Aushandeln der Konditionen, Mitgift/Brautgeld, Zeremonie, etc.).

      Charaktere – 9/10 Punkte
      Was mir an den Charakteren des Werkes besonders gut gefällt, wie weiter oben bereits angesprochen, ist die Vielfalt der verschiedenen Volksgruppen sowie im Besonderen die interkulturellen Momente, die dieser Manga zuhauf hat. Dieses Aufeinandertreffen der Kulturen, was hier in den seltensten Fällen zu Konflikten führt (sehr positiv!), ist einfach unglaublich spannend und schön anzusehen.
      Natürlich werden die einzelnen Figuren nur bis zu einem gewissen Grad skizziert und charakterisiert, aber was will man von einem Werk dieser Länge denn auch groß erwarten? Gerade dahingehend überrascht es doch, wie viel Leben und Persönlichkeit Mori der einen oder anderen Figur bereits in diesen wenigen Kapiteln zu verleihen vermochte. Amir(a), Karluk oder Mister Smith erscheinen besonders gut ausgearbeitet. Aber auch die Halgal-Brüder, Pariya oder die Zwillinge Leyla und Leyli sind hinreichend umrissen.

      Für mich als europäischen Leser hat Henry Smith einen besonderen Reiz und ich finde diesen Charakter sehr gut platziert. Wie auch Smith bin ich mit den fremden Kulturen und den Brauchtümern wenig vertraut und hoffe aber gleichzeitig – wie auch Smith – diese besser verstehen zu lernen.

      Special: Making of Otoyomegatari
      Da es bei einem Werk mit diesem Umfang nicht nur müßig, sondern in gewisser Weise schlichtweg überflüssig wäre, die Themen und Motive ausgiebig zu beleuchten, habe ich stattdessen eine hübsche Video-Dokumentation dabei. Hierbei handelt es sich um eine sechsteilige Reihe vom Entertainment-News-Unternehmen Natasha, Inc. bzw. präziser der zugehörigen Redaktion Comic Natalie.
      Comic Natalie durfte Mori bei einer Illustration für Otoyomegatari einmal genauer über die Schulter blicken und so werden dem Zuschauer die verschiedensten Schritte, die es im Zuge einer solchen Komposition abzuarbeiten gilt, näher gebracht. Angefangen mit einem blanken, weißen Papier, über die Roh- und Feinskizzen, dem Tuschen, bis schließlich hin zum Kleben und Kratzen der Rasterfolien und Toner!
      Klickt euch doch mal durch die Videos, von denen jedes etwa 7 Minuten dauert. Das ist auch etwas, das wohl für jeden Mangafan interessant sein dürfte und einen wirklich ins Staunen versetzt! (Mit was für einer Routine da aus dem Nichts atemberaubend schöne Kompositionen entstehen, nicht zu fassen…)

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      Abschließend bleibt mir eigentlich wenig hinzuzufügen. Meine Meinung zu diesem herausragenden Manga (so zumindest meine Einschätzung) habe ich zuvor ja bereits ausführlich erläutert. Eine klare Leseempfehlung für alle, die das Lesen von Manga gerne auch mit Fortbildung und Wissenserweiterung verbinden. Mori liefert mit diesem Werk eine überwiegend seriöse Arbeit ab, soweit ich das beurteilen kann (sehen wir mal zum Beispiel davon ab, dass Amir ein Jungenname ist und die weibliche Form Amira lauten müsste…) und die zahlreichen Ehrungen, welche der Serie in ihrer kurzen Laufzeit bereits entgegenkamen, sprechen wohl für sich.

      Wem die Serie besonders gefällt, der wird sich vor allem über die Tatsache freuen, dass sowohl YenPress als auch Tokyopop-Deutschland den Manga lizensiert und unter dem Titel "Young Bride's Story" bis einschließlich Band 3 publiziert haben. – Für einen kleinen Obolus kann man dieses Schmuckstück also der heimischen Bibliothek hinzufügen. In diesem Sinne: viel Spaß!