Iryū – Team Medical Dragon

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    • Iryū – Team Medical Dragon


      Es war mal wieder an der Zeit unserem schnieken Mangabereich ein bisschen mehr Leben einzuhauchen und gegen das Sommerloch anzukämpfen. Folglich entschloss sich Onkel Prince abermals für eine Runde von Leseempfehlungen zu einem Leitmotiv. Der Slogan für das diesmalige Cluster? – „Helden in Weiß“!
      In den 60er Jahren etwa begannen Medizindramen weltweit die TV-Landschaft zu erobern und auch heute noch flimmern Serien wie Emergency Room, Scrubs, Nip/Tuck, Dr. House und Grey’s Anatomy über die Mattscheibe und erfreuen sich größter Beliebtheit.
      Beim Manga dauerte es gut ein Jahrzehnt länger, bis dieser Topos von niemand geringerem als „Manga no kamisama“ Tezuka Osamu (einem ausgebildeten Arzt wohlgemerkt) erschlossen wurde. Seine Titel Ode an Kirihito (1970-1971) und Black Jack (1973-1983) ebneten den Weg für zahlreiche weitere Werke und gelten noch heute als Meilensteine des japanischen Manga.
      Ich möchte euch dieses Mal gerne drei herausragende und preisgekrönte Medizinmanga aus dem vergangenen Jahrzehnt vorstellen.

      Den Anfang mache ich heute mit dem Manga Iryū – Team Medical Dragon aus der Feder von Nogizaka Tarō. Zu allererst will ich euch kurz die Personen hinter dem Werk vorstellen.

      Über die Macher
                
      links: Nagai in seinem Arbeitszimmer; rechts: Nogizaka (Mitte) mit zwei Universitätsprofessoren, die mit dem Manga in ihrem Unterricht arbeiten

      Autor
      Iryū – Team Medical Dragon entstand nach einer Idee des japanischen Arztes Nagai Akira (1947-2004). Wie auch seinen Vater, seines Zeichens Militärarzt während des zweiten Weltkriegs und später bis zu seinem Ableben im Alter von 85 Jahren als Landarzt tätig, verschlug es Nagai in die Medizin. Nach seinem Abschluss an der medizinischen Universität Tokio sollte er zunächst mehrere Jahre als Internist in einem Krankenhaus in der Präfektur Kanagawa arbeiten. (Er würde es sogar zum Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin schaffen.) Doch im Jahre 1982 kündigte er schließlich seinen Posten und hing den Arztberuf an den Nagel. Er hatte genug vom System.
      Nagai sollte fortan als Schriftsteller und Medizinjournalist arbeiten. Neben mehreren Dutzend Aufsätzen schrieb er auch das Drehbuch für den Kinofilm Boku ga byōki ni natta riyū aus dem Jahre 1990. Ebenfalls in den 90ern war er als Autor des Manga Kenshūi Furuya Kenichi (1991-1992; Young Champion Comics, in 4 Bänden abgeschlossen) tätig. Im Jahre 2002 startete die Serie Iryū – Team Medical Dragon, die er bis zu seinem Tode als Autor betreuen sollte.
      Nagai Akira verstarb am 7. Juli 2004 im Alter von 56 Jahren an Leberkrebs.

      Zeichner
      Für die Zeichnungen des Manga ist Nogizaka Tarō (*1968) verantwortlich. Sein erstes publiziertes Werk war die Basketball-Kurzserie HOOP STAR, die von 1999 bis 2000 in mehreren Sonderausgaben der Weekly Shōnen Sunday erschien. Es folgte bald darauf sein offizielles Debüt mit der Serie Kirinji – Open The Adventure Door. – Doch sollte es sich hierbei um ein im besten Fall „kurzes“ Intermezzo handeln. Kirinji lief für ganze fünf Ausgaben in der Weekly Shōnen Sunday und ward nie mehr wieder gesehen. Bis heute erschien die Serie nicht in gebundener Form…
      Doch dieses traurige Schicksal sollte im Jahre 2002 schließlich sein Ende nehmen, als Iryū – Team Medical Dragon seinen Lauf in der 14-tägig erscheinenden Big Comic Superior begann. Das Medizindrama würde schon bald hohe Wellen schlagen und in Folge dessen im Jahr 2004 mit dem 50. Shogakukan Manga-Preis in der Königs-Kategorie „Manga (allgemein)“ ausgezeichnet werden. Nach Nagais Ableben im gleichen Jahre sollte Nogizaka fortan auch als alleiniger Autor der Geschichte agieren.
      Nach dem Ende von Iryū – Team Medical Dragon ließ Nogizaka nicht lange auf sich warten und veröffentlichte wenig später seinen neuesten, aktuell laufenden Manga Yūreitō (abermals Big Comic Superior).
      Daneben pflegt er eine enge Freundschaft mit Matsuena Syun, dem Mangaka von History’s Strongest Disciple Kenichi und hat u.a. eine Illustration in dessen Kurzgeschichtensammlung beigesteuert.

      Allgemeine Informationen
      • Serie: Iryū – Team Medical Dragon
      • Macher: Nogizaka Tarō (Zeichner; ab Mitte 2004: Mangaka), Nagai Akira (Ideengeber; Autor bis 2004), Yoshinuma Mie (medizinische Beratung [ab Band 11])
      • Genre: Medizindrama, Gesellschaft
      • Magazin: Big Comics Superior (Shogakukan)
      • Erscheinungsjahr: 2002 – 2011
      • Umfang: 208 Kapitel (+ 2 Epilog-Kapitel), in 25 Bänden abgeschlossen
      • Scanlationstatus: aktiv; gegenwärtig 86 Kapitel [Anfang v. Band 11] erschienen
      • Anmerkung: wurde auch als (Live Action) TV-Drama in drei Staffeln zu insgesamt 32 Episoden verfilmt!
      Story
      Katō Akira ist eine junge und ambitionierte Ärztin, die als Assistenzprofessorin in der Abteilung für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie des Meishin-Universitätsklinikums arbeitet. Doch ist sie noch lange nicht dort angekommen, wo sie gerne hinmöchte. Die Karrierefrau hat hohe Zielen: sie will zur Professorin aufsteigen und das japanische Gesundheitssystem revolutionieren. Denn die junge Dame hat die zahlreichen Krankheiten des aktuellen Systems (insbesondere des Gesundheitswesens im universitären Umfeld) unlängst ausfindig gemacht – u.a. Hierarchiestrukturen, die einer Feudalgesellschaft gleichkommen; Vetternwirtschaft; Operationsfehler und Vertuschung; die schlechte Betreuung von Patienten; die unlauteren Machenschaften von Pharmaunternehmen; sowie das altbekannte Leiden aller hohen Tiere: Korruption – und befindet, dass bereits zu viele Leute lange genug unter diesen Missständen leiden mussten. Katōs Trumpfkarte im Kampf zur Macht ist eine Forschungsstudie, in deren Zentrum die komplizierte Batista-Operation, eine Herz-OP, steht. Damit diese Abhandlung jedoch erfolgversprechende Ergebnisse hervorbringen kann, fehlt Dr. Katō noch ein wichtiges Puzzlestück: der Chirurg Asada Ryūtarō!
      Katō traf den herausragenden Herzchirurgen vor drei Jahren in der medizinischen Einrichtung einer Nichtregierungsorganisation in einem Flüchtlingslager irgendwo in Afrika. Die unerfahrene junge Dame war das Paradebeispiel für einen Zögling des japanischen Gesundheitssystems: es fehlte ihr an Praxiserfahrung, Initiative und Flexibilität. Ihr Landsmann Asada war das genaue Gegenteil und leitete das beste Operationsteam vor Ort, das Team Medical Dragon. Vom ersten Moment an als die Ärztin Asada und sein perfekt eingespieltes Team in Aktion sah, war sie von den Fähigkeiten des Chirurgen überwältigt. – Wenn die Batista-Studie von Erfolg gekrönt werden soll, dann braucht Katō den legendären Drachen auf ihrer Seite.

      Allerdings hat dieser den Arztberuf inzwischen an den Nagel gehängt und lebt zurückgezogen in der Pampa, irgendwo in der Tōhoku-Ebene. Nachdem die nichtstaatliche Hilfsorganisation ihre Zelte abbrach, blieb Asada – gegen den Willen seines Vorgesetzten, einem Professor der Uniklinik Nordjapan – weiter vor Ort, da er noch Arbeit zu tun sah. Als er schließlich wieder nach Japan zurückkehren sollte, hatte man ihm natürlich längst gekündigt. – Aber damit nicht genug! Durch den Einfluss des zuvor erwähnten Professors kam es, dass kein Klinikum in ganz Japan einen Mann mit Asadas Vergangenheit und fehlerhaftem Betragen jemals wieder einstellen würde. Dr. Asada fiel dem System zum Opfer, wurde in dem Moment, als er gegen die Spielregeln verstoßen hatte, gekaut und ausgespuckt.
      Als Katō ihn daher in seiner heruntergekommenen Bleibe in Sendai aufsucht, um ihm eine Zusammenarbeit vorzuschlagen, lehnt er das Angebot zunächst ab. Jedoch kommt es im Laufe des Abends zu einem Zwischenfall, der Asada zeigt, dass er mit dem Leben als Arzt noch nicht ganz abgeschlossen hat. Der legendäre Drache wird wiedererweckt und willigt schließlich ein, am Meishin-Universitätsklinikum zu arbeiten. Er fügt aber auch an, dass ihm nichts an Dr. Katōs Foschungsprojekt oder ihrer Kandidatur als Professorin liegt. Asada möchte lediglich ein neues Team aufstellen, seine Fähigkeiten testen und so viele Patientenleben retten wie nur möglich. Im selben Atemzug warnt er die junge Assistenzprofessorin, dass sie mit seiner Anstellung einen großen Fehler begangen hat…

      Der Manga begleitet nun das ungleiche Gespann, das zwar von ähnlichen Interessen getrieben wird, deren Vorgehensweise jedoch unterschiedlicher kaum sein könnte.

      Artwork – 9/10 Punkte
      Iryū – Team Medical Dragon weiß mit einem sehr schönen Artwork zu gefallen und das quasi mit dem ersten Kapitel. Dies ist insofern beeindruckend, da der Mangaka vor dem Werk keine große Praxiserfahrung sammeln konnte. Zum Zeitpunkt von Band 4 etwa hat er dann seinen Stil gefunden, die Zeichnungen wirken noch feiner und das gesamte zeichnerische Niveau des Manga wird nochmal auf eine höhere Stufe gehoben. Ein besonderer Hingucker sind die dynamischen Parallelschraffuren, die Nogizaka mit großer Sorgfalt vor allem bei Charakter- und Porträtzeichnungen durch praktiziert. Das tatsächliche Highlight stellen letztlich aber die Zeichnungen im Operationssaal dar, die wirklich beeindruckend ausfallen. Wie Nogizaka es schafft, ein derartiges Niveau mit solch präzisen Zeichnungen und eindrucksvollen Bildern in einem 14-tägig erscheinenden Manga an den Tag zu legen, verlangt dem Leser schon ein gehöriges Maß Respekt ab.
      Im Allgemeinen variiert der Mangaka zwischen zwei Zeichenstilen. (Mit ein paar wenigen Ausnahmen.) Das wäre einmal ein etwas kantiger und rauer Zeichenstil, der sich durch sehr dynamische und frische Linienführung sowie die zuvor erwähnten Schraffuren auszeichnet und dem gegenüber ein etwas runderer, geschmeidigerer Stil, der vor allem durch den Einsatz von Soft-shading ins Auge sticht.

      Die volle Wertung bleibt dem Titel jedoch letztlich verwehrt, weil Nogizaka sich einiger – wie ich sie gerne nenne – Taschenspielertricks bedient, die sich in vergleichbarer Art und Weise auch in Kubo Tites Artwork wiederfinden. Das fängt bei einem exzessiven Gebrauch von Nahaufnahmen und Porträtzeichnungen an (wenngleich man Nogizaka zu Gute halten muss, dass seine Figuren tatsächlich so etwas wie Mimik besitzen, die dem Leser etwas über ihr Innenleben und ihre Gefühlswelt mitteilt – also kein immer gleicher Schlafzimmerblicks in einer emotionslosen, wenig plastischen Botoxfratze) und gipfelt darin, dass sich zu viele Szenen im „luftleeren Raum“ ereignen; die entsprechenden Panels oftmals also einen Hintergrund vermissen lassen. – Was schade ist, weil der Zeichner das strenge und sterile Krankenhausambiente eigentlich sehr gut beherrscht.
      Nichtsdestotrotz bleibt der Manga natürlich ein optischer Leckerbissen und kann mit unzähligen bewegenden Panels aufwarten! Beispiele gefällig?

                
      Plot – 9/10 Punkte
      Der Aufbau der Geschichte ist über weite Strecken sehr gelungen. Während Katōs Kandidatur für die Professorenstelle sowie die Batista-Studie zwar im Zentrum der Haupthandlung stehen und damit eigentlich die treibende Kraft hinter dem Geschehen darstellen, werden häufig auch sekundäre Handlungsstränge aufgegriffen und kleinere Erzählepisoden zwischengeschoben.
      In den ersten sechs, sieben Bänden stellt Dr. Asada nach und nach sein Operationsteam zusammen, welches Stand Kapitel 49 schließlich komplettiert ist, bestehend aus: Satohara Miki (OP-Schwester), Fujiyoshi Keisuke (Allgemeinarzt/Patientenbetreuung), Katō Akira (1. chirurgische Assistentin), Ijūin Noboru (2. chirurgischer Assistent) sowie schließlich Arase Monji (Anästhesist).
      Neben den Protagonisten Asada und Katō steht vor allem der junge Kliniker Ijūin Noboru im Mittelpunkt der Handlung und dient dem Leser als zentrale Reflexionsfigur. Der Assistenzarzt hat seinen Abschluss frisch in der Tasche und muss sich nun im harten Krankenhausalltag zurechtfinden und zahlreichen Herausforderungen stellen. – Aufgaben, denen er sich nicht gewachsen sieht und auf die er seinem Empfinden nach während des Studiums nicht ausreichend vorbereitet wurde.
      Aber auch die anderen Mitglieder des Batista-Teams, Personen aus deren Umfeld und ihre Patienten sowie weitere Mitarbeiter des Meishin-Klinikums spielen in unterschiedlichen Episoden eine größere Rolle.

      Den Punkt Abzug gibt es für vereinzelte Längen im späteren Handlungsverlauf (lange nach dem Stand der aktuellen Scanlations!) und aufgrund der Tatsache, dass der medizinische Aspekt in diesem Abschnitt an Bedeutung verliert. Stattdessen liegt hier ein größerer Fokus auf den Freundschaften und Beziehungen der einzelnen Figuren zueinander.

      Charaktere – ?/10 Punkte
      Auch nach reiflicher Überlegung bin ich noch nicht ganz sicher, wie ich die Charaktere in Iryū – Team Medical Dragon nun letztlich bewerten soll. Auf der einen Seite kann die Geschichte mit einem sehr großen Ensemble punkten, das durch seinen Facettenreichtum besticht und überwiegend glaubhafte Charaktere produziert. Zudem werden die klassischen Typen des japanischen Gesundheitssystems und guten Medizindramas bedient: raffgierige Ärzte, denen Profit und persönlicher Vorteil wichtiger sind als das Schicksal ihrer Patienten; Speichellecker, die von Nasen- bis Fußspitze im Allerwertesten ihres Vorgesetzten stecken und sich wie Blutegel die Karriereleiter hochsaugen; idealistische Philanthropen, die aus Liebe zum Beruf und im Glauben an eine bessere Welt praktizieren; Quacksalber, die Operationsfehler aus Angst um die eigene Karriere nicht beheben bzw. gar vertuschen wollen; alte, müde Chefärzte, die wie Despoten über die jeweiligen Abteilungen herrschen und den Ton für das ganze Spektakel angeben… – Nicht wenige Figuren kann man sich im echten Leben, in einem realen Krankenhaus vorstellen.
      Weiterhin gefällt, dass eine große Zahl der auftretenden Personen sich nicht in ein einfaches Schwarz-Weiß-Schema einteilen lässt. Auch die vermeintlich „bösen“ Charaktere werden nicht als durchweg schlecht inszeniert. Häufig wird die Motivation und der Gedankengang hinter ihrem Handeln erklärt. Gleichzeitig haben auch die „Guten“, die Helden der Geschichte die eine oder andere Leiche im Keller.

      Der geneigte Leser dieser Rezension wird jetzt meinen, dass sich das soweit gar nicht schlecht anhört und mag sich fragen, wo der Haken bei der ganzen Sache ist. Nur lässt sich das gar nicht so leicht auf den Punkt bringen. Fakt ist einfach, dass allen voran Dr. Asada ein Vorrecht auf „korrektes Handeln“ hat. Dieser liegt immer richtig mit seinen Diagnosen und kann quasi jede noch so aussichtslose Situation schlussendlich zum Guten wenden. Damit erscheint mir der Charakter in seiner Gänze zu positiv in Szene gesetzt, da fehlen mir ein paar Kanten mehr. Der Autor macht es sich deshalb auch zu einfach, indem er sich letztlich immer wieder auf die Seite von Asada schlägt. – Das heißt, auch wenn es kein klassisches Schwarz-Weiß-Schema gibt, so blitzt es doch an manchen Stellen deutlich auf.
      Was die Charakterisierung der einzelnen Figuren betrifft, hätte ich mir in ein paar Fällen auch noch ein bisschen mehr Tiefe und Hintergrund gewünscht, gerade bei den auftretenden Hauptfiguren. – Was motiviert einen Ijūin? Wie kam Asada in die Medizin? Die Auflösung dieser Fragen hätte mich doch sehr interessiert.

      Themen und Motive – 10/10 Punkte
      Diesen Punkt möchte ich abschließend eigentlich eher kurz halten. Iryū – Team Medical Dragon bietet nämlich alles, was ich mir von einem guten Medizindrama wünsche: Dramatik, Ernst, Tiefe und noch vieles mehr.
      Es werden die Licht- und Schattenseiten des japanischen Gesundheitssystems beleuchtet (wenngleich auch weniger ambigue und wertungsfrei als beispielsweise in Black Jack ni yoroshiku), es wird Kritik an Gesellschaft und Industrie geäußert und die Charaktere stehen oft vor schwierigen Entscheidungen, die sie zwischen ihren eigenen Moralvorstellungen, den gesellschaftlichen Normen und Gepflogenheiten sowie den vom Krankenhaus/Chefarzt diktierten Regeln austarieren müssen. Innere Konflikte und Gewissensbisse sind oftmals vorprogrammiert.
      Ich finde, wenn man beim Lesen eines Werks nicht nur etwas dazulernt und die Welt um einen herum besser versteht, sondern auch wirklich zum Nachdenken angeregt wird, dann ist das in meinen Augen eine glatte Win-Win-Situation. Und Iryū – Team Medical Dragon ist genau so ein Fall!

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      Viel mehr gibt es eigentlich nicht hinzuzufügen. Ich komme also zum Schluss und würde mich freuen, den einen oder anderen Post hier in Zukunft lesen zu können. Wer einen intelligenten und spannenden Manga mit mitreißender Story und unterhaltsamen Charakteren sucht, wird bei dieser Serie auf seine Kosten kommen. Oder anders gesagt: Lesen, sonst heißt’s am Ende noch…

    • Da drängt man den Prinzen förmlich, den Thread schon herauszurücken, und dann? – Dann ist es ein verdammt guter Manga und man braucht kein schlechtes Gewissen zu haben! Aber eins nach dem anderen, erst einmal: im folgenden Text herrscht Spoileralarm! Weiter im Text: Es war einmal...

      – einmal mehr eine Empfehlung von PP, die für mich literarisches Neuland darstellte; nicht nur weiß ich ohnehin recht wenig über Medizin, Krankenhäuser und ihre Praxen, Ärztekammern etc.; ich habe auch noch in keiner Weise, die mir jetzt einfiele, ein fiktives Werk gelesen, das dieses Thema behandelt (auch nicht Urasawas MONSTER, das ich aber gestern begonnen habe).
      Entsprechend konnte ich ziemlich nüchtern an die Sache herangehen, mit der einzigen Erwartung im Kopf, dass es um das korrupte japanische System und den Versuch, dieses zu verändern, geht. Nun habe ich die knapp elf Bände gelesen und dabei nicht nur großes Vergnügen gehabt, sondern auch noch einiges über oben genannte Punkte gelernt. Genau so sollte ein Manga dieser Art sein, und im Folgenden möchte ich einzelne Aspekte ausführlicher ansprechen und versuchen, meine Euphorie weitestgehend zu schildern:

      Plot
      Schon das, was ich in PPs Post gelesen hatte, versprach, sehr interessant und spannend zu werden. Tatsächlich würde ich sogar behaupten, dass der Manga selbst noch besser war als das. Der recht simple zentrale Plot – Frau, die Machtposition anstrebt, um eine Revolution einzuleiten, ersucht die Hilfe eines nicht mehr arbeitenden Ausnahmearztes für die Durchführung ihrer Pläne –, den man in abgewandelter Form vielleicht sogar schon mal gelesen hat, entfaltet sich zwar bisher noch nicht wirklich. Auch nach fast elf Bänden sehen wir die Batista-Operation, Katō ist ihrem Ziel kaum näher gerückt. Der größte Fortschritt mag noch das Zusammenstellen des superben Teams sein.
      Aber: es ist trotzdem eine Menge passiert, es gab Verwicklungen, Hin und Zurücks im Plot und natürlich auch die einzelnen Episoden, die den Alltag im Krankenhaus näher erläutern, die Geschichte selbst jedoch nicht voranbringen. Davon abgesehen sind es eben diese Vorfälle, die erst andeuten, dass nun ein Riesenschritt in Richtung Professur für Katō getan wurde, im nächsten Moment aber durch ein weiteres Geschehnis nichtig gemacht werden oder gar den Status quo weiter zurückwerfen als in die Ausgangssituation vor dem Vorfall.

      Das ist nun alles sehr unkonkret und mag verwirren, Fakt ist aber, dass dies die Art des Mangas ist. Die Story schreitet nicht wirklich voran, es geht lediglich mal voran, mal zurück, ersteres manchmal mehr als letzteres. Was den Manga ausmacht, sind die vielen Stränge, die mit der Zeit am Plot ziehen – in welche Richtung, das hängt dann von Strang ab. Der wiederum kann eine neu hinzugekommene Figur sein, ein bevorstehendes wichtiges Ereignis, …
      Diese Vorgehensweise ist angesichts des eventuell nur sehr kurzen Plots – Katō wird erhält ihren Rang – auch notwendig. Dennoch muss ich die Autoren loben, da durch die immerneuen Konflikte eine große Authentizität geschaffen wird. Das „Würzen“ der Story durch einzelne Episoden rundet das Ganze perfekt ab, der Alltag wird nicht vergessen – es wirkt einfach nur echt!
      (Es stellt sich natürlich die Frage: endet der Manga, nachdem Katō ihre Position erhält, oder geht er noch darüber hinaus? Wenn ja, vermutlich aber nicht bishin zu einem Resultat, das die Revolution des Systems hervorbringen wird, denn das wäre nicht nur zu viel Stoff zum Unterbringen, sondern auch durch die Realitätsnähe des Mangas eigentlich nicht möglich. Oben nahm ich also an, es endet relativ kurzzeitig nach Katōs Sieg in den Wahlen.)

      Artwork
      Es ist schwierig, hier noch etwas zu nennen, was nicht schon erläutert wurde. Auch ich finde das Artwork, besonders, wenn man den engen Zeitrahmen berücksichtigt, wirklich atemberaubend. Die Präzision, die Nogizaka an den Tag legt und die für einen Manga über Medizin auch wichtig ist, ist ebenfalls nicht zu verkennen. Dass er hierbei die Hintergründe gerne mal leer lässt, fällt kaum auf (was du, PP, wohl auch mit „Taschenspielertrick“ meinst, um unbemerkt Arbeit zu sparen). Das nehme ich zumindest ihm aber keineswegs übel, dazu finde ich sowohl Artwork als auch Story zu gut.
      Bei den Personenzeichnungen sind die angesprochenen Schraffuren sehr schön, insbesondere, weil nicht jeder Mangaka dieses klassische Mittel der Schattierung verwendet – und das auch noch so gut wie Nogizaka es hier tut. Auch sonst sind die Charaktere gelungen – nicht so beeindruckend wie der Rest, aber dennoch gut (insofern, als dass der Leser keine Probleme hat, sich das Aussehen der Charaktere einzuprägen).

      Charaktere
      Wie ich schon ansdeutete, sind die Charaktere ein wichtiger Faktor für die – sicherlich unbedingt angestrebte – Authentizität des Mangas. Die von PP genannte Vielfältigkeit der Personen, die man sich alle als Bestandteile des tatsächlichen japanischen Krankenhauswesens vorstellen kann, wusste mir sehr zu gefallen. Ein weiterer Vorzug ist selbstredend, dass sich so ziemlich jeder Leser hier seine paar Favoriten rauspicken kann, eben weil das Sortiment so breitgefächert ist. Mir sagt beispielsweise die viel beleuchtete Figur des Professor Noguchi sehr zu. Obwohl seine Motive verachtenswert sind und ich sie keineswegs teile, sind seine berechnende Art und die große Skrupellosigkeit doch faszinierend. Es handelt sich aber definitiv auch um einen der besten, vom Mangaka am meisten fokussierten Charaktere des Mangas.
      Die Kehrseite dieser Medaille sind eben die Guten, allen voran Asada. Auch mir ist schon nach einer Weile in den Sinn gekommen: „Gibt es denn etwas, das er nicht kann?“ Bis dato hat Asada noch keinen einzigen Fehler gemacht, sieht man einmal von seinem Rückzug aus der Medizin ab. Jede Operation ein Erfolg, eine Riesenleistung jagt die nächste, ein Ass im Ärmel in einer Notlage folgt dem nächsten. Wenn es da wirklich keine Grenzen gibt, enttäuscht der Mangaka hier, besonders da sonst alles sehr authentisch wirkt. – Ein solcher Super-Chirurg jedoch...
      Ein weiterer kniffliger Fall ist Ijuuin. Als Reflexionsfigur ist er nicht schlecht, doch anfreunden kann ich mich nicht mit ihm. Klar, er hat immer diese pessimistische Einstellung, ist schüchtern, hat keine Ausstrahlung. Doch darüber könnte ich hinwegsehen, wenn, wie PP schrieb, mehr Hintergrund gegeben wäre, der mich verstehen ließe, warum er so tickt. Das, was gesagt wird, reicht jedenfalls nicht aus.

      Dennoch ziehe ich auch hier ein definitiv positives Fazit. Man wird gut unterhalten und bekommt einen guten Einblick in ein Krankenhaus mit seinen verschiedenen Abteilungen.

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      Abschließend bleibt mir noch das übliche „Vielen Dank!“ an PP für diese wieder einmal gelungene Wahl und Vorstellung. Gleichzeitig sei diese Geschichte jedem nahe gelegt, der sich bilden oder sich untehalten sehen will – oder natürlich beides! Wenn man sich zwischendurch Zeit nimmt, um nachzudenken – das Verlangen wird sicher der ein oder andere verspüren –, wird man erst richtig wahrnehmen, wie viel man beim Lesen dieses Mangas mitnimmt. Eventuell stellt man sogar Recherchen nach und findet heraus, wie es aktuell um das System in Japan bestellt ist. Damit hätte das Werk dann wohl seine maximale Wirkung entfaltet.
      Zu bedauern ist die Wendung, die der Manga später nehmen wird. Es fiel mir bereits auf, dass die Beziehungen der einzelnen Charaktere eine zunehmend größere Rolle spielen (wenn auch nur geringfügig) und bereits das missfiel mir teilweise. Doch was soll’s, da kann man nichts machen – hinnehmen und „trotzdem“ lesen!

      Eine Frage an dich, PP, hab ich noch: Ist der Manga tatsächlich an [einigen] Universitäten in Japan gängiges Lehrmittel? So etwas hört man schließlich nicht alle Tage, und es wäre wirklich interessant, mehr darüber zu lesen. – Wenn du uns denn mehr darüber sagen kannst.

      Abschließend möchte ich mich noch bei Herrn Ray Charles bedanken, der mich mit seiner Musik durch das Schreiben dieser Rezension begleitete. :D
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