Menschenjagd (Bo)

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    • Kapitel 138 - Feuer in der Nacht

      Starten wir doch frisch in diesen nicht mehr ganz so jungen Morgen und hinterlassen einen Kommentar, bevor ich im Urlaub keine Zeit dafür finde und danach alles im verplanten Chaos endet :D

      Das Kapitel hat mir sehr gut gefallen und las sich auch flott weg. Du sagtest ja, dass es kürzer ist, aber es war auch kurzweilig.
      Gerade die anfängliche Szene mit Mercedes und dem Grauen Spion war etwas, was du sehr gekonnt und atmosphärisch in Szene gesetzt hast. Vor allem, weil es etwas aufgreift, was ich mir selbst auch schon immer so im Hinterkopf gedacht habe, aber irgendwie noch nie angesprochen habe. Deine Kopfgeldjäger haben gegen unzählige Gesetze direkt oder indirekt verstoßen und sind jetzt von der Marine oder der Weltregierung auch nicht direkt auf irgendjemanden angesetzt. Die Destabilisierung vieler Regierungen und das Vorgehen gegen Machiavelli und auch Harley werden im Gegenteil sogar etwas sein, was entgegen der Vorstellungen der mächtigen Strippenzieher im Hintergrund passiert ist. Daher ist es schon bemerkenswert, dass die Kopfgeldjäger bisher noch nicht selbst zur Beute geworden sind, um mich mal deiner Analogie zu bedienen. Neu war vor allem der Hinweis oder zumindest die Andeutung, dass Callaghan und seine Truppe nicht nur passiv von vergangener Substanz und ihrem Ruf leben, sondern jener sogar AKTIV etwas unternimmt? Zumindest deute ich so die Worte des Spions.
      Ansonsten natürlich noch einmal der Hinweis auf Krills Vergangenheit mit der Oktave, O'Mara ist klar und Mercedes Aktion selbst auf FI. Du hattest das ja schon einmal angedeutet, weswegen ich da einfach weiterhin gespannt bin, wann das aufgelöst wird.

      Die Szene mit Dädalus spinnt den Faden aus dem letzten Kapitel weiter und ich muss sagen, dass ich es richtig schön finde, wie wir unsere Geschichte immer weiter direkt und indirekt ineinander weben. Diese übergreifende Lore, die wir dadurch entwickeln ist für mich einfach ein wunderschöner Zusatzeffekt und macht das Lese- und Schreibvergnügen einfach noch größer.
      Ansonsten war die Szene wieder stark. Sowohl Dädalus Unterhaltung mit Ondine, welche von Krill abgehört wurde, als auch ihre Aktion gegen Cassiopeia. Abgesehen davon, dass die kleine Ondine ziemlich massive Kräfte entfesselt hat, sondern auch wie sie die abgebrühte Agentin abfertigt (physisch, emotional und eloquent). Da bin ich mal gespannt wie sich diese Situation jetzt weiter entwickeln wird. Der Plan Ondine als Opferlamm für den Pädophilen bereitzustellen, steht ja immer noch im Raum und was Cassopeia so wirklich auf der Insel will, ist meines Erachtens nach auch noch nicht entschlüsselt. Und was will sie eigentlich genau mit Ondine? Sie zu einer Agentin heranziehen oder als Forschungsexperiment analysieren lassen? Ich denke auf jeden Fall kaum, dass die Rothaarige jetzt mit eingezogenen Schwanz das Schlachtfeld räumen wird, sondern gehe eher davon aus, dass sie sich zurückzieht und ihren nächsten Schritt plant.

      Ansonsten erreichen wir Copperfield, welches du sehr schön als Moloch der Industrialisierung beschrieben hast. Dort tritt auch wieder der Pestdoktor auf, auf den ich besonders gespannt bin, was sich primär aber daraus ergibt, da ich daran entscheiden muss wie ich Leonardo inszeniere. Die Ähnlichkeit ist ja durchaus vorhanden und ich möchte ja nicht wegen Plagiats verschrien sein.

      Insgesamt ein schönes Kapitel, welches die Handlung voranbringt.
      - V.

    • Kapitel 138 - Feuer in der Nacht

      Hmm irgendwie scheint bei mir gerade der Wurm drin zu sein was dass schnelle und zeitige Kommentieren von FF-Kapitel angeht, besonders da ihr so freundlich seit mich immer rechtzeitig vorzuwarnen.

      Der erste Abschnitt ist mal wieder einer im dem Gefühlt sehr viel und wichtiges gesagt bzw angedeutet wurde, aber letztendlich nicht wirklich etwas an (neuen) Informationen herausgekommen sind. Der graue Spion macht zu jeden der KGJ ziemlich offengelassene Andeutungen, welche es nur noch als ein größeres Wunder erscheinen lassen, dass die KGJ noch nicht von irgendjemandem Vernichtet wurden, dem einer von ihnen mal auf die Füße getreten ist. Wenn ich mich auch an weiter zurückliegende Andeutungen recht Entsinne, müsste Cal auf einer Liste der Marine stehen, Mercedes auf einer der WR bzw. von FI und der HD, Krill steht natürlich im Death-Note der Oktave und O‘Mara rein theoretisch auf der von Ulysses bzw. er wurde von diesem aus der Familie geschmissen bzw seine ehemalige Zugehörigkeit hat ihn damals vor dem Tod bewahrt. Dazu dürften sicher noch einige andere gehören, denen sie als KGJ auf die Füße getreten sind.
      Allerdings lassen die Andeutungen des Graue Spion vermuten, dass all diese Gruppierungen auf deren jeweiligen Listen einer der KGJ gelandet war diese bisher in Ruhe gelassen haben. Was wohl auf die Gefährlichkeit des Zusammenschlusses dieser Individuen zurückzuführen ist, aber auch weil sie diesen Gruppierungen keine weiteren Probleme bereitete haben. Durch Flints auftauchen bzw dessen Aktionen sind die KGJ, auch durch die Aktionen der Gegenseite, mehr oder weniger gezwungen worden auf eine Weise aktive zu werden, welche ihren (ehemaligen) Gegner missfällt und sie wieder in den Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit führt. Derzeit ist Ulysses der einzige, welcher verhindert dass sich die ganze Unterwelt auf die Stürzt, während Leviatan dies Ausnutzt, um die KGJ gegen ihn selber einzusetzen. Derzeit haben die KGJ für diesen Teil der WR frei einen größeren Nutzen, was sich aber sehr schnell ändern kann.
      Wobei ich mich gerade beim Nachlesen Frage, ob das >er< des Grauen Spions auf Ulysses bezogen ist, denn eigentlich könnte es auch sein, dass die Agenten nicht so viele Informationen haben wie wir Leser. In diesem Fall würde sich das er auf Callaghan beziehen und irgendwie macht dann auch der restliche Abschnitt viel mehr Sinn. Wenn es Callaghans … sagen wir mal Macht ist, welches sowohl die WR als auch viele anderen Gruppierungen daran hindert gegen die Mitglieder der Gruppe aktiv zu werden erscheint er noch um einiges monströser raubtierhafterer als bisher. Besonders die Erwähnung der Gehaltsstufe könnte in diese Richtung deuten, da der Graue Spion in diesen Fall noch nicht hoch genug aufgestiegen wäre um auch in diese Geheiminformation eingeweiht zu werden.

      Bei Ondine und Dädalus musste ich auch heute wieder etwas an die Situation zwischen Dädalus und Aloe aus deinen Vergangenen Kapitel denken. Irgendwie hat der alte Knacker etwas, was ihn sehr gut zusammen mit Kindern/Jugendlichen agieren lässt. Dabei spielt sicher das Rollenbild des gütigen und wissenden Großvaters mit rein, aber irgendwie ist da auch noch etwas mehr. Allerdings kann er auch nicht alle Folgen seiner Handlungen vorhersehen, denn zumindest von Ondines Aktion gegen Cassopeia war er genauso überrascht und geschockt wie die Genannte selbst. Was doch die Angst eines Kindes so alles ausmacht/verhindert. Nachdem Dädalus Ondine die Angst oder zumindest einen Teil der Angst vor Cassopeia genommen hat und ihr auch noch verklickert hat, dass Cassopeia eine ganz böse und gefährliche Person ist reagiert Ondine mit der Beseitigung der Gefahr. Denn seinen wir mal ehrlich, ohne die Regenerationsfähigkeit durch ihre TF wären wir Cassopeia nun endgültig los. Spontan frage ich mich sogar, wie Callaghan diesen Angriff überstanden hätte bzw ob Ondine sich (und andere) im Notfall sogar vor ihm schützen könnte. Nur mal so als Nachfrage über das Verhältnis von Cal zu Ondine wissen wir noch nichts, außer dass er sie eigentlich nicht dabei haben wollte, oder? Vielleicht hatte er ja schon eine Gefahr gewittert^^.

      Jedenfalls hat Ondine Cassopeia ziemlich deutlich gemacht wie sie zu einander stehen und Cassopeia scheint sich (vorerst) der neuen Situation zu fügen, was bei ihr schon etwas zu bedeuten hat. Immerhin ließ sie sich von der Versammelten KGJ-Truppe nicht im mindesten beeindrucken und hat sie ziemlich dominiert. Auch vor Cal scheint sie keine große Angst zu haben bzw nicht so schnell klein bei zu geben.

      Als letztes erreichen wir noch Copperfield welches auf mehr als einer Ebene wie die Hölle auf Erden wirkt und ein Zentrum der Industrialisierung Stahlproduktion zu sein scheint. Damit ergeben sich ganz neue Möglichkeiten für Ulysses Plan, da die unterdrückten Laaren sicher sehr gut mit der unterdrückten Arbeiterklasse gegen die unterdrückende Regierung kämpfen können. Weiterhin werden Probleme in dieser Stadt sicher auch große Auswirkungen auf die Wirtschaft und das Militär von FI haben, da dort sicher nicht nur viele Güter sondern auch Waffen hergestellt werden.

      Allgemein hat mir das Kapitel wieder sehr gut gefallen. Jeder Abschnitt hatte seine eigene und sehr passende Stimmung, wodurch des trotz der nur zwei drei Handlungsorte gefühlt sehr viel Abwechslung gegeben hat.
      :thumbsup: Nicht nur in One Piece die reine Wahrheit: :thumbsup:
      Pirates are evil?!!... ...The Marines are Justice?!!
      These labels have been passed around Heaven knows how many times...!!!
      Kids who have never known peace... ...and kids who have never known war... ...Their values are too different!!!
      Whoever stands at the top can define right and wrong as they see fit!!!
      Right now, we stand in neutral territory!!!
      "Justice will prevail"?!... ...Well, sure it will!
      Whoever prevails... ...is Justice!!!! (Doflamingo)

      So kann man es aber auch sehen
      "THERE IS NO JUSTICE, THERE IS ONLY ME!"
      Death, Discworld, Terry Pratchett

    • Guten Abend gute Nacht,

      ich habe euch ein Kapitel mitgebracht. Es trägt den Titel "Grüne Augen, grüne Herzen" und kann direkt unter diesem Beitrag gelesen werden. Viel Spaß wünsche ich. :)

      Vexor


      Vexor schrieb:

      Gerade die anfängliche Szene mit Mercedes und dem Grauen Spion war etwas, was du sehr gekonnt und atmosphärisch in Szene gesetzt hast. Vor allem, weil es etwas aufgreift, was ich mir selbst auch schon immer so im Hinterkopf gedacht habe, aber irgendwie noch nie angesprochen habe. Deine Kopfgeldjäger haben gegen unzählige Gesetze direkt oder indirekt verstoßen und sind jetzt von der Marine oder der Weltregierung auch nicht direkt auf irgendjemanden angesetzt. Die Destabilisierung vieler Regierungen und das Vorgehen gegen Machiavelli und auch Harley werden im Gegenteil sogar etwas sein, was entgegen der Vorstellungen der mächtigen Strippenzieher im Hintergrund passiert ist. Daher ist es schon bemerkenswert, dass die Kopfgeldjäger bisher noch nicht selbst zur Beute geworden sind, um mich mal deiner Analogie zu bedienen. Neu war vor allem der Hinweis oder zumindest die Andeutung, dass Callaghan und seine Truppe nicht nur passiv von vergangener Substanz und ihrem Ruf leben, sondern jener sogar AKTIV etwas unternimmt? Zumindest deute ich so die Worte des Spions.
      Ansonsten natürlich noch einmal der Hinweis auf Krills Vergangenheit mit der Oktave, O'Mara ist klar und Mercedes Aktion selbst auf FI. Du hattest das ja schon einmal angedeutet, weswegen ich da einfach weiterhin gespannt bin, wann das aufgelöst wird.
      Nun...jain. Ich bestätige, was der Graue Spion Mercedes mitgeteilt hat: Callaghan hat bisher verhindert, dass die Marine oder sonstige Institutionen gegen die Kopfgeldjäger vorgehen. Wie "aktiv" dieser Schutz vor Repressalien von Callaghan vorangetrieben wird, lasse ich allerdings erst einmal offen. Nur soviel: Es gibt einen Grund, warum der Graue Spion über weitere Einzelheiten keine Auskunft geben kann.

      Vexor schrieb:

      Ansonsten war die Szene wieder stark. Sowohl Dädalus Unterhaltung mit Ondine, welche von Krill abgehört wurde, als auch ihre Aktion gegen Cassiopeia. Abgesehen davon, dass die kleine Ondine ziemlich massive Kräfte entfesselt hat, sondern auch wie sie die abgebrühte Agentin abfertigt (physisch, emotional und eloquent). Da bin ich mal gespannt wie sich diese Situation jetzt weiter entwickeln wird. Der Plan Ondine als Opferlamm für den Pädophilen bereitzustellen, steht ja immer noch im Raum und was Cassopeia so wirklich auf der Insel will, ist meines Erachtens nach auch noch nicht entschlüsselt. Und was will sie eigentlich genau mit Ondine? Sie zu einer Agentin heranziehen oder als Forschungsexperiment analysieren lassen? Ich denke auf jeden Fall kaum, dass die Rothaarige jetzt mit eingezogenen Schwanz das Schlachtfeld räumen wird, sondern gehe eher davon aus, dass sie sich zurückzieht und ihren nächsten Schritt plant.
      Richtig, der Plan der Huren steht noch und auch Krill ist immer noch bereit, Ondine als Köder für Hearst zu benutzen. Der einzige Unterschied ist nun, dass Cassiopeia keinen Anteil mehr an dieser Operation haben und somit die CP0-Leviathan nicht mehr am Plan beteiligt sein wird. Cassiopeia muss an dieser Stelle nicht nur ihr persönliches Interesse an Ondine zurückstellen, sondern auch ihre Stellvertreterfunktion als Agentin der Leviathan-Einheit aufgeben. Zwei ziemlich große Opfer, die nicht folgenlos bleiben werden.

      Vexor schrieb:

      Ansonsten erreichen wir Copperfield, welches du sehr schön als Moloch der Industrialisierung beschrieben hast. Dort tritt auch wieder der Pestdoktor auf, auf den ich besonders gespannt bin, was sich primär aber daraus ergibt, da ich daran entscheiden muss wie ich Leonardo inszeniere. Die Ähnlichkeit ist ja durchaus vorhanden und ich möchte ja nicht wegen Plagiats verschrien sein.
      Denke, da kannst du unbesorgt sein. Zwar trat Leonardo erst kurz auf, aber er wirkte auf mich anders als meine Figur. Abgesehen davon wird mein Pestdoktor eine relativ spezifische Rolle einnehmen, wie das neue und das nächste Kapitel aufzeigen werden.
      qoii


      qoii schrieb:

      Der erste Abschnitt ist mal wieder einer im dem Gefühlt sehr viel und wichtiges gesagt bzw angedeutet wurde, aber letztendlich nicht wirklich etwas an (neuen) Informationen herausgekommen sind. Der graue Spion macht zu jeden der KGJ ziemlich offengelassene Andeutungen, welche es nur noch als ein größeres Wunder erscheinen lassen, dass die KGJ noch nicht von irgendjemandem Vernichtet wurden, dem einer von ihnen mal auf die Füße getreten ist. Wenn ich mich auch an weiter zurückliegende Andeutungen recht Entsinne, müsste Cal auf einer Liste der Marine stehen, Mercedes auf einer der WR bzw. von FI und der HD, Krill steht natürlich im Death-Note der Oktave und O‘Mara rein theoretisch auf der von Ulysses bzw. er wurde von diesem aus der Familie geschmissen bzw seine ehemalige Zugehörigkeit hat ihn damals vor dem Tod bewahrt. Dazu dürften sicher noch einige andere gehören, denen sie als KGJ auf die Füße getreten sind.
      Soweit korrekt, wenn auch nicht in Gänze. Fakt ist, dass alle Kopfgeldjäger mächtige Individuen mit aufgewühlten Vergangenheiten sind. Da ist es nur konsequent, wenn sie verbrannte Erde hinterlassen und sich auch Feinde gemacht haben. Das wird im weiteren Verlauf meiner Geschichte noch eine entscheidende Rolle spielen und genau in die Kerbe schlagen, die du hier andeutest.

      qoii schrieb:

      Allerdings lassen die Andeutungen des Graue Spion vermuten, dass all diese Gruppierungen auf deren jeweiligen Listen einer der KGJ gelandet war diese bisher in Ruhe gelassen haben. Was wohl auf die Gefährlichkeit des Zusammenschlusses dieser Individuen zurückzuführen ist, aber auch weil sie diesen Gruppierungen keine weiteren Probleme bereitete haben. Durch Flints auftauchen bzw dessen Aktionen sind die KGJ, auch durch die Aktionen der Gegenseite, mehr oder weniger gezwungen worden auf eine Weise aktive zu werden, welche ihren (ehemaligen) Gegner missfällt und sie wieder in den Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit führt. Derzeit ist Ulysses der einzige, welcher verhindert dass sich die ganze Unterwelt auf die Stürzt, während Leviatan dies Ausnutzt, um die KGJ gegen ihn selber einzusetzen. Derzeit haben die KGJ für diesen Teil der WR frei einen größeren Nutzen, was sich aber sehr schnell ändern kann.
      Sehr richtig erkannt. Die Leviathan-Einheit benutzt die Kopfgeldjäger momentan, um gegen Ulysses vorzugehen. Wie Cassiopeia gegenüber O'Mara sagte: Er ist der Schlüssel, um das Tor in Ulysses' Festung zu öffnen. Dies konnte jedoch nur geschehen, weil Flint die Kopfgeldjäger ungewollt zurück in den Fokus der WR/Unterwelt gerückt hat.

      qoii schrieb:

      Wobei ich mich gerade beim Nachlesen Frage, ob das >er< des Grauen Spions auf Ulysses bezogen ist, denn eigentlich könnte es auch sein, dass die Agenten nicht so viele Informationen haben wie wir Leser. In diesem Fall würde sich das er auf Callaghan beziehen und irgendwie macht dann auch der restliche Abschnitt viel mehr Sinn. Wenn es Callaghans … sagen wir mal Macht ist, welches sowohl die WR als auch viele anderen Gruppierungen daran hindert gegen die Mitglieder der Gruppe aktiv zu werden erscheint er noch um einiges monströser raubtierhafterer als bisher. Besonders die Erwähnung der Gehaltsstufe könnte in diese Richtung deuten, da der Graue Spion in diesen Fall noch nicht hoch genug aufgestiegen wäre um auch in diese Geheiminformation eingeweiht zu werden.
      Es ist Callaghan, ja. Deshalb dreht sich der Abschnitt auch um ihn.^^
      Callaghan schafft es auf irgendeine Weise, die Kopfgeldjäger und sich selbst vor den Repressalien ihrer Vergangenheiten zu schützen. Das heißt, die Kopfgeldjäger sind eine Vereinigung extrem mächtiger Figuren, die durch eine (noch) mächtigere Figur vor der WR geschützt werden. Hinzu kommt der Schutz durch Ulysses in der Unterwelt. Beide Aspekte begründen, wieso die KGJ noch nicht mit den Konsequenzen ihrer Taten auf Isola Caligula oder im Schloss Roßkosch konfrontiert wurden. Die Person, die sich mit ihnen anlegt, müsste sich sowohl über Ulysses als auch die WR hinwegsetzen - was natürlich ein Wahnsinn ist. :D

      qoii schrieb:

      Bei Ondine und Dädalus musste ich auch heute wieder etwas an die Situation zwischen Dädalus und Aloe aus deinen Vergangenen Kapitel denken. Irgendwie hat der alte Knacker etwas, was ihn sehr gut zusammen mit Kindern/Jugendlichen agieren lässt. Dabei spielt sicher das Rollenbild des gütigen und wissenden Großvaters mit rein, aber irgendwie ist da auch noch etwas mehr. Allerdings kann er auch nicht alle Folgen seiner Handlungen vorhersehen, denn zumindest von Ondines Aktion gegen Cassopeia war er genauso überrascht und geschockt wie die Genannte selbst. Was doch die Angst eines Kindes so alles ausmacht/verhindert. Nachdem Dädalus Ondine die Angst oder zumindest einen Teil der Angst vor Cassopeia genommen hat und ihr auch noch verklickert hat, dass Cassopeia eine ganz böse und gefährliche Person ist reagiert Ondine mit der Beseitigung der Gefahr. Denn seinen wir mal ehrlich, ohne die Regenerationsfähigkeit durch ihre TF wären wir Cassopeia nun endgültig los. Spontan frage ich mich sogar, wie Callaghan diesen Angriff überstanden hätte bzw ob Ondine sich (und andere) im Notfall sogar vor ihm schützen könnte. Nur mal so als Nachfrage über das Verhältnis von Cal zu Ondine wissen wir noch nichts, außer dass er sie eigentlich nicht dabei haben wollte, oder? Vielleicht hatte er ja schon eine Gefahr gewittert^^.
      Sagen wir mal so: Ondines Kraft ist und bleibt physisch. Das heißt, der Angriff hätte auf einen massiven Klumpen Stahl anders gewirkt, als er auf Cassiopeia gewirkt hat. Nichtsdestotrotz war die Attacke natürlich gewaltig und hätte jeden normalen Menschen zu Brei zermatscht. Es ist ähnlich wie auf PH, als Sanji in Namis Körper steckte und er sich zurückhalten musste, weil Namis Körper seine normale Leistungsfähigkeit nicht hergab. Auf Callaghan hätte der Angriff also (vielleicht) weniger verheerend eingewirkt, zumal die Attacke Cassiopeia auch vollkommen unvorbereitet getroffen hat.^^
      Und nein, zum Verhältnis von Callaghan und Ondine wissen wir noch nichts. Das ist aber ein sehr guter Punkt, den du im Hinterkopf behalten solltest. ;)

      qoii schrieb:

      Als letztes erreichen wir noch Copperfield welches auf mehr als einer Ebene wie die Hölle auf Erden wirkt und ein Zentrum der Industrialisierung Stahlproduktion zu sein scheint. Damit ergeben sich ganz neue Möglichkeiten für Ulysses Plan, da die unterdrückten Laaren sicher sehr gut mit der unterdrückten Arbeiterklasse gegen die unterdrückende Regierung kämpfen können. Weiterhin werden Probleme in dieser Stadt sicher auch große Auswirkungen auf die Wirtschaft und das Militär von FI haben, da dort sicher nicht nur viele Güter sondern auch Waffen hergestellt werden.
      Ich enthalte mich an dieser Stelle. Nur soviel: Copperfield spielt eine entscheidende Rolle im Plan der Antagonisten.


    • Kapitel 139 - ???

      Kapitel 139 - Grüne Augen; grüne Herzen

      »Wir leben in der Zeit der Bomben und Flüche. Die fountischen Barbaren belagern unsere Häuser, nehmen sich unsere Frauen und kochen ihren Tee mit dem Blut guter lairischer Männer«, verlas der 13-jährige Ulysses McKenna mit der gerunzelten Stirn eines griesgrämigen Greises laut, unzufrieden und ungehört.
      Selbst Brian O’Mara, der neben ihm auf der hohen Mauer die Beine baumeln ließ, zog es vor, die unter ihren Füßen vorüberziehenden Passanten mit pantomimischen Kopfschüssen niederzustrecken. Eine rastlose Angst vor der nächsten Explosion, den nächsten durch die Gassen spritzenden Körperteilen sickerte aus dem zerbombten Hoolahara und scheuchte die wenigen Mutigen, die sich aus der trügerischen Sicherheit ihrer Häuser gewagt hatten, wie Flüchtlinge über den geborstenen Pflasterstein.
      Augenrollend zerknüllte Ulysses das Flugblatt der aufständischen »Lairish Independence Army« in seinen wundgeschlagenen Fäusten und warf es in die tiefen Stadtschluchten, die sich von den Hängen der Cionaoid-Hügel in die menschenleere Hauptstraße ergossen.
      »›Die Founts vergewaltigen unsere Frauen, fressen unsere Kinder und bestechen das Wetter über unseren Köpfen für schlechte Ernten‹«, äffte er die drohenden Worte auf den Flugschriften und Plakaten nach, die die letzten freien Städte der grünen Insel wie die Pocken überzogen. »Abgeschmackt.«
      Von den Nörgeleien seines besten Freundes genervt und in seiner Konzentration gestört, ließ O’Mara die imaginären Pistolen sinken und paffte Ulysses ein beißendes »Alter…!« ins Ohr, um nach einigen Sekunden halbgenutzter Bedenkzeit nachzusetzen:
      »Diese L-I-Arschlöcher sind immer noch besser als Typen wie du, die nur in der Scheiße herumstochern und sich beschweren, dass es überall nach Scheiße stinkt. Sie unternehmen wenigstens was.«
      »Sei kein Idiot.«
      Während er im entzündeten Fleisch seiner schiefen Zähne nach weiteren wüsten Flüchen popelte, ließ Ulysses seinen Blick wie ein entehrter König über die zerstörten, zusammengekleisterten und abermals zerstörten Überreste seiner Heimat schweifen. Streckte er die Hand aus, könnte die zerfurchte Lebenslinie zwischen Daumen und Ringfinger ein verlorenes Reich versunkener Dächer und gebeutelter Menschen beschließen. Im fluoreszierenden gelben Grün seiner Augen türmten sich die verwüsteten Ruinen in einem surrealen Zeitraffer aufeinander, das Steine auf Träume schichtete und Jahrzehnte fountischen Schreckens binnen Sekundenbruchteilen unter frischem Mörtel begrub. Die schwindelerregenden Knoten aus verwinkelten Gassen und Hinterhöfen brachen sich gleich steinernen Schwingen aus den Hügeln frei und der Main Drag, die gewaltige gepflasterte Talsenke im Zentrum allen Elends, erhob sich wie der Leib eines toten Helden aus seinem grünen Grab, um die verhassten Usurpatoren aus seinen Landen zu vertreiben. Die Stadt der Trümmer würde fallen und sich erheben, wieder und wieder und wieder, bis das Fell des fountischen Löwen ausgeschlachtet die Wand eines freien Saoirse Láire zierte.
      »Diese Stadt braucht Krieger«, flüsterte Ulysses wie im Selbstgespräch der lauschenden Höhenbrise zu, »Keine verblödeten Literaten, die im Sitzen pissen. Es—«
      »Wo wir gerade beim Thema sind«, unterbrach ihn O’Mara derb, seinen ausgesessenen Hosenboden wie ein wurmbeladener Streuner auf der Mauer reibend, »Ich brauch dringend was gegen diesen verdammten Ausschlag. Weißt schon, den mir diese Mindy oder Mitsy oder wie immer sie hieß angehängt hat. Erinnerste dich?«
      »Beth«, korrigierte Ulysses angewidert, »Und das Bild deines entzündeten Gehänges werde ich nie wieder vergessen können, danke dafür.«
      »Was beschwerst du dich? Ich bin’s doch, der beim Pissen brüllt, du — hey, ist er das?«

      Ungeniert spießte O’Maras schmutziger Zeigefinger die hagere Gestalt eines schwarzen Mannes auf, der in dieser Sekunde unter ihren löchrigen Schuhsohlen vorbei glitt und keinen Schritt zu tun, sondern sich wie ein eifersüchtiger Schatten an die Fersen der fliehenden Einheimischen zu heften und für den herannahenden Tod zu markieren schien.
      »Tatsächlich. Ein Negro in Hoolahara«, ätzte Ulysses trocken, bevor O’Mara den hohen Zylinder des unheilvollen Fremden mit einer Salve Nasenrotz begrüßte.
      »Jo, Buschaffe! Hier oben!«
      In einer tintensämigen Bewegung löste sich der Schatten von den Stiefeln der Passanten, nahm den besudelten Hut zwischen die schwarzbehandschuhten Fingerspitzen und inspizierte den angerichteten Schaden mit strengen aschbraunen Augen.
      »Es muss wahrlich Schändliches über den Zustand dieser Welt aussagen«, entfleuchte seine frostige Stimme den dunklen Lippen wie ein Schwarm Fledermäuse, »Wenn sich selbst derart handverlesene Exemplare wie ihr Zwei zu solch groben Unternehmungen zu greifen gezwungen sehen, um in diesen erbarmungswürdigen Zeiten die Brotkrumen für den neuen Morgen zusammenzuklauben.«
      Verwirrt kratzte sich O’Mara die strähnigen blonden Haare zu einem strohigen Nest zusammen.
      »Was quatscht die Fotze?«, wollte er von Ulysses wissen, der jedoch nur die rechte Nüster über die linke schniefte und schwieg, während der Fremde ungestört nachsetzte:
      »In den goldenen Zeiten, wie sie bis heute die verrufenen Prachtalleen des schönen Moskva erleben, müsste eure unbehaarte Knabenbrust kaum einen Atemzug für ihren Sold tun.«
      »Knabenbrust?« Angestachelt stemmte O’Mara die Fäuste auf die Mauerkante zwischen seinen aufgestellten Beinen, um sich wie ein drohender Pavian zum Hechtsprung vorzulehnen. »Halt’s Maul, sonst verpass ich dir 'nen zweiten Bauchnabel!«
      »Nun-«
      »Mit meinem Schwanz, Negerfotze!«
      »Nun…«, ließ sich der schwarze Totenschädel nicht beirren. Als folgten sie einer unsichtbaren Naht, entschwebten seine Finger in die Tasche seines schwarzen Ledermantels, zückten ein blutrotes Seidentuch und entfernten O’Maras Nasenrotz mühe- und emotionslos von der Hutkrempe. »Wenn ich euch einen Rat geben darf, wo ihr verroht und von der Welt verraten worden seid: Zarte Höflichkeiten und sinnliche Lügen locken die geldgebenden Schöße, nicht jedoch ungesittete Zoten unter freiem Himmel.«
      »Wir sind keine Stricher, Arschloch…«, blaffte plötzlich Ulysses, dessen launische Augen grüngolden durch die wilden blonden Locken brachen und den Schattenmann abschätzend musterten. Leidenschaftslos hielt er den tobenden O’Mara zurück, bevor er sich selbst ungelenk gen Vertikale hievte und dem Fremden einen Weg durch die verschachtelten Gassengeflechte der Cionaoid-Hügel deutete.
      »Wenn du Church bist…«, nuschelte er über das wilde Zetern O’Maras hinweg, »Dann hälst du besser deine Schwanzluke und folgst uns. Laura wartet.«
      »Genau«, motzte O’Mara dreckig, »Kriegst auch 'ne Banane, wenn du brav bist!«

      14 Monate später

      Die erstrahlende Sonne spross wie eine goldene Blume über den Trümmerfeldern Hoolaharas in den Himmel und verkündete den gebrochenen Bürgern des Shamrock County einen weiteren Tag in der Hölle.
      Im Schutze der Nacht war es den letzten aufständischen LIA-Funktionären gelungen, in den monumentalen Südturm der McKenna-Destillerie einzudringen und die verbotene Flagge des souveränen Saoirse Láire zu hissen, während die Soldaten Horatio Cromwells das Haupttor gen Hof aufbrachen und die Zinnen der Brennerei mit Kugeln durchsiebten. In zeremonieller Andacht betrauerten die beschossenen, sterbenden Rebellen den Tod der wilden Mähre und verstreuten ihre finalen Flugschriften über den löchrigen Dächern eines alpträumenden Hoolaharas wie Asche über dem Meer. Der Wind und die Streuner jaulten in jener Nacht ein einsames Lied, als die fountischen Schwerter den lairischen Sternenhimmel in Scharlach tauchten und eine ganze Nation verdammten.
      »Oh, es ist eine Schande…«, giftete Stanislav Church der grauen Teleschnecke zu, die neben seinen überschlagenen Beinen auf dem Schreibtisch geduldig lauschte, »Jeder Tag in dieser degenerierten Pampa ist eine Warnung, das Geschenk der Zivilisation nicht an die falschen Völker zu vergeuden. Du hättest hören müssen, mit welch fehlgeleitetem Pathos diese Wilden ihre schwachsinnigen Pamphlete von der Spitze des Turmes gegrölt haben. Kümmerliche Einfaltspinsel. Soweit es mich betrifft, sollte die Regierung dieses entartete Land im Meer versenken und niemals zurückblicken.«
      »Nicht so theatralisch, Church. Damit würden sie gutes Geld in den Wind schießen, das in unseren Taschen besser aufgehoben ist«, widersprach der Zuhörer gelassen, sich offensichtlich königlich über die unüberhörbare Abscheu des Schwarzen amüsierend, »Du kannst den Kopf aber aus dem Ofen nehmen. Sobald du deinen Teil des Plans erfüllt hast, hält dich nichts und niemand davon ab, den nächstbesten Seezug ins süße Limonadenland zu besteigen. Wie läuft es?«
      »Ausnehmend reibungslos«, bekräftigte Church mit zuversichtlichem Blick auf die sonnenüberfluteten Ruinen im Tal. Der Glanz des neuen Tages brach sich erfolgsverheißend in den Fenstern seines stattlichen Landsitzes und sprenkelte das dunkle, knochige Gesicht mit verspielten Lichtflöckchen, »Alles verläuft nach Plan.«
      »Das wollte ich hören und-« Am anderen Ende der Leitung tastete sich plötzlich ein gedämpftes Flehen durch das hohle Echo eines nackten Gemäuers. Angsterfüllte, kauernde Laute verdickten sich zu verzweifelten Stoßgebeten an eine gleichgültige Gottheit. Schlurfende Schritte entfernten sich vom Hörer und verebbten, während die leisen Klagen in markerschütternde Schreie umschlugen. Dann pochende Schläge — Knochen zertrümmerte Knochen und erstickte die gepeinigten Lippen. Stille folgte.
      »’tschuldigung«, meldete sich die Schnecke nach einigen Sekunden mit einem wölfischen Grinsen zurück, »Menschen sind Idioten, und wo wir gerade von Idioten sprechen…«
      »Die Kinder?« Grübelnd versank Church im puderweißen Polster seines herrschaftlichen Sessels, als wolle er kein kostbares Wort verschwenden. »Wenngleich mir diese unmanierlichen und tadelnswerten Burschen noch immer in höchstem Maße zuwider sind, so waren sie doch recht…nützlich. Insbesondere der Größere hat sich als nicht unfähig, wenngleich bemitleidenswert kurzsichtig erwiesen.«
      »Ich sagte doch, die Bengel haben etwas auf dem Kasten. Was ist mit Ulysses…?«
      In Churchs schwarzer Maske klafften tiefe Risse auf. »Der Kurze? Ein grässlich verzogenes Geschöpf. Nicht genug, dass er übellaunig wie ein Betbruder im Rotlichtbezirk ist — er zeigt dazu nicht den winzigsten Funken von Begeisterung für meine Arbeit, geschweige denn ein grundlegendes Verständnis. Als Wasserträger ist er jedoch vertretbar. Zumindest, sofern man ihm im Idealfall noch aufmalt, was er wohin zu schleppen und wo anzuschließen hat.«
      »Unterschätze niemals die Wasserträger, Stanislav«, mahnte die graue Teleschnecke halbironisch, »Und werd nicht fahrlässig. Der Zeitplan muss eingehalten werden. Es darf nichts schiefgehen.«
      »Sei unbesorgt, alter Freund. An diesem Punkt kann und wird — wie du es ausdrückst — ›nichts mehr schiefgehen‹.«

      Ein Jahr später

      »Wie konnte das alles nur so scheiße schiefgehen?!«
      »Er hat’s versaut.«
      »Du weißt, was passiert, wenn-«
      Ulysses wusste, was passieren würde und trat seine eigenen Beine rücksichtslos aus dem Weg, um das todbringende Wenn nicht geschehen zu lassen. Der grüne Trampelpfad unter seinen Stiefeln neigte sich zu Ehren dieses letzten Ganges und selbst die unschuldigen Maiglöckchen senkten die schneeweißen Häupter in stummer, trauriger Anerkennung.
      »Ulysses…«, wisperte die Teleschnecke in seine Hände, »Es wird alles wieder gut, oder?«
      Er überlegte nur kurz, bevor er ein zahnloses Lächeln lächelte und sich die ungezügelten blonden Locken aus den Augen schob, um den sommerblauen Himmel zu bewundern. Für diese eine Sekunde verspürte er Ruhe und fragte das Mädchen am anderen Ende der Leitung:
      »Magst du mich, Aurora
      »Aber…ja«, hauchte die Teleschnecke nahezu lautlos, dafür jedoch hörbar errötend.
      »Dann wird alles wieder gut«, grinste Ulysses’ gelbes Gossengebiss strahlender und hässlicher als jemals zuvor und legte auf. Das Ende seiner langen Reise lag vor ihm.
      Aus der Ferne war er einst über die endlosen Grasmeere gewandelt und hatte Killenick, die Krone der grünen Insel, aus den Augen eines Schiffbrüchigen auf hoher See betrachtet. Die Hoffnungen und Erwartungen seiner kindheitslosen Kindheit hatte Ulysses in dieser einen, perfekten Fantasie verwahrt und sich geschworen, sie eines Tages zu öffnen und Wirklichkeit werden zu lassen. Ein ganzes Leben, um enttäuscht zu werden.
      In seinen Träumen und den Momenten zaghafter, vorsichtiger Spaziergänge durch die sehnlichsten Fantasien und Wünsche seines Herzens, hatte die große Stadt vor ihm mit der Verheißung und Verlockung eines glorreichen Sieges geknickst, mit den wehenden Flaggen der wilden Mähre bekränzt und erfüllt vom Freudentaumel der Beschützer und Rächer ihrer befreiten Nation. Doch nun, da die letzte Schlacht geschlagen war und das Blut toter Helden durch die verbrannte Erde in namenlose Gräber sickerte, bejubelten die Bewohner von Killenick einen falschen Gott.
      Die Herrschaftsinsignien der fountischen Krone prangten stolz und eitel auf ruhmreich geschwenkten Bannern und Standarten, die ganze Stadt lustwandelte auf einer Welle der Euphorie für einen ungerechten Frieden. Ulysses musste würgen. Die traditionsreichen steinernen Burgen und Langhäuser, durch die stählerne Erzadern wie Venen pulsierten, sonnten sich auf den unberührten Grasebenen und in dem göttlichen Glanze, der sich in den verchromten Fenstergalerien der herrschaftlichen Bauten spiegelte. Früher hatte er ehrfürchtig zu dieser Verquickung aus Stein, Stahl und Glas, Altertum und Moderne hinaufgeblickt und die straßenlose Stadt auf ihrem grünen Bett zu seinem paradiesischen Gefilde auf Erden auserkoren; heute starrten ihn die hohen Türme und prachtvollen eisendurchzogenen Fassaden seines langersehnten Killenicks kalt und herablassend nieder. Die stählernen Windräder erhoben das götzenhafte Konterfeil der Seuchenkönigin Catherine I. in die wolkenlosen Himmel und von den verzweigten Streben der gewaltigen Strommasten, an die sich Bäume und Gräser und Schlingpflanzen wie Liebhaber schmiegten, hingen die Farben Fountleroy Islands und vergifteten das grüne Herz seiner verlorenen Heimat.
      Ulysses’ traumhafte Illusion war von der Realität korrumpiert worden; schloss er die gelbgrünen Augen, glaubte er das hämische Brüllen des fountischen Löwen in den Häuserschluchten widerhallen zu hören.

      Die gleißende Sonne plusterte sich bereits in ihrem Zenit weit über dem Horizont auf, als er die kreisrunde Parkbank erreichte und sich schnaufend niedersetzte. Rücken an Rücken mit dem Mann, der sein Schicksal entscheiden sollte: Ein geschniegelter strohblonder Hinterkopf, der wie eine Sonnenblume aus einem unbezahlbaren lindgrünen Nadelstreifenanzug herauswuchs und die goldgeschmückten Finger mit der selbstgefälligen Leichtigkeit eines brillanten Pianisten in der Luft tänzeln ließ.
      »Was versprach der Tod den Menschen?«, säuselte die lichte Gestalt und kräuselte die seidenen Lippen in dem Wissen, dass Ulysses’ Antwort lauten würde:
      »Frieden durch Krieg.«


      Ihr blassblaues Auge erblühte zu einem flutenden Mandala, in dem sich die Farben des Lebens und Am-Leben-seins kaleidoskopisch spiegelten. Ein Aquarell aus Familien und Verliebten, die sich suchten und sich fanden, die weinten und tanzten auf den bunten Blumenmeeren des großen Marktplatzes von Killenick. Bevor sie sich versah, ergriff ein wiedervereintes Paar ihre Hand, verwirbelte sie zu Blütenstaub und entließ sie in den frohlockenden Strudel des Lachens und der Musik, der hohe Wellen gegen die efeuumrankten Mauern der umliegenden Geschäfte und Restaurants schlug. Das wallende weißblonde Haar sprudelte wie ein Heiligenschein um ihr strahlendes Gesicht und ließ die zarten Sommersprossen auf ihrer Nase glühen. Nur die starke Schulter ihres Geliebten hätte es gebraucht, um diesen Augenblick vollkommen und schwerelos zu machen.
      »Ein Kuss!«, flehte sie der junge Offizier eines zersplitterten fountischen Regiments an, just bevor ihm ein lairischer Infanterist lallend in die Parade fuhr:
      »Nein, küss mich! Nicht den Teetrinker!«
      »Ich bin leider vergeben!«, winkte sie ab, »Küsst doch einander!«
      Verdutzt tauschten die Soldaten einen zweifelnden Blick, in ihren Uniformen jedoch nicht länger den ärgsten Feind, sondern einen Leidensbruder erkennend, und fielen sich in die Arme. Grölend küssten sie sich auf die Wange und wankten davon, trunken vom Glück, noch am Leben zu sein.
      Indes tanzte sich das Mädchen durch die feiernden Massen in eines ihrer Lieblingscafés am Rande des Spektakels. Auch hier genossen die Menschen den neuen Frieden, saßen und tranken und sahen sich an den ausladenden Festen satt.
      »Jo, Fräulein!« Ein stattlicher junger Soldat bot ihr einen Stuhl an seinem Tisch an - und damit die vermutlich letzte freie Sitzgelegenheit auf dem ganzen Marktplatz. Sie wollte bereits ablehnen, bemerkte dann aber das pummelige Mädchen an seiner Seite und ließ sich dankend niedersinken.
      »Wir gehen bald«, versicherte er ihr über den Dampf seines Kaffees hinweg, »Dann gehört der Tisch ganz dir.«
      »Oh, das ist wirklich lieb!« Lächelnd reichte sie ihm die Hand. Seine Finger ergriffen die ihren stark und sanft zugleich, als imitierten sie die sanften nachtblauen Augen in seinem harten Gesicht.
      »Ich bin Madison«, stellte sie sich vor.
      »Cathal.« Soldatengalant lüftete er seine grüne Armeekappe, die ihn als ruhmlosen Verlierer des sinnlosen Aufstandes gegen die fountische Krone brandmarkte. »Das ist Bloom.«
      Das pausbäckige Mädchen verzog die feiste Schnute zu einer hochnäsigen Fratze und verurteilte Madison stumm für ihr glänzendes winterblondes Haar, ihre schlanken Taille und die entzückenden Sommersprossen auf ihrem feingeschliffenen Näschen. Zu stolz, um der perfekten Madison die Hand zu schütteln und zu wohlerzogen, um es nicht zu tun, packte sie den zarten Unterarm der Blondine und rüttelte ihn wie einen reifen Apfelbaum.
      »Seid ihr Geschwister?«, fragte Madison mit einem gequälten Lächeln, das die Schmerzen in ihrem Handrücken nur maßig zu überspielen vermochte.
      »Besser«, lachte Cathal und tätschelte Blooms wuscheliges tiefbraunes Kraushaar, »Wir hassen uns bis aufs Blut.«
      »Willst du die Hand verlieren?«, knurrte Bloom, worauf Cathal seinen Arm aus dem Bärenkäfig rettete und auf den Tisch neben seinen halbgeleerten Kaffee stemmte.
      »Erzähl«, triezte er nun Madison in der Manier tratschwütiger Schulmädchen, während er auf die edelstählerne Halskette deutete, an der sie nervös nestelte. Ertappt ließ sich das junge Mädchen zu einem Grinsen hinreißen, dem Bloom am liebsten die schneeweißen Zähne ausgeschlagen hätte.
      »Wie heißt er?«, ließ Cathal nicht locker, »Oder…sie?«
      »Was?«
      »Hey, ich urteile nicht. Liebe ist verzwickt.«
      »Du musst es ja wissen«, stichelte Bloom - wofür ihr Schienbein einen verborgenen Tritt kassierte, der ihr den Magen umstülpte.
      Madison, die in ihren Gedanken längst mit ihrem Geliebten an den grünen Küsten der Insel salzige Seeluft atmete, überließ das ungewöhnliche Duo ihren Kindereien. Erst die herannahende Kellnerin sollte sie in das frohlockende Killenick zurückholen und Cathals verschmitzten Blicken erneut ausliefern. In seinem markanten, kernigen Gesicht verschmolz die Begeisterung eines naseweisen Jungen mit der verträumten Hoffnungsfreude kleiner Mädchen, die mit ihren Plüschtieren und Anziehpuppen Hochzeit spielen.
      »Du lässt nicht locker, hm?«, schmunzelte Madison, nachdem sie ihren georderten Kamillentee erhalten und großzügig gezuckert hatte. Sein Kopfnicken vorwegnehmend, begann sie:
      »Er ist Soldat, wie du. Aber er steht aufseiten der Regierung.«
      »Passiert den Besten«, pflaumte Bloom, ein Pflaumentörtchen mampfend. Madison ignorierte sie geflissentlich.
      »Er hat mich hierher bestellt. Wir hatten unser erstes…Rendezvous hier.«
      »Wie süß«, lächelte Cathal verschmitzt, doch Madison schüttelte die winterblonde Mähne und lachte kurz auf.
      »Ich habe ihm eine geklebt und bin gegangen. Er war ein sturer, grober, unflätiger Wüstling.«
      Mäßig mitfiebernd hoben sich Blooms buschige braune Brauen.
      »Und was hat sich geändert?«
      »Nun…nichts.« Ohne Zutun ihres Bewusstseins wanderten Madisons Finger erneut zu der edelstählernen Halskette und drehten den schwarzen Edelstein in ihrer Mitte wie eine verwunschene Münze. »Aber manchmal erkennt man beide Seiten. Und dann ergibt alles einen Sinn.«
      Bloom schien nicht überzeugt, Cathal hingegen nickte verständiger als ein Gläubiger in der Messe:
      »Es ist wahr, Bloom, und irgendwann wirst du es auch verstehen, sobald…naja, sich mal jemand für deine Seiten interessieren sollte.«
      »Halt dein Maul, du-!«
      Mit einer strengen Handbewegung schlug er Blooms zeternde Worte aus der Luft, um Madison allein lauschen zu können. Cathal spürte, dass sein romantisches Herz im Gleichklang mit der Brust der schönen Blonden schlug und ihre Geschichte die Geschichte einer großen Liebe war.
      »Er ist stark und furchtlos«, schwärmte Madison; die aufkeimenden Vertrauensbande zwischen ihr und dem feinfühligen Cathal spürend und spiegelnd, »Ich fühle mich sicher und geborgen in seiner Nähe, weil ich weiß, dass er mich beschützen wird. Immer.«
      Bloom schnaufte laut auf. »Große Klasse, Prinzessin. Sehr fortschrittlich.«
      »Verzeih, dass ich deinen emanzipatorischen Ansprüchen nicht gerecht werde, kleine Lin-Lin.«
      »Ich hoffe für dich, du meinst damit nicht mein-«
      »Jedenfalls…wie soll ich sagen. Ich kann mich auf ihn verlassen. Er ist klug und erwachsen und…egal, wie unüberwindbar die Hürde scheint, egal wie groß das Problem ist und wie gefährlich der Sturm braust…Ich kann mich immer darauf verlassen, dass er weiß, was zu tun ist.«


      Er hatte keine Ahnung, was er tun sollte. Seit einer und zwei Ewigkeiten tigerte der junge Soldat wie ein launischer Hauskater durch das kleine Juweliergeschäft, drückte sich die Nase an dem Glas der Auslagen platt und haderte mit dem ungestümen Impuls, der seine Füße in das Herz dieses sündhaft funkelnden Fegefeuers getrieben hatte. Selbst die schöne Fremde, die sich seiner armseligen Gestalt erbarmt und vor dem profitgierigen Juwelier gerettet hatte, schien ihn nicht aus seiner endlosen Zerreißprobe erlösen zu können.
      »Ich bin ein Narr«, brummte er hilflos und haareraufend, bis dicke schwarze Büschel an seinen schweißnassen Händen klebten, »Das ist sinnlos.«
      »Mit dieser Einstellung gewiss«, bemutterte ihn seine unverhoffte Helferin altklug. Mit der Eleganz eines Schwans, der über kristallklare Seen gleitet, schwebte ihre weiße Hand über die Auslagen und Glasbehälter, in denen Diamanten und Perlen und Saphire verheißungsvoll schimmerten.
      »Vielleicht hilft es dir, wenn…?«
      In einer schwungvollen Bewegung warf sie plötzlich ihr honigblondes Haar in den Nacken, stürmte auf den bemitleidenswerten Soldaten zu und presste ihre makellosen Hände gegen seine angespannten Schläfen.
      »Was zum…?!« Sofort verkrampfte sein Gesicht zu Stein, doch die Wärme ihres Fleisches und der zuckrige Duft ihrer Haut zerbröselten seine Mauern unter ihren Fingerkuppen.
      »Schließ die Augen!«, befahl sie ihm psychedelisch, »Male ein Bild von ihr auf die schwarze Leinwand vor dir…und jetzt stelle es dir vor: Ihr Gesicht, wenn du ihr den Antrag machst. Du kniest vor ihr. Ihre Augen erhellen sich, als würde eine Sonne in ihrem Inneren aufgehen und allein für dich erstrahlen.«
      Während sie seinen Geist mit Bildern und Träumen benetzte, leuchteten ihre sturmgrauen Augen über den hohen Wangenknochen ebenso fantastisch wie die Visionen, die sie in ihm heraufbeschwor.
      »Dann öffnen sich ihre Lippen, erblühen für dich wie eine Blume und ihr Lächeln ist deine Antwort, noch bevor sie die Worte ausspricht, die du dir so sehr herbeisehnst…Siehst du ihn, siehst du diesen perfekten Augenblick?«
      Er nickte — und die Zornesfalte, die seine Stirn spaltete, verebbte langsam zu einem Ausdruck der entrückten Zufriedenheit.
      »Gut. Dann sag mir jetzt: Welchen Ring hälst du dabei in den Händen?«


      Der Fremde aus Licht und Lächeln legte das sonnenbeschienene Haupt schief, während das winzige Fläschchen grünschillernd durch seine gebräunten Finger flackerte.
      »Wie viel Zeit hätte ich?«, fragte er gelangweilt; die Antwort, so schien es Ulysses, wäre kaum mehr als vergeudeter Atem. Lange zögerte er, bevor er sein Schicksal in die Hände des Hinterkopfes auf der anderen Seite der Sitzbank legte.
      »Ein Blinzeln. Vermutlich weniger.«
      Augenblicklich ruckelte der Rücken an seinem Rücken unter dem Gewicht eines eigentümlichen Kicherns, das dem Kichern eines unbeschwerten Kindes vor seiner Geburtstagstorte glich. Ein Bein über das andere schlagend, lehnte sich der Fremde zurück und legte den Nacken über Ulysses’ Schulter, sodass sein wunderschönes Gesicht neben dem zerrüttetem Profil des Jungen wie ein Geist erschien. Reflexartig riss Ulysses den Kopf herum, um dem Boten seines Untergangs nicht begegnen zu müssen.
      »Erscheint mir nicht gerade intelligent«, flötete sein strahlender Richter direkt gegen sein Ohr, »eine Bombe ohne Zeitzünder zu konstruieren. Dieses kleine Problemchen hängt nicht zufällig mit einem gewissen Negerwissenschaftler zusammen, der kürzlich ohne Gesicht von seiner ›Studienreise‹ zurückgekehrt ist?«
      Mit aller Kraft zwang Ulysses das Haupt gegen seine bebende Brust, um jede Faser seiner erstarrten Miene unter den wilden blonden Locken zu begraben. Er wollte, konnte, durfte kein Wort aus seiner Kehle entweichen lassen und presste sich die zusammengeschmiedeten Lippen an den abnormen Zähnen blutig.
      »So, so…«, grinste die lichte Gestalt gehässig, »Keine Antwort ist auch eine Antwort. Das solltest du dir merken.«
      »Tun Sie’s?«, fragte der Junge plötzlich barsch. Er war es leid, mit dem Tod zu spielen und die letzten Momente seines Lebens mit falschem Hoffen zu vergeuden. Zu keiner Sekunde hatte er die Worte erwartet, die folgen sollten:
      »Aber natürlich, alter Knabe.«
      Fassungslos gingen die grünen Sonnen in Ulysses’ Augen über den dunklen Horizonten seiner Lider auf, zu überwältigt und verstört für einen einzigen klaren Gedanken. Der Bruchteil eines Herzschlags zog vorüber, in dem er, der verzweifelte Bittsteller, seinen goldenen Retter direkt anblickte und doch blind war für die silberklaren Augen, die auf ihm ruhten. Unfähig zu erkennen, ob der Fremde nur sein eigenes erleichtertes Lächeln spiegelte oder tatsächlich und wahrhaftig selbst Erleichterung empfand, fragte Ulysses:
      »Aber…wieso?«
      »Weil ein Augenaufschlag nicht weniger als eine Ewigkeit in meinem Leben ist, alter Knabe. Das habe ich mit Gott gemein, und deshalb hat mich unser gemeinsamer Freund auserkoren.«
      Beschwingt schnellte die fluoreszierende Gestalt auf ihre edelschwarzen Slipper, sich die goldenen Manschettenknöpfe richtend und den bedröppelt dreinblickenden Jungen über die Schulter hinweg inspizierend.
      »Eine Frage…«
      »Ja?«, keuchte Ulysses atemlos.
      »Hätte ich abgelehnt…wie gedachtest du, die Bombe zu zünden?«
      Abermals nahm der Fremde das Schweigen als Antwort, bevor er in einer Explosion aus Licht und Wärme verschwand, die er der Göttlichkeit selbst entliehen haben musste. Letzte Funken verwehten in der Brise, als Ulysses die geblendeten Augen wieder aufzuschlagen wagte und gegen die Sonne eines todgeweihten Killenicks anblinzelte.


      Zitternd, abwägend, schwitzend fummelte die Hand des jungen Soldaten an dem Ringetui wie an ihrem ersten Büstenhalter, hingerissen und angsterfüllt von der Aussicht auf Fleisch und Scham. Die Stimme des Mädchens im Juwelier echote durch seinen leergefegten Verstand und hatte Recht behalten: Das wunderschöne Gesicht seiner Geliebten erblühte wie eine vollendete Blume vor seinen Augen, strahlender als der Sommerhimmel über ihren Köpfen und die Blütenmeere, die den Marktplatz mit Regenbögen überfluteten. Er hätte die Ewigkeit damit verbringen können, die Sommersprossen auf ihrer Nase zu zählen und durch die seidigen Strähnen ihres winterblonden Haares zu streichen, das im Mittagslicht wie der weiße Schleier einer Braut wallte. Seiner Braut.
      »Madison…«, stotterte er zwischen dem Lachen und dem Tanzen der feiernden Massen, »Du und ich…wir…«
      »Was hast du vor, du alberner Kerl?«
      Ein letzter Atemzug trennte ihn vom Rest seines Lebens.
      »Willst du—«
      Kapitel 140 - Miasma

      Alles war Feuer und alles war Eis.
      Kalte weiße Sonnen blähten sich über ihrem gefesselten nackten Körper auf und speisten die piependen Apparaturen in ihrer polierten Folterkammer mit Hitze. Der Stahl lebte und beobachtete sie, pulsierte und fieberte wie ihre zusammengeflickten Wunden und das verstümmelte Fleisch, das sie gefangen hielt. In weiter Ferne schabten bereits die Kiefer der Mäuler, die die Zähne für ihre gottlose Mahlzeit schärften. Mercedes mutmaßte, was ihr dieses Mal genommen würde. Ihre Augen? Ihre Hände? Ihr zweites Bein? Bevor sie den lähmenden Stachel spürte und ihr Dasein erneut endete, hörte sie die Schreie ihres Bruders und das Surren der Glühwürmchen, die zwischen schwarzen Diamanten schwarze Pollen ernteten.
      Der Schlaf flutete über sie hinweg und ließ den unerträglichen Flammen kühle Tage voller Nichts folgen. Mercedes war Tau, der von einem Zweig auf ein Blatt tröpfelte, von einem Blatt auf einen Pilz, von einem Pilz auf…
      Schwer und verklebt waren ihre Lider, als ihr Geist zurück in die Feuer dämmerte. Das Fieber loderte schwelbrandig und hatte längst begonnen, die letzten Überreste ihres Körpers zu verseuchen. Kaum imstande zu atmen, ließ Mercedes den kahl geschorenen Kopf zur Seite kippen und zwang ihren verkrusteten Lippen ein triumphierendes Lächeln ab. Ich sehe euch.
      Sofort steckten die weißen Schatten an der Wand die mundlosen Köpfe zusammen und tuschelten.
      Ich sterbe. Sterbe euch unter den Händen weg und ihr könnt es nicht aufhalten.
      Sie versuchte zu lachen, doch der Stachel war schneller und vereitelte ihren Tod.

      Der Frosch auf dem Seziertablett versteht nichts von der Biologie; Mercedes hingegen verstand plötzlich und erwachte schreiend auf dem Operationstisch. Sie schrie, erschrak vor ihrer eigenen Stimme und schrie weiter — denn sie musste erkennen, dass sie überlebt hatte. Die vormals kollabierten Lungen sogen nährende Atemluft wie einen frischen Frühling in ihre Brust, die grässlichen Wundränder auf ihrer Haut pumpten nicht länger den todbringenden Eiter in ihre Blutbahn und das sengende Fieber, welches ihre Nerven bei lebendigem Leibe verbrannt hatte, war einer entsetzlichen geistesgegenwärtigen Klarheit gewichen. Nach den endlosen Tagen, die zu Nächten geworden waren und den Nächten voller Tageslicht, nach den Flammen und den Schatten und der Unbarmherzigkeit ihres Martyriums war Mercedes zu sich selbst zurückgekehrt. Pures Leben durchspülte ihren wiedergeborenen Körper und drang mit jedem Atemzug tiefer in ihre Poren ein. Wie die Schwingen eines Adlers blinzelten ihre Wimpern den Staub und den Schlaf aus den erglühenden Augen, bereit, abzuheben und das weiße Verlies hinter sich zu Schnee zerfallen zu lassen. Zentimeter um Zentimeter folgte Mercedes im Geiste ihren eigenen Muskelsträngen, bis sie ihre Finger und die Kraft fand, jene zu Fäusten zu ballen. Ich lebe. Ich lebe und ich werde—
      »Sterben«, echote plötzlich eine vertraute Stimme durch die metallenen Gebeine, die neben dem Operationstisch aus dem Beton einer alten Lagerhalle ragten, »Du wirst sterben.«
      Wie der Schatten eines lauernden Raubvogels zeichnete sich das Gesicht einer gealterten Clementine Coulomb vor knisternden Glühbirnen ab und schien auf die Antwort einer niemals gestellten Frage zu warten. Unfähig zu begreifen, wie viele Jahre seit ihrer Entführung über das Antlitz der Welt hinweggespült sein mussten, erstickte Mercedes an einem stummen Schrei.
      »Hör mir zu«, hallten die Worte ihrer Mentorin an den rostigen Wänden der Lagerhalle wieder, »Du wirst sterben. Was tust du?«
      Mercedes’ Kehle krächzte wie verschüttet, und doch war es ihre eigene Stimme, die in dieser Sekunde hart antwortete:
      »Überleben.«
      Keuchend schleppte sich eine reifere, schönere Mercedes auf ihrem Kanonenbein an Clementines Seite und stemmte sich atemlos gegen den Operationstisch. Winzige Schweißtröpfen glitzerten auf ihrer erblassenden Stirn und kullerten wie gläserne Perlen von den herabfallenden Strähnen auf die Wange der gefesselten Mercedes, die unaussprechlich verstört in ihre eigenen Augen starrte und nichts als Missbilligung fand.

      Wenige Minuten zuvor

      Selbst Gott musste ihm diesen Sieg über die Natur des Sterbens und Vergehens neiden, befand Stanislav Church auf seinem Rundgang durch die Eingeweide seiner blutigen Laboratorien. Regungs- und richtungslos quollen die verrenkten Leiber seiner Versuchsobjekte ineinander und erinnerten ihn an die Engel in den alten caligulanischen Gemälden, die Teddy in seinen leichtfertigeren Tagen missbraucht hatte, um dralle Naivchen mit ergötzlichem Halbwissen zu beeindrucken. Churchs alte Kehle gluckste auf. Ohne es zu beabsichtigen, hatte er seine Wissenschaft zur Kunstform erhoben. In den glotzenden Glasaugen seiner Pestmaske spiegelten sich totenstille Pinselstriche, die für ihn allein einen tosenden Ozean einfingen. Der Busen der Frauen und die wogenden Rundungen ihrer Hüften schenkten seinen Wassern die Wellen, auf denen sich Schaum aus verzerrten Kindermündern zu Gischt verflüchtigte, und ihre erstickenden Schreie hallten hinter den Rändern des Vogelschnabels wie das endlose Rauschen und Raunen der Fluten wider und wider und wider. Auf seiner Plattform über dem Meer der Leichen thronend, fühlte Church den Stolz des Kapitäns und die Macht eines gnadenreichen Schöpfers. Er hatte Schönheit im Alptraum kreiert; Musik komponiert, wo selbst das Schweigen verstummt, und er würde die See spalten, auf dass sich ihre tiefsten Tiefen wie der Schoß einer Hure ihm allein entblößten und Untertan machten.
      »Labt euch…«, flüsterte seine zerrüttete Stimme den giftigen Nebeln zu, die sich faulig und formlos an den verschlungenen Leibern vergingen, sich katzenhaft um seine Füße wanden und an den Spitzen seiner schwarzen Handschuhe leckten.
      »Bald schon…«, keuchte der Pestdoktor, »Bald schon werdet ihr—?!«
      Plötzlich jagte der stumme Alarm rote Blitze durch Churchs Refugium und brach sich kaleidoskopisch im spitzen Vogelschnabel der aufschauenden Maske. Die Schimmer des Mondes, die sich durch die winzigen Fensternischen des Daches in die verbarrikadierte Lagerhalle quälten, verquollen mit den flackernden Blinklichtern zu fluoreszierenden Schemen an den Wänden und ließen den Pestdoktor für eine Sekunde innehalten. War Gott gekommen, um ihn zu strafen? Nein. Denn er war der Tod geworden, und Gott brauchte ihn.

      Das große Hauptlager des Hallenkomplexes lag in der stummen, ehrfürchtigen Dunkelheit eines metallenen Himmels begraben. Groteske Apparaturen mit scharfen Kanten und bohrenden Spitzen hingen wie Galgenvögel an Eisenketten vom stählernen Gebälk, unter dem kohlenfressende Maschinen nach der nächsten Ladung darbten. Die Kinder der Liebe mittelalterlicher Folterinstrumente und neumoderner chirurgischer Präzisionswerkzeuge hingen aufgebahrt an den rostverkrusteten Wänden und glänzten zum Schnitt bereit im kalten Glanz eines dünnen, feigen Mondlichts.
      »Kinder! Ich bin zuhause!«, dachte Mercedes auf ihrer Pirsch durch diese schwarze Metallhölle zynisch. Mit gezückter Pistole und knirschenden Zähnen wühlte sie sich durch die rußende Finsternis und fühlte sich wie eine Jägerin ohne Beute.
      »Wir sind die Weltregierung. Überall sind Schatten«, äffte die Stimme in ihrem Kopf das pseudobedeutungsschwere Gebrabbel des Regierungsagenten nach, dessen Gesicht in ihrer Erinnerung weder Augen noch Ohren noch Lippen besaß. Nur eine Nase, die sich in aller Leute Angelegenheiten zwängte. Schnaubend hievte Mercedes ihr in dämpfende Tücher gewickeltes Kanonenbein weiter voran, vorbei an riesigen Stahlpressen und undefinierbaren Konstrukten, deren lange Schatten Insekten im Mondlicht imitierten. Ein Teil der Kopfgeldjägerin war sich sicher, die monströsen Kreaturen würden sich erheben und ihr folgen. Wie Tinte, die sich aus Papier erhebt. Urplötzlich überkam Mercedes die wahnwitzige Idee, ohne es zu ahnen in ihre eigene Seele gestolpert zu sein. Einmal zu oft falsch abgebogen, die falsche Gabelung an der falschen Kreuzung genommen — sofort verdammt, bis in alle Ewigkeit.
      »Wenn’s läuft, dann läuft’s…«

      Schlurfende Schritte schleppten Church an das gewaltige verriegelte Portal, hinter dem das Fleisch endete und der Stahl begann. Ein letztes Mal ragte der eiserne Vogelschnabel über die Schulterklappen seines schwarzen Mantels, bevor sich der Pestdoktor durch die massiven Tore schob und sein Meisterwerk hinter sich einschloss.
      Vor seinen leeren Glasaugen verneigten sich die Schatten der großen Maschinen zu Ehren ihres dunklen Führers. Drohend, unheilschwanger und gebieterisch schnitt seine hagere Silhouette durch die endlosen Gänge zwischen den aufragenden Apparaten, zuweilen die Hand auf eines der metallenen Monstren legend und in die Leere lauschend. Längst schloss Church einen Fehlalarm aus; wusste, dass er nicht allein war. Ein erbarmungswürdiges Geschöpf hatte es gewagt, die Tore seines Heiligtums aufzustemmen und sein Genie zu stören. Wie viele hatten schon den selben unentschuldbaren Fehler begangen? Waren auf der Suche nach kostbaren Altmetallen oder einem warmen Schlafplatz durch die Überreste der alten Maschinen gestromert und ihm direkt in die ausgestreckten Arme gelaufen…
      Frauen, deren Männer nach einem harten Abend in der Bar die Launen des Tages an ihnen auszulassen versucht hatten; Kinder, vom Leben verraten und mutterlos; betrunkene Schläger auf der Suche nach ihren Frauen. Dutzende hatten sich bereits zu seinen Füßen hingeworfen, um Gnade gewinselt und zu der wankelmütigen Gottheit gebetet, von der Stanislav Church einst selbst Erlösung erfleht hatte. Und so, wie er sich seinerzeit an den verschlossenen Toren des Himmel die Hände blutig gekratzt hatte, waren auch die Verlorenen und Unglücklichen vor seiner Tür an Gottes Starrsinn gescheitert. Er selbst hatte sie erlösen müssen, nicht der Pantokrator der Firmamente und Sterne über ihren hilflosen Schöpfen. Er selbst, Stanislav Church, hatte ihnen die gnadenreiche Ruhe geschenkt, die ihnen der Ach-so-Allesvergebende derart hartherzig verwehrt hatte. Auch der jämmerlichen kleinen Kreatur, die sich nun in seine Werkstätten verirrt hatte, würde Church Frieden schenken. Beständig lauschte er dem Tippeln ihrer Füßchen auf dem kalten Betonboden seiner Lagerhalle und erkannte, dass sie verletzt war. Sie zog ein Bein nach, diese geschundene und gebeutelte Kreatur. Church würde ihre Schmerzen vergessen machen, sobald er sie zu fassen kriegte. Sekündlich kreiste er sie weiter ein, heftete sich enger und enger an ihre hinkenden Fersen, bis er ihren Weg durch die verwunschenen Stahlwälder vorausahnte und sie hinter den Zahnrädern eines monolithischen Motorgetriebes erwartete. Bibbernd wie ein Kind wagte sich der Schatten dieser verirrten Seele durch das Mondlicht bis an die dunkle Ecke, in der sie ihr Retter empfangen und erlösen würde. Church war bereit, seine Gnade über ihr auszuschütten. Er war der Tod und er würde sie — erwischen.
      Blitzartig schoss seine schwarze Hand aus dem Finstern, doch Mercedes war schneller, duckte sich unter den gierigen Handschuhen weg und schleuderte ihr Kanonenbein mit wütendem Schwung gegen den lauernden Pestdoktor. Jener hastete geistesgegenwärtig mehrere Meter in die Luft, seinem vermeintlichen Opfer noch im Sprung die Pistole aus der Hand tretend. Instinktiv stützte er sich an den Eisenstreben in seinem Rücken ab und rettete sich wie eine schwarze Katze im Hechtsprung in eine sichere Nische, wo er mit Entsetzen mitansehen musste, wie der massive Stahl unter dem Einschlag des ungebetenen Gastes zerbarst, vornüberkippte und unter ohrenbetäubendem Lärmen in seine Richtung krachte. Nur im letzten Moment gelang dem Pestdoktor die Flucht, hinaus aus dem Dunkel und zu einem unscheinbaren Hebel an der Wand, der auf einen Handgriff hin knisternde Lichtkegel über der Lagerhalle ausgoss.
      Geblendet kniff sich Mercedes die gleißenden Funken aus den Augen und stolperte rücklings durch die zersplitterten Stahlträger, bis ein gellendes Knirschen ihre Prothese packte und am Boden festkrallte. Während sie sich noch die kräuselnden Schatten aus dem Blickfeld blinzelte, versuchte ihr menschlicher Fuß vergeblich, ihr falsches Bein mithilfe eines tatkräftigen Tritts aus den scharfkantigen Fängen eines zerborstenen Ladekrans zu befreien. Wieder und wieder wuchtete sie den Absatz ihres Stiefels gegen die massive Fessel, trieb die zerklüfteten Eisenzähne damit jedoch nur tiefer in die Verzahnungen ihrer Kanone. Zwischen den fruchtlosen Hammerschlägen ihres Hackens und dem fluchenden Schnauben ihrer Nüstern vernahm Mercedes’ siebter Sinn plötzlich den lautlosen Herzschlag des geduldigen Jägers. Ihr inneres Radar, das andere Menschen Haki nannten, schlug aus und ließ die Kopfgeldjägerin im entscheidenden Moment herumfahren, um das nahende Bein ihres Angreifers mit bloßen Händen abzufangen. Die Energie eines Orkans toste um ihre Arme und riss ihren perfekten Zopf entzwei, just bevor sich das vogeläugige Monstrum aus ihrem Griff befreite und auf der Luft selbst in sichere Entfernung sprintete.

      »Und wer…sind Sie?«, japste Church atemlos in das elektrische Dämmerlicht, in dem noch immer die rostigen Blutstropfen der niedergerungenen Maschine flockten. An Bug und Heck des Schiffswracks aus Geröll standen sich die Kopfgeldjägerin und der Pestdoktor gegenüber; gleichgültig und verständnislos beim Anblick des jeweils anderen.
      »Das ist eine wirklich abscheuliche Maske«, sagte Mercedes ruhig, »Wie muss da erst dein Gesicht aussehen?«
      »Oh…beten Sie, es nicht herausfinden zu müssen, Miss…« In dieser Sekunde wurde Church der ehernen Prothese gewahr, die die Braunhaarige möglichst unauffällig aus ihrem stählernen Gefängnis zu befreien versuchte. »Miss Mercedes Delacroix, aber natürlich. Verzeihen Sie, dass mir Ihre atemberaubende Schönheit nicht Hinweis genug war, aber lassen Sie es mich wiedergutmachen, in dem ich Ihnen versichere, dass Sie dem Ruf, der Ihnen vorauseilt, nicht nur gänzlich entsprechen — Nein! — Sie übertreffen ihn sogar noch.«
      »Danke«, erwiderte Mercedes trocken, »Das bedeutet mir viel, besonders aus deinem Munde. Was auch immer du bist.«
      Kehlige, gurrende Laute sickerten gegen das Innere der glotzenden Pestmaske, die sich wie der Schopf eines Friedhofsraben schieflegte, um Mercedes’ Maße für einen Sarg zu nehmen.
      »Wie wahr«, gluckste Church, »Sie sind mir gegenüber beachtlich im Nachtteil und bedauerlicherweise steht mir das Privileg, diesem höchst unglückseligen Missverhältnis Abhilfe zu schaffen, nicht zu. Äußerst bedauerlich…«
      Mit der Vorfreude eines Kindes, das süßen Sirup von seinen Fingerspitzen lutscht, zupfte sich der Pestdokter Kuppe um Kuppe seiner Handschuhe von den schwarzen Händen und verstaute sie in den Taschen seines Mantels.
      »Doch Sie können unbesorgt sein, Miss Delacroix. Diese Peinlichkeit wird bald vorbei sein. Bald schon—«
      Blitzartig verschwand Church, nur das Echo seiner klackenden Hacken und eine aufgescheuchte Mercedes auf dem Betonboden der Lagerhalle zurücklassend. Mit aller Kraft stemmte sie ihren Fuß gegen das massive Stück Metall, das ihre Prothese wie ein Schraubstock umklammerte, ohne sich rechtzeitig befreien zu können. Der spitze Schnabel des Pestdoktors punktierte ihre Wange mit unvorstellbarer Geschwindigkeit, bevor die schwarze Kreatur herumwirbelte und ihren ausgestreckten Zeigefinger in die zur Abwehr erhobene Hand der Kopfgeldjägerin rammte. Brüllend vor Wut schleuderte Mercedes einen wilden Schwinger ihrer freien Rechten zurück, verwirbelte jedoch nur die Eisenflocken im knisternden Zwielicht. Sofort reicherten sich Stille und Schatten in der Lagerhalle an, als wollten sie die Kopfgeldjägerin in einen trügerischen Frieden lullen. Doch das Loch in ihrer falschen Hand war real, die tiefen Kerben im stählernen Gewinde darunter waren real; nur die Pestmaske und ihr schwarzer Träger schienen aus der Existenz selbst gerissen. Mercedes kannte diese Taktik und die Kräfte, die soeben ihre linke Hand durchbohrt hatten — sie hatte viel gelernt in diesen letzten neun Jahren.
      »Regierung!«, rief sie den Schemen an der Wand und dem Funkenschlag der Glühbirnen hinterher, »Haltet euch für die Krone der Zivilisation, kämpft aber wie Buschvölker. Komm raus und—«
      Ihr Lächeln und ihr Radar zuckten im Gleichtakt, als ein ahnender Schauer über ihren Rücken rollte und ihre Fäuste elektrisierte. Mit zweifelhafter Eleganz, jedoch stoisch wie ein Bergmassiv blockten Mercedes’ Ellenbogen den hinterhältigen Tritt des Pestdoktors und wuchteten ihn in die zu Speerspitzen verbogenen Überreste der zertrümmerten Stahlmaschinerie. Erst im letzten Augenblick entging sein Körper dem Tod durch Metall, indem er sich den Pfählen durch absurdeste Verrenkungen wie gefaltetes Papier entzog. Sekundenlang hielt Mercedes dem gottlosen Blick der Glasaugen stand, hinter denen sie tatsächlichen Zorn zu lesen glaubte, bis sich Church aus den eisernen Streben schob und mit tausend wendigen Haken nahezu unsichtbar auf sie zusetzte.
      Sie erwartete ihn. Titanische Stärke durchflutete ihren halbmenschlichen Leib, als sie ihr feststeckendes Kanonenbein und mit ihm den massiven Klumpen Schrott, der es gefangen hielt, aus dem Betonboden riss. Grazil wie eine dampfbetriebene Ballerina vollführte die Kopfgeldjägerin eine formvollendete Pirouette, die das lästige Geröll endlich von ihrer Prothese vertrieb und zum wütenden Geschoss machte, das den herannahenden Church mit niederschmetternder Gewalt erfasste. Reaktionsschnell kraxelte er im echsenartigen Viergang über den fliegenden Stahlbrocken und rettete sich gerade rechtzeitig auf den sicheren Beton, um Mercedes’ Greifhaken Millimeter an seinem Gesicht vorbeischrammen zu spüren. Unter ohrenerschütterndem Bersten krachte der Metallklumpen gegen die erbebende Wand der Lagerhalle, just bevor sich die Enterkette in selbiger festbiss und Mercedes zu sich zog. Auf ihrem rasenden Flug schnappte sich die freie Hand der Kopfgeldjägerin den grausigen Vogelschnabel des Doktors - und den Rest gleich mit dazu. Splitter und Späne sprenkelten die Luft, als Churchs Maske zwischen Mercedes’ Fingern und dem Ende der Lagerhalle zerquetscht wurde und über seinem linken Auge knirschend zersprang.
      »Hab ich dich!«, spuckte die Kopfgeldjägerin in das eiterunterlaufende lidlose Auge, das ihr schmerzverzerrt und wundbrandig entgegenfunkelte. Der Mann unter der Maske musste in einer Welt der Qualen hausen. Pulsierende Adern unter verbrannter Haut pumpten schwarzes Blut in glasige, gelbgrüne Geschwüre und zerfressene Narbengewebe, die beim Kontakt mit der kühlen Luft wie sterbende Spinnen krampften.
      »Das muss wehtun«, mutmaßte Mercedes mit dem halbehrlichen Mitgefühl der Medizinerin, die beim Anblick dieser widerwärtigen Missbildungen und Entzündungen unwillkürlich ihren gedanklichen Reszeptblock zückte. Die Kriegerin in ihr war jedoch stärker, und kannte weder Mitleid noch Vergebung. Unter den Schmerzensschreien ihres Opfers presste Mercedes die zerbrochenen Ränder der Vogelmaske tiefer und tiefer in die eitrigen Überreste des Gesichtes, fauchend:
      »Wer. Bist. Du?!«
      »Ich bin der Tod!«, zischte Church, zückte ein Messer aus seinem Ärmel und rammte es in den Schnabel seiner Maske. Eine stechende Verpuffung vor Mercedes’ Nasenspitze war die Folge und rosenrote Gase umschwärmten ihr erschrockenes Haupt. Hustend stürzte sie zu Boden, nur im Affekt die enthemmten Messerstiche des Pestdoktors mit dem Stahl ihrer Prothese zurückschlagend. Geistesgegenwärtig tasteten ihre Hände blind nach dem Entriegelungsmechanismus, fanden ihn und entfesselten berstende Kanonensalben aus dem Lauf ihres Beines. Zu spät, zu wahllos. Church war verschwunden und Mercedes verlor sich im roten Nebel.

      Orientierungslos torkelte die Kopfgeldjägerin durch die drohenden Lagerschluchten und spürte die Tonnen der neben ihr aufragenden Stahlmonolithen ebenso ungnädig wie das Gewicht ihres falschen Beines, das sie unablässig näher an den Betonboden zog. Kalter Schweiß sprudelte aus ihrer Haut, flutete ihren zitternden Körper und plätscherte ihr Kinn hinab. Tropfen, Tropfen, Tropfen. Ihre ganze Existenz diente den Tropfen, die ihr entsprossen, über sie hinweg perlten und in den Beton sickerten. Vielleicht müsste sie nur lange genug warten, bis eine zweite Mercedes aus den feuchten Stellen erwüchse. Eine Kameradin im Kampf gegen den Dämon, der sie vergiftet hatte; eine Armee im Säuberungskrieg gegen die Pest.
      »Das ist ein bescheuerter Gedanke und ich komme mir dumm vor, dir das überhaupt sagen zu müssen. Steh auf.«
      Mercedes hinterfragte nicht, wieso ihr ihre Mentorin erschienen war, um sie zu retten. Dankbar ergriff sie die Hand, die jene ihr reichte und stemmte sich auf die wankenden Knochen. Clementines rundes, sonniges Gesicht war bewölkt und kalt und sprach:
      »Du bist vergiftet worden.«
      Mercedes lachte nur, halbtot. »Wirklich? Schätze, deshalb bist du die Lehrerin und ich nur—«
      »Mercedes!«, wurde die Blonde energischer und ernster und rüttelte die Kopfgeldjägerin fest an den Schultern. »Du bist vergiftet worden. Du wirst sterben. Was tust du?«
      »Ich…« Allmählich entstieg Mercedes dem Sumpf, in dem ihre Sinne zu ertrinken drohten. »Ich muss…Gegengift. Ich muss ein Gegengift finden. Sein Gegengift. Aber…«
      »Aber?«, trieb Clementine sie voran.
      »Ich kann nicht. Er hat das Gegengift, und ich kann mich ihm so nicht entgegenstellen.«
      Als müsse sie vor ihrer eigenen Drogenhalluzination Rechenschaft ablegen, deutete Mercedes an sich selbst hinab: Legte ihre zitternden Hände, die schweißgebadete Stirn und das wacklige Beingerüst als Beweise vor. Doch Clementine ließ nichts von alledem gelten. So dachte Mercedes weiter nach.
      »Das bedeutet…ich muss mich ihm stellen, ich muss einen Weg finden. Ich muss—?!«
      Der Pestdämon hatte sie gefunden, und er hatte Verstärkung mitgebracht. Schwarze Zwillinge stürmten auf sie zu, deren vier Arme und vier Beine ihren Tod wollten.
      »Nur einer ist real«, analysierte Clementine nüchtern, »Nimm den Rechten.«
      Mercedes wählte den Linken und fing die bohrende Fingerkuppe wenige Zentimeter vor ihrem getrübten blauen Auge ab.
      »Was…hast du mir gegeben?!«, lallte sie, doch die entstellte Fratze lachte nur. Church hatte seine Maske abgelegt, und mit ihr seine Höflichkeit und seine Manieren. Plötzlich wuchs der geschwärzte Nagel seines Fingers zur Klinge, schlitzte Mercedes’ Wange auf und zerstach das eiserne Geröll hinter ihr. Der Schmerz vereinnahmte sie in Wellen und trieb sie in einen verzweifelten Konter, der das Kanonenbein ungelenk in Churchs Magen versenkte und ihn quer durch die Lagerhalle in eine undefinierbare Masse an dem schwarzen Horizont schmetterte, der sich vor Mercedes’ fallenden Lidern ausbreitete. Sie erwartete den Tod und die Bilder ihrer Vergangenheit, die den Fußweg ins Grab pflasterten. Menschen, die sie geliebt, Orte, die sie angezogen hatten. Mercedes aber erkannte in der Düsternis nur sich selbst. Nackt, kahl geschoren und an den OP-Tisch gefesselt, der einst ihr Kerker gewesen war. Sie sah dieses hilflose Geschöpf und fühlte nichts als Ekel.
      »Bleib wach«, mahnte Clementine, »Bleib wach.«
      »Ich bin wach!«, schnaubte Mercedes auf ihrem Operationstisch zornig und rüttelte an ihren Fesseln, »Lasst mich gehen! LASST! MICH! FREI!«
      Unter dem Angstschrei der weißen Kittel zerbrach das vollendete Experiment seine Ketten, entstieg dem verhassten OP-Tisch — und klatschte wie ein Stein zu Boden. Die Macht, die ihren Körper zuvor hatte erbeben lassen, wich beim Anblick ihrer metallenen Prothese einem lähmenden Entsetzen. Doch der Moment ihres Zögerns währte nur kurz. Ein brennender Blitz durchfuhr ihr Rückgrat und entflammte ihren Zorn. Sie ertrug den Schmerz, entriss den weißen Kitteln ihren Elektroschocker, mit dem sie sie wie ein störrisches Zirkustier traktierten, und streckte drei ihrer Peiniger mit ihm nieder. Auge um Auge. Im Rausch der Rache schleuderte sie den elektrischen Speer mit der Macht eines Götterblitzes quer durch die Lagerhalle in die grauenhaften piependen Apparaturen, die sie in den letzten Monaten ihr Leben und Leiden erhalten hatten. Funken und zerberstende Kabel zuckten durch ihre desinfizierte weiße Folterkammer, in der die mundlosen Gestalten einen grausamen Tod starben. Die Grenzen zwischen der alten Lagerhalle und dem Alptraum ihrer Vergangenheit verschwammen und wechselten mit den gleißenden Lichtblitzen.
      »Denk nach«, murmelte die vergiftete Mercedes vor sich her, während der Geist ihres einstigen Selbst die weißen Kachelwände mit Blut tränkte, »Denk nach. Halluzinationen, Hitzewallungen. Ein rötliches Gas…Verpuffung beim Kontakt mit Sauerstoff…Halluzinationen…«
      »Du hast es gleich«, ermutigte Clementine Coulomb sie, »Ich habe dir alles beigebracht. Du hast, was es braucht, um zu überleben!«
      Überleben. Mercedes würde überleben, die Antwort kreiste wie Geier über ihrem fiebernden, schweißnassen Schopf. Getrieben versuchte sie, sich die triefenden Strähnen aus ihrer Stirn zu streichen, doch die Finger ihrer rechten Hand waren taub. Taub.
      »Das ist es!«
      Die Kopfgeldjägerin fühlte sich fokussierter als jemals zuvor, lächelte das Lächeln einer Siegerin und benutzte die funktionstüchtigen Maschinenfinger ihrer linken Hand, um die Medizinkammer in ihrem Oberschenkel zu öffnen. Geschwind breitete sie ihr kleines Labor wie ein Picknick um sich herum aus, füllte Regenbögen aus Fläschchen in ein Reagenzglas, schüttete die Gemische in einen hitzefesten Kolben und aktivierte unter einiger Mühe den Bunsenbrenner in ihrem rechten Zeigefinger. Nach wenigen Sekunden begann der gebraute Zaubertrank zu brodeln, doch Mercedes fühlte keine Erleichterung. Die siedenden Chemikalien kochten ihre giftumspülten Nerven; der Kampf gegen ihren eigenen Verstand war einem Kampf gegen die Zeit gewichen. In weiter Ferne vernahm der letzte Überrest ihrer Sinne das Scheppern und Knirschen des Gerölls, aus dem sich der entsetzliche Pestdoktor soeben befreit haben musste.
      »Ganz ruhig«, wies Clementine ihre Schülerin an, die mit zitternden, tauben Fingern eine Spritze aufzuziehen versuchte, »Du kannst das. Du hast schon einmal das Unmögliche vollbracht.«
      »Ich weiß«, raunte Mercedes hochkonzentriert, atmete tief ein und jagte sich die Spritze in den Hals. Die blutige Rache ihres einstigen Ichs spiegelte sich in Schattenspielen vor ihren aufklaffenden Pupillen. Wirbelsäulen wurden zwischen den mechanischen Fingern zu Zahnstochern und Schädel zu rohen Eiern, die an Wänden zerplatzten. Nur ihre Hände waren nötig, um die Leiber ausgewachsener Männer zu zerreißen; noch weniger, um sie zu zerquetschen.
      »WO IST ER!?«, prasselte die Stimme ihrer entfesselten Schöpfung auf die beiden Wissenschaftler ein, die Mercedes über dem Boden baumeln ließ, »Da Vinci! Wo ist er!? WO—«

      »—BIST DU!?«
      Ungläubig vernahm der schnappatmende Church das Echo ihrer tosenden Stimme. Doch wie? Der Tod hatte sie geholt. Nein! Er hatte sie geholt. Sein Genie höchstselbst hatte das Gift hervorgebracht, welches erst ihren Verstand und schließlich ihr Fleisch hätte zersetzen sollen. Die Minuten waren verstrichen, nach seiner letzten fruchtlosen Attacke hatte er zu zählen begonnen. Doch sie lebte, der gellende Lärm ihres gottlosen Beines kündigte sie an wie der Donner den Sturm. Wie konnte sie es wagen, seine Gnade auszuschlagen? Zornentbrannt legte Church den Kopf in den Nacken, bevor die eitrigen Beulen und brandigen Narben in seinem Gesicht zu pulsieren begannen. Seine Schultern weiteten sich, die Nägel an seinen verkrampfenden Fingern wuchsen zu Dolchen an und die Muskeln in seinen hageren Beinen schwollen gegen das schwarze Leder der Hose. Einen tiefen Atemzug später war Church verschwunden, um mit der Leidenschaft eines reinigenden Regens auf Mercedes niederzugehen. Seine langen Nägel wurden Lanzen, die die Kopfgeldjägerin mit einem schwungvollen Tritt ihrer Prothese umlenkte, bevor sich ihr Greifhaken in Churchs Hals zu verkeilen versuchte. Jener entzog sich ihr, schoss zu Boden und rasierte mit den abnormen Fingernägeln in einem gewaltigen Halbkreis Maschinen und Stahlträger gleichermaßen. Nur Mercedes hatte den Angriff mit hakischwarzen Armen überlebt, während das Metall um sie herum barst und zerfiel.
      »Ich wage kaum zu entscheiden, zu welcher Überraschung ich mich hingerissener fühle…«, keuchte Churchs entzündete Pestfratze heiter, »Die Überraschung, Sie in bester Gesundheit vorzufinden, Miss Delacroix, oder meine Überraschung beim Anblick der Ihren.« Sichtlich amüsiert zog er seine langen Nägel ein. »Die Kunst des Life-Feedbacks sollte Ihnen nicht fremd sein, schließlich habe ich mein Wissen an den guten Brian O’Mara weitergegeben. Wenngleich ich zugeben muss, seine praktische Anwendung dieses Wissens stets als…monströs empfunden zu haben.«
      Mercedes gab sich unbeeindruckt. Das Gift zerfraß ihren Körper bei lebendigem Leib und betäubte ihr Entsetzen. Die Wirkung ihres improvisierten Medikamentencocktails versiegte rapide.
      »Wer bist du?«, fragte sie erneut. Erneut antwortete Church:
      »Der Tod.«
      Achselzuckend richtete Mercedes ihre Rechte aus. Die Luke in ihrer Handfläche spuckte Öl und der Bunsenbrenner in ihrer Fingerkuppe steckte es in Brand. Die aufpeitschende Stichflamme verschluckte Church und seinen Mantel, den er sich geistesgegenwärtig vom Leib riss und gegen Mercedes warf. Nur für den Bruchteil eines Wimpernschlags verlor sie ihn aus den Augen — nur der Bruchteil einer Sekunde war es, der sie verdammte. Seine schwarzglänzenden Nägel bohrten sich von hinten in ihre Schulter, gefolgt von seinem Knie in ihrem Rücken. Mehrere Meter schlitterte ihr blutspuckender Körper über den harten Beton, bis Churchs nacheilende Hacken ihren Flug jäh beendeten. Sie schmeckte die dreckigen Sohlen seiner Stiefel auf den Zähnen und fühlte die heißen Tropfen, die aus seinen Beulen auf ihre Stirn eiterten. Die widerlichen Nägel schossen auf ihre Augen zu, in denen sich Churchs Abszesse und Narben an ihrem Ende labten. Verzerrt grinsend, bis der Greifhaken aus Mercedes’ angewinkelter Hand sprudelte und seine Fingerkuppen in Stücke riss. Jaulend vor Schmerz taumelte der Pestdoktor zurück. Nun war es Mercedes, die den Bruchteil eines Wimpernschlags nutzte. In einem letzten Aufbäumen ihrer vergifteten Muskeln packte sie ihre Prothese, ließ die Kammer einrasten, ergriff den manuellen Abzug - und blies Church mit einer Ladung Schrot das entstellte Gesicht aus dem Schädel.
      Kapitel 141 - CP-002-Z: Stanislav Church

      Wie ein eingeschlagener Baum knickte der tote Leib unter dem blutsprudelnden Stumpf in sich zusammen. Nach 20 langen Jahren unter der abscheulichen Vogelmaske war Stanislav Church gestorben, wie er gelebt hatte: Gesichtslos, verborgen vor den Augen einer gleichgültigen Welt. Im knisternden Licht der nackten Glühbirnen, das noch immer durch die Lagerhalle zuckte, verwässerte die kopflose Leiche zwischen den langen Schatten der dunklen Maschinenwesen zu einem See aus unergründlichem Schwarz — ein Tintenfleck im Roman des Lebens.
      Churchs Mörderin plünderte seinen Leichnam mit gierigen Fingern, die wie hungrige Ratten in jede Ritze des blutgetränkten Totengewandes krauchten und an seiner Habe nagten. Ihr gepresster Atem spukte bereits wie Wolfsheulen durch ihre Lungen, als Mercedes das gläserne Fläschchen aus der Innenseite des dunklen Mantels barg und mit getriebenen Blicken analysierte. Blutige Lippenabdrücke auf dem Hals des halbgeleerten Gefäßes bestärkten ihre Zuversicht, das rettende Tonikum in den Händen zu halten, und doch zögerte sie instinktiv. Abwägend, ob der gehässige Vogeldämon diese letzte feige Falle für sie vorbereitet haben mochte, um selbst im Sterben noch dem Tode dienen zu können, hielt sie das Glas gegen die schmutzigen Glühbirnen. Doch der lodernde Glanz verglühte vor ihren Augen zu Asche und die Wölfe heulten und Mercedes spürte die unerbittliche Angst vor diesem einsamen Tod wie Flutwellen, die sich vor ihr im stählernen Chaos auftürmten und zu branden drohten. Hoffnungsverloren schluckte sie die bittere Medizin, lehnte sich an die rostige Brust einer unaussprechlichen Maschinerie und wartete auf das unbestimmte Ende.

      Zwei Stunden zuvor

      »Wir sind nicht die Kavallerie«, redete der Graue Spion auf das Spiegelbild in seiner Kaffeetasse ein, »Wir befinden uns auf einer Aufklärungsmission. Das heißt, wir sondieren die Lage, sammeln Informationen und sobald wir handfeste Beweise haben…rufe ich Verstärkung.«
      Halbabwesend schwappten Mercedes’ müde Pupillen über das abgeschliffene Relief ihres Gegenübers hinweg auf die Rücken der vorüberziehenden Pendler, die aus den Gewölben des Bahnhofs in die kohlenschwarze Nacht entflohen.
      »Hier.« Mit einem entwaffnenden Lächeln, das Mercedes’ abtrünnige Gedankengänge zu enttarnen schien, klatschte der Agent einen detaillierten Stadtplan auf den öligen Stehtisch zwischen ihnen. Horte konzentrischer Kreise breiteten sich unheilverheißend über den Dächern eines skizzenhaften Copperfields aus und flossen über den hohlen Gerippen grauer Hallenkomplexe zu einer farblosen Seerose zusammen.
      »Deine Geometrie-Hausaufgaben?«, stichelte Mercedes kaffeeschlürfend.
      »Sehr witzig. Nein. Das hier—«
      Seine Finger bedeuteten einen vagen Bogen um die ringförmigen Wellen, die in unregelmäßigen Abständen aus der gesamten Stadt sprudelten. »Das hier sind…Jagdgründe.«
      »Jagdgründe?«
      Er nickte unmerklich, sich die graue Schiebermütze noch tiefer über die blauen Löckchen zerrend. In diesem Moment erinnerte er Mercedes an ein Kind, das sich aus Furcht vor dem Monster unter seinem Bett die Decke über das Gesicht zog, und weckte ihr Mitgefühl. Die flüchtige Idee, der junge Mann in der Kaffeetasse könnte ebenso unvermittelt und unwillig in den Krieg der Schattenwelten geraten sein wie sie selbst, löste in der Kopfgeldjägerin einen unwillkürlichen Mutterinstinkt aus. Die große Schwester in ihr, dieses weichherzige und zartfühlende Geschöpf, das sie einst gewesen war, wollte seine Ängste lindern und die dunklen Flecken vertreiben, die das kalte Licht der Bahnhofsleuchten in die Sorgenfalten auf seiner hohen Stirn goss.
      »Also schön«, seufzte sie nachgiebiger, »Was tun wir hier?«
      Der Blauhaarige antwortete, ohne vom Papier aufzusehen:
      »Menschen verschwinden. Seit 15 Jahren verschwinden in dieser Stadt Menschen.«
      Augenblicklich neigte sich Mercedes’ schönes Gesicht gen Fenstergalerie. Hinter den verklebten, rußigen Bahnhofshallen erbrach sich die Nacht dunkel und bleiern über öde Acker, auf denen nichts wuchs als Stahl und Feuer und Kälte. Menschen mit eingefallenen Gesichtern und entzündeten Körpern schleppten sich durch dieses harte, finstere Land voller Kräne und Schienen, Blickkontakt meidend und allein den einfahrenden Zügen Respekt erweisend. Zu verschwinden, schwante es Mercedes, hieße, sich zu vergessen und aufzulösen in den Kohlengruben und dem Qualm der dröhnenden Maschinen.
      »In diesen Gegenden«, erklärte der Graue Spion mit Blick auf die konzentrischen Kreise, die Mercedes an die Altersringe von Bäumen erinnerten, »sind sie verschwunden. Straßenkinder, Huren, Bettler; Menschen, die gewissen Risikogruppen angehören und nur selten als vermisst gemeldet werden. Unsere Aufzeichnungen bestätigen über 50 Fälle in den letzten 15 Jahren, aber die Dunkelziffer ist vermutlich ungleich höher…«
      Mercedes lauschte seinen Worten ernst und grüblerisch. Mit verhaltenem Unbehagen glitten ihre verschiedenfarbigen Augen über die tödlichen Ringe, die plötzlich zahllose ungehörte Schreie einzukesseln schienen. Der Agent musste sie ebenso deutlich hören wie sie, denn seine Stimme wurde lauter und getriebener:
      »Den ersten Opfern…mutmaßlichen Opfern ging das Verschwinden von Tieren voraus. Hunde, Katzen und sogar Hühner. Lokale Zeitungen berichteten über das plötzliche Ausreißen von loyalen Wachhunden und von besorgten Bürgern, deren Katzen nicht von ihren nächtlichen Streifzügen zurückkehrt waren. Hier, in diesem Bereich.«
      Seine kleine Hand deutete auf den äußerten Kreis des äußersten »Jagdgrundes« — und Mercedes ahnte mit Grauen, was folgen sollte.
      »Die ersten Opfer waren Kinder, nicht wahr?«
      Betroffen bestätigte der Graue Spion ihre Theorie, bevor er über sensationswütige Zeitungsartikel und demographische Untersuchungen, halbherzige Polizeiberichte und moderne urbane Legenden sprach. Mit jedem Wort und jedem weiteren vermissten Gesicht sprangen seine kindlichen Finger über einen der drohenden Ringe, sich beständig der verfluchten Seerose über den Lagerhallen nähernd — dem Schnittpunkt, an dem die Fäden des Bösen zusammenliefen.
      »All diese Informationen«, fragte Mercedes nach dem Ende seiner uferlosen Ausführungen, »Wie hast du die Zusammenhänge erkannt? Wie bist du auf diese Stadt gekommen und—«
      »Ich?« Sichtlich geschmeichelt, aber hölzern wie eine Puppe wehrte der Blauhaarige ab. »Das sind die Früchte der Arbeit meiner Vorgesetzten. Sie muss dafür hunderte Berichte und Statistiken zusammengetragen und verglichen haben; Todesanzeigen, Zeitungsartikel und Polizeiakten aus 15 Jahren Stadtleben.«
      »Erstaunlich«, befand Mercedes beeindruckt, noch immer die unheimlichen Jagdgründe studierend.
      »Ja, allerdings. Weiß der Himmel, wie sie das angestellt hat und wie sie überhaupt auf diese Stadt auf dieser Insel kam. Sie ist ziemlich brillant und die meisten Sprünge, die sie macht, kann ich mir nicht erklären«, redete sich der Blauhaarige ein Lächeln auf die Lippen. Der Stolz, für eine Frau zu arbeiten, deren Leistungen selbst der berüchtigten Mercedes Delacroix Respekt abzutrotzen vermochten, ließ seine Brust anschwellen und den Kaffee an seinen Lippen belebender und weniger metallisch schmecken als noch zuvor. Wohltuend rollte die schwarze Wärme durch seine Kehle und schenkte ihm neuen neuen Mut, als Mercedes die spitzen Blütenblätter der Seerose ins Auge fasste und nachdenklich murmelte:
      »Hier überlappen sich die Kreise…›Jagdgründe‹ nanntest du sie, nicht wahr?«
      »Cassiopeia nannte sie so. Ihr habt sie ja bereits kennengelernt.«
      Beim Gedanken an die blutrote Teufelin schwärmte ein brennender Schauer in die schwülstigen Narbenäste auf Mercedes’ Rücken aus, doch sie schwieg, um den so plötzlich so redefreudigen Spion nicht zu unterbrechen.
      »Cassiopeia sagte, dass sie das Muster an die Vorgehensweise von Serienmördern erinnere«, fuhr er fort, »Diese äußeren Bereiche — hier begann es. Und mit jedem Jahr, dem wir uns der Gegenwart nähern, nähern wir uns auch diesen Lagerhallen. Cassiopeia sagt, dass intelligente Serienmörder zu Beginn ihrer…Karriere sehr vorsichtig seien. Sie entfernen sich weit von ihrem Zuhause oder ihrem Zufluchtsort. Aber dann werden sie selbstsicherer und gieriger, ihr Verlangen und ihre Arroganz lassen sie fahrlässiger werden und sie jagen in immer kürzeren Abständen, immer näher an ihrem Refugium.« Er deutete auf die engsten Ringe der sich überschneidenden Bereiche, die die grauenhafte Seerose formten. »Zum Ende hin verschwanden viele Menschen in diesen kleinen Radien. Er brauchte sehr schnell sehr viele neue Opfer.«
      Mercedes würgte bittere Galle hinunter. »Er experimentiert.«
      »Das hat Cassiopeia auch gesagt.«
      »Natürlich hat sie das«, seufzte die Kopfgeldjägerin gehässig und legte den Kopf in den Nacken, um Luft und Licht durch ihre Lungen zu spülen, »Seine ersten Versuche unternahm er an Tieren, dann die nächsthöhere Stufe — Kinder. Die Schnittpunkte liegen auf Lagerhallen?«
      Wieder nickte der Spion. Allmählich erkannte er, wieso Lorelei ausgerechnet Mercedes Delacroix auserkoren hatte, ihm bei seiner Mission im Herzen des Horrors zur Seite zu stehen.
      »Wir werden uns diese Lagerkomplexe ansehen. Aber nicht vergessen: Keine Intervention. Wir teilen uns auf, treffen uns nach einer Stunde, wo wir uns getrennt haben und berichten über alles, was uns aufgefallen ist. Ohne böse Überraschungen und ohne Nebenwirkungen. Verstanden?«
      »Verstanden.«
      Zufrieden verstaute der Agent den Stadtplan wieder in seiner Manteltasche und leerte seinen Kaffee, bevor er vergeblich nach den verschiedenfarbigen Augen der schönen Kopfgeldjägerin suchte. Jene hatte sich bereits an ihm vorbei gestohlen und erwartete ihn mit entschlossener Miene unter den knochenhaften Bahnhofsportalen.

      Zurück in der Gegenwart

      Die gescheckten Tarnmuster aus Nacht und Eisen und Licht blätterten wie trockene Farbe von seiner Haut, seinem Mantel und seinem Haar, als sich der Graue Spion in die Überreste der urgewaltigen Maschinerien kniete und die Bruchstücke der zerborstenen Vogelmaske aus den Trümmern barg. Erneut wanderte sein sorgenvoller Blick über das Chaos in der alten Lagerhalle; die verwüsteten Apparaturen und niedergerungenen Maschinen, die aufgerissenen Betonplatten und demolierten Metallbeläge. Eine bitterböse Ahnung kauerte in den dunklen Ecken, die die elektrischen Leuchtkörper nicht zu erhellen vermochten, und lenkte seine Schritte bis an die geronnenen roten Lebenslinien auf dem Boden. Er folgte ihnen, ohne zu denken — und fand den kopflosen Leichnam, ohne zu begreifen. Instinktiv zückte er jedoch die Teleschnecke aus seiner Manteltasche, wartete auf das Klicken am anderen Ende der Leitung und murmelte:
      »Leichenfund. Identität: Stanislav Church. Agentennummer: CP-002-Z.«
      Ein erneutes Klicken beendete den Anruf und ließ den Grauen Spion wieder mit seinem toten Kollegen allein. Gedankenverloren legte er die Bruchstücke der unheimlichem Vogelmaske auf den gesichtslosen Stumpf, der von Churchs Schädel übrig geblieben war, und trat über den toten Körper hinweg auf das große massive Stahltor im hintersten Winkel der Lagerhalle zu. Das monolithische Konstrukt hing wie ein geknackter Tresor angelehnt in den Angeln und gähnte eine endlose schwarze Leere. Unter einem nervösen Seufzen schob sich der Blauhaarige in die Dunkelheit und musste seinen Mageninhalt zurückhalten, als sich das Unbekannte im Finstern lichtete. Hunderte tote Augen starrten ihn an, flehten aus aufgesperrten Mündern still und ungehört um Hilfe oder Gnade oder die letzte, erlösende Ruhe. Unfähig, das Meer der Leichen zu ertragen, taumelte der Spion rücklings und stieß sich den Schädel am zyklopischen Stahlportal blutig.
      »Gottverfluchtescheiße!«, stieß er aus.
      »Hier oben, Meisterspion!«, schallte es zurück.
      Direkt unter der hohen rostigen Deckenkuppel, an der gewaltige Ventilatoren giftgrüne Dämpfe verwirbelten, machte der grummelnde Spion einen gläsernen Käfig inmitten des Stahls aus und die hohe vergitterte Wendeltreppe, die ihm wie ein Efeustrunk entwuchs. Während er hinaufstieg, formierten sich die verrenkten Leiber der Verendeten in seinem Geiste zu fahlen Schwärmen, die sich an seiner Seite in die Lüfte schwangen und ihre kalten, glasigen Vogelaugen in seinen Rücken bohrten. Erst später sollte er erkennen, dass es die weißen Augen der abscheulichen Pestmaske waren, die ihn verfolgten.
      Beim Anblick der schönen Mercedes, die ihn inmitten des gläsernen Büros auf einem thronhohen Lehnsessel erwartete, rutschte ein verhaltenes Lächeln aus den Nasenflügeln des Agenten. Es erstarb jedoch, als er die glühende Verachtung im erschöpften Gesicht der Kopfgeldjägerin bemerkte. Ihr verschiedenfarbiger Blick wanderte mit unaussprechlicher Traurigkeit und endlosem Zorn über die ermordeten Frauen und Kinder, bevor er den Agenten erfasste und niederstreckte. Die glanzvollen Augen, grün und blau und unerschütterlich, zerschmetterten seine berufliche Integrität und seine Männlichkeit mit einem einzigen, markerschütternden Blinzeln. Wortlos warf sie ihm eines der ledergebundenen Büchlein zu, wie sie zu hunderten die Rückwand des Käfigs tapezierten und kleine Türmchen auf den schwarzen Tischen und Sekretären bildeten, und forderte unnachgiebiger als eine erzürnte Göttin:
      »Church. Stanislav Church. Wer ist er?«
      »Ähm…nun…«, räusperte er sich hart, ohne seine Stimmbänder lösen zu können. Schnaubend wandte sich Mercedes von ihm ab und versank wieder in den mit penibler Hand geschriebenen Seiten der zahllosen braunledernen Notizbücher. In diesem Moment spürte der Graue Spion, dass er sie verloren hatte. Welche Sympathien er der Kopfgeldjägerin in den letzten Stunden auch hatte abringen, welches Verständnis für die Dringlichkeit ihrer Zusammenarbeit er in ihr auch hatte wecken können — Stanislav Church musste ihr Vertrauen unwiederbringlich zerstört haben.
      So klappte der Agent das Büchlein in seiner Hand auf, da jedes gesprochene Wort zwecklos schien, blätterte, und las einen wahllosen Absatz auf einer wahllosen Seite.


      Tag 2381

      Objekt 0114 zeigt sichtbare Hautreizungen an Zunge, After und Genitalien. Die entnommenen Proben implizieren die Richtigkeit meiner bisherigen Forschungen und geben mir die Kraft, die erniedrigenden Arbeiten in diesem zivilisatorischen Rattenloch unbeirrt voranzutreiben. Objekt 0114 wird isoliert und den Einzelkomponenten ausgesetzt. Stündliche Überwachungen mit anschließender Kontrastmittelanalyse sollten mir einen Einblick in das Innerste der Mechanismen gewähren, die die Toten von den Lebenden trennen, und mich als allsehender Beobachter auf dem schmalen Grade wandern lassen, die die Todgeweihten so eifersüchtig für sich selbst hüten, obgleich ihre Augen stumpf und ungebildet durch nichts weiter tasten als Angst und Finsternis. Diese bedauernswerten Primaten, die sie nichts kennen als das Brot in ihrem Mund und die Exkremente in ihren Gedärmen..wie ich sie verachte. Dennoch werde ich sie erheben. Und sie werden dankbar sein.


      »Meine Güte«, entfloh es dem Blauhaarigen, »Geht…geht das so weiter?«
      Mercedes sagte nichts, sodass er wenig zuversichtlich zum Ende des Buches sprang.


      Tag 2912

      Gott spricht nicht, handelt nicht. Er hört, doch erhört sie nicht. Ich bin es, der ihre Schreie und ihre Gebete in der Stunde ihrer Verzweiflung vernimmt und niederkniet, um ihnen den ersehnten Trost zu spenden. Ich sehe mich in den Tränen in ihren Augen und dem Speichel auf ihren Lippen. Ein Psychopomp, der ihnen mit einem einzigen Akt der Gnade die Martyrien ihrer letzten Tage vergessen macht…
      Objekt 0179 lächelte, als ich es aus seiner der Zelle holte, ihm Wasser gab und befragte. Wie naiv. Die Hoffnung ist eine verkommene Lügnerin, doch das wissen sie nicht. Die Grenzen ihrer kleinen Gehirne können nur verarbeiten, was sie sehen, riechen und hören; die transzendenten Himmel hinter den Sinnen aber sind ihnen verschlossen. Doch sie werden sich ihnen öffnen. ICH werde sie ihnen öffnen wie der Schlüsselmeister das Tor in die Herrlichkeit. Schließlich war auch ich einst wie sie: Gnadensuchend. Hoffnungsvoll habe ich mich in die Hände eines gütigen Gottes begeben und nur Verderbtheit und Enttäuschung vorgefunden. Nächte des Fiebers und des Eiters nach Tagen voller Dunkelheit und Niedergang sind wie Zigeuner an mir vorübergezogen. Und Gott!? Was tat Gott, als ich ihn um Erlösung anflehte, um das Ende? Als meine Knie vor seinem Kreuze in den Dreck fielen und mein lippenloser Mund den Schmutz von seinen Altären küsste? Niemals zuvor hatte ich mich so einsam und verraten gefühlt. Schmerzen, nichts als Schmerzen und die süßperlenden Versprechungen der Hoffnung, die in mein Ohr flüsterte: »Er wird dich erhören, er wird dich erhören.«
      Aber sie ist eine Lügnerin! Gott erhört nicht. Er hört nur.


      Allein das surrende Rotieren der stählernen Ventilatoren und das wippende Insistieren von Mercedes’ Stiefelabsatz hallten wie das unablässige Treiben eines massiven Uhrwerks durch die gläserne Stille, welche Churchs grausiges Büro befallen hatte. Als Niesel beginnend, der auf die Nerven des Agenten tröpfelte, peitschte die Kakophonie in seinem Verstand zur Sturmfront auf und walzte sich mit jedem weiteren gelesenen Wort tiefer in die Abgründe seines Gewissens. Der Stiefel der Kopfgeldjägerin verurteilte ihn — Klack, Klack, Klack! — und die psychedelischen Rotorblätter lachten ihr gehässiges, libellenhaftes Lachen. Selbst die grässlichen wabernden Dämpfe schienen faulige grüne Grinsen unter der rostschwarzen Deckenkuppel zu schüren.
      »Stanislav Church ist…« Mit belegter Stimme korrigierte er sich, just als Mercedes’ verspannte Miene aufsah. »War. Er war ein Mitarbeiter der Wissenschaftsabteilung der Marine. Hatte wohl auch einige Zeit unter Vegapunk gearbeitet und mit einigen obskuren Operationen in allen möglichen Krisengebieten zu schaffen, bevor er als…ähm, als ›Berater‹ für…diverse Fragen der Humanmedizin in die Cipherpol 0 berufen wurde.«
      »Er hat an Menschen experimentiert und ihr habt das Skalpell bezahlt«, warf Mercedes bitter ein.
      »Kann schon sein, aber…das hier?« Kopfschüttelnd kehrte der Graue Spion Mercedes den Rücken zu, trat an den Rand des Glaswürfels und legte die kindliche Hand gegen die Scheibe. »Das hier kann unmöglich genehmigt worden sein.«
      Abscheu und Schuld flackerten geisterhaft in seinen lagunenblauen Augen, in denen die verdrehten Leiber der Toten wie der Strom der Verdammten trieben. Immerwährende Todesqualen, aus der Zeit gerissen und in die Unendlichkeit einer blutigen Momentaufnahme gebrannt. Lorelei war es gewesen, die seinen Geist für die Schönheit der gemalten Welt geöffnet und ihn empfänglich gemacht hatte für die Farben, die Formen und jeden Pinselstrich auf dem Weg zur wahren Kunst. Wäre er nur klüger, tapferer, ohne Zögern — wäre er wie sie, so würde er in die grauenvollen Fluten steigen, die Ärmel hochkrempeln und die Wahrheit aus den verelendeten Körpern herausziehen. Doch er war nicht Lorelei Greenaway und würde es niemals sein.
      Dem Blauhaarigen wurde übel, als er sein eigenes feiges Spiegelbild im Fensterglas bemerkte, das nebelhaft über dem Leichenmeer waberte. So wie er, musste auch Church seinerzeit am Glas gestanden und die grausigen Vogelaugen in den Reflexionen erspäht haben, die über die Körper wachten und den Tod der Sterbenden wie Aasgeier belauerten. Verstört trat der Blauhaarige einen Schritt zurück, den Kopf senkend und die graue Mütze über die Stirn ziehend.
      »Wie hast du diesen Ort überhaupt gefunden?«, fragte er, ohne sich umzuwenden, »Ich habe eine halbe Ewigkeit gebraucht, deine Bewegungen nachzuvollziehen…«
      »Vorsintflutliche Lagerhalle, hochmodernes Schloss«, antwortete Mercedes kühl; auf das ungläubige Schweigen des Agenten rasch hinzufügend:
      »Ich verdiene mein Geld damit, solche Details zu erkennen.«
      »Richtig…«, lächelte er schelmisch, »Callaghan hat dir wohl viel beigebracht.«
      »Sei still.«
      Ein weiteres kleines Notizbuch traf den Agenten — dieses Mal jedoch seinen ahnungslosen Hinterkopf.
      »Was ist das?«
      »Lies die eingeknickte Seite.«


      Tag 477

      Meine Laboratorien gleichen sich allmählich den Ansprüchen meiner Visionen an und der Prediger scheint bestrebter denn je, jene gänzlich zu realisieren. Wäre ich ein gutgläubigerer Mann, als ich es bin, würde ich diese Zuvorkommenheit mit Mitgefühl und Schuld erklären, jedoch sind es zweifelsohne kalte Ambitionen und Gier, die meine Hallen mit Geld durchspülen. Killenick war ein herber Rückschlag, der selbst ihn, den großen Allesfresser, hungrig und mager zurückließ. Er lechzt nach dem nächsten, schnellen Schritt wie ein verzweifelter Wolf. Angesichts dessen bin ich beinahe froh, abseits seines blutrünstigen Raubzuges in Ruhe arbeiten und mich an den abfallenden Fetzen seiner Beute laben zu können. Die nächste Lieferung sollte bereits im Laufe der Woche eintreffen und die erste Stufe meiner Untersuchungen ermöglichen, so denn sich meine neuen Nachbarn in diesem heruntergekommenen Teufelsloch nicht wieder an der Elektrik zu schaffen gemacht haben. Ich sollte noch mehr Gift auslegen lassen, um diese Mietschnorrer endlich aus meinem neuen Domizil zu entfernen. Die Aussicht auf Gesellschaft ist ohnehin eine menschliche Schwäche, der ich mich noch nie hinzugeben gezwungen gesehen habe. Wo Leben ist, ist Banalität und Banalität lässt selbst das hartnäckigste Genie verkümmern.

      Nachtrag I: Die Kabel sind beschädigt und meine Arbeiter das Geld nicht wert, das ich ihnen für Schnaps und Syphilis zur Verfügung stelle. Ich freue mich bereits auf den Tag, an dem ich mich ihrer endlich werde entledigen können.

      Nachtrag II: Vielleicht sollte ich den Prediger über das Ungezieferproblem informieren. Er hätte gewiss seine barbarische Freude daran, meine pelzigen Untermieter in seinem Fadenkreuz zerplatzen zu sehen.


      »Der Prediger?«, fragte der Graue Spion mit hochgerafften Brauen, ohne Mercedes mehr abtrotzen zu können als ein ahnungsloses Kopfschütteln.
      »Es ist der einzige Name, der fällt; und er fällt oft. Dieser ›Prediger‹ scheint der Architekt dieses Alptraums zu sein…und sein Patron.«
      »Hast du all diese Bücher gelesen?«
      Verneinend erhob sich Mercedes aus dem dunklen Lehnsessel, deutete wage auf die aufgestapelten Büchertürme auf dem Schreibtisch und sagte:
      »Die meisten Aufzeichnungen bestehen aus Formeln, Gleichungen und Diagrammen, in die selbst mein Medizinstudium keinen Sinn bringen kann. Du kannst es aber natürlich gern versuchen, wenn du dein biochemisches Fachwissen auf den Prüfstand stellen willst.«
      »Ich kann nicht einmal schriftlich dividieren«, gab sich der Spion gefallsüchtig, »Und in seinen Tagebüchern waren wirklich keine anderen Namen? Daten, Orte? Irgendwas?«
      »Nein.« Bestimmt schob sich Mercedes an ihm vorbei gen Tür. »Nur das Geschwätz eines abartigen, sadistischen Mannes, der sich nach 15 Jahren Mord und Einsamkeit allmählich für den Tod selbst hielt. An deiner Stelle wäre ich mir nicht einmal sicher, ob dieser Prediger real ist oder nur in Churchs krankem Kopf existierte.«
      »Verstehe…«
      Unübersehbar hilflos betrachteten die türkisblauen Augen des Agenten die Berge aus Papier und Tinte, welche sich im Käfig über den Leichen zu Grabsteinen stapelten. 15 lange Jahre der Gewalt bäumten sich zu seinen Füßen wie die verkrampfenden Leiber der Erbarmungswürdigen auf, die Stanislav Church unter den Augen der allsehenden, allwissenden Weltregierung einen qualvollen Tod hatte sterben lassen. Das Herz des Blauhaarigen brannte, als er einen Schritt auf die unheilvollen Manifeste zusetzte.
      Wofür arbeitete er, und wofür kämpfte er? Zum ersten Mal seit Jahren fühlte der Graue Spion nur Wut und Schmerz in sich hochkochen. Die behütenden, glänzenden Säulen der Weltregierung, die er stets als Leuchttürme im Dunkeln hatte sehen wollen, schienen plötzlich erloschen und sie alle einer finsteren, ungewissen Nacht auszuliefern. Er selbst war eines von tausenden glotzenden Augenpaaren, die über diese Welt wachen sollten — und sie alle hatten weggesehen, während der manische Stanislav Church Frauen und Kinder einkerkerte, verstümmelte und vergaste? Vielleicht, dämmerte es ihm plötzlich, war er kein Zahnrad in der großen Maschinerie des Lebens, dem Motor der modernen und zivilisierten Welt, sondern nur ein Rädchen des ewig hungernden, ewig malmenden Getriebes einer schreienden, dröhnenden Schlachtbank.
      »Meisterschnüffler?«, riss ihn Mercedes’ Stimme aus der Abgeschiedenheit seiner Gedanken. Unfähig, jene in Worte und diese Worte in Taten zu kleiden, wandte er sich räuspernd zu ihr um und speiste sie mit einem geheuchelten, musterschülerhaften Lächeln ab.
      »Das war…gute Arbeit«, folgte er dem indoktrinierten Protokoll zum Umgang mit Informanten und anderen regierungsexternen Personen, »Du hast uns einen großen Dienst erwiesen.«
      Während er sprach, perlte der Hauch von Menschlichkeit wie Regentropfen von seiner Haut und ließ nichts als die mittelständische Durchschnittsmaske zurück, die er bei ihrer ersten Begegnung getragen hatte.
      »Erspar es mir«, erwiderte Mercedes kalt, »Ich bin nicht dein Bluthund. Was ist der nächste Schritt? Das hier muss—«
      »In Ordnung gebracht werden, ich weiß. Wir kümmern uns darum«, redete er eher sich selbst ein als ihr zu, »Das ist es, was wir tun, was wir immer getan haben. Wir bringen diese Dinge in Ordnung.«
      »Wenn ihr sie nicht gerade selbst begeht, hm?«
      »Ich habe ein Zimmer für dich gemietet, im besten Hotel der Stadt…was auch immer das in dieser Gegend heißen mag«, sprach er nach einem Seufzen schal wie entkoffeinierter Kaffee, »Auf den Namen ›Smith‹, den gibt es hier wie Sand am Meer. Warte dort, ich werde dich kontaktieren.«
      Zähneknirschend trat Mercedes aus der Tür hinaus auf die tiefen Spiralen der steilen Wendeltreppe zu und stemmte ihre schwere Prothese unter den glasigen Augen des Agenten gegen das ächzende Metallgitter.
      »Du…bist nicht verletzt, oder?«, rief er ihr unsicher nach, doch Mercedes reagierte nicht — denn die Antwort, so wussten sie beide, war bedeutungslos.
      Kapitel 142 - Wie man einen Panther bändigt

      Im schmierigen Grinsen des Nachtportiers sammelten sich Speichelfäden wie Spinnweben und nähten die herpesblasigen Lippen an ihren Platz.
      »Einen gesegneten guten Morgen, verehrte Dame. Womit kann ich Ihnen im Schein dieses ruhespendenden Mondes dienlich sein?«
      »Penicillin«, erwiderte Mercedes mit einem Naserümpfen, das selbst die schwärzesten Schimmelflecken in den verkommensten Nischen des heruntergewirtschafteten Gasthauses mit Scham erfüllte, »Und einem Zimmer. Reserviert für ›Smith‹.«
      Nur kurz fiel das schleimige Grinsen des sehnigen Männchens in sich zusammen, bevor das zähflüssige Garn es zurück in ihre natürliche Form zurrte. Behände buddelten seine ungewaschenen Hände unter dem Empfang wie ein Goldgräber im Morast, förderten statt kostbarer Erze jedoch nur einen rostigen Füllfederhalter und ein altes Gästeverzeichnis voller fettiger Fingerabdrücke zutage.
      »Sehr wohl, dann bräuchte ich eine Unterschrift. Genau~ hier. Voller Name, bitte.«
      Mercedes tat wie geheißen, mit der ausgebeulten Feder beinahe das brüchige Papier aufreißend.
      »Vielen Dank, Miss…Brianna Smith. Es ist uns eine Freude, Sie—«
      »Mein Zimmer?«
      Seine sabbernden Lippen zuckten widerwillig auf. »Die Treppe hoch, dann die erste Tür links.«
      Flugs machte Brianna Smith auf dem Lauf ihrer Prothese kehrt, um den unerträglich dummen Augen des Portiers zu entkommen. Seine ölige Stimme aber klebte an ihr.
      »Brauchen Sie Hilfe beim Gepäck, Miss Smith?«
      »Welches Gepäck?«
      »Sollten Sie irgendetwas—«
      »Halten Sie sich von meinem Zimmer fern.«
      Das eingemeißelte Grinsen des Portiers gefror zu einer frostigen Sichel. Selbst die Speicheltropfen auf seinen Zähnen schienen Eiszapfen zu bilden.
      »Sehr wohl, Miss Smith…«

      Mercedes’ Zimmer musste vom Nachtportier eingerichtet worden sein und roch nach vielen einsamen Männerstunden. Sie ersparte sich eine genauere Begutachtung der Bettlaken, deren braungelbe Blumenmuster aus diversen getrockneten Körperflüssigkeiten gewebt worden zu sein schienen, und steuerte direkt auf das kleine Fenster am anderen Ende des Raumes zu. Mit einem beherzten Ruck entsperrte sie den klemmenden Riegel und setzte das modrige Kabuff dem ersten Kontakt mit Sauerstoff seit Jahrzehnten aus. Einatmend, ausatmend lehnte sich ihr Oberkörper über die Brüstung hinaus in ein alpträumendes Copperfield. In der Ferne brannten flüssige Feuer und die Nacht war kalt wie ein Grab.
      »Ich bring dich um, du Hure!«, polterte plötzlich das Brüllen eines Ogers durch die Wand zum Nebenzimmer.
      »Tu's schon, tu's! Dann hatte meine Mutter wenigstens Recht mit dir!«, kreischte die Hure zurück.
      Augenrollend löste sich Mercedes aus dem Fensterrahmen, hinkte durch die kleine Kammer zur Wand und wollte eben den Zorn der Verdammten über ihre streitlustigen Nachbarn niedergehen lassen, als sie über einen unnachgiebigen Fremdkörper am Bettpfosten stolperte. Zwei halbgemurmelte Flüche später hatte sie den Übeltäter — einen teuren haselnussbraunen Lederrucksack — bereits am Schlafittchen gepackt und hielt ihn argwöhnisch unter die nackte Glühbirne an der Zimmerdecke. Dem schneeweißen Brief an seinem Verschluss nach zu urteilen, hatte er nur auf Mercedes gewartet.

      »Hochverehrte Ms. Smith,

      bitte entschuldigen Sie diese unpersönliche Begrüßung. Sie ist allein Zeichen der angespannten Gesamtsituation, nicht meiner Wertschätzung Ihnen gegenüber. Seien Sie versichert, dass Ihre Mitarbeit und Hilfe in dieser Angelegenheit von größter Bedeutung sind. Obschon Sie höchstwahrscheinlich noch nicht davon überzeugt sind, so stehen Sie doch auf der richtigen Seite.

      Zum Ausdruck meines Dankes habe ich mir die Dreistigkeit erlaubt, Ihrem Bekannten B. D. einen Besuch abzustatten. Verzeihen Sie diese kleine Überraschung. Es wird Sie freuen zu hören, dass die Aufbauarbeiten in beachtlichem Tempo vorangehen und ein herausragender junger Offizier mit dem Posten seines unseligen Vorgängers beerbt wurde. Ebenso habe ich Meldung über die großen Fortschritte erhalten, die die Zusammenlegung von Polizei und Militär unter Aufsicht eines alten Freundes von Ihnen in Ihrer Heimat macht.

      Hoffentlich versüßen Ihnen diese guten Nachrichten aus fernen Landen das grässliche Motoröl, das im Königreich der Teetrinker als Kaffee gehandelt wird. Und genießen Sie Ihr Geschenk! Zweifelsohne werden Sie es als ausgesprochen nützlich erachten. Wie gefällt Ihnen der Rucksack? Ich habe ihn persönlich ausgewählt. Leider konnte mir B. D. zur Frage ihrer persönlichen Garderobe keine wertvollen Informationen liefern, sodass ich mich beim Kauf allein auf meine weibliche Intuition und das Bild in Ihrer Akte stützen musste. (Damit will ich Ihnen sagen, dass eine Akte über Sie existiert.)

      Mit herzlichsten Grüßen



      Mercedes las den sonderbaren Brief gespannt und aufmerksam —einmal, zweimal, dreimal — und konnte sich des Lächelns nicht erwehren, welches sich ungestüm auf ihre Lippen kämpfte.
      »Porto Galba ist eine Ruine, eure Intervention in Gavroche war ein Schlüsselmoment im Plan des Rattenfängers und ganze Nationen versinken im Chaos, seit ihr Harleys Party gesprengt und seine Gäste unter den Trümmern begraben habt«, spukten die Worte des Grauen Spions durch ihren Verstand und mit ihnen die Erinnerungen an die vergangenen Monate, in denen sie alle wie Kaidos monströse Desaster über Inseln gezogen waren und nichts hinterlassen hatten als verbrannte Erde. Doch Everard ging es gut, und Porto Galba heilte. So schwer und düster ihre Taten auch über ihren Häuptern hängen mochten, die Sonne erhob sich wieder über den Schöpfen ihrer Opfer und über der Verwüstung, in der sie jene zurückgelassen hatten. Die Infizierten gesundeten und Mercedes, für diesen einen Moment eitel und selbstsüchtig vor Erleichterung, verlor sich in der vagen Hoffnung auf Heilung; in der Hoffnung, dass sie und Callaghan, Krill und O'Mara, Luca, Flint und die kleine Ondine ebenso gesunden könnten. Dass von den Schrecken dieser Monate eines fernen Tages nichts zurückbliebe als verbrannte Erde und blasse Erinnerungen.

      Churchs Laboratorien

      Seine zusammengepressten Wangen nahmen die Farbe seiner blutunterlaufenen Augen an, während der Graue Spion unermüdlich müde über den gesammelten Manifesten seines toten Kollegen brütete. In der letzten Stunde hatte der junge Agent Mercedes' ambitioniertes Unterfangen fortgesetzt, sich durch die manischen Monologe in Papierform zu wühlen und abscheuliche Diagramme von schwindelerregenden Formeln zu trennen, das Oben vom Unten zu unterscheiden und sich in der bitteren Erkenntnis zu suhlen, mindestens 60 IQ-Punkte von der Lösung des großen Rätsels namens Stanislav Church entfernt zu sein.
      Die gebrochenen Augen der verendeten Experimente starrten ihn wie Ertrunkene an, flehend, verurteilend, ungesühnt — doch er vermochte ihnen nichts zu geben als ein hoffnungsverlassenes Schulterzucken, das weder Trost noch Erlösung verhieß. Mit besten Vorsätzen, aber ausgebrannt wie ein leerer Motor, streckte er die kleinen Finger gen Glasdecke, krempelte sich die weißen Ärmel in die Ellenbogen und schien willig, sich wortwörtlich die Hände schmutzig zu machen. Anders als die unfehlbare Lorelei, welche wie eine Nixe aus einem Meer voller Dreck und Filz steigen könnte, ohne sich die blütenweiße Bluse befleckt zu haben, würde er in das Blut und die Totensäfte eintauchen und besudelt wieder heraustreten. Hoffentlich mit der Wahrheit zwischen den Zähnen, höchstwahrscheinlich mit einer Infektion.
      Kurzentschlossen zog er seinem Hintern den Sessel weg, sprang auf die Füße und befahl seinen weniger überzeugten Beinen den Abstieg in die Abgründe der Totenwelt. Angst und Übelkeit vermengten sich mit der Wut in seinem Bauch und dem Pflichtgefühl seines Herzen zu einem brodelnden Zaubertrank, der ihm Kraft und Ruhe einflößte und Geister sehen ließ. Eine der Leichen hatte sich erhoben, stand schwarz und knochig inmitten des toten Feldes wie eine Witwe vor einem Grab. Sie winkte ihm zu, der er sie versteinert durch das Glas des Käfigs erblickt hatte, und lockte ihn mit spitzen grünlackierten Nägeln in ihr fahles Paradies.
      »Glaubst du an das Übersinnliche, Löckchen?«, fragte die gesichtslose Geisterfrau, als er an das Ufer des Leichenmeeres trat. Ihr weißblondes, in den Nacken pomadisiertes Haar glänzte im Schimmer der nackten Glühbirnen wie ein Heiligenschein aus lichtem Platin, der die Ränder ihres wallenden weißen Federschals zu Engelsschwingen streckte und ihr Antlitz vor den glanzlosen Augen der niederen Kreaturen verbarg.
      »Als Kind träumte ich einst von einem Ort wie diesem…«, gurrte sie divenhaft, »Mein Geliebter und ich wandelten über ein karges Feld, auf dem die Toten wie Kleeblätter sprossen.«
      Der Graue Spion antwortete nicht. Er wusste, dass Myzete Beelzebub ebenso wenig mit einer Antwort rechnete, wie er sie von einem Regenwurm erwarten würde. Der kastrierende Klang ihrer eigenen Stimme war der Agentin fesselndes Gespräch genug. Auf ihren hohen schwarzen Absätzen glich sie einem erfahrenen Marodeur, während sie über die verrenkten Leiber hinweg auf den Blauhaarigen zuschritt.
      »Du musst dich unwohl fühlen«, konstatierten ihre giftgrünen Lippen plötzlich, als hätte ein herabgesauster Engel ihr diesen Gedanken erst einflüstern müssen, »Diese Leichen, hörst du sie singen?«
      Sein verstörtes Angstschlucken genügte ihr, und sie begann mit maliziösester, kältester Stimme die unheilvollste Melodie der Welt zu summen.
      »Was willst du?«, rang sich der Graue Spion ab.
      »Balance«, erwiderte Myzete mit einer knappen Geste gen Lagerhalle, »Lorelei hat mir einen geschätzten Kollegen entrissen.«
      »Das war nicht Lorelei.«
      »Oh!« Oberlehrerhaft tanzte ihr spitzer Zeigefinger hin und her. »Natürlich nicht, dafür habt ihr schließlich eure neuen Praktikanten.«
      »Wusstest du hiervon?«
      Die barsche Frage ließ sie hochmütig aufseufzen. »Löckchen, Löckchen. Die Feinheiten unseres Geschäfts müssen dir noch immer wie fremde Sprachen erscheinen, hm?«
      »Was habt ihr hier getrieben?! Sag schon!«
      »Wie übermütig«, gluckste Myzete erheitert, die langen Fingernägel in tiefer Faszination gegen das spitze Kinn gelegt, »Woher nimmst du diese Zuversicht, ich würde dir mehr zugestehen als törichte letzte Worte?«
      »Ich habe keine Angst vor dir«, zischte er mit geballten Fäusten und hoffte, deren Zittern würde von der durchtriebenen Myzete Beelzebub als Zorn missdeutet werden, »Ich bin ein Agent der Cipherpol 0!«
      »So wie ich«, bemerkte Myzete unbeeindruckt, »…so wie der arme Stanislav, der eine Tür weiter seinen Kopf verlor.«
      »Ihr seid keine Agenten. Als du dich Rexroth und seinem korrupten Komplett verschrieben hast, wurdest du zur Söldnerin!«
      »Entzückend. Loreleis naiver Idealismus trieft aus deinem Mund, aber deine Zähne bibbern wie kleine Kinder in der Nacht. Du siehst nicht einmal die Hand vor Augen, Löckchen, und dein hohes Ross wird dich nicht nach Hause tragen.«
      Der Blauhaarige schaltete sofort. Blitzschnell raste er an Myzete vorbei, machte kehrt, holte zum Schlag aus — und verschwand in einer Explosion aus Farben, bevor seine Faust erneut vor ihrem glasweißen Gesicht auftauchte und gegen ihren messergeraden Nasenrücken krachte. Augenblicklich schepperte das widerwärtige Knorpeln und Knacken brechender Knochen durch die Luft, verfolgt von einem ohrenbetäubenden Schmerzensschrei des Grauen Spions.

      Fountischer Garten, Rosary Hill

      Zwischen den Fichten und den Sternen puderten leuchtende Motten das Dunkel der Nacht mit weißen Flocken, die emsig gegen die aufgespannten Netze der royalen Nachtgesellschaft schneiten. Schon als Kind hatte sich Königin Catherine an der Welt hinter dem Schleier zu erfreuen gewusst, der Welt der natürlichen Dinge und kleinen Wesen — solange jene unter sich blieben und sie selbst eingemurmelte zwischen ihren beleuchteten Zeltburgen und wärmenden Glühpilzen an einem kräftigen Pfefferminztee nippen konnte. Mit dem karamellblonden Haar zum rebellischen Knoten gebunden und umgeben von den schlängelnden Bächen und hohen Tannen, moosigen Felsen und exotischen Zierruinen des fountischen Gartens fühlte sich die Puppenkönigin als mutige Entdeckerin auf einer abenteuerlichen Safari. Jeder Käfer war ein Tiger und alle Motten lichthungrige Geier.
      »Die Nacht ist so erquickend«, hauchte ihr Rosenmund weiße Wolken wie Träume in die finstere Kälte, »Alles ist so verändert und aufregend. Selbst die Luft ist eine andere.«
      »Natürlich«, erwiderten die Rabenlippen der Frau in Schwarz bedeutungsschwanger, »Die Panther jagen bei Nacht.«
      »Haben Sie Erfahrung mit Panthern, Miss Dreadful?«, fragte die Königin, da sie nichts anderes zu sagen wusste, und klimperte die kristallblauen Augen vage in Richtung des aufgesprungenen Nasenrückens, der das umliegende Gesicht der Schwarzhaarigen wie ein vergifteter Brunnen mit dunklen Flecken verseucht hatte. Miss Dreadful lächelte mit gebührender devoter Vorsicht, bevor sie weniger umsichtig züngelte:
      »Nicht jede von uns genießt das Privileg, sich den Schrecken der Nacht im Schein goldverzierter Öllampen zu stellen, Eure Hoheit.«
      Verunsichert, soeben belehrt oder beleidigt worden zu sein, zog sich Catherine in den hintersten Geschützgraben ihrer Teetasse zurück und nahm einen ausgiebigen Schluck Bedenkzeit.
      Die neue Lehrmeisterin, die Sir Benedict der Königin im Eifer seiner jüngst ergründeten Pseudovaterschaft vermittelt hatte, verhielt sich zu ihrer alten Sittenwächterin Doubtdoodle wie Whiskey zu Wasser und erschien der Puppenmonarchin gleichsam anregend. Miss Penny Dreadful trug schwarz, Miss Penny Dreadful trug Leder und Miss Penny Dreadful trug Hosen; Miss Penny Dreadful kleidete sich in die heilige Dreifaltigkeit des unkeuschen Frauenbildes und sah umwerfend aus. Wie ein Schatten hatte sich diese verheißungsvolle dunkle Dame aus dem Finstern der Nacht geschält, blass wie ein Geist oder die Sichel des Mondes, um Königin Catherine II. ihre freundschaftliche Gesinnung zu versichern. Ohne Knicks und ohne Tadel, nur eine einzige dezente Verbeugung, wie sie Rosenkavaliere ihren Partnerinnen beim Gesellschaftstanz kredenzen, hatte Miss Dreadfuls Treue und Demut bekundet — vor der Königin, ihrer Krone und dem Königreich, das alldem zu Füßen lag.
      »Ich kenne auch einen Panther«, setzte Catherine nach einigem Nachdenken, was sie angesichts ihrer royalen Stirn als höchst vornehmen Zeitvertreib empfand, wieder an. Selbstbekümmert rührte ihr kleiner Finger in ihrer Teetasse wie eine Wahrsagerin in Rosenwassern und legte das zweifelnde Mädchenhaupt gen Mottenlicht. »Hat Sir Benedict Ihnen meinen Kummer vorgetragen und wieso ich ganz furchtbar zynisch habe werden müssen?«
      »Sir Benedict trug mir das mutige Anliegen einer ambitionierten jungen Herrscherin vor, die sich aus den Fesseln der Verknöcherten und Runzligen frei zu schlagen versucht.«
      »Wie reizend«, wisperte Catherine melancholisch, »Sehen Sie die Sterne?«
      Carla schaute nicht auf. »Ja, Eure Hoheit.«
      »Ist es nicht traurig, wie sie ihr Leben lang funkeln und glitzern und trotzdem immer von Dunkelheit umgeben sein werden? Sie kämpfen und kämpfen und nichts ändert sich…«
      Carlas schlangengrüne Augen rollten beinahe aus ihren Höhlen, während sich die melodramatischen Ergüsse der Puppenkönigin über ihr ausschütteten.
      »Mutter hat immer gesagt, man müsse die Welt zu ihrem Wohl zwingen«, seufzte Catherine wehmütig, an ihrem langen Karamellzopf zupfend, »Ob sie das umgebracht hat? Dass sich die Welt nicht gern zwingen lässt?«
      »Eure Mutter starb an Leukämie«, beschwichtigte Carla nüchtern, »Der Tod lag in ihrem Blut, nicht in ihrer Philosophie.«
      Geknickt nagte Catherine am Porzellan ihrer Tasse. »Ihre Panther, Miss Dreadful, haben Sie sie zähmen können?«
      »Zähmen?« Die Brauen der aufregenden neuen Hauslehrerin schlichen sich im Licht der aufgestellten Öllampen ebenhölzern gen Haaransatz, scheinbar halb sinnend und halb erstaunt über Catherines unschuldige Frage, bevor sich die schwarzlackierten Lippen wie das siebte Siegel öffneten.
      »Nein, Eure Hoheit. Panther sind wilde, unberechenbare Geschöpfe, die vielleicht gejagt, gefangen und eingesperrt, niemals aber gezähmt werden können. Manche Menschen könnten Euch zweifelsohne weismachen wollen, diese Bestien unterwerfen und dressieren zu können, aber ich versichere Euch, sie werden ihrer eigenen Hybris zum Opfer fallen. Wilde Tiere streben nach Fleisch und Freiheit - sie können nicht gegen das Jucken in ihren Zähnen ankämpfen. Das Aufbegehren liegt in ihrer Natur, Eure Hoheit, und wie Eure Sterne werden sie ihr Leben lang in der Dunkelheit lauern und nach Eurer Kehle trachten.«

      Ein Raunen fuhr durch die dunklen Schatten der hohen Tannen, als Carlas unheilvoller Monolog mit einer aufrauenden Böe in der Finsternis verklang.
      »Eure Hoheit, geht es Euch gut?«, fragte ihre neue Lehrmeisterin die verzagte Catherine behutsam, »Ich habe Euch nicht verstören wollen.«
      »Es…Oh! Nein, es ist nichts. Nur…ich bin ein wenig überreizt, denke ich. Die letzten Tage…Ach! Wochen! Wenn Sie in mich blicken könnten, Sie würden nur Schorf vorfinden!«, jammerte die Königin bange, ihren karamellblonden Zopf wüster denn je malträtierend. Plötzlich war ihr die traute Nacht keine schamlose Komplizin mehr, die das Unmögliche möglich und Catherine die Eintönigkeit ihrer Tage vergessen machte, sondern eine gefahrvolle Sirene, die die unbedarfte Monarchin mit Versprechungen von Unabhängigkeit und Befreiung in ein Rudel wilder Monster trieb.
      Die Panther jagen bei Nacht. Die Panther und eine kleine schwarze Spinne, wie die Puppenmonarchin entsetzt feststellen musste, als sie einem jähen Jucken ihres Handrückens auf den Grund ging. Ihr spitzer Schrei kreischte lauthals durch den nächtlichen fountischen Garten und zersplitterte wie die Kreuzgewölbe der königlichen Kathedrale zwischen dem Geäst. Sofort stürzte die geballte Manneskraft des glorreichen Empires zu allen Seiten hinter Bäumen, Felsen und Zierbauten hervor, bis an die Löwenzähne bewaffnet und bereit, an ihrer Königin statt zu sterben. Glücklicherweise konnte Carla die Tragödie in letzter Sekunde abwenden. Geschickt balancierte sie die verirrte Arachnide über die schwarzlackierten Nägel auf ihre Handfläche und ließ sie im Licht der Laternen über ihre Finger krabbeln.
      »Oh, abscheulich!«, stieß die Puppenmonarchin entrüstest hervor, »Wachen, kontrolliert die Netze! Sofort!«
      Wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen stob die Militärparade auseinander, um die aufgespannten Netzschleier nach Rissen und Löchern abzusuchen. Nie wieder sollte es Mutter Natur und deren Brut gelingen, Ihrer Hoheit Zeltausflüge zu stören. Noch immer aufgelöst, aber sichtlich erleichterter versanken die schmächtigen Schultern der Königin indes wieder in den Daunenreigen ihres rosenweißen Ausgehkleides.
      »Eure Hoheit?«, wisperte Carla wie eine beste Freundin, »Was bedrückt Euch?«
      »Oh, Miss Dreadful«, seufzte Catherine hinreißend schwermütig, »Wenn mich bereits der Anblick eines so fragilen Geschöpfs in Angst und Schrecken versetzt, wie soll ich mich da gegen eine Bestie wie den Bastardkönig behaupten?«
      »Den Bastardkönig?«, tat Carla, als hätte sie diesen Namen nicht längst aus der Puppenkönigin herauskitzeln wollen, »Euren Cousin?«
      Catherine nickte flüchtig. »Ich weiß nicht, was für ein Cousin er genau ist, aber…ja. Er hat mich ganz fürchterlich aufgewühlt.«
      Ein verständiges Nicken abspulend, geleitete Carla die verwirrte Spinne zwischen den tänzelnden Fingern hin und her, um die Aufmerksamkeit der königlichen Kristallaugen gänzlich auf die achtbeinige Attentäterin zu lenken.
      »Es ist ein gar wunderliches Ding«, säuselte die Frau in Schwarz der aufgebrachten Catherine zu, »Wie uns etwas so Kleines und Unbedeutendes in derartige Furcht versetzen kann.«
      Mit einem beherzten Fingergriff klemmte sie den Rumpf des kleinen Tierchens zwischen die Nägel von Daumen und Mittelfinger. Die acht dünnen Beinchen strampelten; hilflos, verloren, verletzlich. Catherine fühlte mit dem winzigen Wesen, bewunderte den Mut und die Stärke der unnahbaren Penny Dreadful aber umso mehr. »Ich wünschte, ich wäre ebenso furchtlos…«
      »Das könntet Ihr sein, meine Königin. Lasst mich Euch dienen…und diese widerlichen kleinen Schädlinge werden Euch nie wieder in Unruhe stürzen.«
      »Meinen Sie, Miss Dreadful?«
      »Wie ich sagte…«, flüsterte Carla verschwörerisch, bevor sie die verzweifelte Spinne zwischen ihren Nägeln enthauptete, »Ich habe Erfahrung mit Panthern…«

      Wenige Wochen zuvor

      Das Wasser war warm und wild und voller junger Knaben. Wochenlang hatten die Straßenjungs Fetzen um Fetzen ihrer Unschuld an den Meistbietenden verhökert, um sich nun dem ersten kalten Herbsttag in den sprudelnden Bassins des Hallenbades »Rosette« entziehen zu können. Jauchzend hoppelten sie auf den Wellen wie Hasen in den Wiesen und galoppierten, jungen Fohlen gleich, am Beckenrand entlang einem wagemutigen Sprung ins Blaue entgegen. Das dampfende Chlor liebkoste ihre ausgelaugten Körper und reinigte ihre Poren von den Säften unaussprechlicher Dienste. Für diesen einen Tag waren sie freie, unbeschwerte Kinder und ihre ausgelassenen Kinderstimmen erfüllten die feuchte Luft — ebenso wie die Hoden der alten Männer, die sich auf den Liegen räkelnd an den haarlosen Knabenbrüsten satt sahen.
      Doch weder die Burschen noch ihre lüsternen Bewunderer würden später bezeugen können, wie ehrfürchtig sich die Tür zur »Rosette« in diesem Augenblick für einen weiteren Besucher spalten sollte. Carla Griswold allein würdigte sein Eintreffen und schickte sogleich einen Bediensteten, um den berüchtigten Bastardkönig von Saoirse Láire gebührend zu empfangen.
      Unübersehbar unzufrieden mit sich selbst und dem flauschigen weißen Bademantel, in dem er seine Schultern und seine Scham versteckte, schlurfte jener derweil in das klassizistische Rondell des Bades. Im Schein des matten Spätherbstes, der durch die titelgebende Fensterrosette der Deckenkuppel lugte, glänzten seine dunkelblonden Locken wie ein goldenes Vlies und das grelle Grün seiner mürrischen Augen bestrich die verschnörkelten Schmucksäulen und abgerundeten Alkoven mit einem tödlichen Gift. Er schien gekommen, um zu verachten; die »Rosette« und ihren ordinären Namen, die perversen Greise auf ihren eingesessenen Liegen und die tosenden Knaben, die ihre nackte Verwundbarkeit wie eine Trophäe ausstellten.
      »Verzeihen Sie?«
      Mit gesenktem Blick führte ihn Carlas Bote über lange gewölbte Treppenstufen in die oberen Ränge des elliptischen Hallenbades, auf denen sich interessierte Augen ganz privat am illustren Treiben des großen Hauptbecken ergötzen konnten. Hoch droben in den blubbernden Whirlpools versprach das feuchte Kolosseum den Badenden und Dampfenden intime Abgeschiedenheit und prickelnde Unterhaltung zu absoluter Diskretion — und Ulysses die Verheißung auf Carla Griswold, die Menschenfischerin.
      »Willkommen«, gurrte sie beinahe triumphierend, als ihr Diener den Besucher wie ausgespuckt vor ihrem Whirlpool ablieferte. Mit der Eleganz eines sagenumwobenen Wassergeistes stieß sie sich aus den sprudelnd heißen Wellen frei und reckte einem hochroten Ulysses McKenna die bloße Hand zum Kuss entgegen.
      Die Frau in Schwarz glänzte weißer als der erste Schnee des Winters, nichts am Leibe tragend als ein bemaltes Lächeln und den Nagellack auf den gespreizten Fingern.
      »Es freut mich, Sie endlich persönlich kennenzulernen. Danke, dass Sie meiner Einladung nachgekommen sind.«
      »Ich hoffe, Sie haben sich nicht extra für mich rasiert«, murmelte Ulysses nur, nachdem sich seine schwirrenden Augen vergeblich nach einem Fluchtweg von Carlas Alabasterhaut umgesehen hatten. Mit seinem offenkundigen Unbehagen vollkommen zufrieden, zog Carlas wartende Hand ihr Angebot wieder zurück und versank mit dem Rest des milchweißen Körpers in den brodelnden Fluten.
      »Bitte, kommen Sie rein, das Wasser ist herrlich heiß.«
      Ulysses zögerte merklich. Der Mann, der nur selten Blicke erwiderte und durch Menschen wie durch Glas starrte, schien angesichts der nackten Wahrheit plötzlich unbeholfen wie ein Lausebengel im Beichtstuhl. Der entblößende Schritt aus seinem Bademantel heraus in die warmen Wasser des Whirlpools musste einem freien Fall aus seiner Komfortzone in die tiefsten Abgründe der Peinlichkeit gleichkommen; genau wie Carla es vorausgeahnt hatte.
      »Oh, bitte. Genieren Sie sich meinetwegen nicht«, säuselte sie derart wohlmeinend, dass es Ulysses nur beschämen konnte, »Ich hatte Brüder.«
      Schwer seufzend und noch schwerer schnaubend knüpfte der Bastardkönig schließlich den Bademantel auf, um seine mächtigen Schultern und den Schädel eines augenlosen Widders zu entfesseln, der sich über das Brustbein bis zum Bauchnabel ausbreitete, schwarz wie Teer und gekrönt von gewaltigen Hörnern, die sich in endlosen Spiralen gen Brustwarzen wanden. Für einen Moment bewunderte Carla die beeindruckende Tätowierung, just bevor der flauschige Bademantel wie der letzte Vorhang des Abends vor Ulysses' Füße fiel und den gefürchteten Schafbock zum geschorenen Lamm degradierte. Für keinen Augenblick gab sie vor, die Blöße des Blonden ignorieren zu wollen, die er möglichst eiligst in den Whirlpool zu bugsieren versuchte. Die kräftigen Muskeln in seinem Nacken spannten sich, um wieder zu erschlaffen, als sein stämmiger Körper im Wasser versank und sich in die gegenüberliegende Ecke des Whirlpools kauerte. Zweifellos wäre Ulysses lieber bei lebendigem Leib in Flammen aufgegangen, als auch nur einen Millimeter an die nackte, unheilig schmunzelnde Carla heranzurücken.
      »Sie sind aber wirklich blond«, züngelte die Frau in Schwarz schadenfroh.
      »Ich bin nicht hier, um über mein Schamhaar zu sprechen.«
      »Verständlich, aber Sie müssen zugeben: Das Eis ist gebrochen.«
      Ulysses grunzte ungehalten. »Zwei kalte Bier hätten's auch getan.«
      Kapitel 143 - Alles ist Papier

      Nackter als die ersten Menschen im Paradies saßen sich die Frau in Schwarz und der Bastardkönig im sprudelnden Wasser des Whirlpools gegenüber. Sie — eine betörende Sirene, die die Arme wie faule Katzen über den Rand des Beckens entfaltete, auf dass sich ihre milchweißen Brüste einladend aus dem Wasser wölbten; er — ein getretener Hund, der sich mit eingezogenem Schwanz und verschränkten Armen in den entferntesten Winkel des Bassins zurückgezogen hatte, wo ihn Carlas Krallen nicht würden erhaschen, nicht würden stibitzen können. Verstimmt verzogen sich seine spröden Lippen gen Nasenflügel, während sie sich blähten und ihrer Anspannung schnaubend Ausdruck verliehen. Carla hingegen lächelte zufrieden, eine unheilvolle schwarzlackierte Rabenklaue in den weißen Grübchen heraufbeschwörend.
      »Sprechen Sie…«, befahl Ulysses schließlich, als ihm die Hitze des Wassers und die Dämpfe in der Luft und das Lärmen der herumtollenden Knabenhuren im großen Becken unter ihnen unerträglich wurden. Augenblicklich verneigte sie sich in dankbarer Verbundenheit, bevor sie mit der gespaltenen Zunge ihrer schlangengrünen Augen züngelte:
      »Mr. McKenna — oder sollte ich Sie besser ›Limerick‹ nennen?«
      »Nennen Sie mich Boa Hancock, wenn es Ihnen hilft, endlich auf den Punkt zu kommen.«
      »Nun gut«, schmunzelte sie gewieft, »Dann möchte ich Ihnen eine Frage stellen, Ulysses. Warum habe ich diesen Ort ausgewählt?«
      Mit mürrisch aufflackernden Augen sah sich der Bastardkönig um, durchleuchtete die Rondelle und Alkoven, die klassizistischen Schmucksäulen und faltigen Gehänge der alten Freier, die wie Krokodile nach den Strichjungen am Wasserloch gierten.
      »Ich habe diesen Ort ausgewählt«, fiel Carla in sein Schweigen, »Weil er uns alle entblößt und gleichzeitig verwahrt, was tief in uns schlummert.«
      Sekundenlang hielt sie seinem stoischen Blick stand, bevor sie ihm zwinkernd und flüsternd auf die Sprünge half: »Scham, Erregung, Ekel, Narben…den Teufel.«
      »Woher…?«
      »—Weiß ich von Ihren Teufelskräften? Jeder Ihrer Untergeben besitzt sie und wenn in den Geschichten über eine gewisse Bande junger lairischer Weltreisender auch nur ein Fünkchen Wahrheit steckt…«
      »Soll ich jetzt beeindruckt sein?«, gab sich Ulysses verstockt; schien jedoch gleichzeitig aufzutauen, sich unwirsch mit der kräftigen Hand durch die chaotischen blonden Lockenstrudel fahrend und Carla mit einer Neugier betrachtend, die an Mordlust grenzte. Der giftgrüne Sog seiner Präsenz ließ die Schwarzhaarige erschauern, sodass Sie sich feinfühliger fortzufahren bemühte:
      »Ich erwarte keinen Applaus, Ulysses, lediglich, dass Sie meine Fähigkeiten und meine Bewerbung um einen Platz in Ihrem…Unternehmen ernst nehmen.«
      »Ihre Bewerbung?«, wiederholte Ulysses ihre Worte wie ein komödiantisches Missverständnis, »Ich bin hier, weil Sie Bloom einen Handel aufgeschwatzt haben und ich kein Mann bin, der Versprechen leichtfertig bricht — selbst, wenn sie von Dritten in einer zerfallenden Ruine am Arsch der Welt voller Verzweiflung und Mitleid ausgeknobelt werden.«
      »Das mag sein, Ulysses, aber dennoch brauchen Sie mich.«
      Der Bastardkönig schien amüsierter denn überrascht. »Tatsächlich?«
      »Harley ist…fort«, argumentierte Carla.
      »Aber ich brauche keinen neuen Harley«, hielt Ulysses dagegen.
      »Ihre Drinks, Miss Grisham«, brach der altbekannte Diener in den Stellungskrieg.
      Auf eine beiläufige Geste der Schwarzhaarigen reichte er den Badenden Whiskey und Wasser — in dieser Reihenfolge — verneigte sich ehrfürchtig und entschwand auf leisen Sohlen, die die gluckernde Arie des Whirlpools nicht würden stören können.
      »Harley war nicht länger tragbar«, konstatierte Carla in bitterer Ehrlichkeit über den Rand des Wasserglases hinweg, während Ulysses zum Whiskey griff, »Er war verzogen und eitel und seine Geltungssucht wurde nur von seiner Arroganz übertroffen. Doch mit mir werden Sie diese Probleme nicht haben. Ich bin nicht wie er.«
      »Das weiß ich.« Wie ein Tier schnüffelte Ulysses an seinem Whiskey, bevor er einen verhaltenen Schluck nahm. »Aber ich kenne Menschen wie Sie, die mit verbundenen Augen durch einen Raum gehen könnten und auf wundersame Weise immer am fettesten Schwanz hängen blieben.«
      »Bei allem Respekt, Ulysses«, raunte Carla bitterböse, »Wenn dem so wäre, würde ich jetzt nicht mit Ihnen sprechen.«

      Ulysses lachte lauter auf, als Carla es ihm zugetraut hätte, und ließ die hässlichen gelben Zähne zwischen den eitrigen Löchern aufklaffen. »Zumindest haben Sie größere Eier als Harley.«
      »Natürlich. Ich wäre nicht hier, verträte ich nicht die felsenfeste und unerschütterliche Überzeugung, Ihnen und Ihren Geschäften von Nutzen zu sein. Ich bin stolz und kompetent…und verkaufe mich niemals über oder unter meinem Wert. Darauf können Sie vertrauen.«
      »Vertrauen?« Das schmale Schmunzeln auf seinen alkoholbenetzten Lippen verzerrte sich auf diese Worte zu dem breiten, unappetitlichen Grinsen des scheuen Hundes von Hoolahara, spaltete seine Wangen und ließ tropfenden Whiskey wie Speichel durch die tiefgefurchten Lefzen rinnen. Binnen Sekunden hatte sich Ulysses aus dem Kokon seiner eigenen Unbeholfenheit freigebrochen, die mächtigen Schultern zum Hechtsprung vorgestellt und stemmte die muskelbepackten Arme wie geladene Kanonen auf seinen Knien ab. Die gewundenen Hörner des monströsen Schafbocks auf seiner Brust erbebten zum treibenden Takt seiner grässlichen, nervenzersetzenden Stimme, während er wie der Verkünder einer düsteren, existentialistischen Wahrheit sprach:
      »Ihre Worte sind Gift, Carla, und nichts als Lügen. Jahrzehntelang haben Sie sich an Harleys Reichtum und seinen Werken gütlich getan, nur um ihn im Augenblick seiner größten Schwäche zu verraten und zu verkaufen und sich nun anzumaßen, auf seinem Rücken einen Thron erklimmen zu können, der Ihnen nicht zusteht. Ihre Versprechen bedeuten gar nichts und ich werde Ihnen niemals vertrauen.«
      Carla sagte nichts, doch ihre rabenschwarzen Lippen zuckten voller Verachtung auf. Eine urplötzliche, alles verzehrende Wut schien wie ein Kurzschluss durch ihren Körper zu wüten, wie ein Schrei, der Gläser zerspringen ließ und Hunde winselnd in die Flucht schlug.
      »Harleys Werke?«, fauchte sie gehässig, sich schlangenhaft durch die Wasser auf den nervös zurückweichenden Ulysses zuschiebend, »Harleys Werk war mein Werk! Ich habe die letzten Jahre über dafür gesorgt, dass dieser übermüdete Narr die Minen am Laufen hält, aus denen Sie Monat um Monat die Bluterze für Ihre kostbaren kleinen Waffen förderten! Ich habe die absurden Feste und Parties geplant, auf denen Harley, dieser verblödete Charmeur, neue Kunden für Ihre Geschäfte akquirieren konnte! Kunden, die ich zuvor ausgewählt, deren Leben ich bis auf die letzte Mätresse auseinandergenommen hatte, damit Harley nur noch seine goldgeschmückten Finger ausstrecken und zuschnappen musste! Das war ich! All das! Wäre ich nicht gewesen, hätte sich dieser verblendete Idiot schon vor Jahren in dem Trog voller Gold ertränkt, den Sie ihm so leichtfertig vor die Nase gestellt hatten!«
      So nah, dass sie den Whiskey in seinem Atem riechen konnte, fand sich Carla dem Bastardkönig gegenüber. Wie eine Welle, eine Woge aus Fleisch und Zorn und Weiblichkeit war sie über ihn gekommen und hatte seinen stämmigen Körper vereinnahmt, wie erfahrene Huren unerfahrene Burschen vereinnahmen. Ihre Brustwarzen strichen über die Stirn des rastlosen, schnaufenden Schafskopfs und sie spürte die Männlichkeit des Blonden gegen ihren Schenkel reiben, bevor sie sich lasziv über seinem verkrampfenden Körper ausgoss und sein zuckendes Ohr mit ihren schwarzen Lippen benetzte:
      »Ich habe ihm alles gegeben.«
      Die Adern und Sehnen im Hals des Bastardkönigs spannten sich wie Drahtseile, verkrampft und starr und knöchern die sinnlichen Berührungen der Schwarzen Witwe ertragend. Unbewusst verkeilten sich seine Finger bereits im Rand des Beckens, verbissen genug, um das glatte Gestein zu Staub zu zertrümmern.
      »Ich schwöre Ihnen die Treue, Ulysses«, hauchte Carla atemschwanger in seinen Nacken; auf ihm sitzend, sich räkelnd, nass. »Und ich werde Ihnen treu sein, bis zu der Sekunde, in der Sie sich meiner Treue nicht länger würdig erweisen.«
      Die tänzelnde Zunge krampfte plötzlich, als Carla Ulysses' Hand an ihrer weißen Kehle spürte. Ihr Leben rann durch seine Finger und seine Augen bohrten sich in die ihren. Sekundenlang brannte sich sein greller, gleichgültiger Blick in die aufplatzenden Äderchen am Rande ihrer Iris, bis ihre schwarzen Lippen plötzlich verführerischer denn je zu wispern schienen: »Tu's doch!«
      Unwirsch ließ er von ihr ab.
      »Sie sind wahnsinnig. Und beinahe so furchteinflößend, wie sie schön sind«, warf er der schnappatmenden Carla wie einen Knochen hin, griff sich sein Glas Whiskey vom Beckenrand und trank wie ein Verdurstender, »Vielleicht habe ich tatsächlich Verwendung für Sie.«
      »Sie werden…es nicht bereuen«, keuchte sie heiser, nachdem sie sich wie eine verschreckte Nymphe in den hintersten Winkel des Whirlpools geflüchtet hatte, aus dem sich der Bastardkönig und sein Schafbock nunmehr gesalbt und whiskeytrinkend erhoben.
      »Ich werde nach Ihnen schicken lassen.«
      »Ich erwarte Ihre Nachricht…«
      »Ach, und noch etwas…«, murmelte er schnodderig und mit dem breitesten, hässlichsten Grinsen der Welt.
      »Ja?«
      »Fassen Sie mich nie wieder an, sonst ficke ich Sie mit Ihrem eigenen Fuß in den Arsch.«

      »Würde Ihnen das gefallen?«, fragte der Junge mit einem einstudierten Augenaufschlag, dem nur ein Schwung Mascara zur Perfektion fehlte. Möglichst lasziv befreite er seine nasse rotbraune Mähne aus ihrem Zopf und schüttete sie leidenschaftlich über seinen schmalen Schultern und der unbehaarten Brust aus.
      »Der Abend ist noch jung…und ich bin es auch«, flüsterte er ruchlos, nachdem er sich auf die Bank der Umkleide hatte niedersinken lassen und Ulysses' just zugeschnallten Gürtel mit den braungrauen Augen wieder löste, »Wir könnten Spaß haben.«
      »Was würde mich dieser Spaß kosten?«, fragte der Bastardkönig ohne die Knabenhure anzusehen, während er den schwarzen Schafbock hinter das altmodische braune Karogitter seines Flanellhemdes sperrte.
      »Ich mache alles, was Sie wollen, wo Sie wollen, Sir…für 4000 Berry«, mauzte der Bursche wie ein Kätzchen, mit den Fingern verspielt über den beigen Hosenbund des Bastardkönigs fahrend, »Das ist mein Sonderpreis für starke, sexy Männer wie Sie…«
      »4000 Berry?« Ulysses' blonde Brauen rafften sich gen Lockenberge und zogen seine Nasenflügel in tiefster Missbilligung mit sich. »Du lieferst dich mir für 4000 Berry aus?«
      »Das ist mein Preis«, murmelte der Junge betreten. Sichtlich bemüht, die Überraschung seines potenziellen Freiers zu deuten, warf er das wallende rotbraune Haar erneut zur Seite und suchte nach dem Licht der Deckenlampen, um die Sommersprossen auf seiner Nase erglühen zu lassen — Freier liebten seine Sommersprossen, die rot und süß waren wie die Lippen junger Mädchen. »Was sagen Sie, Sir…? Ich verspreche Ihnen, Sie werden es nicht bereuen. Vertrauen Sie mir.«
      Plötzlich grinste der blonde Mann ein dreckiges Grinsen, das ein Chaos schiefer, gelber, löchriger Zähne entblößte und seine spröden Mundwinkel tief in seine Wangen trieb. Zur Verblüffung des Strichjungen griff er dennoch in seinen edlen Mantel, der den Burschen erst auf den Blonden aufmerksam gemacht hatte, und fischte ein schweres Portemonnaie aus dessen Innentasche. Wortlos schmökerte Ulysses durch die unzähligen Geldscheine wie durch einen langen Roman, zählte — 4000 Berry, 8000 Berry, 16000 Berry, 32000… — ab und drückte dem sprachlosen Knaben mehr als das Zwanzigfache seines üblichen Solds in die zittrige Hand.
      »Wie heißt du?«, fragte Ulysses gleichzeitig, worauf der Junge, glückstrunken von Gold Rogers Schatz in den Händen, lautlos hauchte:
      »Ennis
      »Kennst du dich in der Stadt aus?«
      Ennis nickte flüchtig, wie besessen sein neues Vermögen zählend. »Bin in den Straßen aufgewachsen.«
      »Gut. Ich möchte, dass du dieses Geld mit deinen Freunden teilst. Das sollte eure Unkosten für die nächsten Tage decken.«
      »Wochen«, dachte Ennis und sagte es auch.
      »Umso besser.« Kurzentschlossen warf sich Ulysses seinen Mantel über und fuhrwerkte in dessen Taschen umher, bis er Ennis eine kleine dunkelgrüne Teleschnecke mit schiefen Zähnen hinhielt, auf deren Panzer das Tattoo des Fremden in Weiß prangte. Der Junge fasste das Angebot blitzschnell ins braungraue Auge, wollte die Teleschnecke wie die große Chance seines Lebens ergreifen und spürte sie schon an seinen Fingerspitzen — da entzog Ulysses sie ihm wieder.
      »Sobald du auch nur einen meiner Anrufe annimmst…«, begann der Bastardkönig ernst. Seine goldgrünen Augen brannten greller als die Morgensonne und loderten wie brennendes Gift. »…sobald du das erste Mal abnimmst, stehst du auf meiner Gehaltsliste und jeder deiner Freunde, der dir hilft.«
      Ennis nickte überschwänglich, ergriff die Teleschnecke und verwahrte sie in seinen Händen vor der Brust, als wolle er sie mit Leib und Leben schützen. »Ich werde ganz sicher rangehen, Mr…?«
      »McKenna.«
      In diesen Sekunden konnte Ulysses in Realzeit mitverfolgen, wie sich im Kopf des Jungen eins und eins zusammensetzte und mit jeder gelösten Addition eine weitere Sommersprosse erblasste.
      »Sie…Sie sind…?!«
      »Ändert das etwas?«, fragte Ulysses mit einem zahnlosen Schmunzeln, das Ennis die richtige Antwort unzweifelhaft vorgab.
      »Nein, absolut nicht, Mr. Bastardkönig…äh, McKenna…Sir.«
      »Ulysses«, schlug Mr. Bastardkönig-äh-McKenna-Sir wohlmeinend vor, während seine klobigen braunen Stiefel langsam gen Tür schlurften. »Ich werde Sie nicht enttäuschen, Sir!«
      »Fantastisch«, murmelte Ulysses im Türrahmen, »und ich vergesse niemals jemanden auf meiner Gehaltsliste.«
      Ennis schluckte sein Unbehagen mit einem Nicken hinunter und der Bastardkönig verschwand.

      Zurück in der Gegenwart

      Der makellose 200-Berry-Schein saugte das wärmende elektrische Deckenlicht des ausrangierten Speisewaggons wie der Flügel einer Motte auf und entfaltete vor den misstrauisch zusammengekniffenen Augen des großen Don Alejandro seine ganze Magie:
      Majestätische Wildpferde stanzten sich unter einem papiergrünen Himmel in die alltestamentarischen Wasserzeichen der Weltregierung, unter dem ehrwürdigen Königssiegel des fountischen Commonwealth zum Galopp aufgebäumt; und über allem thronte das Konterfeil der Puppenmonarchin, deren kristallinen Mädchenaugen gläsern und machtbewusst in eine unbekannte Weite jenseits der lairischen Banknote starrten.
      Schnaubend inspizierte der Inhaber des »Dining Cars« seinen flegelhaften Kunden über die grünen Ränder des Berrys hinweg. Seit bereits 30 Jahren meisterte der corto-maltesische Koloss seinen machtvollen schwarzen Backenbart ebenso wie seinen Betrieb mit der unbeirrbaren und unerschütterlichen Hand des arbeitenden Mannes, der Müßiggang für den Beginn allen Endes hielt und die Aussicht auf gestohlenes Geld in seiner Kasse mit dem Einzug der warmduschenden Liberalen ins Worshipping House gleichsetzte. Einen Dieb zu bedienen und dessen Geld anzunehmen wäre Hochverrat an dem Land, das ihn einst mit den warmen Armen einer barbusigen Lairin empfangen und zum Vater der kleinen Estella gemacht hatte.
      »Wo hast du das her, du Rotzbengel?«
      »Was geht's dich an?«, protestierte Ennis, »Ich hab die ganze Nacht gearbeitet!«
      Der dogmatische Don Alejandro verschränkte die Arme zum heiligen Kreuz.
      »Verschwinde, sonst rufe ich die Polizei!«, lag es ihm auf der Zunge, doch die Banknote war echt und sein unfehlbares Bauchgefühl in den nur allzu blinden Augen des Gesetzes kein Indiz für die unzweifelhafte Schuld des Jungen. Don Alejandro musste sich geschlagen und dem Straßenjungen seine wohlbezahlte Mahlzeit geben.
      »Wehe, das ist geklaut!«
      »Und wenn er's aus der Kollekte eines Waisenhauses für verkrüppelte Heilande geklaubt hätte«, fiel plötzlich der zweite Gast des allzeit geöffneten Dining Cars lallend in das mentale Kräftemessen von Angebot und Nachfrage, »Die Sonne is noch nichmal aufgegangen und du verdienst schon was. Also nimm das Scheißgeld…«
      Ennis und Don Alejandro, zuvor noch erbitterte Todfeinde, setzten sich unweigerlich die gleiche verdutzte Miene auf und spielten sie einander wie Bälle zu. Der Anblick der mysteriösen Nachtschwärmerin, die ihren rostroten Schopf halb schlafend und halb blinzelnd auf ihre eigenen ausgestreckten Arme geworfen hatte, quer über den schmierigen Tisch gefläzt und nach einem Glas fingernd, das sie nicht fand, schmiedete die beiden in geteiltem Argwohn zusammen.
      »Soweit kommt's noch, dass ich mir in meinem eigenen Laden von einer betrunkenen Herumtreiberin die Leviten lesen lasse!«, polterte Don Alejandro erzürnt, »Wenn Sie meine Frau wären…«
      »…lägst du längst unter der Erde«, beendete die nuschelnde Cassiopeia seinen Satz, »Und jetzt sei'n Schatz und bring mir noch 'nen Brandy, meiner is-«
      Auf der abenteuerlichen Expedition auf den Spuren ihres verschollenen Glases pfefferte die Rothaarige das gesuchte Artefakt versehentlich mit Schmackes vom Tisch gen Waggonboden, wo es klirrend zersprang und die Entdeckerin aus dem Halbschlaf riss.
      »Psshht!«, zischte sie Don Alejandro und Ennis empört entgegen, just bevor ihr kreiselnder Nacken das Gewicht ihres Kopf nicht länger stemmen zu können schien und auf den nahegelegenen Fußboden umlagerte. So hing sie da, kopfüber zwischen Bank und Fußboden in der Schwebe — und stellte Don Alejandro vor die Wahl seines Lebens: Einen potenziellen Taschendieb bedienen oder eine Frau ohne Moral vom Boden auflesen?

      »Mit Gürkchen oder ohne?«
      Ennis' Antwort sollte vom Aufschreien einer Teleschnecke verhindert werden. Das kleine Tier in Cassiopeias Jackentasche blubberte und blubberte, bis die Schnarchende endlich aus ihrem Rausch erwachte, sich müde die Glassplitter aus dem Gesicht kratzte und den Anruf schlaftrunken annahm — noch immer halbschief vom Sitz hängend.
      Weder Ennis noch Don Alejandro verstanden, worüber gesprochen wurde; sie beobachteten dafür, wie Cassiopeia die Transformation einer erblühenden Blume vollzog: Sie knospte aus dem Boden, reckte sich, streckte sich, die Arme wie Blätter und das wallende Haar wie Blüten hochtreibend, bis sie rot und schwankend auf den Stängeln ihrer hohen Absatzschuhe balancierte.
      »Nein, es ist nicht entschuldbar«, waren die ersten Worte, die laut genug waren, um sie zu verstehen — denn Cassiopeia fauchte sie der angststarren Teleschnecke mit dem Zorn der Erinnyen ins stieläugige Gesicht, »Ihr inkompetenten Idioten hattet eine Aufgabe. Ich-«
      Dem Blick der Teleschnecke nach zu urteilen, so dachte sich Ennis, musste sich der Gesprächspartner soeben eingenässt haben. Don Alejandro hingegen hätte sein Lokal auf einen Herzinfarkt verwettet.
      »Wann habt ihr sie—?!«, raste Cassiopeia vor Wut, »Euer beschissenes Schiff geht mir am Arsch vorbei! Wann habt ihr Schwachköpfe sie verloren?!«
      Don Alejandro und Ennis zuckten wie in Geiselhaft zusammen, als die Rothaarige plötzlich aufbarst und furienhaft durch den umgebauten Bahnwaggon stakste. Auf und ab, auf und ab. Ein rachedürstendes Metronom.
      »Vor drei Tagen?« Gekonnt angelte sie ihre Zigaretten einhändig aus ihrer Lederjacke, setzte sich eine an die Lippen und wiederholte die Übung mit ihrem Feuerzeug. Don Alejandro wollte soeben auf das ausgehängte Rauchverbot in seinem Etablissement verweisen, als die Stimme am anderen Ende der Leitung die nächste Todsünde zu gestehen schien.
      »Nein«, spuckte Cassiopeia herablassend Rauch und Glut aus, »Wir können den nächsten Schritt nicht ›einfach vorziehen‹! Dafür brauchen wir ihn, aber da eure Kollegen noch nutzloser sind als…« Scheinbar überwältigt von der Inkompetenz ihres Gesprächspartners, schob sie ihre Migräne von einer Augenbraue in die andere und musste erkennen, dass alles Wüten sinnlos war.
      »Bringt euren Scheiß in Ordnung«, meißelten ihre blutroten Lippen schließlich in die Luft, während sich ihr Gegenüber noch in Rechtfertigungen und Gnadengesuchen erging, »Macht euren Job, sonst kastriere ich euch. Ende der Diskussion.«
      Fluchend verstaute Cassiopeia die Teleschnecke wieder im Inneren ihrer Lederjacke und als sie aufschaute, erblickte sie den eifrigsten Koch der Welt und dessen Gast, der von den Multidimensionalitäten des Brotschneidens plötzlich ebenso fasziniert zu schien wie der Chef de Cuisine selbst. Keiner von beiden wagte, sich den bernsteinglühenden Augen der schnaubenden Rothaarigen auch nur für einen Moment auszuliefern — schließlich genügen Piranhas schon Sekunden, um ausgewachsene Rinder zu skelettieren.
      »Was bin ich schuldig?«
      »Lassen Sie mal«, lies Alejandro über das Sandwich ausrichten, »Sie scheinen's sich verdient zu haben.«

      Copperfield

      Das harte Stöhnen sickerte wie die Erinnerungen an bessere Tage aus den schimmelbesiedelten Wänden des alten Zimmers und zerrte Mercedes an Armen, Beinen und Ohren aus dem unruhigen Schlafe, der sie zuvor auf dem Rücken fahler Pferde durch alptraumhafte Gefilde gejagt hatte. Benebelt wankte sie zwischen Bett und Realität, während das bipolare Paar im Nebenzimmer lautstark Versöhnung feierte. Nach dem Streit ist vor dem Streit.
      Selbst im Dunkel der Nacht trieb es die schlaftrunkene Mercedes an den schweren Lederrucksack zurück, den ihr das geheimnisvolle »L« als besänftigende Opfergabe dargeboten zu haben schien. Wie der dunkle Vogelgott in seinen Laboratorien hatte sie den Inhalt des mysteriösen Geschenks auf den morschen Dielen ausgebreitet und kniete nun inmitten unheilvoller Diagramme, angsteinflößender Zeichnungen und der wahnsinnigen Kopfgeburt eines Mannes, der sein Potenzial mit der Peitsche vor sich hertrieb. Deus ex machina — Mercedes Delacroix.
      Ihre Nachbarn ackerten sich von Wand zu Wand und Mercedes durch eine Chronik entgangener Qualen. Alles was sie war, war ein unvollendetes Projekt; ein gescheiterter Versuch, die nächste Stufe der menschlichen Evolution auf einer dampfschnaubenden Mähre aus Metall und Feuer zu erklimmen. Zu ihrer eigenen Überraschung empfand sie jedoch weder Ekel noch Zorn, sondern das bewusste Kribbeln der abscheulichen Narbengeschwüre auf ihrem Rücken…und Callaghans Fingerspitzen, die sacht über die tiefen Furchen wanderten und ihren zentnerschweren Maschinenkörper liebkosten.
      »Das bist du...und nichts ist falsch daran.«
      Die Liebe in seinen Worten.
      »Ich hasse dich!«
      Die Liebe in ihrer Stimme.
      »Damit lässt sich arbeiten.«
      Das seltenste aller Lächeln auf seinen Lippen.
      »JA~! GENAU DA!«
      Der Höhepunkt des Paares auf der anderen Seite der Wand.
      Er kulminierte in einem ekstatischen Erweckungserlebnis, das die gesamte Stadt aus dem Schlaf riss und den Boden erzittern ließ. Himmelsberstende Stichflammen aus den Tiefen der Hölle brachen vor dem schwarzen Horizont frei und entfesselten Myriaden fauchender Funken, die glühende Löcher in das Firmament zündelten. Schreie, Panik und Rauch ertränkten Copperfield, selbst die allherrschenden Züge beugten sich dem Überfall des Feuers. Affektiv stürmte Mercedes aus ihrem Zimmer, vorbei am halbnackten Liebespaar von Nebenan und dem schleimigen Nachtportier, der alle Gäste seines fragwürdigen Etablissements im Flur zu sammeln versuchte.
      »Miss Smith!«, stellte ihr seine schleimige Stimme nach — und klang selbst im Auge der Katastrophe noch nach einem breiten, falschen Grinsen. Sie ignorierte ihn geflissentlich, schnürte sich den dunkelbraunen Mantel enger um ihre Taille und trat furchtlos in den Sturm aus Flammen.

      Schneidende Herbstwinde schlugen Mercedes entgegen, auf denen die knisternden Feuerzungen wie berittene Barbaren in den Krieg gegen Copperfield auszogen. Erneut war ihr ihre scheppernde Prothese Bein und Anker zugleich, während sie sich durch den brennenden Horizont kämpfte. Verängstigte Hunde und Katzen zischten an ihr vorbei, gefolgt von bleichen Kreaturen mit weit aufgerissenen Augen, die nicht länger dachten, sondern nur noch handelten. Fort — immer schneller, immer weiter. Der Himmel über ihren Köpfen loderte und spuckte heiße Asche auf die brennende Erde. Geistesgegenwärtig lotste Mercedes die Flüchtenden in Richtung der kühlen Finsternis in Sicherheit, bevor sie selbst tiefer in die aufpeitschenden Stichflammen und glutspuckenden Gassen eintauchte. Ein beißende Gestank von Asbest und verkohltem Fleisch stach ihr in die Nase, als sie einen verzweifelten Schrei hinter dem Inferno ausmachte. Mit einem massiven Schlag zertrümmerte sie die Wand eines niederbrennenden Verschlags, in dem ein kleines Mädchen unter den noch glimmenden Überresten der Frau kauerte, die es einst geboren und selbst im Tode vor den Flammen beschützt hatte.
      Ohne zu zögern durchschritt Mercedes die Gestade der Hölle, hob das weinende Kind in ihre Arme und stürzte aus dem Häusergerippe, just bevor das lodernde Balkenwerk über ihnen zu Boden krachte.
      »Alles wird gut«, flüsterte sie dem kleinen blonden Mädchen zu, verzweifelt einen Ausweg aus dem alles verschlingenden Labyrinth suchend. Sie entschied im Affekt, bog in eine schmale rauchverhangene Häuserschlucht — und stolperte in eine Sackgasse, die binnen Augenblicken von den Flammen eingekesselt wurde.
      »Gottverdammt!«, fluchte sie, seufzte und setzte das kleine Mädchen mit einem beruhigenden Lächeln ab. Die Luft fieberte auf der Haut und der Qualm drang toxisch in ihre Lungen. Hustend stemmte Mercedes die Hände gegen die riesige massiv-stählerne Fabrikfassade, die ihren Fluchtweg versperrte, und ballte die zitternden Fäuste gegen das aufgeheizte Metall.
      »Wie heißt du?«, fragte sie das kleine, röchelnde Mädchen.
      Die Augen des Kindes leuchteten groß und golden aus seinem rußschwarzen Gesicht, in das die salzigen Tränen weiße Maserungen wuschen.
      »Emily«, keuchte es schließlich. Mercedes zuckte unwillkürlich zusammen. »Ich…wir kommen hier raus, Emily. Halte dir die Hände vor's Gesicht.«
      Verstört und verständnislos starrte Emily sie an, bis Mercedes ihre Hände nahm und an ihr Gesichtchen führte.
      »Schütze deine Augen«, bat Mercedes mit einem zuversichtlichen Lächeln, erhob sich entschlossen, atmete die rauchverpestete Luft, spürte die Hitze aus ihren Lungen in ihre Muskeln strömen und wuchtete die zusammengepressten Fäuste mit der Wucht eines Meteors in den chancenlosen Stahl. Berstend, dröhnend, splitterspeiend ergab sich der zyklopische Fabrikbau dem rasenden Zorn der Mademoiselle de Fer und krachte unter himmelsgewaltigem Lärmen in sich zusammen. Eine lange Schneise aus Dunkelheit und Geröll kniete sich vor Mercedes in die Asche und wies ihr demütig den Weg in Sicherheit.
      »Gut, Emily, komm. Wir mü—«
      Emily hörte sie nicht mehr. Niedergebrüllt vom donnernden Einschlag der Kopfgeldjägerin, hatte hinter deren Rücken ein Ziegeldach nachgegeben und dem kleinen Mädchen den goldblonden Schopf gespalten. Entsetzt barg Mercedes den winzigen Körper aus dem Schutt.
      »Hab keine Angst…«, flüsterte sie dem schockstarren Mädchen zu, aus deren großen goldenen Mädchenaugen schwarzes Blut eiterte, »Ich bin da…«
      Die zarte Brust zuckte auf, witterte wie das Näschen eines ängstlichen Kaninchens. Liebevoll hielt Mercedes ihre Hand.
      »Keine Angst, deine Mutter wartet schon auf dich«, wisperte sie in Emilys rauchgeschwärztes, blutüberströmtes Haar, »Lass einfach los…Lass—«
      Ein letzter Akt der Stärke, in dem das Leben und die Liebe die unaufhaltsamen Mächte des Todes für einen unbeschreiblichen Moments des Erlebens und Verstehens zurückzudrängen vermochten, zog vorüber und erleuchtete Emilys Antlitz, bevor ihr Licht für immer erlosch.
      »Gute Reise«, hauchte Mercedes mit atemloser Stimme und bemerkte erst, dass sie weinte, als ihre Tränen wie Säure auf ihrer Haut brannten.

      Die Seerose des Todes war erblüht und hatte Copperfield unter ihren giftigen Blättern begraben. Instinktiv hatte es Mercedes an den Hort des Vogeldämons zurückgeführt, aus dem die züngelnden Stichflammen und toxischen Rauchschwaden greller, heißer und infernalischer sprossen als in den zerstörten Straßen, in denen sie die tote Emily zurückgelassen hatte. Selbst jetzt, da sie vor dem Hypozentrum der Katastrophe stand, vermochte Mercedes die ursprünglichen Ausmaße der Explosion nicht abzuschätzen. Zu unwirklich, zu unbegreiflich schienen die Dimensionen des Schreckens und der Verwüstung — bis Mercedes endlich begriff. Der beißende Gestank nach Asbest und Feuer, die ohrenbetäubende Erschütterung und die unbeschreibliche Flächenwirkung der Detonation rissen sie zurück in die aufgesprengten Mauern des Palais Blanc, in dem Enjolras und Everard um die Zukunft ihrer Heimat gekämpft hatten.

      »Wo hast du diese Waffen her? Was hast du getan?«
      »Ich habe neue Geschäftszweige erschlossen. Der Schlüssel zu einer funktionierenden Wirtschaft.«
      »Diese Waffen sehen aus, als hättest du deine Seele verkauft, um sie zu bekommen…«

      Ulysses McKenna. Der Mann, der Enjolras den Schlüssel in seine eigene Grabkammer in die Finger gelegt hatte, der Harleys kranke Hochgesellschaften finanziert und Carlas blutigen Aufstieg mitgetragen hatte, der Völker vergiftete, Städte ausradierte und Despoten unterstützte, der O'Mara die Kindheit geraubt, Copperfield niedergebrannt und Emily getötet hatte. Ulysses McKenna, der Bastardkönig, erhob sich vor Mercedes' zweifarbigen Augen wie ein gesichtsloser Dämon aus den Giftdämpfen und den Flammen und dem feuerspuckenden Nachthimmel, unter dem die Leichen seiner Opfer zu Vergessenheit verbrannten. Ungezügelter, sengender Zorn peitschte in Mercedes gemeinsam mit den schreienden Feuerzungen in das verglühende Firmament hoch und ließ sie eins werden mit der Hitze und den Funken und dem schmelzenden Stahl — just bevor ihr Radar ausschlug und Leben im Auge des Infernos ausmachte. Blindlings hechtete sie durch die züngelnden Brandherde, riss mit bloßen Händen einen niedergekrachten Gerüstträger beiseite und legte den blutüberströmten, mittlerweile nicht mehr ganz so grauen Spion frei. Riesige Wunden klafften auf seinem zerfetzten Körper und die spastisch zuckende Kehle wurde durch kaum mehr als einen notdürftig umgeschlungen Stofffetzen zusammengehalten.
      »Großer Gott, was ist passiert?«, stieß Mercedes aus, »Hat dich ein Raptor angefallen?«
      Der Agent versuchte zu lächeln, doch seine blutleeren Mundwinkel gehorchten ihm nicht länger. Ohne weitere Worte zerrte ihn die Kopfgeldjägerin aus seinem Loch, fixierte die geöffnete Kehle behelfsmäßig mit ihrem Gürtel und trug ihn wie eine Löwin ihr Junges aus dem alles verzehrenden Feuersturm.
      Kapitel 144 - Wenn du Dämonen siehst

      Zögerlich wie ein ängstliches Kind lugte die wiedergeborene Sonne über die schwarzen Ränder des Horizonts und besah sich das Ausmaß des Schreckens, den ihr das Dunkel der Nacht hinterlassen hatte.
      Im fahlen Licht des neuen Tages brachen sich die rußigen Flocken hinter dem feuchten Dunst, saugten die Farbe aus den versengten Fassaden und mahnten den verheerenden Pfad der erloschenen Flammen durch schwarze Gassen, die sich aus dem kathedralischen Dächergeflecht der niedergebrannten Stadt wie vergiftete Adern unter bleicher Haut abzeichneten. Ulysses konnte die Stille auf den zerbombten Pflastersteinen hören und die ertrinkenden Schreie im brodelnden Metall der schmelzenden Maschinen. Er hörte die Schmerzen und die Flüche und das Knistern und Krachen und Donnern und Weinen — das tote Herz Copperfields dröhnte in seinen Schläfen, bis er die Augen öffnete. Ihr gleißendes Grün flimmerte gleich der Morgensonne hinter den dunklen Rändern seiner Lider und erhob sich ebenso allsehend, allhassend über den feucht-faulenden Gassen des lairischen Viertels. Mac Brónach, gefangen im Zwielicht, schien sich ihm hingeben zu wollen, schien die siechenden Senken zu spreizen wie die Beine einer Hure vor ihrem geheimen König der Streuner.
      Den giftgrünen Blick hinter die Mauern der fountischen Hauptstadt auf die tristen Nebel der Marsch geheftet, erahnte der scheue Hund in seiner Dachstube die rauchgeschwärzten Wolken über Copperfield und die wirbelnden Geister, die sich wie Rabenschwärme in ihnen verbergen mussten. Der Bastardkönig wusste, dass ihre kalten schwarzen Vogelaugen sein Starren erwiderten. Eines Tages würden sie sein sterbendes Fleisch verschlingen und in ihren winzigen Mägen in die Hölle tragen. Eines Tages würde er selbst in diesen Feuern brennen…
      Plötzlich wandte Ulysses das Gesicht vom schmierigen Glas des Dachfensters ab, als ihn eine kalte Schnauze aus seinen verschleppten Nachträumen rettete.
      »Ja, meine Kleine«, seufzte er mit einem schiefen Lächeln, bevor er vor dem monströsen faltigen Doggengesicht der braunen Kitty niedersank und die sabbernde Schnute in beide Hände nahm. »Du hast Hunger, ich weiß.«
      Die goldbraunen Hundeaugen himmelten ihn verständnislos an, der lange Schweif jedoch wedelte eifrig und peitschte einen der massiven Stützpfeiler des Dachgestühls. Schmunzelnd setzte sich Ulysses in Bewegung, wendete das saftig brutzelnde Steak in der Pfanne und würzte die angebrannten Rühreier mit zu viel Salz und zu wenig Pfeffer. Oberkörperfrei — das tiefe Schwarz des gewaltigen Schafbocks glitzerte in den Kochdämpfen auf seinem atmenden Bauch und der mächtigen Brust — geboten Ulysses und sein unheiliges Tattoo nahezu teuflisch über die Hitze. Doch wenn er sich mit der Hand durch die noch nassen goldenen Lockenstrudel fuhr, dachte Étaín in ihrem Nest aus Daunen fiebrig, begann seine Gestalt zu erstrahlen und das gebrochene Antlitz dieses wichtigen Mannes wie ein falscher Heiligenschein zu überragen. So lächelte sie müde und rotbäckig über den scheuen, launischen, nachtragenden, verirrten Hund von Hoolahara, den sie immer bewundert hatte. Und er? Hatte sie stets beschützt, niemals aufgegeben und immer begehrt. Jenseits des feuerblonden Meeres, das ihr Kissen flutete, schien die Macht seiner Aufopferung überwältigend nah und unbeschreiblich fern. Halb verborgen in den weißen Dünen ihres Kissens beobachtete Étaín diesen talentfreien Koch und seinen dankbaren Gast. Ungeschickt bugsierte Ulysses das saftige Steak aus der Pfanne, ließ das überschüssige Öl abtropfen und drapierte die Mahlzeit mit einiger Mühe in die Schale zu Kittys ungeduldig stapfenden Pranken. Er selbst warf sich neben die Dogge auf den Boden, wo er seine ungenießbaren Eier direkt aus der Pfanne gabelte und Kitty das langersehnte Kommando zum Angriff gab — Fressen.

      21 Jahre zuvor

      »Du sollst die Hunde nicht mehr füttern«, wisperte Étaín wie eine schüchterne Knospe, die sich inmitten prachtvoller dorniger Rosen nicht zu blühen traute. Noch bevor sie die gesammelten Essensreste der Bar vor Ulysses schmutzigen Stiefeln abgestellt hatte, flammten bereits die glühenden Augenpaare der Streuner in den dunklen Gassen auf und ihre spitzen Zähne, die vor Hunger und Speichel glänzten.
      »Laura will nicht, dass sie zu dreist werden«, fügte sie rasch hinzu, als sich das Hecheln der Tiere bedächtig vorschob.
      »Sie will nur nicht mit einem mitfühlenden Menschen verwechselt werden«, blaffte Ulysses schroff, »Sonst fordert einer ihrer Schuldner noch sowas wie Nachsicht oder Gnade ein. Das wäre schlecht für’s Geschäft. Die Konserven.«
      Étaín reichte sie ihm. »Du solltest Laura nicht wütend machen.«
      Auf eine fuchtelnde Geste hin wandte Ulysses ihr seine wütenden Locken zu, die im Wind wie Schlangenköpfe zu schnappen schienen. »Du solltest sie nicht wütend machen, Étaín, also geh wieder.«
      »Kann Brian dir nicht dabei helfen?«, fragte sie plump und meinte: »Wo ist Brian?«
      »O’Mara hat andere Interessen«, erwiderte Ulysses zerknirscht und meinte: »O’Mara steckt bis zu den Ohren im Milchmädchen.«
      »Verstehe.« Étaíns Stimme glich dem Sterbelaut eines kleinen Nagetiers. »Dann…warte, ich helfe dir.«
      Beherzt griff sie sich eine der Konserven, hebelte den Verschluss auf und entfesselte den bestialischen Gestank der gesalzenen Rinderinnereien ohne Rücksicht auf Verluste. Sofort stob ein halbes Dutzend darbender Streuner in allen Farben, Formen und Stadien des Verfalls auf sie zu und riss ihren feisten Körper in den Hinterhofschlamm. Erst Ulysses' schriller Pfiff konnte das kreischende Mädchen vor den wilden Hunden retten — für die gesalzenen Rinderinnereien und Étaíns weiße Rüschenbluse kam jedoch jede Hilfe zu spät.
      »Diese Monster!«, zischte Étaín aufgebracht, wofür sie sogleich einen vernichtenden giftgrünen Blick erntete. Seufzend setzte sich die Rothaarige auf, in mühseliger Kleinarbeit Brocken von Schlamm und Hundesabber aus ihren Haaren streifend.
      »Warum liegt dir so viel an diesen verlausten Biestern?«
      »Warum?« Ulysses schien die Frage wahrhaftig zu überraschen. »Weil nichts Böses in ihnen steckt.«
      Empört deutete Étaín an ihrem besudelten Körper hinunter, doch Ulysses wiegelte ab:
      »Sie hatten Hunger und du Futter.«
      »Und das macht es besser?«
      »Natürlich«, nuschelte er trocken, »Wären sie Menschen, hätten sie dich vergewaltigt.«
      In dieser Sekunde glaubte Étaín, sich selbst erbrechen zu müssen. Ihr Magen wölbte sich wie die Deckel der Konservendosen und trieb den galligen Sud bis in ihre Kehle, wo er steckenblieb und dem Mädchen die Luft abschnürte. Eitel war sie, und dumm und egozentrisch. Sofort suchte sie nach Silben, um eine Entschuldigung zusammenzuklauben oder die Worte zu finden, die Ulysses ablenken würden von den Schrecken seiner Vergangenheit. Den Bildern, die ihn quälten; den Händen, die er im Schlafe noch immer auf seiner Haut spürte. Sie suchte und suchte, fand jedoch nur das Augenleuchten einer fremden Bekannten in der Dunkelheit, die jäh aus den Schatten trat.
      »Erneut trafen sie aufeinander«, zitierte die geheimnisvolle Gestalt ihr Lieblingsbuch, »Umzingelt von wilden Bestien auf dem Schlachtfeld.«
      Ulysses’ grellgrüne Augen hoben sich demonstrativ ruhig, doch seine Streuner barsten wie die Hunde der Hölle auf und stemmten die mächtigen Pranken gegen den Eindringling. Voller Sorge blickte Étaín dem unausweichlichen Blutbad entgegen, welches mit dem Knurren und Zähnefletschen der Straßenhunde beginnen und das Ende der Fremden besiegeln würde. Zum Hechtsprung bereit setzten die Tiere die kraftvollen Pfoten voran, die borstigen Rückenhaare wie Speerwälle aufgestellt und die glühenden Augen in ihr Opfer eingebrannt. Der heiße Atem kristallisierte in der frischen Winterluft, verquoll mit der Nacht — und war alles, was Étaín noch sah, bevor eine wütend-wirbelnde Schwärze ihren Körper erfasste und zu Boden riss.

      Das zornige Knurren der Hunde war einem ohrenerschütternden Winseln gewichen, das in weiter Ferne durch die verworrenen Gassen Hoolaharas flüchtete, als sich die bekannte Unbekannte inmitten des Hinterhofs wie eine gen Erde gerittene Walküre vor dem noch immer knienden Ulysses auftürmte.
      »Bist du etwa nachtragend?«, fragte ihn das Mädchen lippenschürzend, bevor sie Ulysses sanft wie eine Löwenmutter an seinen blonden Locken auf die Beine zog. Er ließ es geschehen. Obwohl sie nur wenige Jahre älter war als er selbst, überragte sie ihn um mehr als eine Kopflänge und ihre breiten Schultern, kräftigen Arme und durchtrainierten Beine hatten schon einmal bewiesen, wie leicht seine Knochen unter ihren Muskeln nachgaben. Selbst der Schorf auf seiner gebrochenen Nase begann beim Anblick des kurzgeschorenen braunen Schädels, der sie gespalten hatte, abermals zu jucken und zu kratzen.
      »Wie geht es deinem kleinen Freund?«, stichelte das Mädchen nicht ohne Stolz, »Wie verheilt seine Hand?«
      »Für's Milchmädchen reicht's«, erwiderte Ulysses knapp, worüber sie derartig breit grinste, dass der blutige Striemen auf ihrer Lippe aufzuplatzen drohte. Doch selbst dieser einzige Pfand, den er und O'Mara ihr hatten abringen können, widerstand dem Zerfall bravourös.
      »Okay. Es tut mir leid«, sagte sie mit beschwichtigend erhobenen Händen voller Schrammen und Schwielen, »Ich wollte deine Hunde nicht verschrecken, aber ihr Knurren war unerträglich.«
      Schulterzuckend sank Ulysses wieder gen Boden, wo er weitere Konserven aufstemmte, mit dem Rücken seines Taschenmessers stumpf abschliff und die übrigen Fleischreste aus der Bar unterrührte. Offensichtlich lag ihm nichts und der Kriegerprinzessin alles an dieser Unterhaltung. Daher hockte auch sie sich nieder, ihn noch immer um eine Kopflänge überragend, und suchte seine schattenverhangenen Pupillen.
      »Ich habe einige Mühen auf mich nehmen müssen, um heute hierherkommen zu können. Können wir also reden…bitte?«
      Keine Antwort.
      »Du bist unhöflich.«
      »Tja, willkommen im Shamrock County.«
      Nunmehr befreit von jeder Gelassenheit kniff sie ihre großen, zimtroten Augen zusammen, kurz bevor ihr rundes schönes Gesicht mit dem aufrauenden Herbstwind in eine wilde Zornesmiene umschlug.
      »Sieh. Mich. An. Jetzt!«
      Endlich fügte sich Ulysses ihrem Befehl, sichtlich widerwillig und hörbar schnaubend. »Von mir aus. Was willst du?«
      »Dich, Ulysses McKenna.«
      Instinktiv wich jener zurück. »Bitte?«
      Sie lächelte verschmitzt, mit Grübchen sanfter als lairische Täler, während der Wind des Sieges um ihre knollige Nase toste und ihre furiosen Worte wie Kriegsgesänge untermalte:
      »Keine Angst, ich brauche keinen Mann. Was ich brauche…ist ein König

      Étaín verstand nicht, was ihr widerfahren oder wo sie war, doch ihre Kopfschmerzen ließen ihr keine Zeit zum Denken. Wankend kämpfte sie sich aus dem Dreck und torkelte gegen die Hintertür zur Bar, an der sie sich schließlich kraftlos wie ein tropfender Farbfleck herunterrutschen ließ und erkennen musste, dass die Welt verdreht war. Sterne unter ihren Füßen, Pfützen über ihrem Haupt. In einer verdrehten Welt kauerte ein verdrehter Ulysses allein im Matsch. Wie vergänglich er wirkte, wie porös. Als bräuchte es nur einen Regenschauer, um seinen Leib wie einen Kreideabrieb von den Straßen zu waschen. Étaín war aus einem endlosen Schlafe erwacht, der nur wenige Minuten angedauert haben konnte und doch alles verändert haben musste. Sie spürte es, der Wind hatte mit der Erdkugel gedreht und würde Ulysses forttragen, bliebe sie untätig. Halb krauchend und voller Schwere ackerte sie sich an seine Seite.
      »Ulysses, was ist passiert?«, hauchte sie einfühlsam, doch er schnaubte ihr Mitgefühl fort und schüttelte sich salzige Tränen aus den blonden Locken.

      Zurück in der Gegenwart

      Der Türrahmen in die Wohnstube, in der Ulysses sein anspruchsloses Mahl zu sich nahm, verewigte ihn und Kitty in einem lebendigen Gemälde an der Wand, wie sie die Flure und Winkel in Ulysses' Burg der Isolation tapezierten. Im Fieber des zersetzenden Heroins wurde Étaín dieser grauenvollen Ähnlichkeit gewahr, die er mit den großen Toten an seinen Wänden teilte: Ein Körper, stark und monolithisch und doch gefangen auf einer Leinwand wie das Mahnmal einer Epoche, die mit einem leeren Thron oder in Flammen enden würde. Mit Schaudern gedachte Étaín dieser unmittelbaren Zukunft und über dieses Schaudern schlummerte sie ein, während Ulysses lustlos auf seinen miserablen Rühreiern herumkaute und ihren unruhigen Schlaf behütete.
      »Es war ein Fehler«, flüsterte er der schmatzenden Kitty zu, »Bloom hatte Recht. Ich habe Graham ins Totland gehen lassen und bin jetzt Schuld am Diabetes. Verfickte Scheiße.«
      Die riesige Dogge hatte ihr Steak mittlerweile gänzlich verschlungen und spitzte die Ohren nach seiner zerfressenen Stimme.
      »Vielleicht sollten wir sie fortschaffen. Irgendwohin, wo es keine Drogen gibt.« Er überlegte kurz, stirnrunzelnd. »Wo gibt es keine Drogen?«

      Das Heilige Schloss Pangaea, Mary Joa, Red Line

      Kringel und Kreise im kornblumenblauen Himmel, kleine Geschenke aus den drachenschnaubenden Nüstern des Wolkenmachers. Godzilla Brakes sog die aromatische Süße der brennenden Natur aus ganzer Lunge ein, spürte ihre Magie durch seine muskelbepackte Brust strömen, hinabrieseln, Wellen schlagen und wieder aufsteigen — ein kosmischer Kreislauf, das Erdenrund unter seinem trommelnden Herzen. Es würde ein schöner Tag werden, die frühe Sonne flutete schon die große Dachterrasse des heiligen Schloss wie der duftend-duselnde Nebel seine Seele und trug bunte Vögel auf ihren warmen Strahlen dem Horizont entgegen. Auch Godzilla erhob das Haupt, als wolle er seine offenen Rasterzöpfe wie Schwingen gegen die Höhenbrise aufstellen und dem Haus der Welt für alle Zeiten entfliehen. Schloss er die Augen, benetzte ein lichtloses Licht seine schwarze Stirn und entrückte seinen monolithischen Leib in die Herrlichkeit Gottes. Hinauf, immer höher. Er flog über die goldenen Dächer Mary Joas, diese von Sklaven erbauten Paläste, die es den Nasen ihrer Bewohner gleichtaten und die hohen Zinnspitzen eitel der Sonne entgegenstreckten.
      »Seht doch nur, wie verflucht wichtig wir sind«, brummte die brachiale Stimme des brachialen Mannes im weißen Qualm durch seine schwarzen Lippen, »Schaut auf zu uns, damit wir auf euch hinabschauen können. Beneidet unsere Villen, die wir erbauen ließen, um euren Neid verurteilen zu können.«
      Godzillas urgewaltiger Leib schwebte nackt und rein wie polierter Onyx der Ewigkeit entgegen. Unter seinen bloßen Füßen verschlang sich die Schlangengrube namens Mary Joa selbst, wie sie sich jeden Tag selbst verschlang und in ihren unzähligen Mägen verdaute und wieder ausschied. Die Schlangen züngelten und zischten und fraßen einander, doch Godzilla hörte nur das Rauschen des Windes und das wohlig-warme Knistern seines Joints, den er plötzlich lautstark hustend und keuchend in den nächstbesten Busch pfefferte, als er das surrende Auseinander-Gleiten der gläsernen Flügeltüren aufschnappte. Wie ein ertappter Schulbursche versuchte er noch, den verräterischen Qualm zu verscheuchen, da stand der unerwartete Störenfried bereits inmitten der süßlich-dampfenden Hanfgeister.
      »Oh, du bist es nur.« Godzilla bereute, sein Gras zu voreilig in den kitschigen Zierhecken entsorgt zu haben. »Was willst du?«
      »Ich wollte dich nur noch ein letztes Mal in ganzer Pracht bewundern«, lächelte Rhiannon schadenfroh, sich neben den massiven Leib ihres Chefs auf die Bank flegelnd, »Immerhin stehen die Chancen nicht schlecht, dass du deine Eier bald in einem Handtäschchen neben dir hertragen musst.«
      »Erzählt man sich das?«
      »Sobald ich das Gerücht in die Welt setze, definitiv.«
      Godzilla lachte. Seine breiten, schwulstigen Lippen blähten sich wie das Maul eines riesigen bärtigen Karpfens auf und schnappten nach mehr Luft, als seine titanische Brust aufnehmen konnte. Er lachte und lachte, doch der Glanz in seinen muskatbraunen Augen verglühte zusehends.
      »Die Dinge stehen übel, hm?«, murmelte er schließlich und Rhiannon nickte. Erst jetzt bemerkte Godzilla, dass ihre kurzgeschorenen schwarzen Haare in den letzten Wochen zu einem frechen Pony ausgewachsen waren, den sie burschikos gescheitelt trug.
      »Deine Haare…war ich wirklich so lange fort?«
      »Blitzmerker«, schimpfte Rhiannon mit einem Tippen gegen die Fliegerbrille auf ihrer Stirn, »Hast du gedacht, du könntest dich verstecken und diese Angelegenheit aussitzen? Meine Fresse, Godzilla, du bist lange genug dabei, um es besser zu wissen.«
      »Leider macht Alter nicht weise«, brummte der Hüne lax, »Sonst wäre die Welt nicht so arm dran.«
      »Sei nicht so zynisch. Die Welt hat dich nicht gezwungen, dich wochenlang wie eine Schabe in ihren Arschmulden zu verkriechen. Das hast du dir selbst eingebrockt. Und überhaupt, was zum Teufel ist in Gavroche passiert?«
      »Vergiss es einfach.«
      Seufzend verschanzte sich Rhiannon in einem Schneidersitz, um ihren Boss noch eindringlicher und verurteilender beäugen zu können. Ihr markantes, knochiges Gesicht ließ für keine Sekunde von ihm ab und malträtierte ihn mit dem berüchtigten Blick der Jägerin, die die dunkelgrauen Augen auf ihre Beute heftet und sie bis an das Ende der Grand Line verfolgt. Godzilla teilte diesen sonnigen neuen Tag auf der Bank nicht mit einer Freundin, Kollegin und Ziehtochter, sondern mit einer Agentin der CP0-Behemoth.
      »Spuck's aus«, forderte er endlich, was ihn Rhiannon mit ihrer triumphierendsten Miene und einer kleinen, roten Teleschnecke büßen ließ. Zweifelsohne eine aufgezeichnete Nachricht, die Godzilla um keinen Preis würde abhören wollen.
      »Der Engel des Todes?«, riet er galgenhumorig.
      »Schlimmer.«

      »Cassiopeia hier. Machen wir uns nichts vor, Brakes: Es wäre vermessen und unangebracht rosarot zu behaupten, ich würde von dir und deiner Einheit ausrangierter Hinterhofschläger Kompetenz oder berufliches Engagement erwarten. Ist es aber zu viel verlangt, nur ein Mindestmaß an Integrität und Pflichtgefühl voraussetzen zu dürfen, von deiner persönlichen Befähigung für den Posten ganz zu schweigen? Ich weiß nicht, was für eine Scheiße du in Gavroche veranstaltet hast, aber wisch dir verdammt noch mal den Hintern ab wie ein großer Junge, schluck eine Schiffsfuhre Antibiotika und melde dich wieder zum Dienst! Schlimm genug, dass ich diese Nachricht bei deiner beschissenen Sekretärin hinterlegen muss. Es wartet—«

      »Arbeit«, beendete Rhiannon den Satz und die Aufnahme vorzeitig, »Auch wenn ich nicht deine verdammte Sekretärin bin.«
      »Sag das ihr.«
      »Triagast mag ein vollfunktionstüchtiges Miststück sein…«, pflichtete Rhiannon bei, »Aber sie hat recht.«
      »Ja, wunderbar. Schieb mir ruhig den ganzen Stiefel rein, damit ich schön locker bin, wenn mich die Alten nachher von hinten nehmen.«
      Über dieses Bild in ihrem Kopf erschauerte selbst die hartgesottene Rhiannon, während Godzillas massiges Gesicht Barthaar um Barthaar hinter seinen Pranken verschwand, brummelnd:
      »Was will sie?«
      »Willst du dich wirklich jetzt damit befassen?«, fragte Rhiannon skeptisch, doch Godzilla feuerte ihren Einwurf mit wütenden Fingern vom Dach.
      »Scheiß drauf. Die Alten wollen mich schmoren lassen. Bestellen mich in dieser Herrgottsfrühe ins Schloss und lassen mich jetzt warten. Ich werde noch Stunden hier sitzen.«
      »Auf der stillen Treppe«, schmunzelte Rhiannon augenzwinkernd, »Damit du brav darüber nachdenkst, was du angestellt hast.«
      »Soweit kommt's noch«, blaffte Godzilla bockig, »Also, was will die blutrote Fürstin von uns?«
      Mit einem vielsagenden Schweigen lüftete Rhiannon ihr weißes Jackett und eine tiefschwarze Aktenmappe, auf der goldene Lettern wie heilige Insignien prangten.
      »Nicht doch«, stöhnte Godzilla eher genervt denn schockiert, »Einer von…denen
      »Es wird noch besser. Lies.«
      »Nun, ich…«
      Aufs Stichwort zückte Rhiannon seine Lesebrille, hinter deren monströsem eckigem Hornrahmen der Leiter Behemoths den unglaubwürdigsten Buchhalter der Welt mimte. Binnen weniger Wimpernschläge hatten sich seine muskatbraunen Augen an die neu gewonnene Sehschärfe gewöhnt und die magische Transmutation beendet, welche aus güldenen Schlieren auf Finsternis lesbare Zeichen und Symbole schuf. Godzilla las, stockte, las erneut — nur, um ganz sicherzugehen — und reckte die buschigen Brauen in unbeschreiblicher Verblüffung über die alchemistische Formel auf der schwarzen Akte:


      T-018

      Callaghan, G.

      Die Bestie von Compeyson


      Forbidden Woman, Nickleby, Fountleroy Island

      Obwohl er sich in den dunkelsten Winkel des Gesellschaftszimmers zurückgezogen hatte, spürte Krill diesen hereinbrechenden Tag wie ein alter Kapitän den heraufziehenden Sturm. Der herbstliche Wind wehte das Licht des Morgens wie seidene Schleier durch die kleinen Fenster des Bordells und ließ die bestickten roten Gardinen, die Huren wie Freier gleichermaßen vor neugierigen Blicken und wütenden Ehepartnern abschirmten, in einem kristallinen Rosa glitzern.
      Wir beide wissen, wie instabil Callaghan ist. Brian O'Mara lebt nur für den nächsten Rausch und die arme Mercedes ist zu stolz, um ihr Leben an Ihrer Seite als die Sackgasse zu begreifen, die es ist.
      Entrückt und losgelöst vom schwarzen Couchleder unter seinen Tentakeln führte der Meermann das Glas in seiner Hand gegen seine schmalen Lippen, trank jedoch nicht. Zu ohrenbetäubend war dieses neogotische Nickleby, welches festentschlossen schien, sich der Morgendämmerung mit tosenden Fanfaren entgegenzustellen: Die ersten Fabriken schrieen ihre gellenden metallischen Schreie und setzten die donnernden Kriegsmaschinerien in Bewegung, augenblicklich feuerten die gen Himmel aufgestellten Kanonen Rost und Staub und Kohlenqualm aus ihren drohenden Läufen, das Fußvolk marschierte fließbandartig in die backsteinernen Magazine, um sich patriotisch verheizen zu lassen. Zahnräder räderten, Dampfkessel dampften und Köpfe rollten im Namen des Stahls und des großen fountischen Empires, dem sie die Tage zum Fraß vorwarfen. Laut. Nah. So unbegreiflich laut und nah.
      Wollen Sie die kleine Ondine wirklich in Ihre Dunkelheit hineinziehen, Krill?
      Das große Feuergefecht der Finsternis gegen das Licht schepperte in seinen Ohren, jeder gehetzte Schritt auf dem Kopfsteinpflaster hallte wie eine sausende Kugel in Krill nach — und der sturzbesoffene Brian O'Mara schwang sich zum General dieses infernalischen Gemetzels auf, als er auf einer leeren Schnapsflasche reitend die Stufen gen Erdgeschoss hinunterkrachte.
      »Gottverfluchte…Wer hat die Treppe hier liegen lassen?«
      Unter Zuhilfenahme aller Gliedmaßen zerrte er sich am Geländer empor und wankte in die Mitte des rotgeschwängerten Raumes; offensichtlich unschlüssig, ob sein Drang nach einer Toilette den Durst nach der nächsten Flasche aufwog. Letztlich schien die Frage hinfällig, als er Krills Anwesenheit bemerkte und sich neben den Kraken auf die schwarze Ledergarnitur fallen ließ.
      »Wie viel, Süße?«
      »Halt die Klappe.«
      »Warum biste denn so'n Callaghan? Kannste nich schlafen?«
      Langsam schüttelte Krill das blinde, ins Leere starrende Haupt.
      »Ich habe eben erst Ondine ins Bett gebracht. Es war eine lange Nacht.«
      »Ah, richtig«, erinnerte sich der schnapstrunkene O'Mara vage an den Tag, der einst gewesen war, »Wurdest ja von der Menschenfresserin verschleppt. Haste noch alle Tentakel?«
      »Und du?«
      »Witzig«, gähnte O'Mara, »Witziger Witzbold, du…«
      »Ist dir der Alkohol nicht mehr Tonikum genug?«, fragte Krill mit einer Geste auf das verkrustete Loch in O'Maras Oberarm, welches Étaíns Kanüle hinterlassen hatte. Doch erst, als O'Mara den Träger seines grünen Unterhemdes lichtete, schien sich sein zerzauster Blondkopf an den Vorfall zu erinnern.
      »Das? Nein, das is'n Geschenk aus der Vergangenheit. Hatte 'n heißes Rendezvous mit meinem alten Leben.«
      »Verstehe«, murmelte Krill gelassen, endlich trinkend, »An deiner Stelle würde ich mich von deinem alten Leben fern halten. Es scheint dich zu hassen.«
      »Da machste dir keine Vorstellungen«, gluckste O'Mara haareraufend, »Kann ich dir was verraten? Muss aber unter uns bleiben…«
      »Gewiss.«
      Seufzend parkte der Blonde sein kreiselndes Haupt auf der weichen, barocken Lehne der kitschigen Couch und folgte der Rotation der Holzmaserung; Planeten und ihre Monde, die in endloser Revolution umeinander tanzten. Wie zuvor Krill beobachtete er das Nichts, bis er plötzlich entschlossen ausatmete, sich aufrichtete, den Rücken streckte und sich die Seele aus dem Leib rülpste.
      »Urgh…Wann habe ich Kaviar gegessen?«
      »Noch nie.«
      »Ergibt Sinn…wo war ich?«
      »Du wolltest ein bedeutsames Geheimnis mit mir teilen.«
      »Richtig, ich…« Krill roch das Salz in der Luft, noch bevor sich die einsame Träne auf O'Maras moosgrüner Iris sammelte. »Ich hab 'ne Scheißangst, Krill.«
      »Angst, wovor?«, fragte der Meermann ohne Mitleid, aber einfühlsam.
      »Was, wenn ich…Was, wenn ich das Stück Scheiße bin, für das mich diese Arschlöcher halten? Jeder von denen wirft mir irgendeinen Scheiß vor und…Weißte, ich bin nich gerade 'n guter Mensch, ich…ich trinke.«
      Eine effektvolle Pause erhob sich aus diesen Worten, welche Krill nicht zu deuten wusste. »Erwartest du jetzt, dass ich dir widerspreche?«
      »Was? Nein, du Arsch. Nein, ich…Ach, was weiß ich. Was ist, wenn ich ein beschissener Mensch war und sie wirklich verraten habe und was, wenn…Ich bin loyal, oder? Ich würde für Callaghan sterben, für Mercedes und vielleicht sogar für dich, wenn du ab und an netter zu mir wärst, aber…würdet ihr das auch noch über mich sagen, wenn ihr…die Wahrheit erfahrt? Was, wenn ich diese Typen damals wirklich verraten hab und ich das Stück Dreck bin, für das sie mich halten und ihr das erkennt und—«
      »Ruhig«, löschte Krills Stimme das Feuer in O'Maras Gedanken. Noch immer starrten die blinden weißtrüben Augen des Kraken in die Leere des dunstigen Raumes, in dem hohe Vitrinen voller Kitsch und Porzellan unter einem gehauchten Lichtertuch glänzten. »Erinnerst du dich an diese Bar auf Batelira?«
      Verwirrt befühlte O'Mara sein kahles Kinn wie einen prächtigen Vollbart. »Öhm…Das war, als wir wegen Cargo in einer Sackgasse gelandet waren, oder?«
      Der Meermann nickte, beinahe sentimental. »Callaghan war übellaunig wie immer und du warst…du. Hast getrunken und ihn aufgewiegelt, mit dir gleichzuziehen.«
      »Ah, richtig…«, erinnerte sich nun auch der Blonde mit einem strahlenden Schimmer in den feuchten Augen, »Rum und Kokoslikör, immer im Wechsel. Nach 'ner halben Stunde war er hackedicht.«
      Wieder nickte Krill. »In dieser Nacht hat er uns von Compeyson erzählt.«
      »Stimmt…«
      Ein finsterer Schatten bemächtigte sich der beiden Kopfgeldjäger, welchen selbst der hereinbrechende Tag nicht zu bannen vermochte.
      »Erinnerst du dich an deine Reaktion? Oder an meine?«, fragte Krill nüchtern.
      »Öhm…Nö?«
      Seufzend legte der Meermann seine rötliche Hand auf O'Maras Schulter, ihn mit den milchigen Augen fokussierend. »Ich auch nicht.«
      »Was…was willste sagen?«
      »Wer auch immer du warst, O'Mara, war vermutlich kein guter Mensch und ich bin es auch nicht gewesen, sonst hätte uns Callaghans Geheimnis bis in die Grundfesten unserer Seele erschüttert. Doch unsere Seelen waren bereits zerbrochen und diese Wunden heilen nie. Bereite dich also auf das Schlimmste vor, wenn du ihm begegnest.«
      »Ulysses?«
      »Nein. Dir selbst.«
      Bitte versuchen Sie jetzt nicht, mir Ihre armselige Meute von Aussätzigen als kleines dysfunktionales Familienidyll verkaufen zu wollen, Krill.
      »Scheiße«, schnaufte O'Mara angeschlagen, sich wie ein Falke im Sturzflug Krills Glas schnappend, »Das war ja 'ne beeindruckende Rede. Du solltest— Was zum Teufel?!«
      Angewidert hustete er die widerliche Tinktur hoch, die er sich soeben eingeflößt hatte. »Zur Hölle, was ist das?!«
      »Wasser.«
      »Dein Ernst?«, fluchend kämpfte sich der Blonde auf die Beine, um zur Anrichte am anderen Ende des Raumes zu torkeln, »Wer zum Teufel sitzt denn allein im Dunkeln und trinkt WASSER?«
      Schulterzucken aufseiten Krills, während O'Mara eine Flasche Bourbon köpfte und augenrollend fragte:
      »Willste nich erzählen, was mit der Pfählerin war?«
      »Nicht unbedingt.«
      »Tu's trotzdem«, bat O'Mara nach seiner Rückkehr auf die Polsterinsel mit einem ermutigenden Klaps auf Krills Tentakel, »Dann sind wir quitt und ich verzeih dir, dass du mich fast vergiftet hättest.«
      »Gibst du dann dein Leben auch für mich?«
      Nur kurz grübelte O'Mara über die Frage nach. »Würd's in Erwägung ziehen. Also erzähl.«

      So schilderte Krill die abstruse Mär seiner Abenteuer im Königreich der Wasserspeier; erzählte vom großspurigen Zauberer in der magischen Bibliothek, von den schweren Büchern und ihren fremden Zungen, vom Erbe der Teufelsfrüchte und von der verzauberten kleinen Alraune, die sich in einem Moment der Stärke gegen das dunkle Königreich aufgelehnt und der blutroten Regentin die Stirn geboten hatte.
      »…und Triagast verschwand in den Schatten«, endete er mit unheilschwangerer Stimme, die dem betrunkenen O'Mara einen Schauer über den Rücken jagte.
      »Scheiße…«, staunte jener beinahe amüsiert, »Ding, Dong — die Hex ist tot…«
      »Nicht tot«, bemerkte Krill schal, »Sie ist irgendwo da draußen. Beobachtet, wartet, lauert…«
      »Und das macht dich so fertig? Die Frau is'n Sumpf — giftig und voller Monster.«
      »Sie sprach über Callaghan, O'Mara.«
      »Oh, jetzt verstehe ich: Du hast sie in deinen Kopf gelassen.« Mit pastoraler Miene zog O'Mara Krills rotes Ohr lang und rief gespielt bedeutungsumwittert hinein: »Erhöre mich, Pfählerin! Und weiche aus diesem sterblichen Leibe…!«
      »Lass das!«
      »Das is doch nich unser erstes Tänzchen mit diesen autokratischen Krawattenköpfen«, wehrte O'Mara schnapstrinkend ab, »Bleib locker, sonst fressen die dich von innen auf wie dieser billige Fusel hier…Ehrlich, als könnte sich Kelly nicht den teureren Scheiß leisten.«
      Krill ignorierte ihn bereits. Er war ein Seemann, der inmitten des stürmenden Ozeans das Brüllen der Wellen nicht hörte. Der Kapitän, der sich vom Gesang der Sirenen gen Riffe locken ließ.
      Wir beide wissen, wie instabil Callaghan ist…
      Brian O'Mara…und die arme Mercedes…
      Wollen Sie die kleine Ondine wirklich in Ihre Dunkelheit hineinziehen, Krill?
      »Willst du?«
      Aufgeschreckt vom beißenden Gestank des spuckegetränkten Flaschenhalses entkam Krill dem verfluchten Singsang.
      »Nein, danke.«
      O'Mara genehmigte sich noch einen Schluck; noch zwei, noch drei.
      »Triagast ist 'ne beschissene Blutsaugerin, aber die kann uns nichts. Wenn das wieder vorbei is…«
      »Nein«, widersprach Krill plötzlich eiskalt, »Triagast sprach von uns, O'Mara. Von dir und Mercedes und…Callaghan, der ›ausbrechen und uns alle verschlingen‹ wird. Verstehst du?«
      »Dass du dringend 'nen Drink vertragen könntest? Ja, schon. Also…willst du-«
      Sie richtungslos und verloren auf diesen finsteren Wassern treiben lassen, bis sie den Verstand verliert…
      »Es hat nie aufgehört…«, dämmerte es Krill endlich. Sein trüber Blick, vormals milchig und müde, erstrahlte plötzlich wie die Augen eines Sehenden und erfasste den verdutzten O'Mara ebenso klar, als Dädalus' flehende Worte an Ondine in den tiefsten Tiefen seines Verstandes widerhallten:
      »Cassiopeia ist eine gefährliche Frau. Sie ist hungrig nach Macht. Sie lügt. Sie möchte dich besitzen, dich beherrschen…«
      »Was hat nie aufgehört?« O'Mara stand auf verlorenem Posten. »Du sprichst in Rätseln, Wassertrinker.«
      »Macht…Kontrolle. Callaghan? Was, wenn…«
      »Wenn was? Krill?« Besorgt ließ O'Mara von seiner Flasche ab, als er die Angst in Krills blindem Augenweiß ausmachte, die wie fiebrige Hitze vor einem schneeweißen Horizont flimmerte. »Krill? Wenn was?«
      »Ich…«, begannen sich Krills rote Lippen vorsichtig zu regen, »Manchmal erwache ich in einen Alptraum voller Dunkelheit und Leere. Ich kann in diesen Träumen nichts fühlen, nichts schmecken, nichts riechen und die Luft ist von Feuer durchdrungen. In diesen Alpträumen bin ich blind, O'Mara. Doch ich spüre ihre Gegenwart, weißt du?«
      »Was? Wessen Gegenwart?«
      Krill schüttelte nur den Kopf, augenschließend. »Ich weiß es nicht, aber ich spüre diese Dämonen jedes verdammte Mal, wenn Cassiopeia Triagast den Raum betritt.«
      Wollen Sie die kleine Ondine wirklich in Ihre Dunkelheit hineinziehen, Krill? Sie richtungslos und verloren auf diesen finsteren Wassern treiben lassen, bis sie den Verstand verliert…oder Callaghan unweigerlich ausbricht und Sie alle verschlingt?«
      »Sie werden nicht aufhören«, murmelte Krill düster, »Wir müssen sie beschützen…«
      Sie sind vagabundierende Paria, die sich gemeinsam vor den Schrecken der Nacht verkriechen.
      »Sie darf sie nicht kriegen, O'Mara. Wir müssen sie beschützen. Wir müssen…«

      Ich bitte Sie, Krill.


      Dieser Beitrag wurde bereits 7 mal editiert, zuletzt von -Bo- ()

    • Kapitel139 Grüne Augen Grüne Herzen

      -Bo- schrieb:

      »Madison…«, stotterte er zwischen dem Lachen und dem Tanzen der feiernden Massen, »Du und ich…wir…«
      »Was hast du vor, du alberner Kerl?«
      Ein letzter Atemzug trennte ihn vom Rest seines Lebens.
      »Willst du—«
      BUUUMMM
      um die wahrscheinlichste Auflösung diesen Cliffhangers zu benennen. Denn um das Schicksal dieser Stadt wissen wir schon seit langem und der Moment ist dramaturgisch einfach sehr passen. ^^

      Aber das ist das Ende des Kapitels, also was geschieht davor bzw. wessen Geschichte folgen wir. Zwar könnte man sagen, wir bekommen endlich etwas mehr Hintergrund zu Ulysses, aber das stimmt nicht so ganz, denn wir erfahren nicht wirklich mehr über ihn. Außer dass er anscheinend nicht immer alles bis zum Ende durchdenkt oder besser gesagt auch mal auf sein Glück vertraut. Viel eher erfahren wir, mit ihm leicht im Vordergrund, etwas zu Geschichte von SL.
      Den ersten Abschnitt würde ich zeitlich nach dem ersten FB zu O‘Mara und Ulysses einordnen, als sie von Moria besucht worden sind, denn die beiden kommen mir hier etwas älter vor. Weiterhin war Hoolahara da zwar schon runtergekommen, wurde aber noch nicht als zerstört beschrieben. Das einzige was dagegen sprechen würde, ist die Tatsache, dass O‘Mara und Ulysses hier als Laufburschen für Laura aufzutreten scheinen, während sie in diesem FB schon bekannte Namen hatten.

      Wie auch immer, derzeit oder besser zu dieser Zeit fand (wiedermal) ein Aufstand der Larierer gegen die FI statt, wie es auch bei den beiden Vorbildern in unserer Welt häufiger der Fall gewesen ist und wie bei uns ist der Aufstand nicht wirklich bzw dauerhaft erfolgreich verlaufen. Zu diesem Zeitpunkt hat anscheinend Laura, welche vielleicht sogar zu den Köpfen/Förderern des Aufstandes gehört, Kontakt mit einem Stanislav Church aufgenommen oder dieser mit ihr, was Grundsätzlich eigentlich egal ist.

      Bei der Erwähnung von Moskva habe ich zunächst an einen Untergebenen des Zaren gedacht, wobei ich nicht mehr weiß, ob dieser bei der Überhaupt als handelnde Person vorhanden ist. Aber dank der Suchfunktion und deines Charakter-Guide wurde ich daran erinnert, dass er Agent der CP-0 Ziz ist, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt. Ob er schon damals für die CP-0 Arbeitete oder ernst nach einer unangenehmen Begegnung mit Laura oder Ulysses dieser Beigetreten ist wissen wir nicht. Fest steht jedenfalls, dass er die Bombe welche Killenick zerstörte entwickelt hat. Zwar scheint er am Anfang dort noch freiwillig und im Auftrag von irgendjemandem zu arbeiten, aber Harley wird nicht nicht zufällig von einem >gewissen Negerwissenschaftler der kürzlich ohne Gesicht von seiner ›Studienreise‹ zurückgekehrt ist<, gesprochen haben. Also hat Chruch sich entweder bei seinen Forschungen das Gesicht verletzt oder ist für seine Unterwanderung des Freiheitskampfes bestraft worden. Jedenfalls läuft er wegen dieses abhandengekommenen Gesichts nun mit einer Pestmaske herum und ich vermute wir haben ihn bereits am Ende des letzten Kapitels noch einmal gesehen.

      Wie auch immer nachdem der Kampf verloren war und die Laren zu einem Frieden gezwungen wurden, hat sich Ulysses dazu entschlossen die Hauptstadt (?) der Insel zusammen mit all ihren Besatzern und den geschlagenen Larischen Truppenteilen, welche Aufgegeben haben, in die Luft zu jagen. Dabei hilft ihm nicht nur die Bombe welche von Church entwickelt wurde, sonder wie wir bereits auch wissen, Harley, der anscheinend sehr von der Vorstellung begeistert ist eine ganze Stadt in einem hellen und leuchtenden Blitz untergehen zu lassen, während er sich dank seiner Teufelsfrucht in etwas ähnliches göttliches Verwandeln kann.

      Auch sehr schön wie du die anderen Mitgleiter der Truppe eingebaut hast und die beiden Verleibten Geschwister zufällig dem selben Liebespaar helfen den nächsten Schritt zu gehen. Allerdings scheint dem Paar wie ich bereits oben angedeutet habe die Bombe dazwischen zu kommen. Da die Frau mit Madison vorgestellt wurde ihr (beinahe) Ehemann aber nicht, ist dieser entweder bei der Explosion gestorben und Madison würde somit eine Person sein, die Gegen Ulysses steht oder er ist mittlerweile ein hochrangiger fountischen Militär oder Politiker, den wir vielleicht schon kennenlernen durften.

      Wieder ein sehr interessantes und schön geschriebenes Kapitel, dank dem wir nun etwas mehr über die Geschichte der beiden Länder wissen. Übrigens habe ich mich bis eben gefragt woher die grünen Herzen in der Überschrift kommen, aber diese könnten auf die grüne Insel bezogen sein bzw den Patriotismus ihrer Bewohner.
      :thumbsup: Nicht nur in One Piece die reine Wahrheit: :thumbsup:
      Pirates are evil?!!... ...The Marines are Justice?!!
      These labels have been passed around Heaven knows how many times...!!!
      Kids who have never known peace... ...and kids who have never known war... ...Their values are too different!!!
      Whoever stands at the top can define right and wrong as they see fit!!!
      Right now, we stand in neutral territory!!!
      "Justice will prevail"?!... ...Well, sure it will!
      Whoever prevails... ...is Justice!!!! (Doflamingo)

      So kann man es aber auch sehen
      "THERE IS NO JUSTICE, THERE IS ONLY ME!"
      Death, Discworld, Terry Pratchett

    • Kapitel 139 - Grüne Augen Grüne Herzen

      Puh...jetzt weiß ich wie du dich nach meinem letzten Flashback-Kapitel zu Luzifer und so gefühlt haben musst. Ich bin noch immer etwas erschlagen und auch beim zweiten Lesen hat sich das nicht geändert. Nicht, weil es schlecht zu lesen war, es war einfach nur viel, dichte Info.

      Ganz allgemein bin ich froh, dass wir ein wenig mehr Hintergrundgeschichte über Ulysses, O'Mara und die ganzen Widerstandskämpfe gegen die fountische Besatzung erhalten haben. Ich hab dir ja schon oft genug gesagt, dass man beim Lesen merkt, dass dir die Szenen mit Ulysses Spaß bereiten. Sie lesen sich zumindest so.
      Dennoch bin ich, um ehrlich zu sein, etwas überrumpelt von dem Flashback, weil er so ohne Vorbereitung und ohne Vorwarnung kam. Natürlich haben wir dem Pestdoktor die Brücke aus dem letzten Kapitel zu schlagen, aber im ersten Moment hat es natürlich gedauert, bis ich diese Assoziation hergestellt habe. Auch das Ende war unvermittelt (wenn auch in seiner stilistischen Wirkung sehr gut), sodass ich fast glaube, dass es noch nicht ganz vorbei ist mit diesem kurzen Blick in die Vergangenheit?
      Ich muss aber auch zugeben, dass ich durch die intensiven letzten Wochen einfach bei deiner Geschichte bisschen rausgekommen bin. Vielleicht wäre der Eindruck dann nicht so stark gewesen, aber gehen wir noch ein wenig ins Detail.

      Wir sehen in Worten, was du ja schon mehrmals direkt und indirekt angedeutet hast: Der Widerstand gegen die fountische Besatzung ist mal erfolglreich, mal erfolglos und Ulysses sitzt als Idealist buchstäblich über den Dingen und ist mit der Gesamtsituation unzufrieden. Mir hat die Charakterisierung des jungen Ulysses durchaus gefallen, da es einen schönen Kontrast zur "gereifteren" Figur hergestellt hat, die wir in den aktuellen Kapiteln gesehen haben, ohne aber seinen eigentlichen Ursprung und Kern zu verlieren. Ebenso gut inszeniert war natürlich wieder die Beziehung zwischen O'Mara und Ulysses, die ein herrlich dynamisch-unharmonisches Duo spielen und dabei doch deutlich ein Herz und eine Seele sind. (Pluspunkt gab es natürlich für den kurzen Verweis auf Moskva).

      Wir springen ein wenig in die Zukunft und erleben einen "radikalisierteren" Ulysses, der wohl schon die...sagen wir mal...destruktiven Pläne endgültig in die Wege geleitet hat. Zumindest deute ich "Frieden durch Krieg" auf diese Art und Weise. Ansonsten fällt in diesem Zusammenhang der Name Aurora, den ich jetzt spontan nicht zuordnen kann. Da er an dieser Stelle aber fett markiert ist, gehe ich von einer Neueinführung aus? Ich weiß auch nicht, wie ich dieses "Magst du mich?" zu deuten habe. Zumindest schien mir Ulysses bisher nicht der Mensch zu sein, der großartig mit Schmonzetten und romantischen GEfühlen etwas anfangen könnte, wobei ich hier mal nicht direkt von einer Liebesbeziehung ausgehen möchte. Fakt scheint aber zu sein, dass Aurora ein Motivationsgrund für Ulysses Vorhaben ist, weswegen ich schon gespannt bin, mehr über sie zu erfahren.

      Dann kommen wir abschließend zu dem Teil, wo ich etwas verwirrt war. Also der Handlungsablauf war mir schon klar. Wir haben einerseits dieses Fest, wo Madison zentral ist, andererseits das Juweliergeschäft mit ihrem Liebhaber und zu guter Letzt den Part mit Ulysses und der Bombe.
      Wo sich meine Fragezeichen zu bilden begonnen haben, war die Frage, ob Cathal, Moira und Bloom zu diesem Zeitpunkt schon mit Ulysses zusammengerarbeitet haben, oder sich erst nach diesen tragischen Entwicklungen die Gruppe weiter so geformt hat? Sollten sie schon zusammengearbeitet haben, frage ich mich natürlich, was ihre Aufgabe war. Zumindest die Szene mit Moira und dem Liebhaber wirkte recht abiträr und zufällig. Warum sollte sie dem Mann helfen ein Schmuckstück auszusuchen? Vielleicht hat sie natürlich nach anderen Informationen gesucht. Immerhin war der Mann ja ein Mitglied der fountischen Armee. Vielleicht hat sie Informationen gesucht, die für die Platzierung der Bombe, etc. wichtig waren? Das ist zumindest meine Erklärung für den Handlungsstrang.
      Bei Madison bin ich mir hingegen unschlüssiger. Sie wirkt ja wie ein alte Bekannte von Cathal und Bloom. War sie vielleicht zuvor auch Anhänger der Anti-fountischen Bewegung?
      Ich glaube zumindest nicht, dass du hier einfach nur die Tragik der Explosion an Hand eines Liebespaares darstellen wolltest. Das hätte es in meinen Augen nicht nötig gehabt, weswegen ich hier noch von einem tieferen Sinn ausgehe. qoiis Idee, dass mit Madison hier eine Gegenspielerin zu Ulysses ins Spiel gebracht wurde, finde ich besonders interessant.

      Zu guter Letzt dürfen wir Harley noch einmal sehen. Finde ich sehr interessant, dass er sich hierzu bereiterklärt. Passt ja gar nicht so zu seinem sonst so aufgeblasenem Auftreten.

      Ja. Ich hoffe mein Kommentar ist nicht zu verwirrend, aber ich hab versucht meine Gedanken relativ strukturiert wiederzugeben.
      Kapitel hat mir sprachlich wie meistens sehr gut gefallen und ich bin gespannt, welche "Folgen" der Flashback jetzt noch für die Entwicklungen haben wird und mit welchem Ziel Church jetzt auch auf Fountleroy ist.

      - V.

    • Hallo liebe Leser,

      Kapitel 140 ist da und kann unter dem Titel "Miasma" an bekannter Stelle gelesen werden. Ich wünsche viel Vergnügen. :)

      qoii


      qoii schrieb:

      BUUUMMM
      um die wahrscheinlichste Auflösung diesen Cliffhangers zu benennen. Denn um das Schicksal dieser Stadt wissen wir schon seit langem und der Moment ist dramaturgisch einfach sehr passen. ^^
      Das kommt hin, ja.^^

      qoii schrieb:

      Aber das ist das Ende des Kapitels, also was geschieht davor bzw. wessen Geschichte folgen wir. Zwar könnte man sagen, wir bekommen endlich etwas mehr Hintergrund zu Ulysses, aber das stimmt nicht so ganz, denn wir erfahren nicht wirklich mehr über ihn. Außer dass er anscheinend nicht immer alles bis zum Ende durchdenkt oder besser gesagt auch mal auf sein Glück vertraut. Viel eher erfahren wir, mit ihm leicht im Vordergrund, etwas zu Geschichte von SL.
      Ich würde noch weiter gehen: Wir sehen hier einen Ulysses, der mit seinem Leben abgeschlossen hat und bereit war, für seine Ideale zu sterben. Ulysses hat niemals damit gerechnet, dass Harley die Bombe zünden würde. Für ihn stand fest, es selbst tun und dabei sterben zu müssen. Und er hätte es getan. Ein doch recht auffälliger Unterschied zum paranoiden Untergrundboss, der die meiste Zeit seine Verbündeten in seinem Namen agieren lässt und keinen Schritt tut, ohne sich über die Schulter zu schauen.

      qoii schrieb:

      Den ersten Abschnitt würde ich zeitlich nach dem ersten FB zu O‘Mara und Ulysses einordnen, als sie von Moria besucht worden sind, denn die beiden kommen mir hier etwas älter vor. Weiterhin war Hoolahara da zwar schon runtergekommen, wurde aber noch nicht als zerstört beschrieben. Das einzige was dagegen sprechen würde, ist die Tatsache, dass O‘Mara und Ulysses hier als Laufburschen für Laura aufzutreten scheinen, während sie in diesem FB schon bekannte Namen hatten.
      Schließen die bekannten Namen denn einen Dienst unter Laura aus? ;)

      qoii schrieb:

      Wie auch immer, derzeit oder besser zu dieser Zeit fand (wiedermal) ein Aufstand der Larierer gegen die FI statt, wie es auch bei den beiden Vorbildern in unserer Welt häufiger der Fall gewesen ist und wie bei uns ist der Aufstand nicht wirklich bzw dauerhaft erfolgreich verlaufen. Zu diesem Zeitpunkt hat anscheinend Laura, welche vielleicht sogar zu den Köpfen/Förderern des Aufstandes gehört, Kontakt mit einem Stanislav Church aufgenommen oder dieser mit ihr, was Grundsätzlich eigentlich egal ist.
      Dazu schweige ich noch, aber auf Laura freue ich mich persönlich schon sehr und ich bin gespannt, wie du ihre Rolle später bewerten wirst.^^

      qoii schrieb:

      Bei der Erwähnung von Moskva habe ich zunächst an einen Untergebenen des Zaren gedacht, wobei ich nicht mehr weiß, ob dieser bei der Überhaupt als handelnde Person vorhanden ist. Aber dank der Suchfunktion und deines Charakter-Guide wurde ich daran erinnert, dass er Agent der CP-0 Ziz ist, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt. Ob er schon damals für die CP-0 Arbeitete oder ernst nach einer unangenehmen Begegnung mit Laura oder Ulysses dieser Beigetreten ist wissen wir nicht. Fest steht jedenfalls, dass er die Bombe welche Killenick zerstörte entwickelt hat. Zwar scheint er am Anfang dort noch freiwillig und im Auftrag von irgendjemandem zu arbeiten, aber Harley wird nicht nicht zufällig von einem >gewissen Negerwissenschaftler der kürzlich ohne Gesicht von seiner ›Studienreise‹ zurückgekehrt ist<, gesprochen haben. Also hat Chruch sich entweder bei seinen Forschungen das Gesicht verletzt oder ist für seine Unterwanderung des Freiheitskampfes bestraft worden. Jedenfalls läuft er wegen dieses abhandengekommenen Gesichts nun mit einer Pestmaske herum und ich vermute wir haben ihn bereits am Ende des letzten Kapitels noch einmal gesehen.
      Richtig, Church ist der Pestdoktor und damit auch die Brücke zwischen der Gegenwart und diesem Flashback. Bin bekanntlich kein Fan davon, Flashbacks komplett isoliert stehen zu lassen und habe daher Church als Schlüsselfigur benutzt. Deine Gedanken sind soweit korrekt. Wie Churchs Gesicht...abhanden kam und warum, werdet ihr in nicht allzu ferner Zukunft noch erfahren.

      qoii schrieb:

      Wie auch immer nachdem der Kampf verloren war und die Laren zu einem Frieden gezwungen wurden, hat sich Ulysses dazu entschlossen die Hauptstadt (?) der Insel zusammen mit all ihren Besatzern und den geschlagenen Larischen Truppenteilen, welche Aufgegeben haben, in die Luft zu jagen. Dabei hilft ihm nicht nur die Bombe welche von Church entwickelt wurde, sonder wie wir bereits auch wissen, Harley, der anscheinend sehr von der Vorstellung begeistert ist eine ganze Stadt in einem hellen und leuchtenden Blitz untergehen zu lassen, während er sich dank seiner Teufelsfrucht in etwas ähnliches göttliches Verwandeln kann.
      Harleys Rolle in diesem ganzen Zirkus ist gar nicht so glanzvoll, wie er es klingen ließ. Natürlich reizt ihn diese Vorstellung und auch die Bedeutung, die ihm diese Tat verleiht, aber insgesamt sind seine Beweggründe erstaunlich nüchtern. An dieser Stelle muss man immerhin bedenken, dass dieser Harley noch nicht Herr von Schloss Roßkosch ist und sich noch nicht in seinem Luxus und seinem schillernden Reichtum verloren hat.

      qoii schrieb:

      Auch sehr schön wie du die anderen Mitgleiter der Truppe eingebaut hast und die beiden Verleibten Geschwister zufällig dem selben Liebespaar helfen den nächsten Schritt zu gehen. Allerdings scheint dem Paar wie ich bereits oben angedeutet habe die Bombe dazwischen zu kommen. Da die Frau mit Madison vorgestellt wurde ihr (beinahe) Ehemann aber nicht, ist dieser entweder bei der Explosion gestorben und Madison würde somit eine Person sein, die Gegen Ulysses steht oder er ist mittlerweile ein hochrangiger fountischen Militär oder Politiker, den wir vielleicht schon kennenlernen durften.
      Hier enthalte ich mich besser vollkommen. Sonst verderbe ich nur mögliche Überraschungen. :D

      qoii schrieb:

      Wieder ein sehr interessantes und schön geschriebenes Kapitel, dank dem wir nun etwas mehr über die Geschichte der beiden Länder wissen. Übrigens habe ich mich bis eben gefragt woher die grünen Herzen in der Überschrift kommen, aber diese könnten auf die grüne Insel bezogen sein bzw den Patriotismus ihrer Bewohner.
      Ursprünglich sollte das Kapitel nur "Killenick" heißen und war bereits seit Beginn meiner Geschichte geplant. Allerdings hat sich der Fokus seither etwas verschoben und insbesondere durch die Ausweitung des Kapitels auf die Szenen in Hoolahara am Anfang habe ich mich dann für den aktuellen Titel entschieden. Die grünen Herzen sind natürlich selbsterklärend, beim Rest gebe ich dir Recht. Ich kann aber noch hinzufügen, dass Killenick selbst im Kapitel auch als "Grünes Herz" bezeichnet wird.^^
      Vexor


      Vexor schrieb:

      Puh...jetzt weiß ich wie du dich nach meinem letzten Flashback-Kapitel zu Luzifer und so gefühlt haben musst. Ich bin noch immer etwas erschlagen und auch beim zweiten Lesen hat sich das nicht geändert. Nicht, weil es schlecht zu lesen war, es war einfach nur viel, dichte Info.
      Und dabei kam es nicht einmal zu derart umwälzenden Entwicklungen wie in deinem Flashback damals. :D

      Vexor schrieb:

      Ganz allgemein bin ich froh, dass wir ein wenig mehr Hintergrundgeschichte über Ulysses, O'Mara und die ganzen Widerstandskämpfe gegen die fountische Besatzung erhalten haben. Ich hab dir ja schon oft genug gesagt, dass man beim Lesen merkt, dass dir die Szenen mit Ulysses Spaß bereiten. Sie lesen sich zumindest so.
      Kann man so sagen, wobei ich der Fairness halber zugeben muss, dieses Kapitel schon seit Beginn meiner FF geplant zu haben. Dieser eine monumentale, kapitelfüllende Flashback zu Killenik, in dem die ganze Stadt anhand verschiedener Figuren eingeführt und mit Leben gefüllt wird. Außerdem trifft die Geschichte um die Lairen natürlich meine hibernophile Ader ganz massiv und beflügelt mich zusätzlich.^^

      Vexor schrieb:

      Dennoch bin ich, um ehrlich zu sein, etwas überrumpelt von dem Flashback, weil er so ohne Vorbereitung und ohne Vorwarnung kam. Natürlich haben wir dem Pestdoktor die Brücke aus dem letzten Kapitel zu schlagen, aber im ersten Moment hat es natürlich gedauert, bis ich diese Assoziation hergestellt habe. Auch das Ende war unvermittelt (wenn auch in seiner stilistischen Wirkung sehr gut), sodass ich fast glaube, dass es noch nicht ganz vorbei ist mit diesem kurzen Blick in die Vergangenheit?
      Dieser "Überfall" war auch so beabsichtigt. Zwar kann ich nicht gänzlich aus meiner Haut und habe Churchs Auftritt als Brücke benutzt, aber diese stückweite Isolation und damit auch Eigenständigkeit dieser Rückblende war gewollt. Der Flashback sollte sich von bisherigen Reisen in die Vergangenheit abheben und eine in sich abgeschlossene Einheit bilden. Ich kann verstehen, dass es irritierend wirkte, aber das war definitiv mein Plan. Daraus lässt sich wohl auch schon ableiten, dass es im neuen Kapitel nicht in Killenick weitergehen wird -- was aber nicht heißt, dass wir nicht irgendwann dahin zurückkehren werden. ;)

      Vexor schrieb:

      Wir sehen in Worten, was du ja schon mehrmals direkt und indirekt angedeutet hast: Der Widerstand gegen die fountische Besatzung ist mal erfolglreich, mal erfolglos und Ulysses sitzt als Idealist buchstäblich über den Dingen und ist mit der Gesamtsituation unzufrieden. Mir hat die Charakterisierung des jungen Ulysses durchaus gefallen, da es einen schönen Kontrast zur "gereifteren" Figur hergestellt hat, die wir in den aktuellen Kapiteln gesehen haben, ohne aber seinen eigentlichen Ursprung und Kern zu verlieren. Ebenso gut inszeniert war natürlich wieder die Beziehung zwischen O'Mara und Ulysses, die ein herrlich dynamisch-unharmonisches Duo spielen und dabei doch deutlich ein Herz und eine Seele sind. (Pluspunkt gab es natürlich für den kurzen Verweis auf Moskva).
      Freut mich. Habe an diesem ersten Absatz wohl fast so lange gesessen wie am ganzen Rest des Kapitels, um sowohl den jungen Ulysses als auch dessen Zusammenspiel mit O'Mara richtig umsetzen zu können. Irgendwie fällt mir das bei Ulysses etwas schwer. Liegt vielleicht daran, dass er seinen ersten Auftritt als Jugendlicher in einem Flashback hatte und erst später in der Gegenwart eingeführt wurde. Keine Ahnung. xD

      Vexor schrieb:

      Wir springen ein wenig in die Zukunft und erleben einen "radikalisierteren" Ulysses, der wohl schon die...sagen wir mal...destruktiven Pläne endgültig in die Wege geleitet hat. Zumindest deute ich "Frieden durch Krieg" auf diese Art und Weise. Ansonsten fällt in diesem Zusammenhang der Name Aurora, den ich jetzt spontan nicht zuordnen kann. Da er an dieser Stelle aber fett markiert ist, gehe ich von einer Neueinführung aus? Ich weiß auch nicht, wie ich dieses "Magst du mich?" zu deuten habe. Zumindest schien mir Ulysses bisher nicht der Mensch zu sein, der großartig mit Schmonzetten und romantischen GEfühlen etwas anfangen könnte, wobei ich hier mal nicht direkt von einer Liebesbeziehung ausgehen möchte. Fakt scheint aber zu sein, dass Aurora ein Motivationsgrund für Ulysses Vorhaben ist, weswegen ich schon gespannt bin, mehr über sie zu erfahren.
      Keine Sorge, dein Gedächtnis lässt dich nicht im Stich. Aurora ist ein neuer Charakter, dessen Name in diesem Kapitel zum ersten Mal gefallen ist. Zu ihrer Rolle halte ich mich noch bedeckt, versichere dir aber, dass du gleichzeitig Recht und Unrecht hast, was Ulysses'...romantische Ambitionen betrifft. Wir haben ja bereits am Beispiel von Etain gesehen, dass er durchaus (sexuelle) Gefühle hegen kann...wenn auch eher verkappt.^^

      Vexor schrieb:

      Wo sich meine Fragezeichen zu bilden begonnen haben, war die Frage, ob Cathal, Moira und Bloom zu diesem Zeitpunkt schon mit Ulysses zusammengerarbeitet haben, oder sich erst nach diesen tragischen Entwicklungen die Gruppe weiter so geformt hat? Sollten sie schon zusammengearbeitet haben, frage ich mich natürlich, was ihre Aufgabe war. Zumindest die Szene mit Moira und dem Liebhaber wirkte recht abiträr und zufällig. Warum sollte sie dem Mann helfen ein Schmuckstück auszusuchen? Vielleicht hat sie natürlich nach anderen Informationen gesucht. Immerhin war der Mann ja ein Mitglied der fountischen Armee. Vielleicht hat sie Informationen gesucht, die für die Platzierung der Bombe, etc. wichtig waren? Das ist zumindest meine Erklärung für den Handlungsstrang.
      Keine Sorge, dass wird alles noch mehr oder weniger aufgelöst und ist nicht so komplex, wie es vielleicht wirken mag. Auch wenn es mir gefällt, dass du hinter jeder meiner Szenen einen tieferen Handlungssinn vermutest. Sehr schmeichelhaft. :D

      Vexor schrieb:

      Bei Madison bin ich mir hingegen unschlüssiger. Sie wirkt ja wie ein alte Bekannte von Cathal und Bloom. War sie vielleicht zuvor auch Anhänger der Anti-fountischen Bewegung?
      Nein, tatsächlich traf sie Bloom und Cathal zum ersten Mal. Dass das Gespräch recht schnell recht vertraut wurde, liegt an Cathals Charme und Madisons Offenherzigkeit. Wie im Kapitel auch gesagt, liegen beide einfach auf einer "Wellenlänge". Bloom fungierte indes eher als Kontrastfigur.

      Vexor schrieb:

      Ich glaube zumindest nicht, dass du hier einfach nur die Tragik der Explosion an Hand eines Liebespaares darstellen wolltest. Das hätte es in meinen Augen nicht nötig gehabt, weswegen ich hier noch von einem tieferen Sinn ausgehe. qoiis Idee, dass mit Madison hier eine Gegenspielerin zu Ulysses ins Spiel gebracht wurde, finde ich besonders interessant.
      Jain. Natürlich wollte ich der Geschichte ein Gesicht geben, aber an dieser Stelle wird Madisons Rolle nicht enden. Das wäre mir diese Tragödie im Kleinen dann doch nicht wert gewesen.^^

      Vexor schrieb:

      Zu guter Letzt dürfen wir Harley noch einmal sehen. Finde ich sehr interessant, dass er sich hierzu bereiterklärt. Passt ja gar nicht so zu seinem sonst so aufgeblasenem Auftreten.
      Siehe meine Ausführungen bei qoii. Wir erleben hier einen Pre-Roßkosch Harley. Ein arroganter Lackaffe, der jedoch noch längst nicht so verklärt und abgedriftet ist wie der schlaflose Psychopath, den Flint Jahre später jagen wird. Harleys Beweggründe sind -- vom romantisierten Heroismus vielleicht einmal abgesehen -- relativ pragmatisch.

      Vexor schrieb:

      Ja. Ich hoffe mein Kommentar ist nicht zu verwirrend, aber ich hab versucht meine Gedanken relativ strukturiert wiederzugeben.
      Nein, alles gut. Ich habe durchaus damit gerechnet, dass dieser Flashback nicht einfach abgenickt werden wird.^^

      Vexor schrieb:

      Kapitel hat mir sprachlich wie meistens sehr gut gefallen und ich bin gespannt, welche "Folgen" der Flashback jetzt noch für die Entwicklungen haben wird und mit welchem Ziel Church jetzt auch auf Fountleroy ist.
      Dazu kann ich mit Stolz auf das aktuelle Kapitel verweisen. :D


    • Kapitel 140 Miasma

      Hier bitte noch bessere Ausreden einfügen als bei Vexors-FF. :whistling:

      Diesmal gibt es ein ganzes Kapitel, welches sich nur um Mercedes dreht. Dabei stellt sich mir zunächst einmal die Frage, warum sie überhaupt in diese Lagerhalle eindringt. Das Letzte was wir von ihr erfahren haben, war die Ankunft mit dem Zug in Begleitung von Mr. Allerweltsgesicht. Da wir grundsätzlich wissen, das er Mercedes mitgenommen hat um irgendetwas in dieser Stadt erledigen zu lassen, müssten wir davon ausgehen, dass es seine Idee war sie dorthin zu schicken. Wenn man aber bedenkt, das Church ebenfalls zur Seite der Regierung gehören müsste fragt man sich warum er dies gemacht hat. Offiziell ist Chruch ein Agent einer anderen CP-0 Einheit, aber abtrünnige Regierungsbeamte gibt es in deinem FF zur genüge und die einzelnen Abteilungen sind sich auch nicht Grün.

      Church scheint jedenfalls passen zu seinem Refugium die eine oder andere Schraube locker zu haben und sich mittlerweile zu sehr mit seinem Aussehen zu identifizieren. Er hält sich für einen gnadenvollen künstlerisch begabten Tod, was ihn nicht gerade sehr Sympathisch macht und die Frage aufwirft, was ihm so alles passiert ist, immerhin ist er zumindest in dem FB Kapitel als ziemlich galant und hochnäsig aufgetreten. Weiterhin deutet alles an seiner Umgebungs und Verhaltensbeschreibung darauf hin, dass er sich schon länger an diesem Ort aufhält. Weswegen man durchaus davon ausgehen kann, dass er etwas mit Ulysses Plänen in dieser Stadt zu tun haben müsste, aber wie wir schon im FB erfahren haben, sind seine Fähigkeiten auch schon beim verschwinden einer anderen Stadt von nutzen gewesen.

      Weiterhin erfahren wird, dass er nicht nur ein gut trainierter Agent zu sein scheint, sondern sich auch wirklich mit Medizin bzw Chemie auskennt. Er kann nicht nur beeindruckende Bomben bauen, sondern auch ein Gift entwickeln, welches Mercedes vor ernste Probleme stellt. Nicht nur direkt körperlich, sondern auch bei der Erstellung eines dauerhaften Gegengiftes. Zusätzlich wird angedeutet, dass er auch etwas mit O‘Maras Kampffähigkeiten zu tun hat bzw seiner Fähigkeit den Schmerz abzustellen bzw diese Möglichkeit richtig im Kampf zu nutzen. Jedenfalls ist er ein sehr gefährlicher Gegner, auch wenn es so scheint als hätte Mercedes ihn am Ende wirklich erledigt. Allerdings erscheint mir für ein so schnelles Ende seine gesamte Auftrittszeit doch etwas zu kurz. Also hat er entweder doch irgendwie überlebt, immerhin war schon vorher nicht mehr viel von seinem Gesicht übrig oder er wird noch in FBs bzw durch seine Entwicklungen noch wichtig.

      Ansonsten bekommen wir noch einige kleinere Einblicke in die Erschaffung vom Mercedes, denn alles hat mich schon sehr an Dr. Frankenstein und seine geistigen/ ähnlich Handelnden Wissenschaftskollegen erinnert. Trotzdem bin ich mir gerade nicht mehr sicher, ob wir schon wissen warum Mercedes so umgebaut wurde, bzw was sie so verletzt hat und warum überhaupt so viel Aufwand ihn ihr weiterleben gesteckt wurde. Das letzte woran zumindest ich mich erinnere ist, dass ein WR auf PS gefallen an ihr gefunden hat und ihr Bruder eingreifen wollte und von diesem WR erschossen wurde.

      Ansonsten bekommen wir wieder einen sehr guten Kampf, welcher vor bildlichen Vergleichen und Wortspielen nur so strotzt, was ich wieder einfach nur wunderbar finde. Was der gesamte tiefere sind des Kapitels ist, außer dem genießen, erschließt sich mir zwar noch nicht, aber manchmal muss man einfach abwarten. Damit wäre ich auch schon wieder am Ende angekommen, wie lange Wartezeit hat diesmal nicht zu einem längeren Kommentar geführt.^^
      :thumbsup: Nicht nur in One Piece die reine Wahrheit: :thumbsup:
      Pirates are evil?!!... ...The Marines are Justice?!!
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      Whoever prevails... ...is Justice!!!! (Doflamingo)

      So kann man es aber auch sehen
      "THERE IS NO JUSTICE, THERE IS ONLY ME!"
      Death, Discworld, Terry Pratchett

    • Kapitel 140 - Miasma

      Das Jahr ohne Kommentar beenden? Niemals!!

      Ein langer Kommentar wird es nicht, aber das hast du mir ja selbst angeboten, als nimmt mein Zeitmanagement dieses Angebot freudestrahlend an.
      Das Kapitel hingegen war lang und ich bin echt beeindruckt, wie du es geschafft hast, den kompletten Inhalt auf so ein langes Kapitel zu dehnen, ohne dass es sich anfüllt, dass du dich in Wiederholungen und unnötigen Passagen verlierst.
      Das Geschilderte war eindrucksvoll, packend und man hat dem Kampf wirklich gut folgen können. Natürlich gab es ein oder zwei Stellen, über die man beim Lesen gestolpert ist oder die sich nicht so galant in das komplexe Wortgefüge eingebettet haben, aber im großen und ganzen war das eine wirklich spannende Auseinandersetzung.

      Wie es zu dem unheiligen Treffen zwischen Church und Mercedes gekommen ist, wirst du uns sicherlich noch entsprechend nachlegen. Da habe ich mal keine Bedenken. Viel interessanter fand ich einfach ein paar Bruchstücke über Mercedes Vergangenheit und damalige Verwandlung zu erfahren. Du hast Mercedes in diesem Kapitel wirklich wieder toll dargestellt und umso öfter sie in Erscheinung tritt, desto schmerzlicher wird einem bewusst, was dem letzten Arc dann an dieser Stelle vielleicht gefehlt hat.
      Auch Church hat mir sehr zugesagt. Ich hatte bei seiner Kampfkunst schon kurz Bedenken, dass ich wieder mal eine Teufelsfrucht meinerseits streichen muss, aber das war ja dann zum Glück nicht der Fall.

      Unsicher bin ich mir, ob es jetzt tatsächlich mit ihm schon erledigt sein soll. Ich rechne irgendwie nicht damit, aber schauen wir mal!

      Hundert Fragen und Kleinigkeiten hab ich bestimmt ausgelassen, aber vieles davon hat qoii auch schon angesprochen und ich musste hier ins Kommentare schreiben auch erst wieder reinkommen!
      Insgesamt fulminantes Kapitel, welches mir durchweg gefallen hat!

      Im neuen Jahr mehr davon! :)

    • One Shot - Was darf es sein? 6
      1.  
        Der Pferdegott (2) 33%
      2.  
        Rhino (2) 33%
      3.  
        Liebste Mrs. Molineux (1) 17%
      4.  
        Tritt auf, umzingelt von Wölfen (1) 17%
      Das Jahr ist bald vorbei, aber ganz ohne Kapitel möchte ich mich doch nicht von 2018 verabschieden. Ich weiß, der Leerlauf war lang, aber als Ausgleich gibt es heute gleich zwei Kapitel. Sie sind an alter Stelle zu finden und ich wünsche viel Spaß beim Lesen. :)

      Außerdem möchte ich um eure Teilnahme bitten: Anlässlich des 150. Kapitels möchte ich ein OneShot veröffentlichen. Hierbei soll es um einen Charakter gehen, der in der Geschichte keine Rolle mehr spielen wird, aber dennoch eine Geschichte zu erzählen hat. Ihr dürft wählen. Um die ganze Sache aber etwas interessanter zu machen, wählt ihr zwischen den Titeln der OS, ohne den Charakter dahinter zu kennen. Fies? Vielleicht ein bisschen. :D
      Ich verspreche aber, dass keine Geschichte für sich allein steht, sondern immer in die Hauptstory eingebettet sein wird oder zusätzliche Infos, Lore und Relevanz bietet. Etwaige Gastauftritte anderer bekannter Figuren inklusive. Eine falsche Wahl gibt es also im Grunde nicht. Lasst euren Bauch entscheiden, welcher Titel euch am meisten zusagt und lasst euch überraschen.^^

      Und nun zu den Kommentaren, für die ich mich wieder herzlich bedanke:

      qoii

      qoii schrieb:

      Diesmal gibt es ein ganzes Kapitel, welches sich nur um Mercedes dreht. Dabei stellt sich mir zunächst einmal die Frage, warum sie überhaupt in diese Lagerhalle eindringt. Das Letzte was wir von ihr erfahren haben, war die Ankunft mit dem Zug in Begleitung von Mr. Allerweltsgesicht. Da wir grundsätzlich wissen, das er Mercedes mitgenommen hat um irgendetwas in dieser Stadt erledigen zu lassen, müssten wir davon ausgehen, dass es seine Idee war sie dorthin zu schicken. Wenn man aber bedenkt, das Church ebenfalls zur Seite der Regierung gehören müsste fragt man sich warum er dies gemacht hat. Offiziell ist Chruch ein Agent einer anderen CP-0 Einheit, aber abtrünnige Regierungsbeamte gibt es in deinem FF zur genüge und die einzelnen Abteilungen sind sich auch nicht Grün.
      Fragen, die mit den heutigen Kapiteln beantwortet werden. Du liegst aber natürlich goldrichtig: Die bereits angedeuteten Konflikte zwischen den Regierungsabteilungen spitzen sich zu und haben auch diese Situation zu verantworten. Mehr oder weniger.^^

      qoii schrieb:

      Church scheint jedenfalls passen zu seinem Refugium die eine oder andere Schraube locker zu haben und sich mittlerweile zu sehr mit seinem Aussehen zu identifizieren. Er hält sich für einen gnadenvollen künstlerisch begabten Tod, was ihn nicht gerade sehr Sympathisch macht und die Frage aufwirft, was ihm so alles passiert ist, immerhin ist er zumindest in dem FB Kapitel als ziemlich galant und hochnäsig aufgetreten. Weiterhin deutet alles an seiner Umgebungs und Verhaltensbeschreibung darauf hin, dass er sich schon länger an diesem Ort aufhält. Weswegen man durchaus davon ausgehen kann, dass er etwas mit Ulysses Plänen in dieser Stadt zu tun haben müsste, aber wie wir schon im FB erfahren haben, sind seine Fähigkeiten auch schon beim verschwinden einer anderen Stadt von nutzen gewesen.
      Ich verweise erneut auf eines der neuen Kapitel, welches sogar nach unserem geschätzten Pestdoktor benannt ist.^^

      qoii schrieb:

      Weiterhin erfahren wird, dass er nicht nur ein gut trainierter Agent zu sein scheint, sondern sich auch wirklich mit Medizin bzw Chemie auskennt. Er kann nicht nur beeindruckende Bomben bauen, sondern auch ein Gift entwickeln, welches Mercedes vor ernste Probleme stellt. Nicht nur direkt körperlich, sondern auch bei der Erstellung eines dauerhaften Gegengiftes. Zusätzlich wird angedeutet, dass er auch etwas mit O‘Maras Kampffähigkeiten zu tun hat bzw seiner Fähigkeit den Schmerz abzustellen bzw diese Möglichkeit richtig im Kampf zu nutzen. Jedenfalls ist er ein sehr gefährlicher Gegner, auch wenn es so scheint als hätte Mercedes ihn am Ende wirklich erledigt. Allerdings erscheint mir für ein so schnelles Ende seine gesamte Auftrittszeit doch etwas zu kurz. Also hat er entweder doch irgendwie überlebt, immerhin war schon vorher nicht mehr viel von seinem Gesicht übrig oder er wird noch in FBs bzw durch seine Entwicklungen noch wichtig.
      Kleine Klarstellung: Der Hinweis auf O'Mara war nur auf das Life-Feedback bezogen, nicht auf O'Maras Schmerztoleranz. Ansonsten stimme ich zu.

      qoii schrieb:

      Ansonsten bekommen wir noch einige kleinere Einblicke in die Erschaffung vom Mercedes, denn alles hat mich schon sehr an Dr. Frankenstein und seine geistigen/ ähnlich Handelnden Wissenschaftskollegen erinnert. Trotzdem bin ich mir gerade nicht mehr sicher, ob wir schon wissen warum Mercedes so umgebaut wurde, bzw was sie so verletzt hat und warum überhaupt so viel Aufwand ihn ihr weiterleben gesteckt wurde. Das letzte woran zumindest ich mich erinnere ist, dass ein WR auf PS gefallen an ihr gefunden hat und ihr Bruder eingreifen wollte und von diesem WR erschossen wurde.
      Richtig, mehr ist von Mercedes noch nicht bekannt. Dieses Kapitel lieferte lediglich einen kleinen Anblick in die Experimente an Mercedes und ihren Umbau, sowie natürlich ihre Befreiung. Das mag an Frankenstein gemahnen und passt damit natürlich hervorragend in diesen Arc.^^

      qoii schrieb:

      Ansonsten bekommen wir wieder einen sehr guten Kampf, welcher vor bildlichen Vergleichen und Wortspielen nur so strotzt, was ich wieder einfach nur wunderbar finde. Was der gesamte tiefere sind des Kapitels ist, außer dem genießen, erschließt sich mir zwar noch nicht, aber manchmal muss man einfach abwarten. Damit wäre ich auch schon wieder am Ende angekommen, wie lange Wartezeit hat diesmal nicht zu einem längeren Kommentar geführt.^^
      Der Sinn des Kapitels dürfte nach den ersten Zeilen des neuen Kapitels selbsterklärend sein. Viel Spaß. :D
      Vexor

      Vexor schrieb:

      Das Kapitel hingegen war lang und ich bin echt beeindruckt, wie du es geschafft hast, den kompletten Inhalt auf so ein langes Kapitel zu dehnen, ohne dass es sich anfüllt, dass du dich in Wiederholungen und unnötigen Passagen verlierst.
      Das Geschilderte war eindrucksvoll, packend und man hat dem Kampf wirklich gut folgen können. Natürlich gab es ein oder zwei Stellen, über die man beim Lesen gestolpert ist oder die sich nicht so galant in das komplexe Wortgefüge eingebettet haben, aber im großen und ganzen war das eine wirklich spannende Auseinandersetzung.
      Sehr gut, danke. Wie bereits privat geschrieben, habe ich in diesem Kapitel eine neue Methode für Flashbacks ausprobiert und bin mit dem Ergebnis ziemlich zufrieden. Klar, es war nicht perfekt, aber das ist kein Kapitel und für den ersten Versuch...habe ich schlechtere Kritiken befürchtet. :D

      Vexor schrieb:

      Wie es zu dem unheiligen Treffen zwischen Church und Mercedes gekommen ist, wirst du uns sicherlich noch entsprechend nachlegen. Da habe ich mal keine Bedenken. Viel interessanter fand ich einfach ein paar Bruchstücke über Mercedes Vergangenheit und damalige Verwandlung zu erfahren. Du hast Mercedes in diesem Kapitel wirklich wieder toll dargestellt und umso öfter sie in Erscheinung tritt, desto schmerzlicher wird einem bewusst, was dem letzten Arc dann an dieser Stelle vielleicht gefehlt hat.
      Auch Church hat mir sehr zugesagt. Ich hatte bei seiner Kampfkunst schon kurz Bedenken, dass ich wieder mal eine Teufelsfrucht meinerseits streichen muss, aber das war ja dann zum Glück nicht der Fall.
      'Türlich lege ich das nach.^^
      Und du darfst dich freuen, Mercedes hat noch mehr vor in diesem Arc. Ich kompensiere hier rigoros ihre Abstinenz im letzten Arc. Wäre schließlich eine Schande, die wichtigste Frau der Geschichte im Arc der Frauen zu kurz kommen zu lassen.

      Vexor schrieb:

      Unsicher bin ich mir, ob es jetzt tatsächlich mit ihm schon erledigt sein soll. Ich rechne irgendwie nicht damit, aber schauen wir mal!
      Auflösung gibt's im neuen Kapitel. :D

      Vexor schrieb:

      Im neuen Jahr mehr davon!
      Wollen wir es hoffen -- und direkt zurück an dich. Arbeite an dieser roten Tür, bis dir die Tippfinger abfallen!


      Das war es auch wieder. Viel Spaß mit den Kapiteln und bis nächstes Jahr. Ich hoffe, das nächste Kapitel wird nicht so lange auf sich warten lassen.^^


    • Kapitel 141 und 142

      Zählt der Siebte eines Monats immer noch mit zum Ersten? Dann hätte ich nämlich meine Ankündigung aus dem letzten Jahr doch noch wahr gemacht und die zwei Kapitel rechtzeitig kommentiert. ^^

      Ganz am Anfang bekommen wir die Bestätigung das Church wirklich erledigt ist und werden danach eingeweiht wie Mercedes überhaupt in diese Situation gekommen ist. Zwar weiß ich nicht (mehr) wieso, aber Lorelei hat sich die Mühe gemacht die Vermisstenfälle in Killenick der letzten 15 Jahre zusammenzutragen und auszuwerten. Dies ist eine sehr beachtliche und beeindruckende Leistung, wobei ich mich Frage, warum sie sich genau für diese Stadt interessiert hat. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es einen Grund gab, der mir mittlerweile Entfallen ist, aber deswegen kommt es mir derzeit etwas willkürlich vor genau diese Stadt, genau auf diesen Punkt hin zu überprüfen und nach der Entdeckung zwei Leute zur genaueren Abklärung zu schicken. Wobei ihr eigentlich klar gewesen sein dürfte, dass Mercedes es sicher nicht nur bei einer Aufklärung belassen würde bzw. die Gefahr, dass es bei so einem Täter doch zum Kampf kommt, sehr groß ist.

      Etwas erstaunt hat es mich nochmal, dass Cassiopeia anscheinend wirklich eine Psychologin/Profilerin ist, irgendwie hat sich bei mir der Gedanke ziemlich festgesetzt, dass sie dies nur zur Tarnung bei Harley benutzt hat, aber was gibt es für eine bessere Tarnung, als die eigne Profession

      Der größte Teil des Kapitels beschäftigt sich danach mit der Abhandlung von Churchs Tätigkeiten vor Ort und der anscheinenden Unwissenheit des Grauen Spions darüber. Ihm glaube ich das entsetzten irgendwie, auch wenn ich es etwas verwunderlich finde, dass er Church sofort erkannt hat. Zwar war er dank seiner Maske sehr auffällig, aber direkt von einem Unikat würde ich in einer solchen Situation auch nicht ausgehen. Zwar wissen wir nicht wie gut sich die Mitglieder der einzelnen Abteilungen kennen, aber die Identifizierung ging mir dann doch etwas zu schnell für eine vollkommene Unwissenheit über Churchs Aufenthaltsort. Durch Churchs Tätigkeit und die drin sehr wahrscheinlich enthaltende Deckung dieser durch die WR hat Mercedes das bisschen Vertrauen in die CP, welches der Graue Spion aufbauen konnte, wieder verloren.

      Entweder spricht es für oder gegen dich, dass ich mich die beschriebenen Gegebenheiten zwar beeindruckt aber nicht gerade geschockt haben, bei dir gab es schon zu viele Leichenberge und Grausamkeiten, als dass man noch entsetzt davor sitzen kann.^^

      Was diesen Prediger angeht, glaube ich nicht, dass es sich um ein Hirngespinst handelt, sonst hättest du ihn nicht fett markiert. Als erster Verdächtiger kam mir Ulysses in den Sinn, aber durch große Ansprachen hat er sich bisher nicht hervorgetan, eher durch eine Verachtung für alles Lebende was nicht Familie, Familienfreund oder Laire ist, weswegen mich die Vernichtungsbeschreibungen an ihn denken ließen. Aber als Anführer eines Untergrundnetzwerkes, welches sich, sofern ich mich recht entsinne, immer noch der Befreiung ihrer Heimat verschrieben hat, wäre ein Untergebener, der die Massen begeistern kann, sicher sehr hilfreich.

      OK sagen wir es anders der Hotelportier hat mir mehr Schauer über den Rücken laufen lassen als die Lagerhalle, zumindest beim zweiten Lesen vor dem jetzigen Kommentar, ähnliches geht für das Hotelzimmer.^^
      Mit Brianna Smith hast du für die Wissenden etwas sehr schönes eingebaut, allerdings weiß ich nicht mehr, in wieweit dies zeitlich Übereinander passt, bzw eine wirkliche Referenz von Mercedes auf >die Brianna< ist. Wenn ich mich nicht vertue, müsste dein FF doch ungefähr zehn Jahre vor Vexors spielenden, also genau zu den Zeitpunkt als Brianna ihre Karriere begann.

      Schön zu hören, dass es mit den zerstörten Stätten wieder aufwärts geht und um die ganze Highsociety war es ohnehin nicht schade. Jetzt bleibt nur noch die Frage ob Mercedes über L neue SUUUPPPER Gimmicks bekommen hat, welche im weiteren verlauf noch interessant werden oder es sich hauptsächlich um gut zu gebrauchende Ersatz oder Austauschteile handelt.

      Während "Brianna" etwas zu Ruhe kommen kann, sofern sie nicht doch noch die Laken genauer inspiziert, beschäftigt sich der Graue Spion weiter mit Churchs Hinterlassenschaften. Nachdem er erkannt hat, dass er auf dem Gebiet der Aufzeichnungen nicht weiter kommt, will er sich nun anscheinend mit den Überresten der Forschung beschäftigen, trifft dabei aber auf Myzete Beelzebub. Diese wusste natürlich von Churchs Machenschaften und scheint sich dort Pudelwohl zu fühlen. So wie sie sich Ausdrückt ist sie der Meinung, dass bei den ganzen Leichen eine weitere nicht schaden kann, besonders wenn sie damit die Anzahl der Agenten in den einzelnen Abteilungen der CP-0 wieder angleichen kann. Zwar scheint sich der Graue Spion einen nicht zu schlechten Plan zurechtgelegt zu haben, aber die Festigkeit von Myzetes Nase ist höher als die seiner Fingerknochen, was dazu führen könnte, dass er bald kein grauer, sondern ein roter Spion gewesen sein wird.

      Während dieses Dramas spielen sich im Palast für Catherine ganz eigene Dramen ab. Es spricht wahrscheinlich wirklich für deine Schreibkunst, wenn ich ihr gerne mal ein paar leichte Schläge, wahrscheinlich am besten auf den Hinterkopf, verabreichen möchte, damit sie mal endlich aus ihrer sagen wir mal Illusion aufwacht oder wie immer man ihre Weltsicht beschreiben möchte. Allerdings darf ich dabei auch nicht vergessen, dass zu zum einen noch ziemlich jung ist und vor allem von ihrem Umfeld so erzogen wurde bzw. dieses eine solche Entwicklung zugelassen hat. Deswegen hat Catherine Carla auch so gut wie nichts entgegenzusetzen und sollte sie mal wirklich in der realen Welt landen wird sie gnadenlos untergehen. Da wird ihr das große Drama mit der kleinen Spinne wie das fröhlichste Ereignis in Erinnerung bleiben.

      Dies wird nochmal besonders in dem Kontrast deutlich, der sich in der beider Umgang mit Ulysses zeigt. Während Catherine in ihrem eigenen Palast, umgeben von ihren ganzen Wachen, gegen ihren Cousin sprichwörtlich kein Bein auf den Boden bekam, scheint Carla während ihrer Begegnung mit Ulysses die ganze Zeit die dominierende Person zu sein. Dabei darf auch nicht vergessen werden, dass sie derzeit eigentlich eine Untergebene von Ulysses ist bzw. von seinem wohl wollen abhängig, da sie Harley Posten und seinen schlechten Stand geerbte hat.

      Aber auch wenn Ulysses hier eher unsicher und unterlegen wirkt, bedeutet dies nicht, dass es wirklich so ist. Sofern ich mich recht entsinne, wirkte er auch bei den meisten anderen Situationen, welche die Interaktion mit anderen Menschen beinhalteten, nicht sehr viel souveräner, es sei den er war in einer mehr als klaren Machtsituation wie bei Catherine oder wusste, dass er bald auf Gewalt zurückgreifen kann wie bei diesem Politiker dessen Name mir komplett entfallen ist.

      Allgemein hat die gesamte Interaktion in »Rosette«sehr gut gefallen. Ulysses riesiges Tattoo hat, wenn ich mich recht erinnere, doch etwas mit Blooms Teufelskraft zu tun.

      Damit wäre ich auch wieder am Ende von meinem Kommentar der beiden sehr schönen und interessanten Kapitel. Wenn alles klappt wie wir es hoffen, wird es auch nicht all zulange bis zu meinem nächsten Kommentar, zu einem neuen Kapitel dauern. ;)
      :thumbsup: Nicht nur in One Piece die reine Wahrheit: :thumbsup:
      Pirates are evil?!!... ...The Marines are Justice?!!
      These labels have been passed around Heaven knows how many times...!!!
      Kids who have never known peace... ...and kids who have never known war... ...Their values are too different!!!
      Whoever stands at the top can define right and wrong as they see fit!!!
      Right now, we stand in neutral territory!!!
      "Justice will prevail"?!... ...Well, sure it will!
      Whoever prevails... ...is Justice!!!! (Doflamingo)

      So kann man es aber auch sehen
      "THERE IS NO JUSTICE, THERE IS ONLY ME!"
      Death, Discworld, Terry Pratchett

    • Schönen Dienstag, liebe Leser und Kommentatoren. Es geht weiter, Kapitel 143 kann unter dem Titel "Alles ist Papier" an alter Stelle gelesen werden. Das nächste Kapitel wird es dann erst wieder Ende Februar bis Anfang März geben -- die Prüfungsphase beginnt für mich, weshalb die FF hintanstehen muss. Aber jetzt wünsche ich erst einmal viel Vergnügen mit dem aktuellen Kapitel. :D

      Und dich habe ich natürlich auch nicht vergessen,
      qoii.

      qoii schrieb:

      Ganz am Anfang bekommen wir die Bestätigung das Church wirklich erledigt ist und werden danach eingeweiht wie Mercedes überhaupt in diese Situation gekommen ist. Zwar weiß ich nicht (mehr) wieso, aber Lorelei hat sich die Mühe gemacht die Vermisstenfälle in Killenick der letzten 15 Jahre zusammenzutragen und auszuwerten. Dies ist eine sehr beachtliche und beeindruckende Leistung, wobei ich mich Frage, warum sie sich genau für diese Stadt interessiert hat. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es einen Grund gab, der mir mittlerweile Entfallen ist, aber deswegen kommt es mir derzeit etwas willkürlich vor genau diese Stadt, genau auf diesen Punkt hin zu überprüfen und nach der Entdeckung zwei Leute zur genaueren Abklärung zu schicken. Wobei ihr eigentlich klar gewesen sein dürfte, dass Mercedes es sicher nicht nur bei einer Aufklärung belassen würde bzw. die Gefahr, dass es bei so einem Täter doch zum Kampf kommt, sehr groß ist.
      Lorelei ist ein Mysterium und so ist auch die Frage, wieso sie ausgerechnet über Copperfield recherchiert hat, ein Mysterium. Aber zu gegebener Zeit wird sich das aufklären. Schließlich befindet sich schon ein Großteil ihrer Einheit an der Front. Allzu lange wird sich also auch der Leviathan höchstselbst nicht mehr zieren können.^^

      qoii schrieb:

      Etwas erstaunt hat es mich nochmal, dass Cassiopeia anscheinend wirklich eine Psychologin/Profilerin ist, irgendwie hat sich bei mir der Gedanke ziemlich festgesetzt, dass sie dies nur zur Tarnung bei Harley benutzt hat, aber was gibt es für eine bessere Tarnung, als die eigne Profession
      Ja, ihr Werdegang ist mehr oder minder identisch mit dem ihres Alter Ego. Chirurgin -- Psychiaterin -- Forensische Psychiaterin. Sie war im Schloss Roßkosch also voll in ihrem Element, bis Krill das Schloss und sie gleich mit zerstückelt hat. :D

      qoii schrieb:

      Der größte Teil des Kapitels beschäftigt sich danach mit der Abhandlung von Churchs Tätigkeiten vor Ort und der anscheinenden Unwissenheit des Grauen Spions darüber. Ihm glaube ich das entsetzten irgendwie, auch wenn ich es etwas verwunderlich finde, dass er Church sofort erkannt hat. Zwar war er dank seiner Maske sehr auffällig, aber direkt von einem Unikat würde ich in einer solchen Situation auch nicht ausgehen. Zwar wissen wir nicht wie gut sich die Mitglieder der einzelnen Abteilungen kennen, aber die Identifizierung ging mir dann doch etwas zu schnell für eine vollkommene Unwissenheit über Churchs Aufenthaltsort. Durch Churchs Tätigkeit und die drin sehr wahrscheinlich enthaltende Deckung dieser durch die WR hat Mercedes das bisschen Vertrauen in die CP, welches der Graue Spion aufbauen konnte, wieder verloren.
      Tja, Loreleis Einheit weiß eben mehr, als sie den Kopfgeldjägern weismachen wollen. Es ist ein gefährliches Spiel, welches der Graue Spion mit Mercedes spielt und wenngleich er Reue empfindet, überwiegt bisher sein Pflichtgefühl. Myzetes Auftritt sollte aber eindeutig zeigen, dass Lorelei und ihre Einheit viel bewusster gegen die Ziz-Einheit um Rexroth agieren, als bisher angenommen.

      qoii schrieb:

      Entweder spricht es für oder gegen dich, dass ich mich die beschriebenen Gegebenheiten zwar beeindruckt aber nicht gerade geschockt haben, bei dir gab es schon zu viele Leichenberge und Grausamkeiten, als dass man noch entsetzt davor sitzen kann.^^
      War auch nicht mein Ziel. Neue Dimensionen der Grausamkeiten zu erfinden, überlasse ich Perlen wie Mulligan und dem Grünen König.^^

      qoii schrieb:

      Was diesen Prediger angeht, glaube ich nicht, dass es sich um ein Hirngespinst handelt, sonst hättest du ihn nicht fett markiert. Als erster Verdächtiger kam mir Ulysses in den Sinn, aber durch große Ansprachen hat er sich bisher nicht hervorgetan, eher durch eine Verachtung für alles Lebende was nicht Familie, Familienfreund oder Laire ist, weswegen mich die Vernichtungsbeschreibungen an ihn denken ließen. Aber als Anführer eines Untergrundnetzwerkes, welches sich, sofern ich mich recht entsinne, immer noch der Befreiung ihrer Heimat verschrieben hat, wäre ein Untergebener, der die Massen begeistern kann, sicher sehr hilfreich.
      Fragen über Fragen. :D

      qoii schrieb:

      OK sagen wir es anders der Hotelportier hat mir mehr Schauer über den Rücken laufen lassen als die Lagerhalle, zumindest beim zweiten Lesen vor dem jetzigen Kommentar, ähnliches geht für das Hotelzimmer.^^
      Mit Brianna Smith hast du für die Wissenden etwas sehr schönes eingebaut, allerdings weiß ich nicht mehr, in wieweit dies zeitlich Übereinander passt, bzw eine wirkliche Referenz von Mercedes auf >die Brianna< ist. Wenn ich mich nicht vertue, müsste dein FF doch ungefähr zehn Jahre vor Vexors spielenden, also genau zu den Zeitpunkt als Brianna ihre Karriere begann.
      Öh, nicht ganz. Meine FF spielt ca. 1519 Anno Maris, also etwa 3 Jahre vor dem Beginn des Hauptwerks und ein Jahr nach dem Crossover, in dem die Kopfgeldjäger auf Brianna treffen sollten/werden. Mercedes kennt Brianna also schon.^^

      qoii schrieb:

      Schön zu hören, dass es mit den zerstörten Stätten wieder aufwärts geht und um die ganze Highsociety war es ohnehin nicht schade. Jetzt bleibt nur noch die Frage ob Mercedes über L neue SUUUPPPER Gimmicks bekommen hat, welche im weiteren verlauf noch interessant werden oder es sich hauptsächlich um gut zu gebrauchende Ersatz oder Austauschteile handelt.
      Das wird im neuen Kapitel offenbart.^^

      qoii schrieb:

      Während "Brianna" etwas zu Ruhe kommen kann, sofern sie nicht doch noch die Laken genauer inspiziert, beschäftigt sich der Graue Spion weiter mit Churchs Hinterlassenschaften. Nachdem er erkannt hat, dass er auf dem Gebiet der Aufzeichnungen nicht weiter kommt, will er sich nun anscheinend mit den Überresten der Forschung beschäftigen, trifft dabei aber auf Myzete Beelzebub. Diese wusste natürlich von Churchs Machenschaften und scheint sich dort Pudelwohl zu fühlen. So wie sie sich Ausdrückt ist sie der Meinung, dass bei den ganzen Leichen eine weitere nicht schaden kann, besonders wenn sie damit die Anzahl der Agenten in den einzelnen Abteilungen der CP-0 wieder angleichen kann. Zwar scheint sich der Graue Spion einen nicht zu schlechten Plan zurechtgelegt zu haben, aber die Festigkeit von Myzetes Nase ist höher als die seiner Fingerknochen, was dazu führen könnte, dass er bald kein grauer, sondern ein roter Spion gewesen sein wird.
      Armer Grauer Spion.^^

      qoii schrieb:

      Während dieses Dramas spielen sich im Palast für Catherine ganz eigene Dramen ab. Es spricht wahrscheinlich wirklich für deine Schreibkunst, wenn ich ihr gerne mal ein paar leichte Schläge, wahrscheinlich am besten auf den Hinterkopf, verabreichen möchte, damit sie mal endlich aus ihrer sagen wir mal Illusion aufwacht oder wie immer man ihre Weltsicht beschreiben möchte. Allerdings darf ich dabei auch nicht vergessen, dass zu zum einen noch ziemlich jung ist und vor allem von ihrem Umfeld so erzogen wurde bzw. dieses eine solche Entwicklung zugelassen hat. Deswegen hat Catherine Carla auch so gut wie nichts entgegenzusetzen und sollte sie mal wirklich in der realen Welt landen wird sie gnadenlos untergehen. Da wird ihr das große Drama mit der kleinen Spinne wie das fröhlichste Ereignis in Erinnerung bleiben.
      Catherine ist das Opfer ihres Umgangs. Mit dem Tod ihrer Mutter lag ihre ganze Welt in den Händen zweier Männer: Bentley, der sie wie eine kleine Puppe behandelte und nicht wollte, dass sein geheimes Objekt der Begierde erwachsen wird; und Sundermare, der die Königin zu seiner Marionette erziehen wollte, um deren Macht und Status für seine eigene politische Agenda zu missbrauchen. Kurzum, Catherine hatte nie eine echte Chance und sieht sich nun den Wölfen ausgeliefert. Sei es Ulysses, der seine Cousine wie ein Reh reißen würde oder Carla, die die Königin eher wie ein Parasit befallen und ausnehmen würde. Royale Leiden, halt. xD

      qoii schrieb:

      Dies wird nochmal besonders in dem Kontrast deutlich, der sich in der beider Umgang mit Ulysses zeigt. Während Catherine in ihrem eigenen Palast, umgeben von ihren ganzen Wachen, gegen ihren Cousin sprichwörtlich kein Bein auf den Boden bekam, scheint Carla während ihrer Begegnung mit Ulysses die ganze Zeit die dominierende Person zu sein. Dabei darf auch nicht vergessen werden, dass sie derzeit eigentlich eine Untergebene von Ulysses ist bzw. von seinem wohl wollen abhängig, da sie Harley Posten und seinen schlechten Stand geerbte hat.
      Carla hat Ulysses sehr geschickt aus seiner Komfortzone getrieben und den kleinen schüchternen Jungen herausgekitzelt, der immer noch im Bastardkönig haust. Clever und durchtrieben, wie die Schwarze Witwe nunmal ist.

      qoii schrieb:

      Aber auch wenn Ulysses hier eher unsicher und unterlegen wirkt, bedeutet dies nicht, dass es wirklich so ist. Sofern ich mich recht entsinne, wirkte er auch bei den meisten anderen Situationen, welche die Interaktion mit anderen Menschen beinhalteten, nicht sehr viel souveräner, es sei den er war in einer mehr als klaren Machtsituation wie bei Catherine oder wusste, dass er bald auf Gewalt zurückgreifen kann wie bei diesem Politiker dessen Name mir komplett entfallen ist.
      Richtig. Ulysses scheint unterlegen, obwohl er es nicht ist. Immerhin wissen die Leser, wozu der Bastardkönig fähig ist und wie...gnadenlos er sein kann, wenn seine Laune umschwenkt.^^

      qoii schrieb:

      Allgemein hat die gesamte Interaktion in »Rosette«sehr gut gefallen. Ulysses riesiges Tattoo hat, wenn ich mich recht erinnere, doch etwas mit Blooms Teufelskraft zu tun.
      Genau umgekehrt. :D
      Blooms TK ermöglicht es ihr, die "Stärke" anderer Menschen auszuborgen. Versinnbildlicht im Falle von Ulysses durch den Schafbock als Wappentier. Bei Moira wäre es z.B. der Schwan als ideologischer Totem, wenngleich man aus Moira wenig Stärke ziehen könnte. Bei Cathal sähe die Sache wieder gewinnbringender aus, dessen Wappentier ich aber nicht verrate.^^
      [/spoiler=qoii]


    • Kapitel 143 Alles ist Papier

      Das genannte Zeitfenster schließt sich bald, also wird es Zeit den Kommentar zu schreiben. Wobei ich diesmal wirklich glaube, dass er ziemlich kurz ausfallen wird, denn das Kapitel ist zwar wie immer sehr gut und interessant, scheint aber mit dem jetzigen Wissensstand wirklich mehr eine Art Übergangskapitel zu sein, bevor die Intrigen weitergehen.

      Im ersten Abschnitt geht es dort weiter wo wir beim letzten Mal aufgehört haben. Ulysses und Carla sitzen gemeinsam im Bad und Letztere versucht Ersten davon zu überzeugen, dass sie einen sehr guten Nutzen für ihn hat. Dabei wird auch nochmal deutlich gesagt, was sich schon die ganze Zeit im Schloss abgezeichnet hat. Carla macht die ganze Arbeit während Harley (nur noch) das Leben und seine Show genießt. Einen Moment lang habe ich mir nach dieser Bestätigung überlegt, warum Harley dann überhaupt Ulysses Geschäftspartner geworden ist bzw werden konnte, bis mir einfiel, dass die für ihn die erste Bombe inKillenick gezündet hat. Letztendlich scheint Carla Ulysses genug Argumente geliefert zu haben, dass er sie vorerst weiter gebrauchen kann.
      Die Interaktionen bzw eher das Spiel zwischen den beiden hat mir auch diesmal sehr gut gefallen, jeder konnte seine Art seinen Charakter wunderbar ausspielen bzw dieser wurde für uns Leser vertieft.

      Im Anschluss rekrutier sich Ulysses noch ein kleines Agentennetzwerk in der Hauptstadt, wahrscheinlich nicht nur um allgemein immer gut informiertt zu sein, sondern auch um weitere Augen und Ohren auf Carla zu haben. Schön fand ich hierbei besonders, dass der Straßenjunge/Stricher zwar am Ende erkennt, mit wem er sich da eingelassen hat, sich aber trotzdem dafür entscheidet für diese Person zu arbeiten. Dabei scheint dies von seiner Seite nicht nur darauf zu beruhen, das er Angst vor Ulysses hat, sondern wirklich das Geld für sein Überleben bzw besseres Leben haben möchte oder anders ausgedrückt, er hat keine sehr große Loyalität gegenüber seinem Heimatland, welches nichts für ihn zu tun scheint.

      MitEnnis springen wir dann wieder in die Gegenwart wo dieser in einer sehr wunderbar gestaltetet Szenerie unwissend auf Cassiopeia trifft. Diese hat gerade ziemlich dem Alkohol zugesprochen, bis sie eine sehr "ernüchternde" Nachricht erhält. Wie wir mitbekommen sind irgendwelche Leute weiteren Untergebenen von ihr entkommen, worüber sie überhaupt nicht begeistert ist. Zunächst dachte ich noch es ging bei der Nachricht um Krill oder einen der anderen KGJ in der Stadt, bis mir die Erwähnung des Bootes in die Augen sprang. Aus diesem Grund glaube ich, dass sie auch einige Leute auf Cals und Flints Fährte angesetzt hat und diese nun verloren wurde.

      Im letzten Abschnitt fliegt dann wie erwartet Copperfieldin die Luft. Mercedes stapft dabei durch die zerstörten Straßen und versucht ein kleines Mädchen zu retten, welches einen ähnlichen Namen wie ihr verstorbener Bruder hat. Leider kann sie in der ganzen Zerstörung die Augen nicht überall haben, weswegen das Mädchen leider nicht überlebt. Stattdessen findet Mercedes schließlich den schwerstverletzten Grauen Agenten, der schon wirklich ziemlich Rot zu sein scheint. Sofern ich es richtig verstanden habe, lag er so ziemlich im Zentrum der Explosion/Zerstörung, weswegen die Bombe wohl in Churchs Fabrikhalledetoniert ist. Dabei stellt sich die Frage, ob sie schon immer dort war oder von der anderen Agentin dorthin geschafft wurde. Was auch immer stimmt, einer der beiden, wenn nicht sogar diese ganze CP-0 Abteilung muss also irgendwie mit Ulysses zusammenarbeiten, was nach der ToLaHe schon die zweite CP Einheit sein wird.

      Letztendlich ist es dann doch wieder mehr geworden, als ich gedacht habe. Grob eine Wordseite scheint bei mir wohl immer Rauszufallen. ^^
      :thumbsup: Nicht nur in One Piece die reine Wahrheit: :thumbsup:
      Pirates are evil?!!... ...The Marines are Justice?!!
      These labels have been passed around Heaven knows how many times...!!!
      Kids who have never known peace... ...and kids who have never known war... ...Their values are too different!!!
      Whoever stands at the top can define right and wrong as they see fit!!!
      Right now, we stand in neutral territory!!!
      "Justice will prevail"?!... ...Well, sure it will!
      Whoever prevails... ...is Justice!!!! (Doflamingo)

      So kann man es aber auch sehen
      "THERE IS NO JUSTICE, THERE IS ONLY ME!"
      Death, Discworld, Terry Pratchett

    • Kapitel 144

      One Shot: Finalrunde 7
      1.  
        Der Pferdegott (4) 57%
      2.  
        Rhino (3) 43%
      Sooooo...

      Nach der Prüfungsphase ist vor dem Motivationstief und so ließ das neue Kapitel wieder etwas auf sich warten. Aber nun ist es da, trägt den Titel "Wenn du Dämonen siehst" und kann an alter Stelle gelesen werden. Außerdem dürft ihr wieder wählen, da es ein Unentschieden zwischen zwei One Shots gibt. Demokratie ist doch eine feine Sache.^^

      qoii


      qoii schrieb:

      Im ersten Abschnitt geht es dort weiter wo wir beim letzten Mal aufgehört haben. Ulysses und Carla sitzen gemeinsam im Bad und Letztere versucht Ersten davon zu überzeugen, dass sie einen sehr guten Nutzen für ihn hat. Dabei wird auch nochmal deutlich gesagt, was sich schon die ganze Zeit im Schloss abgezeichnet hat. Carla macht die ganze Arbeit während Harley (nur noch) das Leben und seine Show genießt. Einen Moment lang habe ich mir nach dieser Bestätigung überlegt, warum Harley dann überhaupt Ulysses Geschäftspartner geworden ist bzw werden konnte, bis mir einfiel, dass die für ihn die erste Bombe inKillenick gezündet hat. Letztendlich scheint Carla Ulysses genug Argumente geliefert zu haben, dass er sie vorerst weiter gebrauchen kann.
      Die Interaktionen bzw eher das Spiel zwischen den beiden hat mir auch diesmal sehr gut gefallen, jeder konnte seine Art seinen Charakter wunderbar ausspielen bzw dieser wurde für uns Leser vertieft.
      Harley war tatsächlich nicht immer derart verschwenderisch und verklärt wie in den letzten Tagen des Schlosses. Siehe den Flashback in Killenick, wo er zwar bereits maßlos eitel und großspurig war, aber dennoch seine Kompetenz und Gelassenheit auszuspielen wusste. Diese andere Seite von Harley zu zeigen, wird mir in Zukunft noch ein gewisses Bedürfnis sein und rückblickend erklären, wie er sich trotz seines gleißenden Narzissmus und der Verschwendungssucht so lange im Geschäft halten konnte.

      Zu Carla und Ulysses gibt es weniger viel zu sagen, du hast es gut auf den Punkt gebracht: Die beiden sind, was sie sind und am Ende sitzt Ulysses am längeren Hebel. Auf Augenhöhe wäre Carla dem Bastardkönig mindestens ebenbürtig, wenn nicht gar überlegen -- aber sie steht in der Bringschuld und muss sich zunächst einem mächtigeren Spieler unterordnen, um zu überleben. Dass sie diese Rolle nicht auf Dauer zu spielen gedenkt, wurde ja aber bereits im Gespräch mit Catherine angedeutet.^^

      qoii schrieb:

      Im Anschluss rekrutier sich Ulysses noch ein kleines Agentennetzwerk in der Hauptstadt, wahrscheinlich nicht nur um allgemein immer gut informiertt zu sein, sondern auch um weitere Augen und Ohren auf Carla zu haben. Schön fand ich hierbei besonders, dass der Straßenjunge/Stricher zwar am Ende erkennt, mit wem er sich da eingelassen hat, sich aber trotzdem dafür entscheidet für diese Person zu arbeiten. Dabei scheint dies von seiner Seite nicht nur darauf zu beruhen, das er Angst vor Ulysses hat, sondern wirklich das Geld für sein Überleben bzw besseres Leben haben möchte oder anders ausgedrückt, er hat keine sehr große Loyalität gegenüber seinem Heimatland, welches nichts für ihn zu tun scheint.
      Richtig, Ulysses ist nicht dumm und weiß um seine Schwächen. Wie er bereits Mary versicherte, basieren seine Geschäftsbeziehungen auf gemeinsamen Interessen. Freilich, etwas Angst schwingt bei Ennis schon mit, aber der Vorteil überwiegt die Zweifel.

      qoii schrieb:

      MitEnnis springen wir dann wieder in die Gegenwart wo dieser in einer sehr wunderbar gestaltetet Szenerie unwissend auf Cassiopeia trifft. Diese hat gerade ziemlich dem Alkohol zugesprochen, bis sie eine sehr "ernüchternde" Nachricht erhält. Wie wir mitbekommen sind irgendwelche Leute weiteren Untergebenen von ihr entkommen, worüber sie überhaupt nicht begeistert ist. Zunächst dachte ich noch es ging bei der Nachricht um Krill oder einen der anderen KGJ in der Stadt, bis mir die Erwähnung des Bootes in die Augen sprang. Aus diesem Grund glaube ich, dass sie auch einige Leute auf Cals und Flints Fährte angesetzt hat und diese nun verloren wurde.
      Ganz so einfach ist es nicht, aber das neue Kapitel zeigt: Du bist nicht auf der komplett falschen Fährte. Lies das neue Kapitel und behalte Cassiopeias Aussagen im Hinterkopf. Mal sehen, ob du die Zusammenhänge vorzeitig aufdecken kannst. So oder so, der Arc wird es definitiv lüften. Habe euch ja saftige Infobomben versprochen, woran ich mich halten werde.^^

      qoii schrieb:

      Im letzten Abschnitt fliegt dann wie erwartet Copperfieldin die Luft. Mercedes stapft dabei durch die zerstörten Straßen und versucht ein kleines Mädchen zu retten, welches einen ähnlichen Namen wie ihr verstorbener Bruder hat. Leider kann sie in der ganzen Zerstörung die Augen nicht überall haben, weswegen das Mädchen leider nicht überlebt. Stattdessen findet Mercedes schließlich den schwerstverletzten Grauen Agenten, der schon wirklich ziemlich Rot zu sein scheint. Sofern ich es richtig verstanden habe, lag er so ziemlich im Zentrum der Explosion/Zerstörung, weswegen die Bombe wohl in Churchs Fabrikhalledetoniert ist. Dabei stellt sich die Frage, ob sie schon immer dort war oder von der anderen Agentin dorthin geschafft wurde. Was auch immer stimmt, einer der beiden, wenn nicht sogar diese ganze CP-0 Abteilung muss also irgendwie mit Ulysses zusammenarbeiten, was nach der ToLaHe schon die zweite CP Einheit sein wird.
      Richtig, Churchs Lagerhalle samt Laboratorien war einmal und sämtliche Beweise sind ebenso in die Luft geflogen. Myzete Beelzebub, ihres Zeichens Agentin der CP0-Ziz unter Rexroth, hat damit eindeutig Ulysses in die Karten gespielt...aber natürlich auch sich selbst, immerhin war Church Mitglied ihrer Einheit und seine Taten wären auf sie selbst zurückgefallen. Es ist aber zweifellos kein Zufall, dass sie zum selben Mittel gegriffen hat wie Ulysses. Boom. :D


    • Kapitel 144 Wenn du Dämonen siehst

      Nachdem du so freundlich warst mich vorzuwarnen, wird es Zeit hier endlich zu kommentieren. Zwar spät, aber besser als nie. Irgendwie stand ich die ganze Zeit was den Kommentar angeht gefühlt vor einer Wand oder auf dem Schlauch, dabei weiß ich gar nicht wieso. Denn weder war das Kapitel schlecht, noch war es besonders Kompliziert.

      Den ersten Absatz deute ich mal als letzte Bestätigung dafür, dassUlysses die Zerstörung von Copperfield mit geplant und befohlen hat, auch wenn die letzten beteiligten Personen eher nur auf die CP-0 Behemoth hindeuten würden. Aber wie schon geschrieben können sie trotzdem zusammenarbeiten. Wobei ich mich Frage, ob Church mit der Zerstörung seines Kunstwerkes wirklich einverstanden gewesen wäre, es sei denn er würde es als krönenden Abschluss betrachtet haben.

      Im weiteren Erfahren wir, dass Ulysses ein ministrabler Koch ist und seinen Hund anscheinend besser versorgt als sich selbst. Anscheinend hat er für Étaín, welche ihren goldenen Schuss oder besser vergifteten Schuss überlebt hat, noch nichts zu essen vorbereitet, aber wahrscheinlich würde sie die wieder über den Styx treiben.^^

      Daraufhin bekommen wir einen kleinen FB in dem wir über die komplizierten Beziehungsverhältnisse in ihrer Kindheit erfahren, zwar kein Dreieck aber anscheinend eine Kette. Verkompliziert wird dies sicher auch durch die Angedeutete… Kinderschändung bei Ulysses, was auch nochmal ein weiteres interessantes Licht auf die Anheuerung von Ennis.
      Das wirklich Wichtige dürfte aber die Person sein, die am Ende Auftaucht. Dieses Mädchen/Frau scheint eine ordentliche und erfahrene Kämpferin zu sein, immerhin scheint sie damals relativ mühelos gegen Ulysses und Brian bestanden zu haben, die beide zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon bekannte Namen und somit Kämpfer gewesen sein müssen. Für die ersten Sätze habe ich mich gefragt, ob dies Laura sein könnte, aber diese Vermutung hat sich schnell zerschlagen. Von den bekannten Namen rund um Ulysses fällt mir nur noch Bloom ein, aber ich glaube nicht, dass es sich um sie handelt. Also dürfe diese geheimnisvolle Fremde entweder noch ein unbekanntes Mitglied sein oder… nun ja über die Herkunft bzw die Abstammung der meisten CP-0 Leviathan Agentinnen wissen wir auch noch nichts. Immerhin wirkt es hier so, als hätte sie etwas mit dem Aufstieg von Ulysses zu tun immerhin will sie ihn als König.

      Der tiefere Sinn um Graham Diabetes erschließt sich mir noch nicht, aber die Frage um die Drogen kann man wohl nur mit >nirgendwo< beantworten, besonders wenn die Art der Droge nicht spezifiziert wird.

      Im weiteren Erfahren wir mal wieder etwas zu den Ereignissen in Mary Joa, bzw. zu Godzilla.Dieser scheint in den letzten Wochen nicht in allzu guter psychischerVerfassung gewesen zu sein. Der Tot seines alten Kollegen scheint ihn mehr mitgenommen zu haben als gedacht oder ist bei/nach der Beerdigung in Gavroche passiert, was bis jetzt noch nicht erwähnt wurde oder was ich vergessen habe. Weiterhin scheint es doch mehr Austausch/Verbindungen zwischen den einzelnen CP-0 Einheiten zu geben als ich bisher vermutet habe oder Cassiopeia spielt doch mehr ein eigens Spiel als gedacht. Zumindest klingt es hier nicht wirklich so, als würde ein "einfaches" Mitglied der Leviathan mit dem Boss von Behemoth sprechen.

      Die wichtige Information dürfte aber die Akte über Cal sein, denn irgendwie habe ich hier nicht das Gefühl, dass es ich um die Akte eines Schwerverbrechers handelt bzw. die Ermittlungsakte zu einem besonderen Fall. Viel eher habe ich das Gefühl einer Personal bzw. Forschungsakte. Als wäre Cal das Mitglied einer besonderen Abteilung; Division oder etwas ähnlichem gewesen, mit deren Mitglieder es immer wieder Probleme gibt. Der Abteilung, Versuchsreihe T- oder so.

      Derweil Kämpfen Krill und O‘Mara ein bisschen mit ihren inneren Dämonen, die sich Gedanken, Vermutungen und Befürchtungen nennen. So finster es war, hat mir die Interaktion der beiden sehr gut gefallen. O‘Mara macht sich darüber Sorgen, was für ein Mensch er als Brian gewesen ist, ob die Vorwürfe mit dem Verrat stimmen und er diesen gegenüber den KGJ wiederholen würde. Krill schafft es mehr oder minder ihn zu beruhigen, in dem er wieder für uns Leser relativ Nebulös auf die Ereignisse in Compeysonhinweist.
      Krill hingegen mach sich Gedanken über Cassiopeia Aussagen und scheint dadurch irgendetwas zu befürchten oder zu schließen. Irgendwie habe ich es all die Zeit nicht geschafft, meinen Kopf um die Andeutungen zu wickeln, aber es klingt fast so, als würde er befürchten, dass sie (die KGJ) oder nur Cal die ganze Zeit von etwas kontrolliert bzw beeinflusst werden. Klingt ziemlich nach einer wirren Verschwörungstheorie, aber nachdem diese Akte von Cal aufgetaucht ist, kann ich dies auch nicht wirklich von der Hand weisen. Was, wenn Cal durch die >Was auch immer Sache< der T-Einheit noch immer kontrolliert ist/wird oder auch als KGJ immer eine Art Agent der WR bzw einer der CP Abteilungen geblieben ist.

      Alles mehr als ein bisschen nebulös, aber mal schauen, was sie da mit weiteren Informationen so ergibt. :-D
      :thumbsup: Nicht nur in One Piece die reine Wahrheit: :thumbsup:
      Pirates are evil?!!... ...The Marines are Justice?!!
      These labels have been passed around Heaven knows how many times...!!!
      Kids who have never known peace... ...and kids who have never known war... ...Their values are too different!!!
      Whoever stands at the top can define right and wrong as they see fit!!!
      Right now, we stand in neutral territory!!!
      "Justice will prevail"?!... ...Well, sure it will!
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      So kann man es aber auch sehen
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    • So...da der Kommentar über fast 5 Monate hin irgendwie gewachsen oder gestückelt wurde. Wundere dich bitte nicht darum, wenn er nicht ganz rund ist oder nicht so zusammenpassen mag. Ich hab eigentlich nach jeder Leseeinheit was hinzugefügt oder ergänzt. Kommentieren kann man leider auch verlernen^^

      Kapitel 141 führt die Geschichte um Mercedes und den Grauen Spion fort, beziehungsweise ergänzt Details, die uns bisher gefehlt haben. Ehrlich gesagt weiß ich nur noch, dass Mercedes in dem Haus angegriffen wurde und dass der Pestdoktor irgendwie involviert war. Die genaueren Zusammenhänge sind mir nicht mehr so präsent, aberi ch konnte der Handlung dennoch erstaunlich gut folgen und fand mich in zafonsche Gefilde versetzt, was die Entdeckungen angeht. Hat mir wirklich sehr, sehr gut gefallen und auch die Dynamik zwischen Spion und Mercedes wirkt sehr authentisch auf mich.
      Generell war ich beeindruckt davon, dass Lorelei den Spion so explizit auf Mercedes angesetzt hat und sie für ihre Pläne wichtig zu sein scheint. Ist auf jeden Fall eine Entwicklung, die ich so nicht kommen gesehen habe, auch wenn du sie vielleicht schon vorher angedeutet hast. Aber ich bin ja auch aus der Geschichte ein wenig raus.
      Eine wichtige Entwicklung ist dann noch, dass Church Teil der CP-0-Z war und damit Rexroth untersteht. War das schon bekannt? Für mich war es zumindest eine neue Entwicklung und so wie du das Kapitel eingeführt hast, war es vermutlich auch als Neuigkeit angelegt.

      In Kapitel 142 beantworten sich auch ein paar meiner Fragen. Lorelei ist also tatsächlich den Bund mit den Kopfgeldjägern eingegangen. Zu Welchem Zweck? Mit welchem Ziel? Das interessiert mich tatsächlich gerade sehr. Das Aufeinandertreffen zwischen Myzete und dem Grauen Spion (hatte der auch einen "bürgerlichen" Namen, den wir schon kennen?) war auch sehr interessant. Das Ende hat mich ein wenig verwirrt, aber ich hoffe nicht, dass wir uns jetzt schon wieder von ihm verabschieden müssen. Jetzt, wo ich ihn als Charakter wirklich zu schätzen gelernt habe.
      Die kleine Szene mit Mercedes und ihrem Namenwechsel nehme ich natürlich schmunzelnd entgegen, auch wenn es schade ist, dass du mir da zuvorgekommen ist. Aber es hat mich stärker znum Schreiben motiviert als ich dachte. Immerhin freue ich mich schon auf diese kleine Szene oder eher das Kapitel. Ich stehe auch bei den Initialen gerade auf dem Schlauch. Bin auch zu faul nachzuschauen. Wird sich eh bald aufklären oder du beantwortest es mir einfach.
      Dann hören wir endlich mal wieder was von Carla. Die Szene zwischen ihr und Catherine hat mir wirklich sehr gut gefallen. Also der Kontrast zwischen den beiden Figuren und wie Carla Catherine offenkundig benutzt, die einfach zu dumm, naiv oder gutmütig ist, um das zu durchschauen. Aber vielleicht irre ich mich auch und die Puppenkönigin nutzt ihre Erscheinung und die damit einhergehenden Vorurteile tatsächlich ganz bewusst und ist am Ende die Meisterin der Scharade? Ich gebe zu, es wäre nicht mein Lieblingsszenario oder gar das Wahrscheinlichste, aber ich würde es dir durchaus zutrauen. Die beiden Frauen schmieden eine Allianz. Offiziell gegen Ulysses, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Carla da ihre eigenen Motive und Ziele hat. (Auch wenn mich hier ein wenig mein Gedächtnis verlässt, welche Fäden die schwarze Spinne schon entsponnen hat).
      Flashback zu einer Badehausszene und immerhin eine, die im Gegensatz zu Oda nicht nur reinen Fanservicecharakter hat. Viel bleibt mir hier nicht zu sagen, auch wenn ich bei dem blonden Schamhaar sehr laut lachen musst xD

      Kapitel 143 - der graue Spion ist wohl doch nicht so glimpflich davongekommen xD Aber damit spule ich ja schon zum Ende vor. Die Szene zwischen Carla und Ulysses geht weiterund dir gelingt es sehr geschickt, deine beiden genialen Antagonisten keine Blöße zu geben. Beide triumphieren und versagen zu gleich in dieser Szene, ohne dass einer von ihnen sein Gesicht dabei verliert. Jetzt bin ich aber doch ein wenig verunsichert gewesen. Hatte Ulysses nicht eigentlich auch vor gegen Carla vorzugehen? Versuchen sich jetzt beide zu vernichten, während sie gemeinsam arbeiten? Da tut es mir jetzt fast Leid, dass ich die einzelnen Handlungsstränge nicht mehr so gut im Kopf habe.
      Dann lernen wir Ennis kennen. Bei der Szene mit Cassiopeia bin ich noch nicht ganz so schlüssig, worauf es sich bezieht. Vielleicht au Callaghan? Da warte ich einfach ab, da mir das spekulieren gerade nicht sinnvoll erscheint.
      Kommen wir zu Mercedes und den Ereignissen in Copperfield, welches wohl gerade bombadiert/angegriffen wird. Die Szene mit Emily (und die Erinnerung an ihren Bruder) war mir vielleicht ein wenig zu plump und ging mir generell zu schell, als dass ich Mercedes großen Gefühlsausbruch nachvollziehbar fände. Da hätte das Mädchen vielleicht schon einmal eine Rolle spielen müssen. Aber das ist jetzt nur ein kleiner Kritikpunkt. Ich bin einfach gespannt, wo es mit Kapitel 144 weitergeht und ob der Graue Spion überlebt. Ich hoffe es ja sehr.

      Dann kommen wir zu Kapitel 144 und ich muss sagen, dass ich den Anfang des Flashbacks nicht verstanden hab, obwohl ich die Szene jetzt wirklich mehrfach gelesen habe. Was passiert mit Étain und wieso greift Ulysses nicht ein und wer ist diese Frau, die auftaucht und ihn als König sehen möchte? Ich dachte einen kurzen Moment, dass Étain vielleicht bipolar ist und gar nicht angegriffen wurde, aber das ergibt wenig Sinn. Also irgendwie konnte ich dem nicht so wirklich folgen.
      Unabhängig davon kann ich dir auch nur weiterhin ein Lob für Ulysses Charakterzeichnung aussprechen. Gefällt mir ausgesprochen gut und mittlerweile habe ich ein umfassendes Bild von ihm als Menschen und so kleine Details, die du da einstreust, machen das natürlich umso reizvoller.
      Godzilla und Rhiannon nehme ich mal so zur Kenntnis. Rhiannon ist glaub ich ein neuer Charakter? Auf jeden Fall auch ganz interessant, soweit man das jetzt schon beurteilen kann. Ansonsten kann ich zu der Szene nicht viel sagen.
      Dann kommen wir zu Krill und O'Mara und hier offenbart sich eine deiner größten Stärken und die liegen für mich in den Dialogen. Ich könnte seitenweise deine Dialoge lesen, die immer absolut authentisch, flüssig und natürlich wirken. Ich beneide dich dafür, dass du deine Charaktere wirklich sprechen lassen kannst. Ich persönlich finde das immer unheimlich schwierig. Inhaltlich weiß ich nicht, ob Krill jetzt an Callaghan zweifelt oder ihm dadurch eigentlich erst recht seine Treue ausspricht. Auf jeden Fall bin cih gespannt, ob seine Gefühle gegenüber Cassiopeia noch eine größere Rolle spielen und vielleicht einen Hintergrund haben.

      Insgesamt vier sehr spannende und interessante Kapitel, die ich gerne in einem Rutsch nochmal gelesen habe, wodurch ich auch wirklich gut wieder in die Geschichte gefunden habe. Wesentlich besser als erwartet. Zudem haben sie mich auch wieder ermutigt, selbst zu schreiben. Ob es Wirkung zeigt, werden wir sehen.

      Bis dahin! Weiter so!

    • N'Abend Freunde,

      Kapitel 145 trägt den Titel "Die Verbotene Frau" und ist bereit, von euch gelesen zu werden. Ihr findet es direkt unter diesem Beitrag. Viel Vergnügen wünsche ich. :D

      qoii


      qoii schrieb:

      Den ersten Absatz deute ich mal als letzte Bestätigung dafür, dassUlysses die Zerstörung von Copperfield mit geplant und befohlen hat, auch wenn die letzten beteiligten Personen eher nur auf die CP-0 Behemoth hindeuten würden. Aber wie schon geschrieben können sie trotzdem zusammenarbeiten. Wobei ich mich Frage, ob Church mit der Zerstörung seines Kunstwerkes wirklich einverstanden gewesen wäre, es sei denn er würde es als krönenden Abschluss betrachtet haben.
      Auch wenn es nicht ganz so einfach ist...ja. Ulysses weiß um die Zerstörung der Stadt und welche Rolle diese als Basis für Church spielte. Mehr möchte ich dazu aber auch nicht sagen, da bezüglich Ulysses und dessen Verbindungen noch einiges im Laufe des Arcs folgen wird.

      qoii schrieb:

      Im weiteren Erfahren wir, dass Ulysses ein ministrabler Koch ist und seinen Hund anscheinend besser versorgt als sich selbst. Anscheinend hat er für Étaín, welche ihren goldenen Schuss oder besser vergifteten Schuss überlebt hat, noch nichts zu essen vorbereitet, aber wahrscheinlich würde sie die wieder über den Styx treiben.^^
      Vermutlich würde ihr sogar noch mehr Heroin besser bekommen als ein einziger Löffel von Ulysses' Fraß, ja.^^

      qoii schrieb:

      Daraufhin bekommen wir einen kleinen FB in dem wir über die komplizierten Beziehungsverhältnisse in ihrer Kindheit erfahren, zwar kein Dreieck aber anscheinend eine Kette. Verkompliziert wird dies sicher auch durch die Angedeutete… Kinderschändung bei Ulysses, was auch nochmal ein weiteres interessantes Licht auf die Anheuerung von Ennis.
      Richtig. Ulysses Kindheit war alles andere als rosig und wird rückblickend vieles erklären, was momentan von ihm bekannt ist und noch enthüllt werden wird. Allein die Szene im Badehaus, wo Ulysses die ganzen Knaben mit ihren Freiern sah, erscheint damit in einem ganz neuen Licht.^^

      qoii schrieb:

      Das wirklich Wichtige dürfte aber die Person sein, die am Ende Auftaucht. Dieses Mädchen/Frau scheint eine ordentliche und erfahrene Kämpferin zu sein, immerhin scheint sie damals relativ mühelos gegen Ulysses und Brian bestanden zu haben, die beide zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon bekannte Namen und somit Kämpfer gewesen sein müssen. Für die ersten Sätze habe ich mich gefragt, ob dies Laura sein könnte, aber diese Vermutung hat sich schnell zerschlagen. Von den bekannten Namen rund um Ulysses fällt mir nur noch Bloom ein, aber ich glaube nicht, dass es sich um sie handelt. Also dürfe diese geheimnisvolle Fremde entweder noch ein unbekanntes Mitglied sein oder… nun ja über die Herkunft bzw die Abstammung der meisten CP-0 Leviathan Agentinnen wissen wir auch noch nichts. Immerhin wirkt es hier so, als hätte sie etwas mit dem Aufstieg von Ulysses zu tun immerhin will sie ihn als König.
      Bloom ist es nicht, die war bereits damals ein kleines Moppelchen (siehe der Killenick-Flashback) und definitiv keinen Kopf größer als Ulysses.^^
      Soviel sei gesagt: Die Person ist keine völlige Unbekannte und wird noch sehr, sehr wichtig werden. Mal schauen, ob du noch vor der Offenbarung drauf kommst oder ich an dieser Stelle überraschen kann. :D

      qoii schrieb:

      Der tiefere Sinn um Graham Diabetes erschließt sich mir noch nicht, aber die Frage um die Drogen kann man wohl nur mit >nirgendwo< beantworten, besonders wenn die Art der Droge nicht spezifiziert wird.
      Das war nur ein Witz. Die drogenabhängige Etain in Nickleby einzusetzen, einer derart verrottenden Industriestadt voller Sünden und Laster, wäre, als würde man die zuckerliebende Graham ins Totland schicken und sich dann wundern, wenn sie mit Diabetes zurückkäme. Nur ein Spruch, mehr nicht.^^

      qoii schrieb:

      Im weiteren Erfahren wir mal wieder etwas zu den Ereignissen in Mary Joa, bzw. zu Godzilla.Dieser scheint in den letzten Wochen nicht in allzu guter psychischerVerfassung gewesen zu sein. Der Tot seines alten Kollegen scheint ihn mehr mitgenommen zu haben als gedacht oder ist bei/nach der Beerdigung in Gavroche passiert, was bis jetzt noch nicht erwähnt wurde oder was ich vergessen habe. Weiterhin scheint es doch mehr Austausch/Verbindungen zwischen den einzelnen CP-0 Einheiten zu geben als ich bisher vermutet habe oder Cassiopeia spielt doch mehr ein eigens Spiel als gedacht. Zumindest klingt es hier nicht wirklich so, als würde ein "einfaches" Mitglied der Leviathan mit dem Boss von Behemoth sprechen.
      Ich verweise auf das erste Kapitel des Arcs. Hier berichtet die Zeitung, die Timmy ausliefert, von einem "riesigen Steinmonster" in Gavroche.^^

      Cassiopeia ist tatsächlich mehr als ein einfaches Mitglied. Bereits im letzten Arc konnte man sehen, dass Shrimati (die offizielle Nr. 2 der Einheit) weitaus inkompetenter wirkt als die abgebrühte Cassiopeia. Das kommt nicht von irgendwoher und wird sich erklären, wenn wir mehr über die internen Angelegenheiten der Einheit erfahren.

      qoii schrieb:

      Die wichtige Information dürfte aber die Akte über Cal sein, denn irgendwie habe ich hier nicht das Gefühl, dass es ich um die Akte eines Schwerverbrechers handelt bzw. die Ermittlungsakte zu einem besonderen Fall. Viel eher habe ich das Gefühl einer Personal bzw. Forschungsakte. Als wäre Cal das Mitglied einer besonderen Abteilung; Division oder etwas ähnlichem gewesen, mit deren Mitglieder es immer wieder Probleme gibt. Der Abteilung, Versuchsreihe T- oder so.
      Du bist auf der richtigen Fährte. Diese Akte ist von extremer Wichtigkeit. Immerhin haben wir bereits vom Grauen Spion erfahren, dass allein Callaghan die Kopfgeldjäger bislang vor den Repressalien ihrer Vergangenheiten bewahrt. Was in dieser Akte steht, begründet Callaghans Position und gleichzeitig seine Bedeutung für die WR.

      qoii schrieb:

      Derweil Kämpfen Krill und O‘Mara ein bisschen mit ihren inneren Dämonen, die sich Gedanken, Vermutungen und Befürchtungen nennen. So finster es war, hat mir die Interaktion der beiden sehr gut gefallen. O‘Mara macht sich darüber Sorgen, was für ein Mensch er als Brian gewesen ist, ob die Vorwürfe mit dem Verrat stimmen und er diesen gegenüber den KGJ wiederholen würde. Krill schafft es mehr oder minder ihn zu beruhigen, in dem er wieder für uns Leser relativ Nebulös auf die Ereignisse in Compeysonhinweist.
      Die werden nicht mehr lange nebulös bleiben, versprochen.^^

      qoii schrieb:

      Krill hingegen mach sich Gedanken über Cassiopeia Aussagen und scheint dadurch irgendetwas zu befürchten oder zu schließen. Irgendwie habe ich es all die Zeit nicht geschafft, meinen Kopf um die Andeutungen zu wickeln, aber es klingt fast so, als würde er befürchten, dass sie (die KGJ) oder nur Cal die ganze Zeit von etwas kontrolliert bzw beeinflusst werden. Klingt ziemlich nach einer wirren Verschwörungstheorie, aber nachdem diese Akte von Cal aufgetaucht ist, kann ich dies auch nicht wirklich von der Hand weisen. Was, wenn Cal durch die >Was auch immer Sache< der T-Einheit noch immer kontrolliert ist/wird oder auch als KGJ immer eine Art Agent der WR bzw einer der CP Abteilungen geblieben ist.
      Richtig. Krill glaubt zu verstehen oder zumindest zu erahnen, was in den Schatten gespielt wird und verbindet diese dubiosen Hintergrundgeschäfte mit Callaghan. Wieso und warum...abwarten. Aber die Akte in Godzillas Händen dürfte belegen, dass er nicht gänzlich falsch liegt. :D
      Vexor


      Vexor schrieb:

      So...da der Kommentar über fast 5 Monate hin irgendwie gewachsen oder gestückelt wurde. Wundere dich bitte nicht darum, wenn er nicht ganz rund ist oder nicht so zusammenpassen mag. Ich hab eigentlich nach jeder Leseeinheit was hinzugefügt oder ergänzt. Kommentieren kann man leider auch verlernen^^
      Du weißt, ich freue mich über jeden Kommentar, egal wie lang oder kurz oder seltsam oder erratisch. Sonst hätte ich nicht gewartet.^^

      Vexor schrieb:

      Kapitel 141 führt die Geschichte um Mercedes und den Grauen Spion fort, beziehungsweise ergänzt Details, die uns bisher gefehlt haben. Ehrlich gesagt weiß ich nur noch, dass Mercedes in dem Haus angegriffen wurde und dass der Pestdoktor irgendwie involviert war. Die genaueren Zusammenhänge sind mir nicht mehr so präsent, aberi ch konnte der Handlung dennoch erstaunlich gut folgen und fand mich in zafonsche Gefilde versetzt, was die Entdeckungen angeht. Hat mir wirklich sehr, sehr gut gefallen und auch die Dynamik zwischen Spion und Mercedes wirkt sehr authentisch auf mich.
      Kommt hin. Lorelei hat ein auffälliges Muster von Vermisstenfällen in Copperfield entdeckt, welches
      Mercedes und der Graue Spion untersucht haben. Dabei hat Mercedes die geheimen Labore inklusive Leichenberge entdeckt und den sie angreifenden Church getötet.
      Freut mich, dass dir die Szene gefallen hat. Irgendwie sagte mir die Herangehensweise zu, Church in der Retrospektive, quasi post mortem, etwas mehr Persönlichkeit und Tiefe zu verleihen, ohne seine überzogene Abartigkeit großartig relativieren zu wollen. Schön, dass das geklappt hat. :)

      Vexor schrieb:

      Generell war ich beeindruckt davon, dass Lorelei den Spion so explizit auf Mercedes angesetzt hat und sie für ihre Pläne wichtig zu sein scheint. Ist auf jeden Fall eine Entwicklung, die ich so nicht kommen gesehen habe, auch wenn du sie vielleicht schon vorher angedeutet hast. Aber ich bin ja auch aus der Geschichte ein wenig raus.
      Nee, so eindeutig war das bislang nie. Aber ich habe ja versprochen, die CP0-Einheiten fortan stärker zu involvieren und liefere dementsprechend. Zumal Lorelei bekanntlich niemand ist, der gerne halbe Sachen macht. Ganz oder gar nicht, die Wahrheit kennt kein grau. :D

      Vexor schrieb:

      Eine wichtige Entwicklung ist dann noch, dass Church Teil der CP-0-Z war und damit Rexroth untersteht. War das schon bekannt? Für mich war es zumindest eine neue Entwicklung und so wie du das Kapitel eingeführt hast, war es vermutlich auch als Neuigkeit angelegt.
      Das war bekannt, aber bisher nie großartig relevant gewesen. Church war ja kaum eine Handvoll Male aufgetaucht. Entsprechend bewusst war mir, das nochmal genau erwähnen zu müssen.^^

      Vexor schrieb:

      In Kapitel 142 beantworten sich auch ein paar meiner Fragen. Lorelei ist also tatsächlich den Bund mit den Kopfgeldjägern eingegangen. Zu Welchem Zweck? Mit welchem Ziel? Das interessiert mich tatsächlich gerade sehr. Das Aufeinandertreffen zwischen Myzete und dem Grauen Spion (hatte der auch einen "bürgerlichen" Namen, den wir schon kennen?) war auch sehr interessant. Das Ende hat mich ein wenig verwirrt, aber ich hoffe nicht, dass wir uns jetzt schon wieder von ihm verabschieden müssen. Jetzt, wo ich ihn als Charakter wirklich zu schätzen gelernt habe.
      "Bund" ist ein starkes Wort für eine Beziehung, in der die Kopfgeldjäger im Grunde keine andere Wahl haben, als erst einmal mit den Agenten zusammenzuarbeiten, um nicht auf der Abschussliste der WR zu landen. :D
      Aber ja, Lorelei sieht die ganze Kiste als fruchtbares Bündnis an und wird die Kopfgeldjäger nicht so schnell vom Haken lassen. Siehe Mr. (tatsächlich) Namenlos, der auf Mercedes angesetzt wurde. Oder Cassiopeia, die eigentlich die Geschehnisse und Entwicklungen im Bordell überwachen soll.

      Vexor schrieb:

      Die kleine Szene mit Mercedes und ihrem Namenwechsel nehme ich natürlich schmunzelnd entgegen, auch wenn es schade ist, dass du mir da zuvorgekommen ist. Aber es hat mich stärker znum Schreiben motiviert als ich dachte. Immerhin freue ich mich schon auf diese kleine Szene oder eher das Kapitel. Ich stehe auch bei den Initialen gerade auf dem Schlauch. Bin auch zu faul nachzuschauen. Wird sich eh bald aufklären oder du beantwortest es mir einfach.
      Übernehme ich gern: Das "L" steht für Lorelei, dürfte klar gewesen sein. Das B.D. steht für DaVinci, dessen Notizen und Baupläne Mercedes ja im Rucksack gefunden hat. Gewissermaßen hat Lorelei Mercedes also die Vision des Erfinders geschickt; das, was aus Mercedes bei einem komplikationsfreien Verlauf ihrer Modifizierung hätte werden können.

      Vexor schrieb:

      Dann hören wir endlich mal wieder was von Carla. Die Szene zwischen ihr und Catherine hat mir wirklich sehr gut gefallen. Also der Kontrast zwischen den beiden Figuren und wie Carla Catherine offenkundig benutzt, die einfach zu dumm, naiv oder gutmütig ist, um das zu durchschauen. Aber vielleicht irre ich mich auch und die Puppenkönigin nutzt ihre Erscheinung und die damit einhergehenden Vorurteile tatsächlich ganz bewusst und ist am Ende die Meisterin der Scharade? Ich gebe zu, es wäre nicht mein Lieblingsszenario oder gar das Wahrscheinlichste, aber ich würde es dir durchaus zutrauen. Die beiden Frauen schmieden eine Allianz. Offiziell gegen Ulysses, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Carla da ihre eigenen Motive und Ziele hat. (Auch wenn mich hier ein wenig mein Gedächtnis verlässt, welche Fäden die schwarze Spinne schon entsponnen hat).
      Richtig. Carla sichert sich die Unterstützung der Krone, oder anders: Nistet sich im Ohr der Königin ein. Wenn die Szene im Badehaus Carla eines gelehrt hat, dann, dass sie Ulysses ausgeliefert ist. Eine Situation, die ihr nicht gefällt und die sie in die ungünstige Not bringt, aufrüsten zu müssen. Was kommt da besser als die Armee einer der größten Nationen der Weltregierung samt kolonialem Anhang?^^

      Vexor schrieb:

      Flashback zu einer Badehausszene und immerhin eine, die im Gegensatz zu Oda nicht nur reinen Fanservicecharakter hat. Viel bleibt mir hier nicht zu sagen, auch wenn ich bei dem blonden Schamhaar sehr laut lachen musst xD
      Hat mir beim Schreiben auch viel Spaß gemacht. :D

      Vexor schrieb:

      Kapitel 143 - der graue Spion ist wohl doch nicht so glimpflich davongekommen xD Aber damit spule ich ja schon zum Ende vor. Die Szene zwischen Carla und Ulysses geht weiterund dir gelingt es sehr geschickt, deine beiden genialen Antagonisten keine Blöße zu geben. Beide triumphieren und versagen zu gleich in dieser Szene, ohne dass einer von ihnen sein Gesicht dabei verliert. Jetzt bin ich aber doch ein wenig verunsichert gewesen. Hatte Ulysses nicht eigentlich auch vor gegen Carla vorzugehen? Versuchen sich jetzt beide zu vernichten, während sie gemeinsam arbeiten? Da tut es mir jetzt fast Leid, dass ich die einzelnen Handlungsstränge nicht mehr so gut im Kopf habe.
      Bisher sieht es so aus: Ulysses hat Carla nach Harleys Niedergang verschont und ihr einen neuen Job angeboten, in Nickleby. Sie soll auf sein Geheiß seine Agentin im Herzen der fountischen Macht sein, die Stadt korrumpieren, Macht akkumulieren, seinen Einfluss im Feindesland unbemerkt ausbauen. Es ist ein trügerisches und wackliges Bündnis, was Carla natürlich weiß. Siehe die Armee, welche sie sich hinter Ulysses' Rücken sichern will.

      Vexor schrieb:

      Dann lernen wir Ennis kennen. Bei der Szene mit Cassiopeia bin ich noch nicht ganz so schlüssig, worauf es sich bezieht. Vielleicht au Callaghan? Da warte ich einfach ab, da mir das spekulieren gerade nicht sinnvoll erscheint.
      Die Szene ist eher ein Ausblick und notwendige Vorbereitung auf die Dinge, die da kommen. Aber schön, dass du Callaghan nicht vergessen hast.^^

      Vexor schrieb:

      Kommen wir zu Mercedes und den Ereignissen in Copperfield, welches wohl gerade bombadiert/angegriffen wird. Die Szene mit Emily (und die Erinnerung an ihren Bruder) war mir vielleicht ein wenig zu plump und ging mir generell zu schell, als dass ich Mercedes großen Gefühlsausbruch nachvollziehbar fände. Da hätte das Mädchen vielleicht schon einmal eine Rolle spielen müssen. Aber das ist jetzt nur ein kleiner Kritikpunkt. Ich bin einfach gespannt, wo es mit Kapitel 144 weitergeht und ob der Graue Spion überlebt. Ich hoffe es ja sehr.
      Jo, ist kein Ding. Die Sache mit dem Mädchen war auch absolut nicht als großes Erweckungserlebnis oder Trauma gedacht, im Gegenteil. Mercedes hat nur am eigenen Leib erfahren, was Ulysses' Terror anrichtet und die Geschehnisse auf FI mit den Ereignissen in ihrer Heimat verknüpft. Der Pestdoktor und Enjolras nährten sich von Früchten eines einzigen Baumes und diese Szene fokussierte Mercedes dahingehend. Natürlich wusste sie schon vorher durch O'Mara und die Agenten von Ulysses, aber jetzt ist sie emotional direkter involviert...und ziemlich angepisst.^^
      Das Mädel selbst war nur Mittel zum Zweck und entsprechend belanglos.

      Vexor schrieb:

      Dann kommen wir zu Kapitel 144 und ich muss sagen, dass ich den Anfang des Flashbacks nicht verstanden hab, obwohl ich die Szene jetzt wirklich mehrfach gelesen habe. Was passiert mit Étain und wieso greift Ulysses nicht ein und wer ist diese Frau, die auftaucht und ihn als König sehen möchte? Ich dachte einen kurzen Moment, dass Étain vielleicht bipolar ist und gar nicht angegriffen wurde, aber das ergibt wenig Sinn. Also irgendwie konnte ich dem nicht so wirklich folgen.
      Verständlich. Also es sind tatsächlich drei Personen. Ulysses, Etain und die Unbekannte. Letztere verscheucht die Hunde und knockt Etain aus. Mit dem Wissen macht die Szene vielleicht etwas mehr Sinn? Etain sieht die Fremde, die Hunde bellen und plötzlich kippt Etain aus den Latschen und die Hunde nehmen wimmernd Reißaus, ohne dass die Fremde auch nur einen Finger rührt. Dürfte vertraut klingen.^^

      Aber danke für den Input. Werde nochmal drüberschauen und gucken, wie ich das in Zukunft noch deutlicher machen kann. Weißt ja selbst, wie manche Szene im Kopf so klar sind, dass man die Rolle des Lesers vergisst.

      Vexor schrieb:

      Unabhängig davon kann ich dir auch nur weiterhin ein Lob für Ulysses Charakterzeichnung aussprechen. Gefällt mir ausgesprochen gut und mittlerweile habe ich ein umfassendes Bild von ihm als Menschen und so kleine Details, die du da einstreust, machen das natürlich umso reizvoller.
      Freut mich. Überhaupt machen mir Carla und Ulysses in ihrer Unterschiedlichkeit sehr viel Spaß und lassen mich auch erkennen, dass ich da in der Vergangenheit durchaus Potenzial habe liegen lassen (Stichwort Harley).

      Vexor schrieb:

      Godzilla und Rhiannon nehme ich mal so zur Kenntnis. Rhiannon ist glaub ich ein neuer Charakter? Auf jeden Fall auch ganz interessant, soweit man das jetzt schon beurteilen kann. Ansonsten kann ich zu der Szene nicht viel sagen.
      Nein, Rhiannon tauchte im...dritten Arc auf, beim ersten Auftritt ihrer Einheit. Aber das ist wirklich schon sehr lange her.^^
      Entscheidende Bewandtnis in dieser Szene hat eigentlich eh nur die Akte und die Tatsache, dass die CP0-Behemoth nun aktiver in die Handlung eingebunden wird. Die standen ja bisher eher stiefmütterlich zwischen den Stühlen, auf denen Lorelei und Rexroth ihren kleinen Geheimkrieg führen.

      Vexor schrieb:

      Dann kommen wir zu Krill und O'Mara und hier offenbart sich eine deiner größten Stärken und die liegen für mich in den Dialogen. Ich könnte seitenweise deine Dialoge lesen, die immer absolut authentisch, flüssig und natürlich wirken. Ich beneide dich dafür, dass du deine Charaktere wirklich sprechen lassen kannst. Ich persönlich finde das immer unheimlich schwierig. Inhaltlich weiß ich nicht, ob Krill jetzt an Callaghan zweifelt oder ihm dadurch eigentlich erst recht seine Treue ausspricht. Auf jeden Fall bin cih gespannt, ob seine Gefühle gegenüber Cassiopeia noch eine größere Rolle spielen und vielleicht einen Hintergrund haben.
      Vielen Dank. Du weißt, wie gerne ich Dialoge schreibe und freue mich immer, wenn diese Begeisterung auf den Leser übergeht. :)
      Krills Gedanken sind momentan noch recht wirr, aber er hat eine gewisse Ahnung und wird dieser nachgehen, keine Frage. Die WR, Callaghan, die Akte und Cassiopeias Aussagen. Alles gehört dazu und fügt sich mit den Worten des Grauen Spions über Callaghan zusammen. Dahingehend verspreche ich schon einmal, dass dieser Arc in absehbarer Zeit Auflösung bringen wird.


    • Kapitel 145 - ???

      Kapitel 145 - Die verbotene Frau

      Ein kühler Luftzug wehte wie ein Raunen durch die Flure des Bordells und ließ die Huren in ihren flatterhaften Morgenriten innehalten. Eingefroren in den diversen Stadien der Nacktheit und des Angekleidet-Seins hatten sie ihre frivolen Waschungen unterbrochen und Haarbürsten, Lippenstifte, Strumpfbänder, Strapsen und Lockenwickler beiseite gelegt, um nach dem markanten Stiefelabsatz auf den dunklen Holzdielen zu horchen. Alle waren sie mäuschenstill, die Dominas und Masochistinnen, die leichten Mädchen und schweren Matronen — denn ihrer aller Mutter, die überwältigende Bloody Mary Kelly hatte soeben die Pforte ihrer unheiligen Folterkammer aufgestoßen. Erhaben, mordlüstern und perfekt drapiert schritt sie die Treppenstufen hinab. Der eisig-weißblonde Iro hing zusammengeflochten in ihrem Nacken wie das Nest der grässlichen Spinnentiere, die wuchernde Netze aus schwarzer Tinte in ihren Hals stanzten und sich abseilten auf ihre schlanken Schultern, das wohlgeformte Dekolleté und die seidigen Arme. Kathedralische Monstren, konserviert für die Ewigkeit in dem strahlenden Bernstein des halbdurchsichtigen Lackmantels, der bis auf Marys tiefschwarze Reizwäsche keiner Fantasie Spielraum gewährte. Niemand verstand das laszive Spiel des Ordinären und Wunderschönen wie die Bloody Mary, die Verruchte und Anmutige, die Schamerfüllte und Beschämende, die amtierende Mutter der Huren. Die verbotene Frau.
      »Guten Morgen, meine Lieben.«
      Jede Hure versuchte auf ihre Weise, den Luftkuss der rotlackierten Lippen einzufangen, bevor er sich in den Nebeldämpfen des Bades verflüchtigen konnte.
      »Leider habe ich eine Frühstückseinladung erhalten, die ich nicht ausschlagen kann, weshalb das allmorgendliche Bankett heute ohne Cocky, Fawne und mich auskommen muss.«
      Die Bestürzung krauste die Haare der aufgescheuchten Freudendamen schneller als jeder Lockenstab, doch Mary wusste um ihre Position und die Verantwortung, die aus jener erwuchs.
      »Nur keine Aufregung, meine Lieben, Fawne wird die Angelegenheiten des Tages besprechen, während ihr euch ankleidet.«
      Blitzartig klatschten die tätowierten Hände ineinander, um die bebrillte Fawne und deren heiliges Klemmbrett wie den Weisen vom Berg samt Gebotstafel zu beschwören.
      »Guten Morgen, die Damen. Wascht euch gründlich, der heutige Tag wird lang und schweißtreibend…«
      Während ihre Gesellschafterin die Tagesordnung mit der geschäftsmännischen Routine grauer Bürokraten verlas - Betty mit Lord Dover in der »Notaufnahme«, Magensonde nicht vergessen! Keira mit Richter North im »Klassenzimmer«, dem Richter beim Anlegen des Schulmädchenkostüms helfen — klopfte die gedankenverlorene Mary ihre linke Hand aus dem Bett, welche sich noch ihrer gewohnten Masturbation hingab.
      »ICH KOMMMEEEEEEE!«
      »Spute dich«, mahnte Mary durch die Tür hindurch, bevor sie die Treppe gen Erdgeschoss nahm, über die O'Mara wenige Stunden zuvor gestolpert war, und eben jenen neben Krill in kompromittierender Pose auf der schwarzledernen Couch des Gesellschaftszimmer vorfand.
      »Ein himmlisches Pärchen«, schmunzelte die an ihre Seite tretende Fawne beim Anblick der beiden Männer, die Kopf an Kopf schlummernd auf die Schulter des jeweils anderen sabberten, »Soll ich sie aufwecken?«
      »Ich bitte darum.«
      Mit maliziöser Vorfreude fischte Fawne ihren liebsten Kugelschreiber aus den Untiefen ihres famosen Busens, den die graue Wolle des sündhaften Kostüms kaum zu bändigen wusste, und hielt ihn dicht neben die friedvoll Schnarchenden. Klick-Klick-Klick-Klick-Klick. Das Staccato des Stifts hämmerte wie eine Maschinenpistole in ihren Ohren und warf die beiden beinahe aus den schwarzen Polstern.
      »Guten Morgen, ihr undankbaren Vollidioten.« Marys Stimme triefte vor Liebe und besten Wünschen. »Krill, freut mich, dich wiederzusehen. Lass mich raten — du hast Carla direkt hierher geführt?«
      »Wenn dem so wäre«, gähnte der Kraken müde, »Wärst du mit ihrem Schädel neben deinem Kissen aufgewacht.«
      »Gott, nehmt euch ein Zimmer.« Der Länge nach rutschte O'Mara vom Leder auf den Boden, unfähig, seinem verkaterten Hirn auch nur einen einzigen Befehl zuzumuten. »Haltet die Schnauze, nehmt euch ein Zimmer und haltet da weiter die Schnauze.«
      »Hier kommt COCKYYYYY!«
      Ungestüm galoppierte Cocky Lynn die Stufen hinab, ihre erdbraune Lockenpracht wie Rosshaar in einem wüsten Zopf hinter sich herziehend. »Was hab ich verpasst?!«
      »Meine verfickte Laudatio auf die Schönheit der Stille, du…Was zum Teufel trägst du da?«
      Verwirrt sah Cocky an sich herab, nicht begreifend, was O'Mara an der sexuell eindeutigen Perversion eines Brautkleides auszusetzen hatte.
      »Fawne sagte, ich soll mein hübschestes Kleid anziehen. Das is mein hübschestes Kleid. Sehe ich nicht gut aus?«
      Mary seufzte nur. »Als wärst du auf dem Weg zum Altar vergewaltigt worden.«
      »Wow«, staunte Cocky aus großen Augen, »Genau DAS war meine Vision. Du verstehst mich so gut.«
      Krills geschärfte Sinne konnten den Atem, der sich in Mary für eine vernichtende Ansprache staute, bereits in der Luft riechen, als plötzlich der junge Timmy durch die Tür barst und den Gestank der Gosse mit sich auf den floralen Teppichboden schleppte.
      »Lady Kelly, Lady Kelly!«, plärrte er atemlos, »Lady Kelly, Miss Chastain, Miss Lynn, seltsame Typen, deren Namen ich nicht kenne…!Es…es…!«
      »Was habt ihr Leute nur gegen Stille…«, moserte O'Mara halbtot vor Migräne, woran sich Mary königlich ergötzte. Indes kam der keuchende Timmy endlich zu Atem, mit bebender Stimme eröffnend:
      »Es gab eine Explosion! In Copperfield!«
      Just hellwach bohrten sich sämtliche Augenpaare in die ausgezehrte Gestalt des blonden Zeitungsjungen, der jedoch seinerseits nur Augen für seine Lady Kelly hatte und zu ihr allein sprach:
      »Viel is noch nich bekannt, aber es heißt…es heißt die halbe Stadt is niedergebrannt. Unzählige Tote und Verletzte. Sieht düster aus, Lady Kelly!«
      »Mercedes…«, überkam es O'Mara augenblicklich, doch Krill gab sich unbesorgt.
      »Mercedes stirbt nicht in einem Feuer…«

      Kesselhaus von Engine Barker, Union Black

      »…sie ist das Feuer«, spuckte Luca ihrem demolierten Gefängniswärter mit felsenfester Entschlossenheit entgegen, »Du willst mir Angst machen? Dann denk dir glaubwürdigere Lügen aus.«
      »Warte, warte, warte«, lachte der Wächter so breit und heiter es seine wundgeprügelte Visage zuließ, »Du willst mir also erzählen, dass du dir keine Sorgen um sie machst? Die halbe Stadt fliegt in die Luft, aber deine Freundin überlebt? Unverletzt?«
      Genüsslich an der Apfelgriebe nagend, die von Lucas kargem Frühstück übrig geblieben war, ließ er sich vor die angekettete Blondine in einen Schneidersitz fallen und besah sie sich aus seinen ockerbraunen Augen vollkommen fasziniert, als gleiche die Sichtung dieser zornigen, launischen Blondine einem einmaligen Naturspektakel. »Du bist wütend.«
      »Ich bin konzentriert.«
      »Jacke wie Hose. Worauf konzentrierst du dich?«
      Ihr breiter, voller Mund verzog sich tief in seine Winkel, bevor er schnell lächelte, plötzlich schmollend, dann verärgert, um beim nächsten Blinzeln wieder die unzufrieden herabhängende Sichel von zuvor zu zücken. Nur Worte entfleuchten den fleischigen Lippen während dieser akrobatischen Gaumenübung nicht.
      »Du bist ein Mysterium, Luca Briatore.«
      »Und dir trieft Blut aus dem Auge, hässlicher namenloser Wachhund.«
      »Verfickte Scheiße!«
      Soeben hatte der hässliche namenlose Wachhund ein Taschentuch aus seinem Jackett gezückt, da ruderten die Schlösser des monströsen Tresors gegen den Sturm und ließen einen tänzelnden Blindenstock ein, der seinen Blinden pflichtbewusst hinter sich herzog.
      »Was sind denn das für Ausdrücke, Kevin?«, schalt Douglas Remington den Wachposten oberkorrekt, »Du befindest dich in Gegenwart einer Dame.«
      »Kevin?«, platzte es wenig damenhaft aus der Dame heraus, »Wirklich?«
      Kevin grummelte, während er sich auf ein Handzeichen des Blinden hin auf die Beine quengelte, ihm einen Stuhl vor Luca zurechtrückte, beim Hinsetzen assistierte und schließlich aus dem Raum schlurfte.
      »Rufen Sie, wenn Sie was brauchen, Mr. Remington.«
      »Vielen Dank, Kevin.«
      »Bis dann, Kevin!«
      »Gottverfluchtedämlichescheiß—«
      Erst das dröhnend einrastende Bollwerk des Tresortores vermochte dem wütenden Gemurmel des Wärters Einhalt zu gebieten und Luca gänzlich mit dem schneidigen Douglas Remington in Stille zurückzulassen.

      Harker-Anwesen, Anne-The-Splendid

      Legte man die Ohren an das verbrannte Mauerwerk, hallte das Knistern und Darben der längst erloschenen Flammen noch immer in den schwarzen Steinen nach und mit ihm die wahnsinnigen Flüche, die der sterbende Gerald Harker seiner untreuen Gattin ins Ohr geflüstert hatte. Gemeinsam hatten sie in diesen ihren Mauern gelebt, geliebt, gelacht und gelogen, gemeinsam waren sie in diesen ihren Mauern verbrannt. Nathalies Verrat zeichnete das gotische Villenmonument mit Narben wie Rabenklauen, schwarz und tief und voller Schatten, ohne es dem Niedergang zu weihen. Während seine Bewohner dem grausigen Feuertod anheim gefallen waren, hatte sich das dunkle Mauerwerk an jedem Ziegel festgekrallt und überdauert, um nun rachsüchtig und gierig die dunkelsten Geheimnisse der Toten bis in alle Ewigkeit zu horten. Hartnäckig war es, dieses alte verwunschene Haus, und geduldig. So viele Jahre hatte es ausgeharrt, die verächtlichen Blicke Nicklebys zu ertragen gelernt und nach diesem einen verräterischen Knarren der schwarzen Dielen gelauert, die sich unter dem Gewicht lebender Leiber beugen. Einsamkeit und Verfall waren der Preis gewesen, doch endlich konnte das Anwesen sein sardonisches Kreuzrippengewölbe wie ein schwarzes Spinnennetz über den Köpfen der drei Huren auswerfen, die die endlosen Schattenflure mit stoischen Scheuklappen abschritten. Zu beiden Seiten belauerte ein absonderliches Gewirr aus spitzen Winkeln und dämonischen Drudenfüßen die bedrückenden Hallen, als stülpe sich das psychedelische Maßwerk der versengten Fassade von Außen nach Innen. Verdurstende Wasserspeier auf grotesken Simsen, verstörende monsterübersäte Gobelins vor rauchverkrusteten Fensterkreuzen. Mary Kellys höllische Tätowierungen höchstselbst mussten Carla die Unterwerfung der Teufelspriester neiden, die durch die grauenhaften schwarzen Alkoven dieses pervertierten Mausoleums hinken mussten, um unaussprechliche Messen zu begehen.
      »Miss Kelly!«
      Die Frau in Schwarz erwartete ihre Gäste im Speisesaal, einem tempelhaften Gewölbe voller Kamine, Gemälde und Geister. Hohe verhangene Fenstergalerien warfen beklemmende Ahnungen des morgendlichen Sonnenlichts durch schwarze Vorhänge, die wie verschleierte Witwen gen Dielenboden wallten und Carlas bizarrer Skulpturenarmee als Draperie dienten. Gefesselt von der erdrückenden Furcht, die grässlichen Statuen könnten vom harker'schen Spuk beseelt werden und sie anfallen, stolzierte Mary mit ihren Attachés in strenger Dreierformation durch den steinäugigen Spießrutenlauf; vorbei an verzerrten Heiligen mit gen Himmel gereckten Händen, skelettierten Messiasfigürchen in den Armen klagender Mütter, und urtümlichen Humanoiden, die auf allen Vieren marmorne Eckzähne fletschten. Eines Tages, überkam es Mary kurzschlussartig, würde sie eine von ihnen sein. Dennoch — oder aus blankem Trotz — erreichte die Hurenmutter die Tafel der schwarzen Witwe mit der verruchten Würde eines sündigen Engels, Fawne und Cocky Lynn wie mächtige Schwingen in ihrem Rücken führend.
      Schnelle, kultivierte Worte wurden ausgetauscht, bevor die schwarzlackierten Finger der Hausherrin die Huren an ihre Plätze wiesen — die giftige Spinne entspann ihre Fäden vor dem lodernden Feuer des zyklopischen Hauptkamins, der ihren in Finsternis gegossenen weißen Körper unheilverheißend inszenierte. Seidig glänzendes Haar floss in ein Kleid aus Rabenschwärze, auf dessen dunklen Wassern handgeschliffene Blutsteine feurig-funkelnd umhertrieben. Perfektion aus Schatten, für die Schatten.
      Mary hatte sich direkt an Carlas Seite niederzulassen, links neben den betreten dreinschauenden Benedict Hearst. Der große Mann lächelte dankbar für diese adrette Wand zwischen sich und der Gastgeberin, obschon er sich noch immer den vernichtenden wüstenbraunen Blicken der furchteinflößenden Diane Rovira ausgesetzt sah, zu deren Seiten sich Fawne und Cocky zu postieren hatten. Weder der königliche Uhrmacher noch die verbotene Frau errieten, mit welch perfider Logik und zu welchem maliziösen Zweck sich Carla diese Tischordnung erdacht hatte — offenkundig war jedoch: Einer der schwarzbehangenen Stühle blieb verwaist zurück.
      »Erwarten wir noch jemanden?«, fragte Hearst mit der Ungeduld eines Verhungernden, den markanten Kiefer vorschiebend.
      »Miss O'Rourke«, gab Carla zur Antwort, »Doch sie war weder gestern Abend noch heute Morgen in ihrem Zimmer.«
      Hearst musste für den Bruchteil einer Sekunde zu alarmiert dreingeschaut haben, denn sofort packte Dionisia Lorca alias Diane Rovira das Gespräch bei den Intimteilen:
      »Sie ist mit reger Regelmäßigkeit unpässlich. Vermutlich schläft sie in einer dubiosen Drogenhöhle ihren Rausch aus, während wir hier sprechen.«
      »Dionisia, sei nicht so streng.« Carla mimte die besorgte Dame des Hauses mit einer herzergreifenden Leidenschaft, die selbst der feurigen Südländerin eine Lüge aufzutischen vermocht hätte, wäre sie nicht in das makabre Spiel eingeweiht gewesen.
      »Und Mr. Waterloo?«, grub Fawne kaltschnäuzig tiefer, um die falsche Maskerade bröckeln zu sehen. Vergeblich.
      »Thomas hat sich entschuldigen lassen, um ›lukrative Chancen‹ ins Auge fassen zu können, wie er sagte.«
      »Ein Jammer, er ist ein reizender Mann.«
      »Ich würde ihn ficken«, stimmte Cocky prompt zu, worüber sich Hearst beinahe an seiner Zunge verschluckte. Carla hingegen wirkte ungewohnt heiter, noch immer stehend, noch immer die langen Fäden ihres Netzes rabenlächelnd beäugend. Alle ihre Fliegen waren beisammen, der Festschmaus konnte beginnen.
      In liturgischer Melodramatik erhoben ihre leichenweißen Finger ein kleines Messingglöckchen und ließen es schwungvoll anschlagen, auf dass seine bimmelnden Klänge wie auf einem Totenmarsch durch die Labyrinthe des Anwesens hallten und Marys gefürchtetste Geister beschworen. Knirschend, knackend, berstend wie Landgräben klafften plötzlich die irdenen Häute der abscheulichen Skulpturen auf und begannen sich in lethargischster Schwere zu regen. Steine, die auf Steinen malmten begleiteten die absonderliche Auferstehung, jede Bewegung der erdüberwucherten Leiber nagte an den Nerven der Frühstücksgesellschaft, die Carlas groteskes Theater an die Ränder ihrer Stühle gebannt hatte. Mit trockener Kehle verfolgte Mary den Tanz der Wiedergänger, die sich mit ghulischem Hunger an der Babystatuette in den Armen seiner kannibalistischen Mutter versündigten. Beine, Arme, Schädel wurden derart ruchlos aus dem winzigen Körper gerissen, dass selbst die braunen Brauen der abgebrühten Fawne vor Ekel zuckten. Die unaussprechliche Frage, ob ein tatsächliches Neugeborenes unter der dunklen Lehmhaut gesteckt hatte, pendelte sensenscharf über der Frühstückstafel — bis Carlas Todbeschworene schlurfenden Elendsschritts auf die Gäste zusetzten und jedem von ihnen eines der abgerissenen, hohlen Kinderglieder vorsetzten. Während sich Lorca und Hearst mit den Beinen begnügen mussten, erhielten Fawne und Cocky die Ärmchen; zweifelsohne ein Tribut für die rechte und linke Hand der Bloody Mary, welche indes entsetzt bezeugen musste, wie die teuflischen Steindämonen den Schädel des falschen Babys wie eine Nuss spalteten. Die Fontanelle für Carla, den kleinen Kiefer für die Hurenmutter.
      »Herr im Himmel, Miss Griswold«, bekreuzigte sich der unwillkürlich konvertierte Hearst empört, das winzige Beinchen mit Abscheu zwischen Daumen und Zeigefinger baumeln lassend, »Was treiben Sie hier?«
      Carla ignorierte ihn geflissentlich, grinste jedoch zufrieden, als eine der hinkenden Skulpturen auf ein neuerliches Bimmeln des satanischen Glöckchens hin einen dekadent bestückten Barwagen herankarrte und den Gästen wortlos ausgewählte Spirituosen in die hohlen Kinderglieder einschenkte: Brandy für die Huren, Whiskey für Hearst, Zyankali für die Hausherrinnen — hoffte zumindest Cocky Lynn, welche das makabre Theater verstört und leichenblass zurückgelassen hatte.
      »Liebe Freunde«, spukte Carlas dunkle Stimme durch ihren braungelockten Schopf, »Ihre Anwesenheit bedeutet mir so viel. Lassen Sie mich diesen Anlass nutzen, um auf unsere fruchtbare Partnerschaft anzustoßen.« Wie eine heidnische Muttergottheit erhob sie den falschen Kinderschädel. »Dionisia, meine loyale, furchteinflößende, wunderbare Dionisia. Wie könnte ich dir jemals die Treuedienste entlohnen, die du mir erwiesen hast? Benedict, mein Patron, Gönner und Wegweiser. Was ist zu sagen zu dem Mann, der dir ein Königreich zu Füßen legt? Und die Damen Huren, natürlich, die Sie das heiße Blut und die süßen Säfte in unserer mächtigen Körperschaft sind — wann wollten Sie mir von Ihrer Beziehung zu den Kopfgeldjägern berichten?«

      Augenblicklich gefror das verwunschene Feuer in den Wänden des Geisterhauses, die ewigen Zankereien der toten Harkers verstummten und die abscheulichen Skulpturen versteckten sich wieder in ihrer unbeweglichen, erdgebundenen Nichtexistenz. Nur Carlas schlangengrüne Augen zischten nahezu hörbar, während sie sich durch die versteinerte Miene der Bloody Mary fraßen. Instinktiv gab jene ihren Statthalterinnen dennoch ein sublimes Signal zur Ruhe; kaum mehr als ein Wimpernaufschlag, der von Benedict Hearsts aufsteigenden Schultern überschattet wurde.
      »Ich sollte vielleicht besser—«
      »Sie bleiben, wo Sie sind!«, befahl Lorca, in deren winzigen Krähenfüßchen Staub wie in einem verdorrten Flussbett zirkulierte.
      »Aber gern…«, seufzte der königliche Uhrmacher sichtlich ungern und setzte sich wieder neben die seelenruhige Mutter der Huren.
      »Ich verstehe nicht«, log Mary ohne Fehl und Tadel, »Sollte ich wissen, wovon Sie reden, Carla?«
      Brauenrunzelnd trank die Frau in Schwarz den halbierten Schädel leer, bevor sie sich seidig in ihren hohen dunklen Lehnsessel sinken ließ. Das Feuer in ihrem Rücken knisterte bedrohlich, der kathedralische Dachstuhl über ihr knarzte anklagend. In dieser Sekunde herrschte Carla Griswold über die Hölle auf Erden.
      »Callaghan«, klimperten ihre schwarzen Lippen wie Rabenklauen in Marys verständnisloses Gesicht, »Wieso wusste ich nichts von Ihrer gemeinsamen Vergangenheit?«
      »Weil er keine Rolle spielt«, erklärte Mary verwirrt, »Zumindest glaubte ich das. Worauf wollen Sie hinaus?«
      »Sie kennen sich gut, hörte ich. Er soll ihr Erster gewesen sein.«
      Tausende Gedanken tyrannisierten Marys Verstand, doch ihre Stimme gebot formvollendete Contenance:
      »Richtig. Er hat mich gefickt, wie ein Junge ein Mädchen fickt. Nichts, was gestandenen Frauen wie uns die Schamesröte ins Gesicht triebe, Carla. Ich verstehe dennoch nicht. Woher kennen Sie Callaghan? Was hat er—?!«
      Die Luft wurde schwer, bleiern schwer, und die Kehle der Hurenmutter füllte sich mit trockener Hitze. Carla hatte das alte Haus nicht unterworfen, sondern sich mit ihm in unheiliger Komplizenschaft verschworen, neue Geister zu erschaffen und neue Geheimnisse zu verschlingen. Ihr tödlichstes Schreckgespenst aber hatte sie mitgebracht und wie einen staubverhangenen Leichenschleier über der keuchenden Mary ausgebreitet.
      »Ich…Ich—«
      Wie dankbar die Hurenmutter war, als ausgerechnet Cocky Lynn plötzlich ungefragt das Wort ergriff:
      »Was soll das hier?!« Die Wut in ihrer Stimme ohrfeigte Mary nahezu. »Hast du wieder was mit diesem Stück Scheiße zu schaffen oder was!? Sag schon!«
      »Ich…natürlich nicht, ich weiß nicht—«
      »Cocky, beruhige dich. Er und seine enthemmten Kumpanen sind Personae non gratae«, mimte Fawne die friedensstiftende Vermittlerin ebenso überzeugend wie die verruchte Sekretärin, den versauten Bücherwurm oder die experimentierfreudige Ordensschwester. Jede ihrer Rollen wurde für die große Bühne uraufgeführt, sei es ein bezogenes Bett oder Carlas monströse Kerkervilla.
      »Miss Griswold, ich verbürge mich für Mary. Callaghan und seine beiden Bluthunde haben keinen Zutritt zu unserem Bordell.«
      »Beide Bluthunde?«, wiederholte Lorca verstimmt, wurde jedoch von Carlas schwarzlackierten Fingern jäh zum Schweigen verdammt. Wie die Schneide eines Dolches glitten die grünen Schlangenaugen über die Wangen der Huren, bevor sie sich erneut an Marys Schlagader legten.
      »Ist das wahr, Mary?«
      »Ja, und ich versuche, Sie zu verstehen«, schauspielerte die Hurenmutter um ihr Leben, als sich Lorcas unsichtbarer Knebel endlich löste, »Welche Art von Bekanntschaft unterhalten Sie mit Callaghan? Was hat er mit Ihnen zu schaffen?«
      »Spielt das eine Rolle?«, fragte die Frau in Schwarz doppelbödig, was Mary energischst bejahte:
      »Soweit es mich betrifft, und solange Sie mich beschuldigen — wessen auch immer Sie mich hier beschuldigen — spielt es eine verflucht entscheidende Rolle. Vor zehn—«
      »Neun«, korrigierte Fawne zwanghaft.
      »…neun Jahren wurden Callaghan und seine Lakaien vor die Türen des Bordells gesetzt. Sie sind unerwünscht und sollte ich diese Bastarde nie wieder zu Gesicht kriegen, wäre das immer noch zu früh. Also sagen Sie jetzt mir, welche Beziehung SIE zu Callaghan pflegen. Sofort.«
      »Was geschah vor neun Jahren?«, fragte Carla im Wissen um die Antwort und die Schmerzen, die jene in Mary aufwühlte.
      »Sie jagten einen Frauenmörder«, übernahm Fawne geistesgegenwärtig, »und missbrauchten zwei Mädchen des Bordells als Köder. Beide starben einen grausamen Tod, weil Callaghan die Situation unterschätzte.«
      »Wie grässlich«, gab sich Lorca betroffen, »Haben sie dieses Monster am Ende erwischt?«
      Mary atmete ruhig ein, aus, ein. Aus:
      »Ja.«
      »Das muss schwer für sie gewesen sein«, bemerkte Carla mit der eleganten Gefährlichkeit einer Nadel, »Den Mann zu verbannen, der Sie einst—«
      »Es war nicht meine Entscheidung, mit Callaghan zu kollaborieren—«
      »Oder kopulieren«, kicherte Cocky.
      »…und es war nicht meine Entscheidung, ihn samt Anhang zu ächten. Damals war ich nur eine einfache…Angestellte.«
      »Und seither haben Sie weder Callaghan noch seine Kameraden wiedergesehen?«
      Mary schmunzelte bitter. »Sie würden es nicht wagen, auch nur einen Fuß über die Schwelle des Forbidden Woman zu setzen. Ihre bloße Anwesenheit wäre eine Beleidigung für meine Mädchen. Ebensogut könnten sie auf die Gräber meiner toten Freundinnen spucken…«
      »Aber falls sie es täten…?«
      »Würde ich sie Ihnen ohne mit der Wimper zu zucken ausliefern«, endete Mary festentschlossen, »Vorausgesetzt, ich dürfte sie anschließend eigenhändig kastrieren.«
      Diese Antwort schien Carla…gütlich zu stimmen? Im milchweißen Antlitz der Schwarzen Witwe zu lesen, kam der Entschlüsselung Gottes gleich und mutete ebenso wahnwitzig an. Kein Wort wurde gesprochen, nur Lorcas Staubkrallen durchkämmten noch immer das dämmrige Kaminlicht und die warme Luft, die zu atmen Mary sich sträubte. Jede Faser ihres Körpers kämpfte gegen sich selbst und die eigene Schwäche an, um das unspielbare Spiel weiterzuspielen und das Unaufhaltsame aufzuhalten — den lodernden Urtrieb, wie eine Raubkatze aufzuspringen, sich die Fesseln des Menschseins abzustreifen und die Frau in Schwarz an der Gurgel zu reißen. Zu lange hatte Mary ihren Hass unterdrückt und von der Angst nähren lassen, die in diesen Tagen des harker'schen Schreckens höher und höher stieg wie der schwarze Rauch über Union Black. Das Tier in ihrem Herzen — in die Ecke gedrängt. Ein Teil von ihr wollte ausschlagen, freibrechen, die Ketten in ihrer Kehle sprengen; doch zu welchem Preis? Lorcas geisterhafte Guillotinen waberten drohend über ihren schutzlosen Häuptern, lauerten nur nach einem Befehl der rabenschwarzen Lippen. Ein verächtliches Zucken genügte, und das Anwesen Harker würde Platz für neue Geister schaffen müssen, neue Statuen für Carlas Sammlung, die wurzelten und wandelten und ihr als Sklaven dienten. Sklaven. Eine lawinenhafte Panik erfasste Mary, so alt und tief wie die Angst vor der Dunkelheit und ebenso verhängnisvoll. Zwei Jahrzehnte lang hatte die Hurenmutter in den Straßen Nicklebys gelebt, überlebt, und war über die erniedrigenden Torturen hinausgewachsen, die zu ertragen sie stark gemacht hatten. Zwei Jahrzehnte der Erfahrung und der Reifung, just weggeblinzelt von Carlas terrorisierendem Blick. Gegen ihren Willen schrumpfte die Ehrfurcht gebietende Bloody Mary Kelly auf ihrem Stuhl zu dem stumm weinenden Geschöpf von einst zusammen, das sich die verdammten samtroten Laken herbeiwünschte, um seine Blöße zu bedecken.

      18 Jahre zuvor

      Hexensabbat im Hurenhaus. Zwischen Tollheit und Ekstase herrschte wollüstige Raserei, die schrie und tobte und das Mauerwerk erzittern ließ. Die Götter der Sünde und der Lust speisten vorzüglich, während das Forbidden Woman dem Geschäft der Sinnlichkeit mit ausgestreckten Armen und gespreizten Beinen frönte. Aus allen Türschlitzen drangen entfesselte Schreie und das Klatschen von Schenkeln auf Ärschen dröhnte wie das hämmernde Tomtomtom hautbespannter Urwaldtrommeln durch die roten Flure, als hielte das Bordell in jedem Zimmer heidnische Opferriten zu Ehren wutbrandiger Götzen ab. In der Bar flossen Speichel und Alkohol, im Gesellschaftszimmer spritzten verfrühte Säfte. Leiber räkelten sich, verknoteten zuckend, labend, erkundend, findend — kämpfend. Inmitten der entrückten Massen verderbte Begehren zu Aufbegehren und die fetten Arme der Matrona Blanca mussten das zarte Mädchen an seinen eisblonden Zöpfen durch die Fluten der Fleischeslust zerren. Mary sträubte sich mit aller Macht, halb flehend und halb fluchend diesen unverlässlichen Pantokrator anrufend, an den selbst die unheilige »Schwester« Isolda nicht so recht glaubte.
      Von der Matrona jedenfalls konnte sie keinerlei Gnade erwarten. Schon der dreckige Schimmer des Ärgers in den glubschenden schwarzen Vogelaugen offenbarte den Frust, mit dem die fette Hurenmutter das weinende Mädchen hinter sich herzog. Jedes Wort aus Marys bibberndem Mund schien Blanca zuwider.
      »Bitte! Bitte nicht, Lady Blanca! Ich werde alles tun, alles was Sie verlangen, nur—!«
      Die krachende Schelle riss Mary von den Beinen und aus den roten Lackschuhen, welche ihr Miss Claudia zur Feier ihres 13. Geburtstags letzten Monat geschenkt hatte.
      »Halt dein verwöhntes Ziegenmaul!«, blaffte die Hurenmutter dem Mädchen ins tränenüberströmte, rotbrennende Antlitz, »Alles war perfekt! Alles!« In einem tobsüchtigen Monolog schleifte die Herrin der Huren ihr hilfloses Opfer hinter sich her. »Hörst du, wie die Leute ficken!? Alles fickt, alles spült Geld ein! Nur du nicht! Ausgerechnet heute, wo alles perfekt sein muss und alles ficken muss, spielst du kleine Schlampe dich als keusche Jungfrau auf! Ausgerechnet—«
      »Ich habe meine Arbeit immer gemacht«, wimmerte Mary aufgelöst, barfüßig durch Samenrückstände und Auswurf stolpernd, »Ich…ich putze und spüle und mache die Betten und…«
      »Halt dein Maul, du kleines Miststück! Ab heute machst du nur noch das Maul auf, wenn dir ein Schwanz vor die Nase gehalten wird!«
      »Bitte, Lady Blanca…Ich will nicht-?!«
      »Wollen?! WOLLEN?!« Das Schnauben eines Stieres grollte durch den adipösen Fettleib der Hurenmutter und riss gar ihre toupierten roten Löckchen entzwei. »Ich wollte, dass heute alles glatt läuft. Ich wollte, dass sich jedes Mädchen von seiner besten Seite zeigt, weil heute…«
      Mit einem massiven Ruck kamen die Speckschwarten der Matrona Blanca zur Ruhe, Mary vor einer unauffälligen Tür am Ende eines unauffälligen Ganges festnagelnd. Der Griff in Marys Nacken war eisern wie zuvor, doch die Hurenmutter selbst wirkte plötzlich ängstlich und klein.
      »Warum musstest du auch einen Aufstand machen?«, seufzte sie mitleidig und stieß die Tür vorsichtig auf, »Jetzt will sie sich persönlich mit dir befassen.«
      »Was? Wer?«
      Ein gnadenloser Schubs ließ Mary meterweit in den Raum stolpern, das Gleichgewicht verlieren und in den samtroten Laken eines monströsen Himmelbettes notlanden. Dort blieb sie, bis eine melismische Stimme durch die roten Untiefen tauchte und ihren verschütteten Körper barg.
      »Mach es dir bequem. Mein Haus sei dein Haus.«
      Mein Haus?!
      Marys Augen blinzelten verstört gegen die elfenhafte Silhouette der mysteriösen Frau, welche sich phantastisch vor den Gläsern und Flaschen eines reichen Barschranks abzeichnete. Atemberaubend schöne, mondlichterloh glühende Augen aus blauem Eis trafen ihren Blick und waren sekundenlang alles, was Mary sehen und fühlen konnte. Diese riesigen hellblauen Augen in einem See aus Sommersprossen, unter den Hängen einer sehr hohen, sehr intellektuellen Stirn, die sich schüchtern wie ein Schulmädchen hinter den Fällen eines picobello-akkuraten dunkelbraunen Ponys versteckte.
      »Du bist also Mary«, formten die ungeschminkten zartrosa Lippen mit einem leichten Lispeln, »Du siehst nicht nach viel aus für jemanden, der sogar der fetten Blanca den Appetit verdirbt.«
      Vergnügt griff die Unbekannte eine Flasche Brandy von der Anrichte und schritt auf die Bettkante zu. Mary fürchtete sich zu Tode und glaubte dennoch, nie zuvor einem so zarten, so reinen Wesen begegnet zu sein. Selbst die grobe weiße Wolle des Rollkragenpullovers vermochte die feenhafte Erscheinung dieser wie gehauchten Frau nicht zu verzerren, als sich jene scheinbar ohne Gewicht auf die samtroten Laken neben Mary bettete.
      »Muss ich mich vorstellen?«, fragte sie freundlich. Nun, aus der nähe, schlug ihre Zunge deutlich hörbar an jedes S an. Mary nickte verschreckt.
      »Mein Name ist Laura O'Rourke. Mir gehört dieses Etablissement. Gewissermaßen bin ich also die Herrin deiner Herrin.«
      Dieser Name. Wie die Zahl des Teufels wurde er im Bordell nur hinter vorgehaltener Hand gewispert und allerlei unmissverständlichen Attributen beigemischt, die dem niederen Menschenvolk das fürchten zu lehren wussten. Die blutrünstige Laura O'Rourke, die herrschsüchtige Laura O'Rourke, die schreckliche Laura O'Rourke — die »Lairische Taube« Laura O'Rourke. Plötzlich überkam Mary Übelkeit und sie ratterte unter ohrenbetäubendem Entsetzen, ohne zuvor einen klaren Gedanken gefasst zu haben:
      »Miss…Lady O'Rourke. Mein Name ist Mary Kelly und ich arbeite seit fast einem Jahr hier im Bordell und ich helfe überall, wo ich kann und was ich kann. Ich putze und koche und räume auf und mache die Betten und reinige die…die…Utensilien und helfe den anderen Mädchen beim Waschen und höre ihnen zu und ich tue alles — Wirklich alles! — was Matrona Blanca oder Sie verlangen, außer-« Eine Myriade salziger Tränen brandete in ihren flehenden Augen, just als ihr die Stimme absackte. »Bitte…zwingen Sie mich nicht…«
      »Schon gut, Mary…«, lispelte Laura O'Rourke mitfühlend, »Ein Kunde hat ein Auge auf dich geworfen, aber du bist noch nicht bereit für die…horizontalen Dienste? Das kann ich verstehen, diese Situation wäre für jeden beängstigend.«
      Wie eine Feder rieselte die gläserne Hand der Taube auf Marys Schulter, um sie voller Verständnis mit Wärme zu benetzen und die Furcht des schluchzenden Mädchens zu lindern. Konnte diese unschuldige, zierliche Frau mit ihrem peniblen Pony, dem strengen Dutt und den gewaltigen winterblauen Augen tatsächlich die berüchtigte Matriarchin des wahnsinnigen O'Rourke—Syndikats sein? Mary hatte Geschichten gehört, welche so abscheulich und bestialisch waren wie die Kriege, die ihre Völker seit Anbeginn der Zeit gegeneinander führten. Aber der Frau, die nun neben ihr saß, haftete der Schmutz lairischer Grobheit nicht an; eine fountische Sauberkeit entstieg ihren Poren wie Blütenstaub und duftete nach Heimat. Erst, als O'Rourke die Flasche Brandy mit den Zähnen entkorkte und einen beachtlichen Schluck nahm, erkannte auch Mary die Lairin in ihr.
      »Trink. Beruhigt das Nervenzittern.«
      Mary zögerte, doch Lauras bekräftigendes Nicken und das Wohlwollen in den hellen blauen Augen ließen das junge Mädchen Zuversicht fassen. Es war der erste Tropfen Alkohol, der ihre bibbernden Lippen benetzte, und brannte widerlich. Sofort wollte sie die Flasche absetzten, doch die vormals so sanfte Hand der Laura O'Rourke rammte ihr den gläsernen Hals plötzlich mit unaussprechlicher Gewalt in den Rachen. Der beißende Brandy fraß sich tief in die ächzende Kehle der hustenden, würgenden Mary und ergoss sich aus ihren verzerrten Mundwinkeln über Gesicht, Dekolleté und Haar. Verzweifelt versuchte sie sich zu wehren, aber Laura mühte es kaum mehr als die verbleibende freie Hand ab, um Marys Arme schmerzhaft in ihrem Rücken zu verknoten.
      Immer brachialer und tiefer trieb sie den Brandy in Marys Innerstes, bis die feuerbrennende Brust des weinenden Mädchens zu krampfen begann. Als ihr besudeltes Opfer schließlich zu ertrinken drohte, riss Laura die Flasche aus der lodernden Speiseröhre und beobachtete kalt, wie sich die chaotische Schnappatmung des jungen Busens in einem erbärmlichen Schluchzen verlor.
      »Was denkst du eigentlich, wer du bist?«, zischelte das anschlagende Sssss direkt in das Ohr der verzweifelt Wimmernden, »Bist du besser als all die anderen Mädchen, die es auf der Straße machen müssen? Verdienst etwas besseres, verdienst Mitleid und Gnade? Diese Mädchen da draußen…sie würden töten, um es für viel Geld auf einem kalkuttischen Seidenlaken treiben zu dürfen, statt für ein paar Kröten in einer zugigen Gasse gegen eine Hauswand gefickt zu werden.«
      Während Laura sprach, entfaltete der Alkohol in Mary seine toxische Wirkung.
      »Du bist ein fleißiges Mädchen und verantwortungsvoll. Hast deine Pflichten umsichtig und gewissenhaft erfüllt, aber dein kleiner Arsch ist mehr Wert als die paar lausigen Berry, die du Blanca sparst. Du bist so jung, dich kann ich noch mindestens sechs Jahre als Jungfrau verkaufen.
      »L-lady O…O'Rourke…bitte«, nuschelte das verdreckte, abgefüllte Mädchen verstört, »Ich…ich…«
      »Du, du, du!«, wies Laura das Gestammel erbarmungslos zurück, »Was du? Willst nicht, kannst nicht? Was du willst, schert kein Schwein. Keine Menschenseele interessiert sich für dich, ich interessiere mich nicht für dich. Du bist in eine grausame, gleichgültige Welt hineingeboren worden, Süße. Nur eine weitere arme Waise, die nichts zu bieten hat als die Löcher zwischen ihren Beinen. Also wirst du verdammt noch mal tun, was du tun musst — und du wirst lächeln dabei, denn sonst…«
      Mit blankem Entsetzen musste die gelähmte Mary mitansehen, wie Laura O'Rourke sich den blassen roten Mund aufsperrte, ihre weißen Schneidezähne packte und mit einem gekonnten Griff aus dem Oberkiefer zog. »Sonscht endescht du wie isch…«
      Mary wollte aufschreien, doch der Brandy hielt ihre Zunge fest umklammert.
      »Diesche Welt ischt weder barmhertschig noch fair«, mahnte Laura O'Rourke durch das klaffende schwarze Loch, welches ihre Zahnprothese hinterlassen hatte, bevor sie jene wieder einsetzte,
      »Sie ist das Feuer, in dem wir brennen.«
      Jeder Widerstand war zwecklos, als Mary von einer blitzschnellen Ohrfeige in die Laken geprügelt wurde und in ihrem umnachteten Rausch kaum mehr wahrnahm als das lispelnde Gurren der grauenvollen lairischen Taube, die auf stillen Sohlen den Raum verließ.
      »Ich schicke den Kunden jetzt rein. Schließ einfach die Augen und denk ans Empire, Süße.«

      Zurück in der Gegenwart

      »Nun denn, lassen wir die Vergangenheit ruhen«, beschloss Carla seltsam beflügelt, feierlich ihren neu aufgefüllten Kinderschädel erhebend, »Widmen wir uns stattdessen unserer florierenden Partnerschaft und dem Königreich, das sie uns einbringen wird…«
      »Mhm. Auf das Empire«, prostete Hearst brummelnd, worauf auch Lorca, Fawne und Cocky einstimmten, bis das gaumenförmige Gefäß der geistesabwesenden Mary vereinsamt auf der Tischplatte zurückblieb. Alle Augen waren auf sie gerichtet, und sie alle flehten oder warteten wie die wässrigen Blicke der Freier, die in ihren engen Lederkäfigen nach Schmerzen, Sünden und sexlosem Sex gierten. Warum also hadern? Sie war die Bloody Mary, die eishaarige Domina des Gammon Borough und, Kraft des Ulysses McKenna verliehenen Amtes, die neueste Reinkarnation der Verbotenen Frau. All diese gelebten Leben schienen durch sie hindurchzuströmen, als sie den kleinen Babykiefer nahm und seine winzigen Zähnchen in ritenhafter Ruhe an ihre tastenden Lippen setzte.
      »Auf das Empire«, raunte sie selbstbewusst, schloss die Augen und leerte das Opfergefäß in einem gierigem Zug — Carlas lauerndes weißes Antlitz mit dem virginalen Schmunzeln einer missionierten Konvertitin abspeisend. »Wann gibt's Essen?«
      Kapitel 146 - Ketten

      Es war ihr zweites Treffen, seit sie in Carlas Fänge geraten war. Bei ihrer ersten Begegnung hatte sie nach seinem Blindenstock zu haschen versucht, um sich mit dessen Hilfe den Weg aus dem grausigen Anwesen Harker freizukämpfen, was einen schweren Sturz seinerseits zur Folge gehabt hatte — gefolgt von einem lichterlöschenden Schlag gegen ihren Nacken. Keiner von ihnen kam bei dieser Geschichte ruhmreich davon.
      »Was willst du, Rotbäckchen?«
      »Also…nun…«, räusperte sich Remington belegt, die schwarze Krawatte seines adretten silbergrauen Anzugs ein wenig lockernd, »Um ehrlich zu sein, möchte ich Ihnen nur Gesellschaft leisten. Es scheint mir doch…recht eintönig hier unten zu sein.«
      Wie zum Protest prügelte sich heißer Dampf durch die veralteten Kupferrohre über ihren Köpfen und pfiff aus den verkrusteten Löchern, die Rost und Zeit in das Metall gefressen hatten.
      »Ich habe mich wunderbar mit Kevin unterhalten«, log Luca nicht ohne weitere Schadenfreude. Insgeheim hoffte sie, ihr Wächter würde bei der bloßen Erwähnung seines Namens zu Staub zerfallen.
      »Er ist ein eigentümlicher Charakter«, gab Remington zu, »Aber kein schlechter Kerl. Ich habe schon oft mit ihm zusammengearbeitet und nie hat er sich ungebührlich verhalten, das kann ich Ihnen versichern. Ich nehme doch an, Sie sind wohlauf und unversehrt?«
      »Abgesehen—«
      »Abgesehen von Ihrer bescheidenen Gesamtsituation, selbstverständlich.«
      »Ja, von dieser Kleinigkeit abgesehen strahlen mir Mond und Sonne aus dem Arsch. Wo ist Carla? Krähen dressieren, Kinder aussaugen?«
      »Sie—«
      »Ratten mit der Pest anstecken?«
      Brodelnd rutschte Remington auf dem fleckigen Metall seines Stuhls hin und her, ein pendelndes Metronom zwischen Unsicherheit und Zorn. Groß und schön war er, die fuchsiaroten Haare akkurat, aber nicht spießig ausrasiert und ohne jede Pomade leicht über der gelehrigen Stirn fransend. Die Frisur eines Soldaten — oder eines Blinden, dachte sich Luca, der nicht einmal seinem Barbier traute. Soeben argwöhnte sie, ob er sich selbst rasierte und, wenn ja, wie er das markante Kinngrübchen umschiffte, als der leicht errötende Rotschopf ein wahrhaft ehrliches Lächeln zückte und sprach:
      »Ich kann Ihren Groll nachvollziehen, nur leider nicht lindern. Trotzdem tun Sie mir leid und ich dachte, ein wenig Ablenkung könnte Ihnen gut tun.«
      »Was für eine mitfühlende Seele du nicht bist. Lässt dich Carla für jede gute Tat Männchen machen?«
      Beherzt rückte sich Remington die metallenen Ränder seiner Schraubringbrille wie tatsächliche Brillengläser zurecht, als wolle er Luca genauer mustern. Anders jedoch als in Krills Augen, deren trübes Weiß den bedrohlichen Fokus eines lauernden Jägers versiegelte, gähnte hinter Remingtons schwarzem Glas nur unerträgliche, traurige Leere.

      Ulysses' Dachwohnung, Mac Brónach, Cattle's Corridor

      »Du bist zu spät.«
      »Ich bin fünf Minuten zu früh. Und Sie nicht einmal richtig angezogen…«
      »Niemand mag Besserwisser, Ennis.«
      Der Strichjunge nickte gequält, aus großen Augen durch den langen Brautschleier seiner rotbraunen Haarsträhnen blinzelnd. In der öffentlichen Abgeschiedenheit der »Rosette« hatte Ulysses McKenna eine Aura des Tastbaren und Verlorenen umspielt; ein sublimer Geruch nach Einsamkeit und Regen, der vielen Männern in der großen Stadt anhaftet und Huren anzieht wie Blut Haie. Diesen Fremden im Gemeinschaftsbad hatte Ennis einzuschätzen gewusst. Der Anblick des Bastardkönigs hingegen, der ihm mit losen Hemdsärmeln und nackter Brust die Tür zu seinem Refugium im Feindesland geöffnet hatte, erfüllte den versierten Strichjungen mit mehr Reue als Furcht und mehr Furcht als Übelkeit.
      »Hast du deine Freunde mitgebracht?«
      Wieder nickte Ennis. »Zwei stehen vorm Haupteingang, zwei vor der Hintertür. Wie Sie's wollten.«
      »Gut.«
      Knopf um Knopf zog sich die Schlinge um den monströsen schwarzen Schafskopf zu, bis das gelbliche Flanell die gewundenen Teufelshörner einfing und Ulysses' mächtige Brustmuskeln hinter dem altbackenen Karomuster einkerkerte. Indes huschten die nervösen graubraunen Augen des Straßenjungen durch die kleine Dachstube, in dessen Mitte sich der gefürchtetste Unterweltmagnat der freien Welt in seine Altherrengarderobe zwängte. Schmutzige Pfannen in der Spüle, benutztes Geschirr auf dem Boden, die gleichen borstigen Tierhaare auf dem ausgesessenen Klappsofa wie an der Kleidung des Bastardkönigs. Trostlose Farben überwucherten die kargen Wände, die sich wie Sackgassen aus den morschen Dielen bis hoch ins modrige Dachgebälk auftürmten, und hinter den rußverkrusteten Fenstern schienen sich die dreckigen Elendsgassen des lairischen Armenviertels aus nackter Perspektivlosigkeit in die Tiefe zu stürzen. Enttäuscht ließ Ennis das sommersprossige Haupt sinken, hatte seine übersprudelnde Fantasie doch bereits prachtvolle Lichtspiele auf die innere Leinwand seines Geistes fabuliert und sich in der grandiosen Erwartung gesuhlt, eine lebensverändernde Bestimmung in den geldgetäfelten Festungspalästen des lairischen Meisterverbrechers gefunden zu haben. Da er sich nun aber dem sagenumwobenen Erzfeind des fountischen Volkes in diesem siechenden Verschlag gegenübersah, fühlte Ennis nichts als verschwendete Zeit, die ihm im Nacken saß. War Ulysses McKenna etwa nicht das blutrünstige Monstrum aus den Schlagzeilen? Kriegstreiber, Königsschlächter? Der Mann, der sich mit zittrigen Händen vor Ennis ankleidete, erschien plötzlich durchsichtiger als das billige Papier, auf dem die Presse seine Gräueltaten abdruckte.

      Forbidden Woman, Cattle's Corridor

      Dunkle Wolken quollen aus den duftenden Blüten und schwärzten das wütende Wasser, das brodelte und kochte und Timmy eine Ahnung seiner eigenen zerrütteten Seele aufzeigte. Ganz gleich, wie viele Zuckerwürfel er auch in seiner Tasse versenkte, das zornige Antlitz des Jungen im Tee ließ sich nicht besänftigen und kein Diabetes der Welt würde ihn vertreiben.
      »Ich habe ein schlechtes Gefühl bei der Sache«, blubberte er schließlich, aufgeputscht von Reizwäsche, Zimtschnecken und anderen unbeschreiblichen Düften, die seinen jungfräulichen Verstand kitzelten und für kühne Gedanken empfänglicher machten. Ungefragt hatten sich Marys Mädchen des hochroten Zeitungsjungen angenommen, ihn wie ein Spielzeug aus dem Flur in den Speisesaal getragen und an den Kopf der ausladenden Frühstückstafel drapiert, wo er nun als ihrer aller Lieblingspuppe fürstlich verhätschelt wurde.
      Noch Scones? Noch Tee? Butter, Salz, Sirup, Marmelade? Soll ich dir dein Brot schmieren? Iss noch, trink noch, werde groß und stark.
      Ein Harem aus Ziehmüttern umsorgte den blonden Burschen, ihre durchsichtigen Negligés liebkosten seinen ausgehungerten Körper und gewährten ihm tiefe Einblicke in aufreizende Dekolletés und halbgelöste Knopfreihen voller Wunder. Ein zaghaftes Hinsehen, ein verhaltenes Staunen, das sehnsüchtige Schmachten eines Fünfzehnjährigen hätten Timmy genügen und für die unaussprechliche Kindheit auf der Straße versühnen können, wäre er nicht er und seine Liebe nicht rein gewesen. Keine erreichte die, die er begehrte, und im Angesicht all dieser just über ihn hereinbrechenden Fürsorge fühlte Timmy keine Erregung, sondern Verantwortung und Schuld. War in den Huren ein überbordender Mutterinstinkt ausgebrochen, schwoll in Timmy der zutiefst urtümliche Drang an, die holden Maiden vor gefräßigen Drachen zu beschützen und sich ihrer Zuneigungen würdig zu erweisen. Sir Timothy, der Aufrechte. Vielleicht, überkam ihn sein überschäumender Mannesdrang im Reifeprozess, könnte er sich auf diesem edlen Wege die Gunst der Bloody Mary und den Einlass in ihre lustvolle Schatzkammer verdienen. Vielleicht, nur vielleicht, wären Treue und Ritterlichkeit der einzige wahre Gral im Reich des schnellen Geldes und der schnellen Nummern.


      »Treue ist ein Geschenk, das sich Carla nur allzu gerne machen lässt«, fistelte Luca gehässig, »Sie nimmt sie, bricht sie, pervertiert sie; faltet sie zu einem Dolch zusammen, den sie dir früher oder später in den Rücken rammt. Schenk ihr dein Vertrauen und sie wird zur gottverfluchten Meisterin im Origami.«
      »Nichts für ungut, Miss Briatore, aber Sie klingen wie eine verbitterte Jungfer, die ihrer Rivalin den Ruhm neidet.«
      »Neid?« Ein heiseres Lachen pfiff aus Luca wie Dampf aus einem der alten Kupferrohre. »Rotbäckchen, ich kacke und pisse in einen Eimer, den deine Leute säubern müssen. Ich lebe das Leben einer Nobelkatze, wem sollte ich etwas neiden?«
      »Aber Sie sind nicht frei«, schmunzelte Remington.
      »Carla auch nicht«, erwiderte Luca mit einem Zwinkern, das der Blinde nicht sehen, aber in der Luft würde spüren können. Etwas in der Art, wie die Blondine sprach und sich gab, löste in Remington die unbewusste Gewissheit aus, jeder Laut aus ihrer Kehle wäre für ihn allein in die Luft gemalt und könnte den Lauf der Dinge für alle Zeiten verändern. War Carla geheimnisvoll und dunkel wie die Nacht, so klaubte sein Verstand Luca Briatore aus strahlenden Farben zusammen — rot, gelb, orange, weiß — und modellierte ihr Abbild aus seinen Erinnerungen an sonnenbeschienene Felder und mittagsheiße Tage.
      »Miss Griswold hat nicht untertrieben.«
      »Lass mich raten, ich wäre verzogen, arrogant und zu stolz zum Sterben?«
      »Ja«, schmunzelte Remington verlegen, »Und sie sagte…Sie beide seien einander sehr ähnlich.«
      »Wärst du nicht so vernarrt in dieses Dreckstück, wüsstest du, wie sehr sie mich damit beleidigt«, rotzte Luca verächtlich und inspizierte seine starken Finger, die sich wie Würgeschlangen enger und enger um den Griff seiner Gehhilfe wanden. Irgendwo in diesem reservierten, zurückgezogenen Mann musste ein ungestümes Herz lauern, das unnachgiebig gegen seine kräftige Brust hämmerte und sein Blut — Schlag auf Schlag auf Schlag — in Wallung peitschte.


      »Ihr hättet sie nicht in eure Angelegenheiten hineinziehen dürfen«, sagte Timmy brodelnd.
      »Hineinziehen?« Mäßig getroffen kippte sich O'Mara seinen Lairish Coffee in den Rachen. Der blonde Hungerleider, der Timmy auf beunruhigende Weise ein gemeines älteres Spiegelbild vorzuhalten schien, roch wie eine durchzechte Nacht und sprach ebenso schnodderig:
      »Als wir hier ankamen, steckte Mary schon mit Carla unter einer Decke. Metaphorisch gesprochen.«
      Timmy kannte das Wort nicht. Krill erlöste ihn:
      »Sinnbildlich.«
      O'Mara nickte flüchtig, als hätte der Meermann ihm soeben zugestimmt. »Vielleicht auch buchstäblich. Wer weiß schon, wie in diesen Hallen Pakte besiegelt werden. Wenn der Teufel 'ne Jungfrau und ihr Ungeborenes fordert, verlangt Miss Penny-scheiß-dreadful sicher mindestens das Doppelte.«
      Herzensbange sog Timmy die parfümierte Luft des Bordells wie kaltes Meerwasser durch seine Brust und verschluckte sich zu O'Maras Vergnügen an seiner eigenen überlaufenden Fantasie. Seit der Beinahe-Eskapade mit der betrunkenen Luca und deren entblößten Brüsten hatte O'Mara keine Beschäftigung größeren Spaß bereitet, als nun dabei zusehen zu dürfen, wie sich die Gesichtszüge des nervösen Zeitungsjungen von Puderzuckerweiß zu Rosenblütenrot und wieder zurück verfärbten. Die Wangen des Burschen glühten wie ein Hochofen, angeheizt durch die schaurigen Aktgemälde, die der zynische Kopfgeldjäger auf die Leinwand seines Unterstübchens projizierte.
      »Das muss man sich einmal vorstellen…«, raunte O'Mara trocken, »Kellys nackter tätowierter Körper, der sich um die weiße Haut dieser hinterhältigen, verlogenen, blutgeilen Schlampe Carla räkelt und—«
      »O'Mara…«, eilte Krill dem redlichen Sir Timothy zur Hilfe, welcher bereits heißer als sein überzuckerter Tee dampfte und sichtbar Kondenswasser ansetzte. Voller Dankbarkeit wollte Timmy dem Krakenmenschen ein Nicken darbieten, bis er sich an dessen abstruse Blindheit erinnerte und sich fragte, ob Krill seine Wertschätzung würde sehen können. Darüber sann er nach, bis sich eines von Kellys Mädchen an die Kopfgeldjäger heranpirschte, seine Chance verstrich und er sich dumm vorkam.
      »Meine Herren, die Kleine ist aufgewacht.«
      O'Mara schmuggelte Krill und der kitschigen stahlherzer Kuckucksuhr über dem Türrahmen argwöhnische Blicke zu, abermals zu annähernd gleichen Teilen fasziniert wie bestürzt über den marginalen Schlafkonsum des außergewöhnlichen Kindes. Ostentativ verschanzte er sich hinter seiner Tasse und schlürfte lauter als ein Löwenbrüllen, um Krill aus dem Raum zu scheuchen — mit Erfolg. Der Meermann erhob sich, sehr zu Timmys Missvergnügen, und ließ einen leeren Stuhl zurück.


      Zähneknirschend ließ sich Remington zurück auf den rostigen Sitz sinken, nachdem er sich in zen-meditativem Ritus seine Krawatte gerichtet und die perfekte graue Bügelfalte in Form geschlagen hatte. Alles an ihm schien Konflikt, Reibung, Innen und Außen im Widerstand gegeneinander und das Unbekannte hinter der Dunkelheit.
      »Als damals Porto Galba durch eure Hand fiel«, begann Remington nun sanft und zaghaft wie ein Junge, der einen sterbenden Vogel am Straßenrand gefunden hat, »Stürzte mich das in den siebten bürokratischen Höllenkreis. Die Teleschnecken plärrten wie rollige Katzen die Nächte durch und ein nicht enden wollender Strom an Stellvertretern, Hintermännern und Botenjungen goss seine Papierfluten über mir aus. Wertanlagen, Inhaberanleihen, Besitzurkunden von irgendwelchen Lords, Ladys, Lotos-Schmugglern, Scheichs und Königen. Ich ertrank in Belegen für Reichtümer, die ich in 200 Leben nicht verprassen könnte.«
      »Dann bist du die Vorzimmerdame der Unterwelt?«, spöttelte Luca verächtlich.
      »Ich bevorzuge Finanzberater«, schmunzelte er selbstironisch, »Aber im Grunde ist das wohl auch nur ein Euphemismus für ›Wurde von den anderen Kindern zu oft ins Klo gestippt‹.«
      »Armer, kleiner Streber. Warum bist du wirklich hier?«
      Verdutzt legte Remington den fuchsiaroten Schopf schief und betrachtete das löchrige Abgasventil, auf dessen Höhe er fälschlicherweise Lucas Gesicht schätzte, mit einem fragenden Ausdruck.
      »Sagte ich das nicht?«
      »Die Nummer mit dem Mitleid kaufe ich dir nicht ab. Du arbeitest für Carla und stellst Checks an kriegstreibende Faschistenmilliardäre aus. Du bist nicht so abgestumpft wie die meisten, das gebe ich zu, aber ein Tropfen Menschlichkeit macht aus dem Bottich voller Scheiße, der deine Seele ist, noch lange kein Trinkwasser.«
      Remington lachte leise und schüchtern, bevor er den Boden seines Stuhls griff und einen beachtlichen Ruck dichter an die gefesselte Blondine heranrutschte. Noch immer sprach er zum Abgasventil:
      »Tatsächlich…also…während ich meine Finger über die Unterlagen gleiten ließ, in den langen Nächten und Tagen und noch längeren Nächten, die ich dank Ihnen und Ihren…Freunden auf mich habe nehmen müssen — danke dafür, übrigens.«
      »Immer wieder gern.«
      »In all diesen Nächten wollte ich der Person, die mir das eingebrockt hat, immer eine einzige Frage stellen. Und zwar…«


      »Hast du es?«
      »Darauf können Sie wetten.«
      Mit einem zahmen Grinsen präsentierte Ennis zwei vollgestopfte Papiertüten, auf denen das ehrwürdige Familienwappen der Schnellimbissdynastie Twist saftige Steaks und ein kaltes Bier vor einem prickelnden Kaminfeuer versprach. Ulysses, sich mit Mühe das Hemd in die altmodische braune Hose stopfend, inspizierte die fetttriefenden Beutel mit dem naserümpfenden Argwohn eines pingeligen Kindes. Vermutlich hätten ihn sogar eine lebendige Ziege samt Seihtuch und Schlachtbeil gnädiger gestimmt.
      »Das beste Frühstück der Stadt«, versprach Ennis nichtsdestotrotz voller Überzeugung und erregte damit die Aufmerksamkeit eines riesigen röchelnden Etwas, dessen sabbernde Schnauze die angelehnte Tür des Nebenzimmers aufstieß und nach den Mitbringseln gierte. Nur wenige Handbreit trennten die urgewaltige Dogge noch vom erstarrten Ennis, als ein kraftloses Schnalzen aus ihres Herren Gaumen sie zur Kehrtwende zwang.
      »Kitty, Ennis — Ennis, Kitty«, brummte der Bastardkönig lakonisch, riss Ennis die Tüten aus der Hand und folgte der riesigen Hündin in das geheimnisvolle zweite Zimmer, die Tür bedächtig hinter sich
      schließend.


      »Selbst das verfluchte One Piece würde mich nicht in dieses Zimmer kriegen«, murmelte O'Mara bitter in seinen unrasierten rotblonden Bartschatten, »Sechs Jahre? Am Arsch.«
      »Werden Sie Lady Kelly helfen können?«
      Timmys Frage erwischte den Kopfgeldjäger wie ein Querschläger, dessen Richtung er nicht bestimmen konnte. Ausweichend sondierte er die lärmenden Huren, die nymphenhaft hinter ihren Schleiern aus Mondlicht kicherten und den Morgen feierten, bevor er sich zu einer wenig optimistischen Antwort gezwungen sah.
      »Ich weiß es nicht.«
      »Das müssen Sie aber!«
      »Was du nicht sagst. Warum liegt dir so viel an ihr? Außer deiner latenten pubertären Geilheit, meine ich.«
      »Oh, unser Timmy ist nicht einfach nur geil«, leckte plötzlich der süße Odem einer Liebesgöttin an O'Maras Ohr, »Timmy ist gefangen; leidenschaftlich und unentrinnbar dem alten Zauber einer mächtigen Hexerin in die Falle gegangen.«
      Abazure, die laszive Herrin der feuchten Auen und bordelleigenen Bäder, räkelte die gespaltene Schwanzflosse über Krills Stuhl, das gekerbte Kinn auf die gefalteten Handrücken gefläzt und dem Zeitungsjungen heftigst liebäugelnd.
      »Die Bloody Mary ist keine Frau, sondern ein sinnlicher Fluch; ein Sukkubus, der Männer fängt und auf die Knie zwingt.«
      »Das ist nicht wahr…«, stammelte Timmy leise und glaubte sich selbst nicht recht.
      »Oh, süßer Timmy«, feixte die blauhaarige Meerjungfrau sardonisch, verspielt in O'Maras blondes Haar greifend, »Wahrer als das hässliche Gesicht dieses Idioten hier.«
      »Du mich auch.«
      »Aber is so«, schaltete sich nun auch Honeycomb in die illustre Unterhaltung ein, scheinbar rastlos und umtriebig auf der Suche nach den letzten Krumen Frühstücksgebäck. Die schöne Blondine, die der Legende nach vor kaum 20 Jahren zusammen mit 12 Schwestern aus dem Leib einer gewissen berüchtigten Piratenmatriarchin gepurzelt und durch einen tragikkomischen Zufall auf einer abgebrochenen Schokoladenscholle an die Ufer Fountleroy Islands gespült worden war, nahm das magere Gesicht des Zeitungsjungen in ihre weichen Hände und knautschte es wie eine Welpenschnute.
      »Och, ist er nicht bezaubernd? Ich würde ihn am liebsten auffressen! Mampf-Mampf-Mampf!«
      Dieses Mal konnte sich selbst Sir Timothy der Aufrechte nicht des dümmlichen Grinsens erwehren, das die wohlriechenden Mädchenhände und ihre angedeuteten Lippenküsse ans Tageslicht trieben. Jede Standfestigkeit ist nur so viel wert wie die Verlockung, der sie erliegt.


      Neugier und Unbehagen lieferten sich in Ennis einen furiosen Zweikampf, dass seine Sommersprossen glühten und seine Finger akrobatische Artisten in den langen Strähnen seiner rotbraunen Haare mimten. Wie sehr wollte er die Privatsphäre seines Bosses wahren — und wie unmöglich schien diese antike Heldenprüfung, als dessen durchdringende Gossenstimme aufregender als das Rauschen des Meeres durch den Türschlitz schwappte. Die Sünde war schnell getan. Vorsichtig linste Ennis durch das Schlüsselloch, erspähte saubere Laken und feuerrote Haare, die das Weiß in Brand steckten. Gefesselt von der Erhabenheit der Bilder jenseits des Schlüssellochs, folgte das Auge des Jungen den flutenden Strähnen hinauf zu den weichen Gesichtszügen einer Frau, deren Wangen ebenso blass und weich anmuteten wie das Kissen unter ihrem lächelnden Haupt. Ihre rosigen Lippen galten ihm, dem Bastardkönig, der neben dem Bett stehen und die Wimpern auf ihren seidigen Augenliedern zählen musste.
      »…geht es…«, belauschte Ennis bruchstückhaft die Worte seines Chefs, »Ich…kümmern…Sorgen…«
      »Ja…alles…keine Angst«, erwiderte das fragile Geschöpf mit einer Stimme aus Porzellan und erhob das weiße Kinn wie eine anmutige Skulptur aus Papier, scheinbar fragend.


      »Bereuen?«, Luca schien sich verhört zu haben, »Ob ich was bereue?«
      »Die Rolle, die Sie in dieser Spirale des Chaos spielen«, präzisierte Remington seine Frage, »Seit Machiavellis Sturz eilt Ihnen ein Zerstörungsversprechen voraus. Porto Galba wurde verwüstet. Noch heute zerren sie während der Aufbauarbeiten zerquetschte Leichen aus den Trümmern. Und in Gavroche—«
      »Halt die Klappe«, zischte Luca plötzlich schrill. Sie musste ihn vertreiben, musste schneller sein als die Tränen und das Zittern und die Ängste, die sie seit dieser verfluchten Stadt verfolgten. Sie…war zu langsam.
      »Is schon 'ne komische Sache mit uns«, hallte Mulligans eitrige Stimme durch den Raum aus Dunkelheit, in dem er sie missbraucht hatte und der nun ihre Seele war und die Kammern ihres Herzens, »Du bist zwar nich so 'ne Schönheit wie manch andere Schlampe, aber du bist Brian's Schlampe und das...« Seine fetten Pranken auf ihrem Körper, der gallige Geruch seines Schweißes. Seine Finger! »…das will mich die schlimmsten Dinge mit dir machen lassen!«
      Unwillkürlich presste Luca die Beine zusammen, wollte aufstoben, weg, fort, doch erneut war sie gefesselt und ihm ausgeliefert, dessen fetter Wanst wie Sumpfwasser über die Ränder des Stuhls vor ihr quoll. Seine schweißblauen Augen glotzten, triefend vor sadistischer Lust; winzige hässliche Pfützen in einer Jauchegrube aus Pickeln und Schleim.
      »Wehr dich ruhig«, lachte das Schwein auf seinem Thron, »Wehr dich, dann kann ich dich noch härter rannehmen!«


      Honeycomb fand gefallen daran, die aschblonde Friese des Zeitungsjungen in die Form eines kleinen Spritzküchleins zu toupieren und jede Strähne einzeln in Form zu zwirbeln.
      »Weißte, Schätzchen…Deine Lady Kelly, die sollteste dir aus'm Köpfchen schlagen. Die is ne Nummer zu groß für dich…und ihr Umschnalldildo erst recht.«
      »Ihr was?!«
      »Was wir damit sagen wollen«, übernahm Abazure gerade laut genug, um O'Maras berstendes Gelächter zu übertönen, »Deine Lady Kelly ist eine gefährliche Droge, die du ausschwitzen musst…mit einem Mädchen deiner Wahl, versteht sich.«
      Auf diese Worte hin wurde Timmy von dutzenden heißen Augenaufschlägen überrumpelt, die wie heißer Wüstenwind um seine Nase brausten und ihm die Luft abschnürten. Am Kopf der Tafel überblickte er das gesamte frivole Bankett und musste miterleben, wie die Nymphen zu Nymphomaninnen und ihre Fürsorge zu Vorsorge verderbten.
      »Öhm…Ich…also…ähm…Hey?!«

      Plötzlich verdunkelte die hereinbrechende Gestalt des Bastardkönigs Ennis die Sicht auf das Bett. Die Tür öffnete sich, Ulysses schützte eine nachdenkliche Miene vor — und fand Ennis unbeweglich wie eine Topfpflanze in der Mitte der Dachstube.

      Mit einem Satz hatte der aufspringende O'Mara den übertölpelten Timmy am Kragen gepackt und zerrte ihn unter schrillem Protest der Freudendamen gen Tür.
      »Was soll das? Lass mich los!«
      O'Mara tat nichts dergleichen. »Verabschiede dich und komm mit.«
      »Ich…äh…aber…«

      »Hast du einen Anfall oder sowas?«
      Ennis verneinte energischst. Um ein Haar hätte er aus blanker Unbeholfenheit salutiert.
      »Dann beweg dich«, brummte Ulysses brauenverengend, »Wir haben zu tun.«

      »Schon gut, okay…Auf Wiedersehen, die Damen!«, rief Timmy untröstlich in die Runde.
      »Bye, Süßer!«, schallte es aus dem Chor der sündigen Engel zurück.
      »Sie haben mich Süßer genannt…«
      »Jetzt halt die Klappe und komm mit!«


      »Du willst doch sehen, wohin's führt, oder? Willst wissen, wie's sich anfühlt. Ja, du willst's. Willst mich, mich allein, weil du geil drauf bist, mich quieken zu lassen, wie ich dich hab quieken lassen. Ja, ich riech's an dir. Mhm. Du wirst so feucht, wenn du dran denkst. Oh, wenn du nur die Hände frei hättest. Bist wie 'ne kleine Sau ohne Deckschwein. Dir juckt's und du kannst nich kratzen. Ja…ich weiß, wie du dich fühlst. Wär gern in deine kleine Spalte rein. Gefallen hätt's dir. Du weißt es. Stell's dir vor, wie du mich begrapscht, wie ich dich begrapscht hab. Aber du willst mehr, nich? Weil du kleines Luder nicht mehr du bist, willste mehr. Brian wird's sehen, er wird's sehen. Das Fötzchen von damals? Ist tot, liegt neben der anderen Fotze unter der Erde mang toter Zigeunerblagen und verfault. Du weißt's, ich weiß's. Du bist nur'n Geist. Alles, was dich noch antreibt, ist Hass!«
      Sie war zu müde, um zu schreien, zu schamdurchdrungen, um zu fluchen. Mulligans fettes, schmatzendes Krötenmaul eiterte Auswurf auf die aufgedunsenen Wangen und färbte seine speckigen Kinns ekelerregend grün. Mit jedem abstoßenden Laut aus seinen krötenartigen Kehlschwarten quollen giftige Säfte wie Lusttropfen aus seinem feisten Schoß und verpesteten die Luft. Die Augen mochte Luca verschließen können, doch seine bauchige, gluckernde Stimme setzte ihr nach — und der unbeschreibliche Gestank seiner wurstigen Hände klebte an ihrer Haut, für immer.
      »Sie machen sich keine Vorstellungen, wie enttäuscht ich in dieser Sekunde von Ihnen bin, Signorina Briatore. Nostalgisch, aber enttäuscht.«
      Mit der frustrierten Miene ihres toten Vaters blickte plötzlich Michelangelo Machiavelli von Remingtons Stuhl aus auf sie nieder, die manikürten Hände zur vorwurfsvollen Rose gefaltet und das gescheitelte Haupt verurteilend gen Boden geneigt. Sein dreiteiliger Nadelstreifenanzug war schwarz wie sein perfektes Haar, schwarz wie Carlas Rabenlippen und schwarz wie der verfluchte Raum im Reich der Zigeuner, den Luca nie verlassen hatte. Körper, Geist, Seele — ihr ganzes Leben lag in Ketten.
      »Du hast versagt, Gianluca Augustino Briatore«, säuselte Machiavelli mit jener aufgesetzten herrschaftlichen Würde, die Luca immer gehasst und stets bewundert hatte, »Du stolperst durch ein Leben aus Glas, schlägst blind um dich und fällst in die Scherben. Ein unreifes, achtloses, kleines Mädchen wie du wird niemals Ruhe finden. Und ist es nicht genau das, was du wahrhaftig begehrst? Ruhe, Frieden? Eine liebevolle Hand, die deinen reich gefüllten Bauch streichelt und deine gute Hoffnung mit Wärme benetzt? Insgeheim willst und wolltest du schon immer, was dein Vater für dich vorhergesehen hatte. Hast du dich ihm denn nicht allein aus adoleszent-aufmüpfiger Pseudorebellion entzogen?« Triumphierend schlug der Vizeadmiral ein Bein über das andere, entspannt zurückgelehnt seine rubinroten Manschettenknöpfe betastend und Luca aus bohrenden grünen Augen verurteilend. »Nichts, was du jemals getan hast, warst wirklich du. Als dir dein Vater mit dem ersten Knospen deiner kleinen Brüstchen die Freiheit aus der Hand riss, um sie durch eine Benimmfibel zu ersetzen, hat er dir nicht deine Selbstbestimmung genommen, sondern dir ein Gesicht zu geben versucht. Das war sein Sakrileg. Er versuchte, dir die Masken zu entreißen, die du selbst für deine egoistischen und oberflächlichen Zwecke erschaffen und kultiviert hast. Nicht wahr, Sherlock? Nicht wahr, Calpernia? Davor fürchtest du dich. Dich selbst im Spiegel ansehen und erkennen zu müssen, wer du in Wahrheit bist: Nicht der heißblütige Wildfang, der Callaghan verführte; nicht die unbeugsame Gefangene mit eisernem Willen. Nein. Das kauernde, wimmernde, betrunkene Häufchen Elend, das vor Mercedes zusammenbrach und sich vor O'Mara entwürdigte — das bist du!«
      »Nein!«
      »Bitte?« Offensichtlich überrascht klammerte sich Remington wie ein tollkühner Himmelspionier an die schraubenübersäten Ränder seiner Schraubringbrille. »Wie meinen Sie?«
      »Nein«, besann sich Luca unwirsch, verstört die stahlblauen Augen aufreißend. »Ich…ich…«

      »Ich verstehe immer noch nicht so recht. Was genau erwarten Sie von mir?«, stammelte der entführte Timmy verwirrt.
      »Lotosstaub«, beantwortete der Bastardkönig Ennis' Frage am anderen Ende des Gammon Borough lakonisch, »Du wirst mir zeigen, wo ich mir welchen besorgen könnte.«
      »Drogen?« Entsetzt versuchte sich Timmy dem unnachgiebigen Adlergriff des Kopfgeldjägers zu entziehen, nur um in die nächstbeste Seitengasse gezwungen und seiner löchrigen braunen Schiebermütze beraubt zu werden.
      »Sie brauchen Drogen?«, hakte Ennis vorlaut nach.
      »Nicht für mich«, brummte Ulysses in das kreidebleiche Gesicht des eingeschüchterten Straßenkindes, »Ich muss nur-«
      »-Ihren Weg zurückverfolgen.« Wenig begeistert betrachtete O'Mara seine eigene übermüdete Visage, die selbst im trüben Wasser der Pfütze zweifelsfrei unter der zu kleinen Mütze des Zeitungsjungen zu erkennen war.
      »Verstehst du?«
      Ennis und Timmy nickten bedröppelt.

      »Ein sehr kluger Mann sagte mir einmal, es gäbe keine Zufälle. Alles, was passieren soll, passiert. Ich habe gesehen, wie meine Heimat durch Machiavellis Hand in die Tiefen der Erde gerissen wurde und ich habe einen…unaussprechlichen Preis gezahlt, um Harleys Geheimnisse zu lüften. Jede Nacht höre ich die Schreie meiner caligulanischen Landsleute und spüre seine—«
      Kurz brannte ihre Stimme aus, nur um sich stärker und bedeutsamer aus ihrer eigenen Asche zu erheben.
      »Ich habe gelitten, ich leide — aber bereuen? Nein. Ich bereue nichts. Wir sind alle nur Glieder einer langen Kette, die uns unweigerlich in das Unabwendbare führen wird…«, beschloss Luca mit einem falschen Lächeln, das ihre Tränen zurückdrängen sollte, während sich O'Mara und Ulysses ahnungslos und doch unaufhaltsam dem Reich der Toten näherten.
      Kapitel 147 - Der Fuchs und der Hund

      Anno Maris 1497

      Das Meer aus Blut schloss sich über seinen Fingerspitzen und quetschte den letzten rettenden Atemzug aus seiner Brust. Taumelnd, fallend, hinabgleitend sank sein geprügelter Körper auf den Grund dieser zähen roten See, in der nur die Stille hauste und das dumpfe Pochen seines schlagenden Herzens vor sich hertrieb. Eitriges Wasser strömte in seine Augen, Ohren und Nasenlöcher, bis er eins zu sein glaubte mit den Fluten, die ihn zermalmten. Während ihn die Tiefe verschlang, verlor sich das Grün seiner Augen in einem tristen Lichtfleck hoch droben in den Wellen. Das traurige Glimmen kreiselte höhnisch über seinem stürzenden Scheitel, flackerte wie sein eigenes verglühendes Bewusstsein. Plötzlich raste es auf ihn zu. Der dunkle Ozean stülpte sich nach außen, packte den Ertrinkenden mit naturgewaltiger Sogkraft und riss seinen treibenden Körper durch die roten Fluten dem Licht entgegen.
      Verletzlich wie ein hilfloses Neugeborenes brach Brian O'Mara durch die blutende Wasseroberfläche — und landete hart auf dem schweißgetränkten Kiesboden des alten Schwarzbrennerkellers, in dem Laura O'Rourke ihre illegalen Hahnenkämpfe zum Vergnügen der Sadistischen und Spielsüchtigen abhielt.
      »Steh auf! Hoch mit dir, du Nichtsnutz!«
      »Fuchs! Fuchs!«
      »Bleib liegen! Verreck endlich!«
      »Schlag zurück! Setz den Arsch in Bewegung, sag ich!«
      Mit dem Brüllen der enthemmten Massen peitschten Spucke und Whiskey wie Starkregen auf seinen nackten, sandverklebten Oberkörper. Der Dreizehnjährige spürte kaum, wie er die wundgeschlagenen Knöchel in die feuchte Erde stemmte, wie seine Fingerkuppen den Kies teilten und seine bloßen Zehen Kuhlen in den Dreck schoben. Apathisch zurrte sich O'Mara an Lauras unsichtbaren Fäden auf die Beine — denn er war eine bloße Marionette, und Marionetten haben zu tanzen. Seine aufgeplatzte Schläfe blutete und brannte und alle Glieder seines sehnigen, mageren Körpers füllten sich mit Blei. Doch er stand, das besoffene Grölen der Zuschauer bezeugte es, und die kräftigen Arme baumelten ihm schlaff vor der eingekerbten Bauchhöhle, an der sich jeder einzelne Muskel unter einem Gewölbe schweißverschmierter Rippenbögen abzeichnete. Noch immer blinzelte er durch einen rötlichen Film, der jeden seiner Sinne verklebte. Wie in Trance spürte er seine Finger, die sich gegen seine Nase pressten, bevor er instinktiv schnäuzte und eine schwarze Salve blutigen Auswurfs in den Sand rotzte. Augenblicklich fluchten die enthemmten Zuschauer lauter, die Luft stank übler und die epileptischen Lichtfetzen der nackten Glühbirne im Kellergebälk brannten greller. In diesem befreienden Erweckungsmoment lokalisierte er plötzlich den verschwommenen Umriss seines Kontrahenten — einen gedrungenen und wuchtigen Schatten, der sein ganzes Gewicht mit rasender Wut gegen ihn schleuderte. O'Mara aber reagierte endlich geistesklar, tat einen katzenflinken Ausfallschritt zur Seite und versetzte seinem Gegner einen pointierten Nackenschlag, der den kräftigen Leib aus der Balance brachte und in die hölzerne Bande des Kampfringes stolpern ließ. Fünf starke Männer mussten das splittrige Holzbrett abstützen, um nicht selbst Opfer des scheuen Hundes von Hoolahara zu werden.
      »Macht weiter!!«
      »Schlag ihn zu Brei!«
      »Ich hab'n Scheißhaufen Kohle auf dich verwettet, Köter!«
      Schnaubend stießen sich die schwieligen Hände des blonden Lockenkopfs von der Einfassung ab, die pöbelnden Schaulustigen mit giftgrünen Blicken verdammend. Den schmerzenden Nackenwirbel ließ Ulysses mit orchestraler Lautstärke einrasten, während er sich festen Schrittes in die Mitte des Kampffeldes zurück ackerte. Im Gegensatz zum spindeldürren, durchtrainierten O'Mara hatte sich dessen hausgemachter Rivale ein gesundes kleines Bäuchlein angefressen, das seinen beachtlichen Brustmuskeln als Fundament diente und ihm das stämmige, massive Äußere eines abgerichteten Pitbulls verlieh — die zweite Attraktion in Lauras bizarrem Menschenzoo.
      »Du verlierst...«, schniefte O'Mara dreckig, sich die langen verschwitzten Strähnen aus dem Gesicht wischend, »Du verlierst!«
      »Genau wie du…«, brummte Ulysses zähneknirschend. Seine grellen grünen Augen suchten und fanden den dunkelbraunen Dutt der Hausherrin inmitten des grölenden Publikums katzenhaft durch die stinkenden Reihen stromern. »Laura gewinnt. Immer.«
      O'Mara grunzte nur ein atemloses, gleichgültiges Grunzen und erwartete den nächsten Schlag. Ulysses würde seine Masse nutzen, den Größenunterschied zwischen ihnen ausgleichen und eine verheerende Rechte landen wollen. Dazu würde er die Linke wie eine jagende Viper verschießen — ein unscheinbarer, aber luftabschnürender Hieb gegen O'Maras Plexus solaris. Mit einem Gefühl des unentrinnbaren Erstickungstodes würde O'Mara gegen die Bande knallen, das Geschrei der Wettenden warm und feucht in seinem Rücken spüren. Ulysses würde ihm mit einem wilden Sprung nachsetzen, gezielt sein linkes Knie anvisieren und es mit dem vorangestellten Fuß zertrümmern. O'Mara wäre geschlagen. Unweigerlich würde er gen Boden abknicken — wo die zerstörerische Rechte des scheuen Hundes bereits auf sein entblößtes Kinn warten würde. Die Show wäre aus, die Wetteinsätze könnten einkassiert und die Lichter gelöscht werden. Mit etwas Glück würde sich Laura erbarmen und O'Mara aus dem Ring tragen lassen, mit Pech käme er mit dröhnendem Schädel und kaputtem Knie in einer Lache seiner eigenen Ausscheidungen zu sich.
      All dies würde unweigerlich geschehen, falls Ulysses' Linke ihr Ziel erreichte. Falls. Ein letzter Atemzug waberte wie seine unsterbliche Seele über O'Maras aufgeplatzte Lippen; dann schlug Ulysses zu. Seine rasante Linke zerschellte an O'Maras ruckartig aufgerichteten Unterarmen, blies den tollwütigen Fuchs von Hoolahara jedoch gegen die Holzplanke in seinem Rücken. Das Publikum toste und spuckte und plärrte ihr abstoßendes Plärren und O'Mara, den impulsiven rechten Schwinger seines Gegners längst vorausahnend, duckte sich geschmeidig unter der zornigen Faust hindurch. Siegesgewiss setzte er bereits zum Trommelfeuer gegen die ungeschützten Rippen des scheuen Hundes an, als ein ohrenbetäubender Aufschrei wie der Zusammenprall zweier Schlachtheere durch die Reihen der Schaulustigen zuckte. Nur aus dem Augenwinkel bemerkte O'Mara, wie der bärtige Schädel eines Mannes zerplatzte und menschliche Masse auf die Umstehenden spritzte, bevor der orientierungslose Ulysses in einer enthemmten Orgie der Gewalt vom wütenden Mob verschluckt wurde. Der Kampf war vorüber — und nur Verlierer blieben zurück.

      Zurück in der Gegenwart

      Die trostlosen Mietshäuser der Tenement Sphere erhoben sich wie druidische Steinformationen aus den siechenden Senken von Cattle's Corridor und gemahnten O'Mara an heidnische Kultstätten, in denen bärtige Männer mit Wurzelstäben den donnernden Himmel zu besänftigen suchten. Wortlos folgte er Timmy durch die schmalen lichtleeren Gassen, die eingemauert zwischen den fensterlosen Wänden tote Winkel aneinanderzureihen schienen, während die Bewohner dieser vergessenen Wohnkolonien beim Anblick der fremden Gesichter panisch unter ihre Steinblöcke huschten.
      »Früher lebten hier die Soldaten mit ihren Familien«, erklärte Timmy überraschend wehmütig, »Aber viele starben bei den Destillen-Aufständen oder bei der großen Belagerung von Andarta…oder in Killenick. Danach ging alles so ziemlich zum Teufel, Sie sehen's ja.«
      »Die Freuden des Kolonialismus, hm?«
      Argwöhnisch streiften O'Maras moosgrüne Augen durch die dunklen Schatten, in denen sich Herumtreiber und Süchtige wie Ungeziefer zusammenrotteten.
      »Die Lairen lieben ihre Aufstände«, sagte Timmy achselzuckend, »Chancen stehen nich übel, dass ich den nächsten miterleben werd. Da is es.«
      Die schmutzige Fingerkuppe des Zeitungsjungen deutete durch die urbanen Menhire auf eine behelfsmäßige Überdachung aus Wellblechen und Kupferdrähten, die sich spinnwebend zwischen den Backsteinen entflocht und einer zusammengewürfelten Schar herumirrender Lumpen als Refugium diente.
      »Wenn einer was über Drogen weiß, dann die.«
      Nickend schob sich O'Mara am wurzelschlagenden Timmy vorbei. Die Stimme der atemberaubenden Meerjungfrau Abazure leitete ihn wie der Gesang der Sirenen gen Riff.
      »Deine Lady Kelly ist eine gefährliche Droge, die du ausschwitzen musst…«
      Leichtfertig dahingesagte Worte, aufgeladen mit Bedeutung für O'Mara allein, dessen innere Maschinerie beim bloßen Gedanken an Mercedes und Copperfield und Ulysses und die Toten in den Flammen gellend aufschrie. Wie konnte er sich selbst zur Untätigkeit verdammen, während der Mann, der ihn einen Freund schimpfte, Städte zerbombte und ganze Generationen ausrottete? Wie konnte er herumsitzen und warten, obwohl die Chance auf ein Ende dieser sinnlosen Gewalt nur wenige Stunden zuvor ihre warmen, weißen Hände um die seinen geschlungen hatte? Die rothaarige Fremde, deren heißer Atem noch immer so vertraut auf seinen Lippen zirkulierte, würde ihn zu Ulysses führen — und das Spritzbesteck, das sie in seinen Arm gerammt hatte, war sein Schlüssel zu ihrem Versteck.

      »Eine Lairin im blauen Gewand. Langes hellrotes Haar, etwa 1.60m…«, fragte er sich durch die verelendeten Massen, auf der Suche nach dem einen trüben Paar Augen, welches bei der Beschreibung ihrer anmutigen Gestalt aufleuchten würde. »Lairin, langes rotes Haar. Trägt vermutlich einen blauen…«
      Die schmutzigen Gesichter der Obdachlosen und Junkies glitten in einem endlosen zähen Strom an O'Mara vorbei, und alle schüttelten sie die unrasierten Köpfe oder erdachten sich abenteuerliche Lügen im flammenden Rausch diverser Narkotika.
      »Eine Lairin im blauen Mantel. Langes hellrotes Haar, blass, etwa 1.60m und—«
      »Was hat sie denn für Titten?«, schnalzte eine der »gefallenen Frauen«, denen die Sicherheit und der Schutz des Forbidden Woman nicht die süße Verzückung des Heroins aufwiegen konnten.
      »Größer als deine«, antwortete O'Mara platt.
      Die Drogennutten zückten ein dreckiges Grinsen voller Zahnlücken, warfen einander vielsagende Blicke zu und ließen schließlich die Erfahrenste antworten:
      »Was ist sie dir denn wert, Schätzchen?«
      O'Mara schmunzelte verständig, mit der Hand nahezu charmant durch sein zerzaustes blondes Haar fahrend und verführerisch nahe an die überschminkte Visage der Matrone heranfahrend. Sie roch nach Schweiß und ungewaschenen Freiern.
      »Was sie mir wert ist? Mehr als das One Piece…und weniger als die hartnäckigen Filzläuse, die ich mir einfangen müsste, um dir jedes einzelne Haar aus dem Körper zu reißen und in deine ausgeleierte stinkende Möse zu stopfen. Aber für dich…« Er setzte eine manische, halblächelnde Miene des unterschwelligen Wahnsinns auf. »…würde ich eine Ausnahme machen.«
      Augenscheinlich verunsichert obgleich seines unzurechnungsfähigen Auftretens, wich die alte Hure einen holprigen Schritt vor O'Mara zurück — bis an die spitze Bruchstelle einer rostigen Eisenstrebe, die aus der baureifen Hauswand hinter ihr stach. Der Kopfgeldjäger setzte ihr fahrig nach, noch immer die unansehnliche Momentaufnahme zwischen Lächeln und Mordlust auf den blassen Lippen, und flüsterte halblaut:
      »Also. Was ist sie dir wer—?«
      »Garner Grove!«, platzte es plötzlich aus der Jüngsten heraus, einem unsicheren Halbkind mit unschuldigen Augen und herpesblasigen Lippen, in dem die pulsierenden Adern auf O'Maras geballten Fäusten grässliche Erinnerungen an ihren Vater aufrissen.
      »Bitte?« Ganz Ohr ließ der Kopfgeldjäger von der alten Hure ab.
      »Deine Freundin…«, erklärte das Mädchen heiser, »Die kommt bestimmt nicht hierher. Hier landet man nur, wenn…
      Naja, wenn sie Kohle hat, dann geht sie in die Garner Grove. Im Heiress Borough. Zu Baxter.«
      »Baxter…«, wiederholte O'Mara interessiert, »Baxter wer?«
      »Baxter Bollock. Ein Apotheker. Der verkauft an Leute, die sich sauberes Zeug leisten können. Schickimickis und so…«
      »Vielen Dank, die Damen.«
      Eine hochtrabende Verbeugung später zog O'Mara von dannen, die Hände in den Taschen und die vergifteten Blicke der Huren im Nacken.
      »Baxter is ein harter Knochen!«, hörte er eine von ihnen kreischen, »Hoffentlich bringt er dich Arschloch um!«

      Bollock's Apothecary, Garner Grove, Ann-The-Splendid

      Zwischen Pillen und Scherben schlug Baxters kahler Schädel auf dem Boden auf und rutschte durch eine Lache seiner eigenen bitteren Medizin bis an die geflickten Schuhspitzen des paralysierten Ennis. Der Apotheker schmeckte den metallischen Geschmack von Chemie und Blut auf seinen Lippen, stemmte fluchend die aufgeschlitzten Handflächen in das zerbrochene Glas und blickte auf zu den verstörten grauen Augen des Straßenjungen, in dessen flimmernden Pupillen bereits die stoische Miene seines Angreifers aufquoll. Verzweifelt grapschten die blutüberströmten Wurstfinger noch nach den dünnen Knöcheln, da hatten die mächtigen Pranken seine Beine bereits gepackt und zerrten ihn fort. In stummer Angst verfolgte Ennis, wie sich Baxters Fingernägel in den Fliesenfugen abschürften, sich Tabletten und Scherben im langen Bart wie Fische in Reusen sammelten und er zuckte zusammen, als der stämmige Leib des Apothekers vom Boden abhob, um nach kurzem Sturzflug in einer gläsernen Auslage zwischen sauren Drops und Halsdragees bruchzulanden. Wie ein wilder Bär hatte der Bastardkönig den Apotheker gerissen — packte ihn, schleuderte ihn, warf ihn, stürzte sich auf seine Beute und malträtierte sie mit bloßen Händen.
      »Rede!«, forderte Ulysses ohne hörbare Gemütsregung in der rattenzerfressenen Stimme.
      »Fahr zur Hölle«, spuckte Baxter und schlug damit die vierte Chance auf Frieden aus.
      Nachdem Ulysses McKenna unter Führung des jungen Ennis in das pittoreske Etablissement in der vornehmen Garner Grove gestiefelt war, in dem gerüchtehalber nicht nur Abführzäpfchen und Kokain-Kaugummis über der nunmehr zerschmetterten Ladentheke den Besitzer wechselten, hatte der Bastardkönig dem Mann im weißen Kittel drei Chancen eingeräumt, die allesamt in herablassenden Bemerkungen des Befragten und einer zunehmend wundgequetschten Faust des Fragenden gegipfelt hatten. Denn zum Ärgernis des scheuen Hundes hatte sich sein widerwilliger Informant über das Heiress Borough hinaus die fragwürdige Reputation eines hartgesottenen Kneipenschlägers und exaltierten Paradieswächters erkämpft, dessen zwielichtige Nebengeschäfte weder Zaster noch Cipherpol würden ergründen können. Bereits unzählige Male hatte sich der dubiose Apotheker gegen die unaussprechlichsten Auswüchse menschlicher Verkommenheit — Mafia, Junkies, Steuerfahnder — zu verteidigen gewusst und sich geschworen, die Geheimnisse seiner bestsituierten und erlesenen Klientel mit vollem Körpereinsatz zu schützen. Ein krimineller Ethos, den Ulysses nun wie lose Zähne aus den angeknacksten Kieferknochen zu rütteln versuchte.
      »Rede!«
      Baxter wollte rotzen, doch seine Nüstern füllten sich mit Blut und Glas. Nicht wütend, sondern enerviert verzog sich die bleiche Maske des Bastardkönigs zur hündischen Fratze und legte die schiefen gelben Zähne ekelerregend bloß.
      »Ich zähle bis drei«, schnaubte er, Baxters Knie mit beiden blutbespritzten Händen umklammernd, »Eins…«
      »Fick-!«
      »Drei!«
      Der markerschütternde Schrei trieb Ennis die Tränen in die Augen und hallte in seinen Ohren wie Echos in den Bergen nach. Auf der Straße leben, unaussprechliche Dienste leisten, die eigene Scham und Würde zusammen mit den stinkenden Säften zu schlucken lernen — nichts von alledem hätte ihn auf diese Grausamkeiten vorbereiten können, die Ulysses McKenna so leicht zu fallen schienen. Hatte Ennis in der gebrochenen Gestalt des blonden Lockenkopfs zuvor kaum mehr sehen können als einen verwaschenen Steinabrieb an den rußverkrusteten Mauern Nicklebys, überrollte ihn die absonderliche Sogkraft dieses brutalen Mannes nun wie ein Seezug. Die Geschichten in den Zeitungen mussten wahr sein; Ulysses McKenna, der Bastardkönig, musste wahr sein.
      »Du gottverfluchter Scheißkerl...« Die wüsten Beschimpfungen des Apothekers verebbten zu einem weinerlichen Wimmern. »Mein Bein…«
      »Mach so weiter«, brummte Ulysses durch die ausgefressenen Zahnhöhlen, »und dein verficktes Bein ist dein kleinstes Problem. REDE!«
      »Scheiße…«
      Soeben holte Ulysses zum nächsten ungeduldigen Schlag aus, als der Pharmazeut panisch einknickte. Wortwörtlich.
      »Vermin Alley!«, schluchzte er, zur embryonalen Made verkrümmt, »M-mortimer…Shades…!«
      »Wenn du lügst…«, setzte Ulysses an, doch Baxter schüttelte wie ein Schwachsinniger das blutende Haupt, »Keine Lüge…bitte…Ist ein Keller, einfach die Treppe runter und...dem Gestank nach...«
      Wortlos erhob sich Ulysses aus dem Blut, dem Glas, den zerstampften Pillen. Sein grober brauner Wollmantel hing schwer über seinen breiten Schultern und schlingerte wie die trostlosen Äste einer Trauerweide — oder die dreckigen Zotteln eines alten Köters, dachte sich Ennis.
      »Wenn du armseliges Schwanzloch lügst und ich zurückkommen muss…«, hörte der Junge den Bastardkönig drohen, gefolgt vom erstickten Versprechen des Apothekers:
      »Niemals…ist die Wahrheit. Shades…ist der, den du suchst!«
      »Wollen wir's hoffen«, murmelte Ulysses lakonisch, »Bleib in der Nähe.«
      »Ja…Ja…i-ich gehe…nirgendwohin, n-niemals!«
      »Fantastisch.«
      Mit müden Stiefelschritten, die Scherben und Tabletten zu feinstem Puder zermalmten, schlurfte Ulysses auf Ennis zu. Plötzlich jedoch hielt der Bastardkönig inne, raffte die unansehnlichen blassen Lippen und schob die verbogenen Schneidezähne über die gefurchten Lefzen. Der Junge musste würgen.
      »Ich glaube dir nicht«, konstatierte er kurzentschlossen, machte kehrt und packte das heile Knie des Apothekers mit mitleidsloser Entschlossenheit, »Ich sorge dafür, dass du bleibst.«
      »Wa-?! Nein! Bitte! Ni—!

      22 Jahre zuvor

      »Ein Toter, 14 Verletzte, ein Verlust von—«
      Laura O'Rourke ragte wie die lispelnde Buchmacherin der Hölle vor den halbtoten Knaben auf, gekleidet in schwere Wolle und behängt mit weißsilbrigen Perlen, die ganz hervorragend zu den zyklopischen Klunkern an ihren ringklimpernden Fingerchen passten. Vorsichtsmaßnahmen, um nicht von der nächstbesten Brise aus dem angekippten Fensterrahmen geweht zu werden, lautete die vorherrschende Meinung der Stadt. O'Mara und Ulysses hingegen wussten es besser. Mit letzter Kraft hatten sie ihre wunden Körper auf die sperrige Holzbank der Umkleide geschleppt, ihren Blutgerinnseln beim Platzen zugehört und auf die unausweichliche Strafpredigt der rachsüchtigen Lairischen Taube gewartet, welche nur wenige Sekunden später in pinken Ballerina-Slippern durch die Tür geflattert war. Ruhig hatte sie gewirkt, ruhig wie die Nacht — und ähnlich undurchschaubar. Die rostigen Spinde warfen ihre wütenden Worte von Wand zu Wand und okkupierten jeden verschimmelten Winkel des ranzigen Hinterzimmers.
      Mit dem Gesicht eines Fabrikarbeiters, der Kopf voran in eine Industriepresse gestürzt war, zählte Ulysses die weißen Punkte auf Lauras blauem Knierock, während jene ihre stoische Standpauke unaufhaltsam dem Höhepunkt entgegen peitschte:
      »Habt ihr eine Ahnung, wie viel Geld ihr mich da draußen gekostet habt? Wie viel Planung in diesen einen Abend geflossen ist?«
      Laura schien eine Antwort auf diese rhetorische Frage zu erwarten, die Jungen aber blieben stumm.
      »Das große Jubiläum«, antwortete sie daher an ihrer Stelle, »Der Scheue Hund gegen den Tollwütigen Fuchs! Der 20. Kampf, es steht 10:9. Wird der Hund seinen Vorsprung ausbauen? Wird der Fuchs gleichziehen? Nun.« Aufgebracht bauschte Laura ihren perfekten Pony in Form. »Wir werden es nie erfahren, weil ihr armseligen Kotzbrocken—«
      Ulysses hätte den ringbesetzten Handrücken seiner gefürchteten Gebieterin klaglos akzeptiert, doch O'Mara warf sich plötzlich ungefragt in die Schusslinie.
      »Es war meine Schuld«, versuchte sein aufgeschwollener Kiefer zu beichten, »Ich hab mich absichtlich gegen die Bande drängen lassen, deshalb hat Ulysses den Typen erwischt. Weil ich—«
      »Halt dein Schwanzloch«, zischte Laura. Die malerische Schönheit ihrer eisblauen Augen war Winterkälte gewichen und kein penibel gezogener Pony der Welt konnte die pulsierende Zornesfalte auf ihrer scholastischen Stirn verbergen. »Wie oft muss ich euch unterbemittelten Kanalratten das noch sagen? Haltet. Euch. Fern. Von. Den. Verschissenen. Banden! Ihr seid keine Sklaven im Löwenkäfig!«
      »Doch«, murmelte Ulysses trotzig, »Genau das sind wir.«
      »Gottverdammt…«, lag es O'Mara noch auf der Zunge, da hatte sich die gläserne Elfenhand seiner Chefin bereits in Ulysses' dunkelblonden Locken festgekrallt und den störrischen Burschen auf die Beine gezerrt. Gequält jaulte er auf, die schiefen Zähne vor Schmerz entblößt.
      »Wie war dassss?«, zischten O'Rourkes blassrosa Lippen derart feurig in Ulysses' zerklüftetes Gesicht, dass ihr heißer Whiskeyatem auf seinen Augäpfeln brannte. Als er nicht reagierte, packte sie ihn wie einen Welpen im Nacken und schleuderte seine geprügelte Visage gegen den massiven Eichenpfeiler, der das unterirdische Kellerlabyrinth gegen die Bar abstützte. Das alte Gebälk erbebte und O'Mara ebenso.
      »Laura! Bitte!«
      Ungestüm sprang er auf, mehr Angst als Mensch, und stürzte hilflos in die aufschnellenden Klauen. Selbst er, der das komplexe Maßwerk der größten Kathedralen der Erde binnen Sekunden zu erfassen und rekonstruieren wusste; der die Fältchen im Gesicht einer Greisin und die blutigen Äderchen im trüben Augenweiß eines Trunkenboldes zu zählen vermochte, noch bevor der Moment des ersten Blicks verstrichen war; selbst er strauchelte obgleich des unbeschreiblichen Tempos, mit dem Laura O'Rourkes zartes Füßchen emporgeschnellt war und die grässliche Transformation zur knorpeligen Vogelkralle vollzogen hatte.
      Die Lairische Taube balancierte wie eine gefeierte Ballerina auf einer Fußspitze, während sie Ulysses' blutenden Schädel gegen den Pfeiler presste und ihre spitzen grauen Klauen an O'Maras zuckendem Adamsapfel kratzten.
      »Eure Stärke…«, wisperte Laura mit formvollendeter Eleganz, »einen ausgewachsenen Mann mit einem bloßen Schlag töten zu können, macht euch wertvoll für mich. Doch dieser Wert gebietet weder Narrenfreiheit noch kindische Allüren. Vergesst niemals euren Platz, sonst weide ich euch aus und werfe eure aufgeschlitzten Überreste zurück in die stinkende Jauchegrube, aus der ich euch damals herausgefischt habe!«
      Zu schnell für das menschliche Auge wirbelte Laura herum, Ulysses an den Haaren zurück auf der Holzbank entsorgend und O'Mara ein blutiges Andenken unter seinem Kehlkopf hinterlassend.
      »Haben wir uns verstanden?«
      »Ja, Miss O'Rourke…«, versprachen die Burschen lammfromm und angststarr.
      »Fantastisch. Und nicht vergessen: Niemand ist unentbehrlich. Außer mir, versteht sich.«
      Wieder der feenhafte Glanz auf den wie gehauchten Lippen, die schelmische Unschuldsmiene im gleißenden Schimmer der riesigen blassblauen Augen. Ulysses und O'Mara wurde übel, als Laura vor ihnen niedersank und den vom Vogelfuß durchlöcherten Ballerina samt Zwilling abstreifte. Barfüßig flanierte sie gen Ausgang.
      »Den verbockten Kampf ziehe ich euch übrigens vom Lohn ab. Und die Schuhe auch.«

      Zurück in der Gegenwart

      In den diffusen Nebelschimmern verwaister Gaslaternen, die sich wie einsame Irrlichter an die dunklen Gemäuer des alten Kellergewölbes schmiegten, blitzten Trauben aus Katzenaugen durch die Schatten und gelbe Wolfszähne bleckten in der Finsternis. Die blasse Haut des Kopfgeldjägers schien bleicher als die Leichen in den Wänden, als er angewidert an die schillernden Reagenzgläser herantrat und die makabren Überreste in ihren Bädern aus Gallert beäugte: Menschliche Zähne, Augäpfel, Finger und Nägel, Zehenkuppen, lebenswichtige Organe und rudimentäre Geschenke prähistorischer Urahnen, Krebsgeschwüre, Tumorknochen, mutterlose Embryos. In der Lesestube der Gelert hatte O'Mara genügend hippokratisches Halbwissen aus Mercedes' Medizinwälzern gesogen, um diese Fetzen toter Menschlichkeit einem dutzend gängiger Krankheiten oder Fehlbildungen zuzuordnen und das Alter gewisser Spender grob zu datieren. Etwas kroch über seinen Rücken, während er in die leeren Augen eines Kleinkindes starrte, und er hoffte inständig, es möge nur ein Schauer sein.
      »14 Jahre Verbrecherjagd«, moserte er zynisch, »Wieso kann sich nich mal einer in einer Brauerei verstecken?«
      Der Gestank nach Konservierungsmitteln und Leichenfäule fettete die kalte Luft. O'Mara zerteilte sie wie Butter, tiefer und tiefer in die grotesken Leichenkammern der unterirdischen Nekropolis eindringend. Aufgeschlitzte Leiber stapelten sich bereits in ihren gläsernen Kisten, aufgebahrt zum pervertierten voyeuristischen Vergnügen des Mannes, den der verkrüppelte Apotheker an Ulysses McKenna verraten hatte — und da er nun in die bizarren Abgründe dieses gewissen Mortimer Shades' hinabblickte, empfand O'Mara bei diesem Gedanken sogar eine vage Ahnung von Gerechtigkeit. Soeben tastete sich seine Hand um ein unbeleuchtetes Eckregal voller Bottiche mit unaussprechlichem Inhalt, als ein nervenzersetzender Aufschrei durch die Leichentunnel und O'Mara den Schock in die Glieder jagte. Reflexartig schlug der Blonde gegen einen der mysteriösen Kanister aus, welcher daraufhin die bräunlich-suppenhaften Innereien über seinen billigen Schuhen ausgoss.
      »Großartig«, näselte O'Mara grüner als seine Augen, »Riecht wie Lucas Eintöpfe.«
      Dennoch watete er unbeirrt durch die Pfütze Menschensud — patsch, patsch, patsch — und folgte dem Nachhall des ohrenbetäubenden Kreischens bis auf Hörweite eines minderwertigen, schlotternden Stimmchens.
      »Bitte! I-ich…ich weiß nichts! Ich ve-ve-verkaufe—«
      Ein weiterer Schrei wie der vorherige, nur verzweifelter und ertränkt in Tränen, rasselte durch das Labyrinth.
      »Oh, Gott…nein- BITTE! ICH WEIß NI-!!«
      O'Mara musste sich die Ohren zuhalten, derart schrill und angstverzerrt pfiff der Schmerz aus der plärrenden Kehle. Selbst durch seine zusammengepressten Finger vernahm der Kopfgeldjäger noch das entsetzliche Flehen und Schreien, unterlegt von unaussprechlichen fleischigen Lauten, die keinem lebendigen Wesen entfleuchen sollten. Erst in einer kurzen Pause zwischen den Höllenposaunen sah O'Mara seine Chance gekommen und schleuderte das einzige Wort, an das er denken konnte, durch die Finsternis:
      »ULYSSES!«
      Sofort klimperte Metall auf Stein und schwere Schritte stürzten durch die Finsternis vor O'Mara davon. Ohne Zögern nahm er die Verfolgung auf, hechtete um Ecken und Leichen bis zu — Mortimer Shades. Das hagere und unansehnliche Kriechtier von Mann klammerte sich mit den arachnoiden Armen an den entblößten Leib einer halbsezierten Frau jenseits der fruchtbaren Jahre, offenbar ihren offengelegten Darm als Rettungsleine zweckentfremdend. Erst auf den zweiten Blick erkannte O'Mara, dass die Kniescheiben des Totensammlers in ihren Kehlen hingen und eines seiner winzigen braunen Rattenaugen fehlte. Das überquellende Blut erschwerte eine genauere Bestandsaufnahme.
      »Wo ist er?«, fragte O'Mara ruhig. Shades' an einem Skalpell aufgespießter Augapfel kullerte vor seinen Füßen um die eigene Achse.
      »Bitte! Helfen…Sie mir!«, schluchzte der Gerichtsmediziner, doch O'Mara empfand beim Anblick des verängstigt witternden Schnurrbartes nichts als Abscheu.
      »Wo ist er?«
      »Bitte! Es t-tut so weh!«
      »Gut. Wo ist er?«
      Noch immer am Dickdarm der seligen Mrs. Dobson hängend, wies der zitternde Spinnenfinger des Leichensammlers in das dunkle Unbekannte hinter einem gen Boden wallenden Stoffvorhang.
      »SIE MÜSSEN MIR HELFEN!«
      O'Mara ignorierte ihn geflissentlich, auf seinem Weg absichtlich Shades' Augapfel mit dem Schuhabsatz zerquetschend. »Ein Glück hast du Ersatz.«

      Hinter dem schwarzen Vorhang warteten Requisiten aus Fleisch und parfümiertem Puder auf ihren Einsatz, mit Draht an den Wänden aufgestellt wie Puppen in Schaukästen. Ihre toten, glotzenden Augen verfolgten O'Mara gleich der furchterregenden Porträts längst zu Grabe getragener Ahnen und flößten dem keuchenden Kopfgeldjäger ein Unbehagen ein, welches gar den Ekel vor den Gläsern Menschenglibber zu übertreffen vermochte.
      »Glaubst du, er fickt die Puppen?«, rief O'Mara in die Dunkelheit. Er spürte Ulysses McKenna in den Schatten. Eine Weile horchte er, vergebens, bevor er schließlich halblaut murmelte:
      »Er fickt sie definitiv.«
      Mit haki-schwarzen Fingern zertrümmerte er eine gläserne Auslage, die Schmuck und Firlefanz für die moderne Leiche von Welt bereithielt, und verteilte die klirrenden Scherben mit den Schuhsohlen vor dem Ausgang. Seine Beute würde ihm nicht entkommen — sofern er der Jäger war.
      »Ulysses McKenna«, schwallte er auf seiner Pirsch durch die Garderobe des Schreckens, in der Mortimer Shades seine »Klienten« ausstaffierte, schminkte und in Form knebelte.
      »Der Bastardkönig. Hast du dir den Namen selbst ausgesucht oder hat dich irgendein volltrunkener Zeitungsschreiberling mal so geschimpft und du dachtest dir: ›Bingo!‹?«
      Stille. Ruckartig barst O'Mara um eine tote Brünette von zarter Statur, aber die Schatten hatten ihn bereits eingeholt und waren alles, was er sah. Fluchend ließ er die kämpferisch erhobenen Fäuste wieder sinken.
      »Du…du sagtest in Gavroche, es täte dir leid«, sprach er mit wackliger Stimme in die Finsternis, wie eine Witwe vor einem frischen Grab. »Du sagtest, du wolltest mich um Vergebung bitten. Dass ich allen Grund hätte, dich zu hassen und dass du dich doch mehr hassen würdest, als ich es jemals könnte. Diese Moira meinte sogar, du hättest dir meine Erinnerungen quasi aufgebürdet, um mich zu schützen. Aber…weißt du, was ich denke?«
      Geschwind huschte O'Mara von Gang zu Gang.
      »Ich denke, diese weinerliche, selbstmitleidige ›Oh, ich armer Märtyrer‹-Nummer, die kannst du dir in den Arsch schieben! Du willst meine Vergebung? Du willst dich aussprechen? Dann sei ein gottverfluchter Mann und stell dich mir! Zeig dich mir von Angesicht zu Angesicht, damit ich dir in deine gottverdammte Visage spucken kann! Hörst du mich, Ulysses-Scheiß-auf-dich-McKenna!?«
      Ulysses-Scheiß-auf-dich-McKenna hörte jedes Wort. Unwillkürlich fielen die wilden blonden Lockenberge gegen den feisten Wanst eines halbnackten fountischen Oligarchen, vor dessen Drahtmontage der Bastardkönig innegehalten hatte. O'Maras Stimme zu hören, seine Präsenz zu spüren und den sublimen Duft nach Erde und Fusel zu riechen, der ihn selbst nach all den Jahren noch umspielte, raubte Ulysses den Verstand. Mit gefletschten schiefen Zähnen und weit aufgezerrten Lefzen stieß der scheue Hund einen unbändigen, aber stummen Schrei des Zorns und der Verzweiflung aus, in dem das Ungesagte wabernde Kreolen aus Atemdunst formte.
      »Zeig dich!«, hörte er O'Maras gebrochene Stimme plötzlich unverhofft nah auf sich zurollen und stürzte in eine Nische im Leichenkabinett.
      Mit einer katzenhaften Geschmeidigkeit, welche O'Mara seinen unberechenbaren Trinkerfüßen kaum noch zugetraut hätte, glitt der Kopfgeldjäger durch die makabren Katakomben und plauderte mit jeder hübschen Totenpuppe, die ihm ihr kaltes Ohr schenkte.
      »Das Verrückte ist…ich fühle mich beinahe schuldig für das, was auch immer ich euch vielleicht oder vielleicht auch nicht angetan habe. Warum, fragst du? Ich mich auch. Ich meine…wen versuche ich hier zu verarschen? Ihr seid offensichtlich schrecklich. Angefangen bei dieser drogensüchtigen Schnalle, die mich ins Meer geschubst hat. Ich hasse das verdammte Meer. Oder die beiden Inzestgeschwister. Da kommt Freude auf, Bruder und Schwester beim öffentlichen Tröckenvögeln bestaunen zu dürfen. Und vergessen wir nicht dieses widerliche Schwein, das du auf Luca losgelassen hast! Allein dafür müsste ich dich aufknüpfen und zuschauen, wie dir langsam der Hirnsaft aus der Pissrinne tropft! Aber dennoch…dennoch fühle ich diese Schuld, diese gottverfluchte Schuld, weil ich dir und deiner Truppe handverlesener Arschgeigen vor einer halben Ewigkeit eventuell übel mitgespielt haben könnte.«
      Während er sprach, schienen ihn selbst die eisigen Augen der Toten zu verurteilen und zu verdammen. Eine alte Dame mit vorwurfsvollen runzligen Lippen, ein blonder Wanderarbeiter mit wutbrandigen grellgrünen Augen, ein kleines Mädchen mit kecken Korkenzieherlocken — allesamt ohne jede Spur von Mitleid für diesen langen, traurigen Monolog.
      »Sag mir einfach…«, endete O'Mara zerknirscht und ausgelaugt vom ewigen, fruchtlosen Reden, »Sag mir, warum ich mich so scheiße elendig fühle…Warum—?!«
      Eine Hand aus dem Grab packte ihn plötzlich am Schlafittchen, wuchtete ihn gegen die nächstbeste Wand und entließ seine Füße von der Bürde der Schwerkraft. Verständnislos starrte O'Mara in die unansehnliche Fratze des auferstandenen Wanderarbeiters, bevor sein Schädel wieder und wieder und wieder gegen das Gestein geprügelt wurde, bis der Putz bröckelte.
      »Warum?! Du fragst dich warum?!«, kläffte Ulysses wie ein bockiges Kind. Die widerwärtigen gelben Zähne klackten aufgebracht aneinander, rochen nach Entzündungen, Whiskey — und Heimat. O'Maras Herz setzte einen Schlag aus, und Ulysses verschluckte sich beinahe an seinen galligen Worten:
      »Weil du ein mieses gelbes Verräterschwein warst und die Scheiße nicht wert, die ich aus dir herausprügeln musste!…Warum grinst du?!«
      »Nur so«, röchelte O'Mara, noch immer über dem Boden baumelnd und gegen die Wand gepresst, »Es ist einfach schön, wenn die Stimme zur Fresse passt.«
      Verdutzt lockerten sich die Daumenschrauben um O'Maras Kragen, was der Kopfgeldjäger augenblicklich ausnutzte. Blitzschnell verpasste er Ulysses einen scheppernden Kopfstoß, der Schädel spaltete und beide Männer taumelnd zurückließ. O'Mara, beseelt vom Gefühl des Bodens unter seinen Füßen, fing sich als Erster und erhob die Fäuste wie der Boxer, der er in seinem früheren Leben zweifellos gewesen sein musste.
      »Gib mir meine beschissenen Erinnerungen!«, forderte er vom schnaubenden Ulysses, der sich mit unterdrückter Rage seine klaffende Stirnwunde befühlte.
      »Nein!«
      »Dann fick dich ins Knie.«
      O'Maras Faust kanalisierte die urgewaltige Macht eines tosenden Gewitters, als er ausholte, fokussierte und die donnernden Fingerknöchel gegen seinen Gegner ausrichtete. Dem Unausweichlichen ausgeliefert, stemmte der Bastardkönig sein gesamtes Gewicht gegen den Angriff und fing ihn mit beiden schwieligen Händen ab. Bebend, krachend, dröhnend ergab sich das alte Kellerwerk dem titanischen Einschlag und brüllte einen enthemmten Schmerzensschrei, dessen infernalisches Echo das gesamte Gammon Borough aufschreckte. Die freigesetzte Energie des Kräftemessens bahnte sich wie eine Sturmflut ihren Weg durch alle Nischen und Gänge des labyrinthischen Gewölbes, zerfetzte die Leichen, ließ Gläser zerspringen und Hölzer bersten. Selbst der kümmerlich krauchende Überrest des einäugigen Mortimer Shades wurde von der fauchenden Woge erfasst und klatschte blutspritzend gegen das Ende des Korridors.
      »Oh, diese Nostalgie«, brummte Ulysses zynisch, aber sichtlich elektrisiert.
      »Scheiße witzig, Arschloch!«
      Tobend riss sich der tollwütige Fuchs aus den Pranken des scheuen Hundes los, einen strategischen Ausfallschritt gen linker Flanke vollführend und die wiedergewonnene Rechte gegen den ungeschützten Kiefer schleudernd. Ulysses durchkreuzte jedoch O'Maras Erwartungen, indem er sich unter der Faust hinweg duckte und seinen massigen Leib mit stoischer Gewalt gegen den Kopfgeldjäger schmiss. Die Wand hinter ihm empfing O'Mara wie eine alte Verflossene, Ulysses blutrünstiges Knie hingegen malträtierte seine Rippen wie ein wildes Tier. Reflexhaft versuchte er noch, einen launischen Kinnhaken zu landen, doch der rasende Bastardkönig schien jenen längst vorhergesehen zu haben, packte den Ellbogen — und pulverisierte ihn mit bloßen Händen. Gelenk, Speiche, Knochenmark. O'Maras rechter Arm, seine wertvolle Schlaghand, wurde vollkommen zertrümmert. Er realisierte den Verlust, wie ein gestürztes Kind die aufgeschürfte Stelle an seinem Schienbein realisiert. Obgleich dieser scheinbaren Teilnahmslosigkeit runzelte Ulysses verwirrt die blonden Brauen, sein Argwohn währte jedoch nur kurz. Ein unverhoffter Längshieb pfiff gegen seine Augenhöhle und ließ seine Trommelfelle klingeln. Entfesselter als Gottes Zorn peitschte O'Mara ihn mit der mutmaßlich zerstörten Rechten nieder, griff sich erneut die blonde Lockenpracht und prügelte mit dem gebrochenen Arm weiter, bis Ulysses' rechtes Jochbein endlich krachend nachgab. Erst mit einer schallenden Ohrfeige vermochte sich der Bastardkönig aus diesem abartigen Konter zu befreien, fassungslos und betäubt vor Schmerz. Atemlos fielen Fuchs und Hund gegen die Kellermauer, mit gebrochenen Knochen und zerschundenen Herzen in die grünen Augen des jeweils anderen blinzelnd.
      »Hör auf«, hustete Ulysses aus rasselnden Lungen, »Nimm deine Freunde, verlasse diese furchtbare Stadt und…und ich verspreche dir, dass du Luca wohlbehalten zurückbekommen wirst…Ich—«
      Einem Mann mit intaktem Gebiss hätte O'Maras unkonzentrierte Führhand mindestens einen Schneidezahn gekostet.
      »Du…weißt…wo sie ist?! Sag es…mir!«
      Ulysses schluckte den Schmerz wie eine bittere Pille, kopfschüttelnd. »Sie ist in Sicherheit. Du hast keine Ahnung, in was ihr hineingeraten seid.«
      »Und du…«, würgte O'Mara trocken hervor, »Hast keine Ahnung, was wir mit dir anstellen werden. Wo ist Luca?! Das ist deine letzte—«
      Sturzflugartig nahm Ulysses Reißaus, seine kurzen Beine wie Jagdhunde über den blutüberströmten Kellerböden scheuchend.
      »Chance…«, prustete O'Mara, bevor er ihm atemlos nachsetzte, rasch einholte und einarmig packte. Ringend und rangelnd stolperten sie durch den schwarzen Vorhang, rollten über die tote Mrs. Dobson auf dem Seziertisch hinweg und landeten hart in einer Lache menschlicher Soße. Endlich schien O'Mara die Oberhand zu gewinnen und nagelte Ulysses' Kehle mit dem verbliebenen Arm am Boden fest; so nah, dass ihre blutenden Nasen einander beinahe streiften.
      »Ich will Luca! Und meine Erinnerungen!«, brüllte er.
      »Nein!«, brüllte Ulysses zurück, riss sich los und O'Mara gleich mit dazu. Obwohl er einen halben Kopf kürzer geraten war, überrumpelte er den Kopfgeldjäger mit brachialer Gewalt, hievte ihn mit sich empor und warf ihn über machtvolle Schultern in die aufgestapelten Totenbahren. Nur in Fetzen nahm O'Mara noch war, wie die blutverschmierte Gestalt des Bastardkönigs von der sämigen Schwärze verschlungen wurde, bevor eine Lawine aus Leichen auf ihn niederprasselte und seine zornigen Flüche in Fleisch verschüttete.

      »Du bist so ein Volltrottel«, lachte O'Mara und schlang den Arm noch enger um Ulysses' schmerzenden Nacken. Seite an Seite auf der hohen Mauer — ihr Thron, der sie über die tiefen Gassenschluchten der Cionaoid-Hügel gebieten ließ — fühlte sich der Dreizehnjährige wieder unverwundbarer und freier als die weiße Taube, die Laura zu sein vorgab. Seine Verletzungen? Vergessen. Die Nacht war lang und wunderschön.
      »Ich hab die Beherrschung verloren«, log Ulysses achselzuckend.
      »Red keinen Scheiß. Du? Fick die Schafe, du hast von meinem Fehler abgelenkt und die Schelle kassiert.«
      »Und wenn schon.«
      »Nix da, du Penner. Das sollst du nicht. Ich komm klar.«
      Ein breites Grinsen, aus dem Sterne und Mond ihren Glanz zogen, überwältigte O'Maras abgemagerte Züge und steckte selbst den mürrischen Ulysses an.
      »Was grinst du so blöd?«, wollte jener wissen — die schiefen, hässlichen Zähne bis an die Mundwinkel freigelegt.
      »Ach«, erwiderte O'Mara trocken, »Ich hatte nur gerade eine Epiphanias.«
      »Was fürn Ding?«
      »'Ne göttliche Eingebung, du Hohlbirne.«
      »Meine Fresse…«

      Sein Herz raste, sein Blut kochte, sein Auge — ein Trümmerfeld. Ulysses vermochte kaum einen Schritt vor den anderen zu setzen, robbte sich vielmehr an den Hauswänden entlang und versuchte den wandelnden Schatten auszuweichen, die sein demolierter Sehnerv zu ignorieren entschieden hatte. Endlich endete der lange dampfende Korridor namens Vermin Alley, die Flucht schien geglückt und der Flüchtende wähnte sich bereits in Sicherheit, als er plötzlich die Kontrolle über seine Beine verlor. Spasmische Blitze durchzuckten seine Glieder, überzogen Nervenbahnen mit flackernden Flammen und entrissen ihm die Macht über seine eigenen Muskelstränge.
      »Nein…Nein! Nicht jetzt!«
      Vergebens begehrte er gegen die unvermeidliche Kapitulation seines Körpers auf, der sich zusehends in einer Myriade winziger spastischer Bestandteile verzerrte. Jeder Zentimeter seiner Glieder stob in eine andere Richtung davon, krampfend, kämpfend — Chaos. Mit den letzten Restfunken von Widerstand, die Ulysses gegen diese grässlichen Anfälle zu behaupten gelernt hatte, schleppte er sich selbst und den Leib, der nicht länger der seine war, in eine schimmelzerfressene Barracke unweit der Gerichtsmedizin. Die Krankheit hatte zu schnell und zu rabiat zugeschlagen, als das er die rettenden Pillen aus der Manteltasche hätte angeln können. Dem Bastardkönig blieb nichts, als gen Boden zu fallen, auf einen herumliegenden Holzscheit zu beißen und zu hoffen, nicht an seiner eigenen Zunge zu ersticken; zu hoffen, nicht zu sterben.

      »Und, was sagt Gott so? Hoffentlich hat er 'ne gute Entschuldigung parat.«
      »Schwachsinn«, flötete O'Mara vergnügt, »Sowas brauchen wir nicht. Wir sind der Fuchs und der Hund. Wenn wir erstmal mit der Welt fertig sind, werden Whitebeard und Gold Roger wie schlotternde Milchmädchen aussehen. Verstehst'e?«
      »Ich war noch bei deiner Epiphafi—«
      »Vergiss das. Sieh dir diese Stadt an.«
      Mit hochherrschaftlichen Gesten bedeutete O'Mara einen gewaltigen Wagenritt über den nächtlichen Himmel, die zerklüfteten Senken Hoolaharas wie ein siegreicher Feldheer umschließend.
      »Eines Tages wird niemand mehr wissen, wer die Lairische Taube war. ›Laura…wer?‹, werden sie fragen. Dann sind wir, ich und du, die Könige von Hoolahara.«
      Beim Gedanken an diese wunderbare Zukunft, die O'Mara für sie beide auserkoren hatte, strahlten Ulysses' müde Augen grün und grell durch die Finsternis. »Die Könige von Hoolahara, huh? Das könnte mir gefallen.«
      »Dann ist's beschlossen.«
      Zufrieden rutschte O'Mara näher an die geprügelte Visage seines Freundes heran, dass sie vor dem tintenschwarzen Nachthimmel zu einem einzigen perfekten Schatten verschmolzen.
      »Ulysses?«
      »Ja, O'Mara?«
      »Ich finde, wir sollten uns jetzt küssen.«
      »Arschloch.«
      Kapitel 148 - Es ist ein weiter Weg zum Fluss

      Sämtliche behandschuhten Damenhände reckten sich vergebens, als der Wind aufraute und das prophezeite Ende gekommen schien. Der tosende Sturm hatte Hauben und Schirme wie Herbstlaub untergehoben und transsubstantiierte sie zu freien, wilden Geschöpfen aus Textilien und Träumen. Zu Scharen schwammen die seidenen Kopffüßer den schwarzen Wolken entgegen, welche sich über der rostenden Stadt wie Flutwellen wölbten und zu branden drohten — während den erdgebundenen Herrschaften nichts übrig blieb, als den bunten Quallen die Entrückung zu neiden.
      »Das gönn ich den Schnepfen«, gackerte Cocky Lynn beim Anblick der hinauftauchenden Accessoires, denen nun auch Pelerinen und Haarschleifen wie im Spiel durch die Strömungen des Orkans nachflogen. Ihre flatternden Tentakeln kraulten im kindischen Reigen durch die Lüfte, scheinbar verspielt den animalischen Teufelstanz der ungezügelten Lockenberge auf Cockys wüstem Haupt nachäffend, bevor ihre flimmernden Umrisse in der dunklen Tiefsee über Nickleby versanken. Eine schwere, nasse Kälte ritt mit ihnen auf den harten Winden und überzog die Pflastersteine mit flüssigem Glas.
      »Die Loch-Llyr kommen früh dieses Jahr«, bemerkte Fawne ohne Meinung, ohne Richtung; und ohne die Aufmerksamkeit der stoischen Bloody Mary auf sich zu ziehen, welche den Dreiertrott wie eine Legionärsbrigade lenkte. Kein Wort war gesprochen worden, seit die Herrin der Huren ihre Adjutanten aus den alpträumenden Gemäuern der Schwarzen Witwe geführt hatte. Nicht einmal die verzogenen Näschen der vorbeitippelnden pinken Fräuleins und pastellbraunen Damen hatten Mary zu einer wohlpointierten Spitze verleiten können. Das Schweigen war mörderisch. Mit jedem harten Stechschritt auf den Pflastersteinen schienen die grässlichen dämonischen Höllentiere zu erzittern, die sich unter dem bernsteinfarbenen Lackmantel auf Marys Haut wanden. Spinnen, Schlangen, Ziegenmäuler, allesamt festgekrallt an den schlanken Muskelsträngen wie Schiffbrüchige an Treibgut. Hätte Fawne es nicht besser gewusst, sie hätte schwören können, Angst in den tintenschwarzen Augen erkennen zu können.
      »Ich finde ja, wir haben das toll hingekriegt«, versuchte Cocky sich schließlich an einer gequälten Aufheiterung. Leider war ihr Mund nicht zum Reden geboren. »Das Essen war auch toll, findet ihr nicht?«
      »Zumindest hat sie uns nicht umgebracht«, konstatierte Fawne trocken.
      »Warum so optimistisch?«
      Endlich. Die Stimme der Bloody Mary ertönte launischer als der grobe Sturmwind, der in den hochragenden Stadtschluchten nach dem Winter brüllte. Auf den spitzen Absätzen einen markanten Haken in die nächste Seitengasse schlagend, spielte sie ihren Begleiterinnen einen todgeweihten Blick zu und sprach bitter:
      »Vielleicht wirkt das Gift nur langsam. Es ist ein weiter Weg zum Fluss.«

      Wenige Stunden zuvor

      Carlas kulinarisches Panoptikum lud zum Staunen und Vernaschen ein: Kunstvoll gepflegte Gärten duftender Kräuter und Gewürze rankten erntereif um pittoreske Schälchen gegrillter Tomaten, würziger Champignons, goldener Rühreier, herzhafter Porridges, geschmorter Schweinelenden und deftiger Puddings, zwischen denen Räucherfische in der ewigen Forellenjagd winzige Zitronenbäumchen mit Petersilienkronen umrundeten. Ringsherum possierliches Essgeschirr aus novgorodischem Porzellan, goldbeschlagene kalkuttische Teekaraffen und platinierte Bestecksätze aus den korruptesten, dekadentesten Untiefen Bourgeois'. Selbst Cockys heißgeliebte extragroße Bratwürste hatten es inmitten exotischer Fruchtschnitze auf den Tisch geschafft, aufgeschüttet wie ein absonderliches Hügelgrab aus Gedärmen.
      »Es sieht köstlich aus«, freute sich Benedict Hearst händereibend und zähnefletschend wie ein Vampir, vor dessen eisblauen Augen der sich hingebende Hals betörend pulsierte. Die schwarze Serviette an seinem weißen Kragen und das Besteck in den manikürten Händen kaschierten kaum den animalischen, brennenden Hunger, der seinen bebenden Nüstern rauchreihend entstieg. Hoffnungsverloren ergab sich die erlegte Schweinelende vor Marys Augen ihrem Schicksal. Der Uhrmacher vertilgte sie im Ganzen. Hinter seiner polierten edelstählernen Fassade war Benedict Hearst ein Raubtier, und warmer Fleischsud triefte ihm wie Blut von den Zähnen.
      »Ich bin neugierig«, wandte sich Carla Griswold an das wohlerzogene Biest und die teenippende Schöne, beide mit einer bogenschlagenden Bewegung ihrer Kaffeetasse zusammenfassend, »Kannten Sie einander?«
      »Sie meinen, bevor Sie uns in Ihr Haus der Finsternis luden?«, kaute Hearst lax. Carla nickte. Mary schwieg. Lorca griff nach einer Schale Rührei — zweifellos eine Mahnung zur Wahrheit, die in Hearsts Weichteilen nachbebte.
      »Wir waren uns der Existenz des anderen bewusst«, schmatzte jener dennoch achselzuckend und beiläufig, »Aber ich verkehre nicht in Miss Kellys Etablissement.«
      »Leider«, bekräftigte Cocky Lynn mit einem schamlosen Lippenschürzen, bevor sie sich eine der phallischen Bratwürste tief in den Rachen schob und Fawne halbironisch nachsetzen hörte:
      »Es wäre ein wahr gewordener Traum, den Uhrmacher der Krone auf unserer Kundenliste zu wissen…doch unglücklicherweise ist Sir Benedict beinahe so übergroß und makellos wie der Ruf, den er im gesamten Commonwealth genießt.«
      »Sie schmeicheln mir«, dankte der Geschmeichelte, »Aber ehrlich gesagt bewahrte mich allein die Furcht vor der berüchtigten Bloody Mary vor etwaigen Eskapaden.«
      Nun war es an Mary, wohlmeinend und anständig zu nicken, während sie ihre Teetasse in einem Zug leerte. »Meine Reputation ist meine Festung.«
      »Und die blankgezogenen Schwerter Ihrer Kunden Ihre schärfsten Waffen«, fügte Carla silberzüngig hinzu. In einer tintensämigen Bewegung ergoss sich ihr wohlgerundeter Busen über die Tischkante, lehnte sich weit über das Bankett vor und harpunierte einen der geräucherten Fische wie ihren weißen Wal. Plötzlich erstarrte sie jedoch, die Gabel in den Fischkopf und das Augengrün in die schrecklichen Statuen am anderen Ende des nekropolitanischen Speisesaals gespießt.
      »Rührt euch!«
      Wie treue Hunde gehorchten die grotesken Statuen aus Stein und zerfielen — nicht zu Staub, sondern zu müden Menschen in müden Körpern. Lamentierend und klagend, sich die steifen Knöchel und krampfenden Sehnen reibend, stürzte die Menschenwoge nieder und schwemmte stille salzige Flüche bis an die Gestade der verblüfften Tischgesellschaft.
      »Mein Fehler«, formten die Rabenlippen reuelos, dafür unbestreitbar schadenfroh, »Werte Gäste, darf ich Ihnen das Top-Ensemble des Dorincourt Theatre vorstellen?«
      Die Gäste schenkten den entkräfteten Schaustellern einen verlegenen Gruß, indes sich jene auf die wackligen Beine rackerten. Mary vermochte nicht zu mutmaßen, wie lange die armen Teufel in ihren diversen marmornen Posen hatten verharren müssen, doch allein die verstörende Inszenierung des makabren Toasts lag mehr als eine halbe Stunde zurück. Keiner von ihnen, weder die Huren noch Hearst hatten sich zu der tollkühnen Unternehmung hinreißen lassen, die Frau in Schwarz nach der Natur ihrer steinbeschlagenen Sklaven zu befragen und damit Gefahr zu laufen, unliebsame Antworten aus verschlossenen Särgen zu bergen.
      »Wie froh ich bin, unsere Gelder so sinnig angelegt zu wissen«, seufzte Hearst halbamüsiert über die kümmerlichen Laute des ausgelaugten Bühnenvolkes.
      »Gönnen Sie mir doch den Spaß. Jeder von uns sollte gelegentlich seinen Lastern frönen, sonst übermannen sie uns wie tollwütige Hunde.«
      »Wenn Sie es sagen«, lächelte der Uhrmacher mit Grübchen aus Stahl, »Und Ihr Laster, Carla, wäre demnach…Sadismus?«
      »Theatralik«, korrigierte Mary trocken und weiteressend, »Übrigens, Carla…Das Top-Ensemble des Dorrincourt Theatre erwartet wohl ihre finale Regieanweisung.«
      Mit einem säurebeißenden Blick schickte die Schwarze Witwe ihre Budenzauber zur Tür hinaus — oder direkt in die Hölle.
      »Ich finanziere ihnen die Installation eines neuen Oberlichts«, erklärte sie sich nahezu lammfromm, was ihr Mary mit einem schmalen Lächeln quittierte.
      »Unternehmerin, Intrigantin, Gönnerin der Künste.« Hearst zählte die Zinken seiner Gabel wie die Forken an Carlas Dreizack ab. »Sie sind wahrlich ein Unikum, Miss Dreadful
      »Zu gütig.«
      »Haben Sie ihn gefickt?«
      Marys Frage sprang wie eine aufgescheuchte Katze über den Tisch, verwüstend und verheerend; eine pointierte Naturgewalt, die Feuerkrater in Lorcas südländische Haut brannte, die Gesichter ihrer Adjutantinnen schneeweiß puderte und den Zitronenschnitz noch saurer und fruchtiger zwischen den Zähnen der Hurenmutter zerplatzen ließ. Ätzender Zitrussaft perlte über ihre rote Zunge, und doch waren es die schwarzlackierten Lippen der Carla Griswold, die sich zu Schlitzen verengt an den weißen Schneidezähnen festsaugten.
      »Wie bitte?«
      »Callaghan, meine ich.« Die Flucht nach vorn erregte Mary und trieb ihr eine gesunde, kecke Röte auf die hohen Wangenknochen. »Sie drücken sich noch immer vor einer klaren Antwort und scheinen—«
      »Frau trifft Mann«, wischte Carla die vorwitzige Provokation ihres Gastes mit einer kreisenden Bewegung des aufgegabelten Fisches fort, »Frau fickt Mann, Frau verlässt Mann, Mann verfolgt Frau. Ist es das, was sie hinter meiner Frage vermuten, Mary? Eine schnöde Affäre, die böse endete und mich nun einzuholen droht? Dieser Mangel an Kreativität beleidigt mich.«
      »Das lag nicht in meiner Absicht.«
      »Ach, nicht?« Mit wohlerlernter Präzision setzte Carla ihr Messer an den empfindsamen Übergang zwischen Rumpf und Schädel des toten Fisches. »Doch, Mary. Ich glaube schon.«

      Zurück in der Gegenwart

      Die steilen Treppen, die Stufe um Stufe geradewegs durch die sozialen Schichten Nicklebys bis an das säureschäumende Ufer des »Pirrip« hinabführten, nahm Mary wie auf Stelzen. Noch nie in der elenden Geschichte des Gammon Borough schien ein lebendes Wesen mit klarem Verstand derart erpicht auf seine Rückkehr in den Kloakenpfuhl namens Cattle's Corridor gewesen zu sein. Selbst die beißenden Abgase der brennenden Türme auf der anderen Seite des toxischen Flusses schnupperte Mary, als frohlockte sie in den Blütenhainen eines elysischen Gartens. Endgültig unterstellten Fawne und Cocky ihrer Herrin ein ausgewachsenes Nervenfieber, als die Hurenmutter beschwingt von der ausgetretenen Trampelstraße abwich, um wie ein Storch durch die Sümpfe aus Unrat und Industrieabfällen zu staksen, die der goldene Fortschritt an das Ufer geschwemmt hatte. Wahrlich, es war ein weiter Weg bis an den Fluss — und ein ekelerregender noch dazu.
      »Ich glaube, ich bin auf eine Ratte getreten!«, kreischte Fawne mit kleinkindhafter Panik, doch Cocky wusste sie zu beruhigen:
      »Das war keine Ratte.«
      »Maryyyyyyyyy!«
      Die Hurenmutter war taub für das ungehaltene Plärren ihrer Gesellschafterin, blieb unberührt vom beißenden Gestank des vergifteten Flusses. Tief atmete sie ein und wieder aus. Für wenige barmherzige Momente spendete ihr der Blick auf die wütenden Infernos des Union Black einen trügerischen Frieden. Mit der bitterbösen Vorstellung, Carlas schwarzes Haar brenne mit den dunklen Himmeln über den Feuertürmen nieder, schallte das Scheppern der kohlenfressenden Maschinen wie die verdienten Schmerzensschreie der Schwarzen Witwe über die fauligen Wasser bis an Marys beglückt wippende Schuhspitzen. Aber die Hurenmutter war keineswegs sadistisch, sondern zutiefst melancholisch. Nur kurz währte daher die Freude an dieser ersonnenen Hexenverbrennung im Zeitalter der glorifizierten Industrien, bevor die aufflackernden Feuer in der Schwärze die Augen des Mannes zu formen begannen, der Mary einst entehrt hatte. Callaghan, seit der Ankunft seiner Bluthunde allgegenwärtig, starrte sie mitleidslos nieder; von oben, über ihr, schnaufend. Das Rattern der Fabriken verkam zum treibenden Stakkato seiner Männlichkeit, die ihre unberührte Scham blutig hämmerte. Er mochte noch ein Junge gewesen sein, doch es braucht keinen Mann, um ein Mädchen zu verderben. Letzten Endes hatte die grausame Laura O'Rourke die Wahrheit gesprochen…
      »Mary?«
      …Diese Welt war das Feuer, in dem sie brannte.
      »Hm?« Marys schwarzverschmierte Wimpern entblößten tränenverhangene erdbeerrote Augen. »Oh. Hallo, Fawne…«
      Ihre Vertraute stand neben ihr, die besudelten Stiefeletten ungelenk auf einer angeschwemmten Metallkiste balancierend, als wäre das Unrettbare noch zu retten und das Leder nicht hinüber. Selbst Cocky wusste es besser, als sie ihre kräftigen Arme von hinten um Marys Nacken schlang und das Gesicht in ihrem Hals vergrub.
      »Komm«, hauchte sie in die tätowierte Haut, »Gehen wir nach Hause…«

      Kesselhaus von Engine Barker, Union Black

      »Du willst es.«
      »Aber ich sollte nicht.«
      »Und doch willst du es.«
      Der Zwiespalt in Douglas Remingtons Brust drohte ihn zu zerreißen, weil Luca ihn zerreißen sehen wollte. Mit dem Gesicht eines Scharlatans, der sich seines Geschäftes bereits sicher war, ließ sie ihre nackten Zehen im Takt des tastenden Blindenstockes wippen, dem die langen Beine des Rothaarigen unsicher nachfolgten. Auf und ab. Ein werdender Vater, der mit seiner eigenen aufgeschobenen Entscheidung schwanger ging.
      »Ich…ich möchte mich Ihnen ungern aufdrängen, Miss Briatore.«
      »Meine Erlaubnis hast du schon, Rotbäckchen. Jetzt stell dich nicht an wie der letzte jungfräuliche Messdiener vorm Beichtstuhl. Komm her.«
      »Also gut«, seufzte er mit einem verlegenen Schmunzeln, dem kein Zuckersirup der Welt mehr Süße hätte verleihen können. Der stattliche Remington schien mitsamt seines perfekten silbergrauen Anzugs einzuschrumpfen, während er sich der Gefangenen blinden Schrittes näherte. Als müsste er nur noch den Ring aus seiner Hosentasche nesteln, sank er vor der Blondine auf die Knie. Seine Nase witterte den stechenden Duft ihrer Tage im Kerker, den selbst die täglichen behelfsmäßigen Waschungen nicht kaschieren konnten. Ein Hauch von Schweiß und Hitze, perlentröpfelnde Nuancen weiblicher Sinnlichkeiten. In seinem Geiste entblätterte sich Luca Briatore zur knospenden Apfelblüte unter den strahlenden blauen Himmeln ihrer caligulanischen Heimat.
      »Nun?«, ermunterte sie ihn. Seine feinen Ohren hatten nicht viel für diese schnarrende, selbstherrliche Stimme übrig, die stets und ständig provozierte und niemals ehrlich war. Sein Blut jedoch kochte, wie es bisher nur in der Gegenwart der verschlagenen Carla Griswold gekocht hatte. Douglas Remington, der durch die Dunkelheit Tastende, fühlte sich zweifellos vom Undurchschaubaren angezogen — und von der Wärme, die aus Lucas Körper bis in seine kribbelnden Fingerspitzen strömte.
      Endlich fand ihn der Mut und seine Hände…nicht Lucas Gesicht.
      »Zu tief«, bestätigte sie seine Ahnung.
      »Oh, Gott. Miss Briatore, ich bin untröstlich! Das lag nicht in meiner—!«
      »Ruhig Blut, Rotbäckchen. Geh einfach höher und…«
      Remington verlor sich gänzlich in seiner eigenen Welt, in der er die Rundungen des flachen Busens und die Kanten des mageren Körpers mit den Fingern in die Schwärze zeichnete. Das markante Schlüsselbein stach spitz und kräftig durch den schmutzigen Stoff ihres Kleides, die knochigen Schultern ergaben sich dem sanften Druck seiner forschenden Hände ohne Widerstand. Sie war so zart, so zerbrechlich. Remington hätte die Sehnen in ihrem Hals wie die Saiten einer Harfe zählen und hohle Klänge aus ihren starken Kieferknochen kitzeln können. Jeden Zentimeter ihres bemerkenswerten Gesichts kosteten seine fühlenden Finger aus. Unter seinen streichenden Daumen wölbten sich voluminöse, schöne Lippen bis tief in ihre gehöhlten Wangen, indes seine Fingerspitzen über feingezogene Augenbrauen glitten. Einem tauben Komponisten gleich kreierte er im Geiste: Ein spitzes Kinn ohne Kerbe; Wangenknochen, die schmaler waren als in seiner Vorstellung; Augen, deren Farbe und Glanz er gerne gesehen hätte; eine patriarchische Nase, die alledem widersprach und das wundersamste Ding war, das seine Hände jemals erfühlt zu haben glaubten. Stundenlang hätte er über diesen wuchtigen abgerundeten Rücken fahren können, die kecken Flügel umschiffend und den knubbligen Höcker zwischen ihnen beherzt drückend. Doch seine Fingerkuppen mussten mehr sehen, mehr entdecken. Sein Porträt näherte sich der Perfektion und seine Finger versanken im Abbild dieser Frau, die weder schön noch kleidsam und doch zum Verlieben hinreißend war. Dieser Frau, die ihm mit der blechharten Stirn plötzlich den Schädel einschlug. Klirrend platzten Remingtons schwarze Brillengläser auseinander, bevor der Blinde in einem Regen aus Schrauben und Zahnrädern zur Besinnung kam.
      »Das bist du also«, drang die gehässige Stimme der Gefangenen an seine klingelnden Ohren, »Ein armer, augenloser Bastard.«
      Wie eine umgekippte Schildkröte quengelte er auf dem Boden, offensichtlich verzweifelt nach irgendeinem Halt oder seinem Stock fuchtelnd.
      »Wie…Wieso…?!«, stöhnte er benommen.
      »Weil ich nie widerstehen kann«, lautete Lucas hochgradig selbstzufriedene Antwort. Das Blut, das aus ihrer Schläfe quoll, rann warm und belebend über ihre Wange bis in ihren Mundwinkel. Es schmeckte nach Eisen und Genugtuung.
      »Mr. Remington!« Der jäh durch die Tresortür stürmende Kevin stolperte beinahe über seine eigenen fliegenden Beine. »Was hast du getan, du durchgeknallte Schlampe?!«
      Luca fing seine vernichtenden Blicke mit unnachahmlicher Eitelkeit ab. Scheinbar bereitete es ihr beachtliche Schadenfreude, dem Überlebenskampf des hilflosen Remingtons beiwohnen zu dürfen. Wie gerne hätte Kevin ihr dieses fiese, blutige Grinsen ausgeschlagen. Remington hingegen schien nichts als Enttäuschung zu empfinden. Für einen Moment lang starrte Luca in die abgründige, unendlich schwarze Leere seiner ausgefressenen, verätzten Augenhöhlen und erkannte, dass nichts als Traurigkeit in ihnen hauste.
      »Danke...Hab vielen Dank, Kevin.«
      Der Blinde vermochte kaum, die zitternden Hände an seine zertrümmerte Schraubringbrille zu führen.
      »Sei bitte so gut…In meinem Jackett habe ich Ersatz.«
      Kevin tat wie geheißen, bevor er seinen taumelnden Boss vorsichtig aus dem Heizraum geleitete.
      »Du bist erbärmlich!«, brüllte er ihr noch zu, dann donnerte das zyklopische Tor ins Schloss und ließ eine vergnügte Luca in trauter Einsamkeit zurück.
      »Du mich auch«, gluckste sie grinsend; mit einer Schraube aus Remingtons Brille zwischen den blutbefleckten Zähnen.

      The Shambles, Cattle's Corridor

      Zu ungeheuren Schwärmen waren die aufgeschreckten Krähenkolonien in die schwarzen Wolkenmassive geflohen, wo sich ihr unheilvolles Kreischen noch immer als Donnerrollen über dem Elendsviertel entlud. Unter ihnen bellten die Hunde, Katzen fauchten, verrückte Penner diskutierten aus zahnlosen Mäulern über das Ende aller Tage. Die ohrenbetäubende Erschütterung hatte Ziegel wie Steinschläge auf die schlammigen Straßen und ihre zerlumpten Bewohner niedergehen lassen, den porösen Mörtel aus den verwitterten Armenbauten gerissen und in einem Umkreis von mehreren hundert Metern bis auf die letzte Heroinleiche genau jeden Mann und jede Frau in tobenden Aufruhr versetzt.
      »Wie kann es euer erster Impuls sein, zum Ärger hinzurennen?!«, brüllte die angstbange Fawne den beiden Frauen hinterher, die längst das Ende der Cleaver Street erreicht hatten und im Begriff standen, in die verschlungenen Gassengeflechte gen Vermin Alley einzutauchen. Der kurvige Körper der Buchhalterin sah sich derart unfähig, diesem absurden Tempo weiterhin standzuhalten, dass sich ihre eigenen Brüste gegen sie wendeten und mit jedem Schritt wertvollen Lebensodem aus ihren stechenden Organen klatschten. Jeder Atemzug brannte wie eine Geschlechtskrankheit der Lungen.
      »Ich…Oh…«
      Die Kapitulation fühlte sie wie ein Sieg an, als die Braunhaarige vollkommen asthmatisch in den Matsch sank.
      »Ich…bin direkt hinter euch…gleich…«

      In der Vermin Alley hatten Backsteine und Dachziegel wie Granatsplitter gestreut, einige der leerstehenden Reihenhäuser waren gänzlich in sich zusammengesunken und hatten ihre zerstoßenen hölzernen Innereien über der gesamten demolierten Straße erbrochen.
      »Was zur Hölle…«
      Mary trat gleich der letzten Kriegsüberlebenden durch dieses urbane Chaos, die aufgeheizte Cocky Lynn in ihrem Windschatten bei Fuß führend.
      »Das ist sooooo krass«, überkam es den Lockenschopf, doch Mary zeigte sich weniger euphorisch:
      »Was ist hier nur passiert?«
      »Wetten, er weiß es?«
      Cockys aufgekratztem Spitze-Zähne-Grinsen folgend, erspähten Marys scharfe Augen den schwerverletzten O'Mara. Naturgewaltig setzte sie auf ihn zu, unbarmherzig gegenüber seinen gebrochenen Rippen und pulverisierten Armknochen.
      »Was zum Teufel ist—?!«
      »WO?!…IST…?!« Der Kopfgeldjäger schob sich an ihr vorbei, kam jedoch nur wenige Zentimeter weit, bevor er in sich zusammenfiel — direkt auf den zertrümmerten Ellbogen. »Gottverdammte…! ULYSSES! Du verfluchter Feigling! Du…Scheiße…«
      Mit der Nase im Dreck und den Augen voller Tränen peitschte er mit dem verbliebenen Arm den Schlamm auf. »Ich hatte ihn…ich hatte ihn…«
      »Cocky«, befahl Mary steif, woraufhin die junge Hure den Blonden wie ein bockiges Kleinkind vom Boden auflas. Eine Weile sah die Hurenmutter regungslos in O'Maras geprügelte, trüb dreinblinzelnde Visage. Dann übermannte sie der Zorn und sie ohrfeigte ihn nieder.
      »Was hast du hier verloren, du bescheuerter Idiot? Ich hatte dir gesagt—!«
      »Ich hatte ihn, Mary…ich…«
      Ohrfeige Nr. 2. Dieses Mal spülte der gnadenlose Handrücken seine Verwirrung fort.
      »Ulysses…er war hier, Mary. Ich hatte ihn fast!«
      »Der Bastardkönig? Wie zum…?« Der Hurenmutter versagte beinahe die Stimme. »Wie hast du das denn geschafft?«
      »Wir…«, spuckte O'Mara heiser, »Wir sind den Drogen gefolgt.«
      »Wir? Wer ist ›wir‹? Ist Krill etwa—?«
      Entkräftet schüttelte O'Mara das blutende Haupt.
      »Der Junge…ist er nicht hier?«

      Mac Brónach, Cattle's Corridor

      Nie hatte sich der Zeitungsjunge an die falsche, widernatürliche Ordnung zu gewöhnen gelernt, die Mac Brónach beherrschte. Das berüchtigte lairische Ghetto hatte Timmy schon immer an ein klaffendes Loch erinnert, welches aus den Tiefen der Erde an die Oberfläche gegraben worden war; von Bewohnern, die in unheimlicher Lethargie durch die schiefen Winkel und hinabstürzenden Treppengeflechte stampften, als bereuten sie den Vorstoß in die Oberwelt heute mit jeder Faser ihres geschundenen Körpers.
      »Er hat gesagt, ich soll Leine ziehen, also bin ich Leine gezogen. Ich mach, was der Typ sagt. Ganz ehrlich. Ich mach alles, was der sagt. Ihr hättet sehen soll'n, wie der den Apotheker zugerichtet hat. Der Kerl is'n verfickter Psycho!«
      Noch immer telefonierte der ahnungslose Ennis lautstark auf seinem chaotischen Weg durch halb Cattle's Corridor, auf dem Timmy ihn seit geschlagenen Ewigkeiten beschattete. Ein einziger aufgeschnappter Wortfetzen hatte genügt, um die Aufmerksamkeit des Zeitungsjungen in der Vermin Alley auf die Spur des Rothaarigen zu hetzen: »McKenna«. Welche Wahl hatte er denn gehabt, nachdem der unerträgliche Kopfgeldjäger den Kellern des Leichenbeschauers nicht rechtzeitig wieder entstiegen war? Timmy hatte handeln müssen, schließlich war jeder Hinweis auf die Pläne des Bastardkönigs eine Brotkrume auf seiner hehren Quest zur Rettung der lieblichen Lady Kelly.
      »Halt die Fresse«, blaffte Ennis plötzlich Wurzeln schlagend, sodass sich Timmy mit hochgeschlagenem Flickenmantel in die nächstbeste Häusernische werfen musste. Selbst die Backsteine dünsteten Whiskey und Pisse aus.
      »Niemand verfolgt mich. Ich bin kein Idiot. Also zieh den Schwanz aus dem Arsch.«
      Erleichtert Timmy nahm die Verfolgung wieder auf, stets und ständig auf die lange rotbraune Mähne des Strichjungen fokussiert, die im höllischen Zorn der carnischen Loch-Llyr-Winde wie Rosshaar peitschte. Einige Male verlor er Ennis aus den Augen, weil ihm aufgedunsene Trunkenbolde die Sicht versperrten oder zugedröhnte Huren zotige Avancen machten — Schlachten, die er zu schlagen, Verführungen, denen er zu widerstehen hatte. Doch am Ende des Weges fand der junge Held seine Wahrheit, als Ennis nach kurzer Konversation mit zwei gleichaltrigen Jungs allein in einer hohen, verkommenen Häuserbaracke verschwand. Der Hort des Bastardkönigs erhob sich eigens vor Sir Timothys wandernden Augen, um erklommen zu werden.
      »Diese rothaarige Schlampe würd ich ja zu gern besteigen«, polterte einer der Wachposten, kaum jünger oder älter als Timmy selbst. »Würde die quer durchs Dach treiben wie'n Ferkel!«
      »Aber immer!«, kläffte sein Kumpan zurück, »Die hat's gern in den Arsch, das sieht man!«
      Der augenrollende Timmy kannte den Typus: Straßenkinder, die ihre Körper und Seelen bereits vor Jahren an den Meistbietenden verhökert hatten, indem sie sich wie Jungfrauen kleideten und wie Huren benahmen. Was bleibt, wenn die eigene Identität pervertiert und zerfetzt wird, noch bevor sie erblühen kann? Was kann erschaffen werden aus den durchlöcherten Überresten einer Kindheit, die längst unter den stinkenden Leibern brutaler Schläger und betrunkener Gauner erstickt worden war? Diese Jungen ergingen sich ausladend in ihrer selbstvergessenen Märchenstunde über all die Dinge, die sie mit der »Rothaarigen« anstellen würden, um sie zu »dressieren« und »gefügig zu machen« — nicht begreifend, dass ihre rohen Fantasien allein die Traumata spiegelten, die ihnen einst selbst angetan worden waren und sie nun heimsuchten.
      »Ich muss mal pissen.«
      »Ich auch.«
      »Ich hab's zuerst gesagt.«
      »Und? Hier is kein Schwein und Ennis is oben.«
      Im Gänsemarsch watschelten die Burschen hinter einen gegen die Wand gestemmten Schubkarren, der bereits so mancher Notdurft Refugium geboten haben musste, und eröffneten dem Spion seine große Chance. Flugs huschte Timmy an der Hauswand entlang gen Eingang und flutschte durch die Tür, solange seine Schritte noch vom geruhsamen Plätschern des Urins übertüncht wurden.
      »Scheiße, Charlie! Starr mir nicht den Schwanz ab, du hässliche Schwuchtel!«
      »Das hättest du Homo wohl gerne!«
      Wie recht beide hatten.

      Mit jedem Schritt, den Timmy auf den alten Stufen tat, quäkte das wurmstichige Holz wie rollige Katzen und scheuchte sein Herz bis zum Hals. Wonach suchte er? Was erhoffte er zu ergattern? Liebe, Respekt, den Selbstzerstörungsmechanismus des McKenna-Imperiums? Timmys Entschlossenheit tötete jeden Zweifel ab und trieb ihn höher hinauf, bis gehetzte Sohlen über ihm die Treppen hinunterflogen. Aufgeschreckt suchte der Zeitungsjunge links, recht, hinter sich, und fand einen ausrangierten Kleiderschrank am Ende des verschimmelten Flures. Nur Sekundenbruchteile verhüteten seine Bloßstellung vor den Augen des verstörten Ennis, der mit der chaotischen Gelenkigkeit einer fliehenden Gazelle durch das Treppenhaus gen Ausgang hastete. Timmy, vormals lediglich um seiner Lady Kelly Willen zum Undenkbaren bereit, zeigte sich über diesen Anblick erstmals wahrhaftig neugierig. Leiser als ein Mäuschen, das Käse aus einer Falle stibitzt, entstieg er dem Schrankgerippe wieder und kraxelte bis zur letzten Tür unter dem Dach, welche er angelehnt und im Zugwind wiegend vorfand. Aus dem dunklen Spalt drang höhnisches Gewieher, unterlegt von erschütternden — Tomm!…Tomm…Tomm! — Urwaldtrommeln in den Schatten.
      »Für Mary…«, flüsterte er stoisch und zwängte sich in die unaufgeräumte, menschenverlassene Kammer, in der sich die wütenden Paukenschläge als im Sturm anschlagende Fensterläden entpuppten. Mottenzerfressene Vorhänge waberten gespenstisch in den Raum hinein und projizierten flackernde Schattenspiele aus Licht und Finsternis auf die ausgesessenen Möbel. Tomm!…Tomm…Tomm!
      Bemüht lautlos zog Timmy langsame, gleitende Bahnen unter dem ächzenden Dachgebälk, mit argwöhnischen, angespannten Augen die tumbe Leere durchforschend. Das ungewisse Bauchgefühl, nicht allein zu sein, tat er als kindische Paranoia ab — bis er der geschlossenen Tür zum Nebenzimmer gewahr wurde und zu Salz erstarrte. Tomm!…Tomm…!
      Sekundenlang fesselte ihn die Angst, bis er sich schließlich aus ihren Ketten freibrach, eine der schmutzigen Bratpfannen wie das magische Schwert aus der Spüle zog und die Klinke zur geheimnisvollen Pforte sanft betätigte.
      Er hatte sich für die Hölle gewappnet, doch den Himmel gefunden. Ein betörender Duft nach Früchten und Frauen strömte in seine Nase und lockte ihn in die schneeweißen Fluten eines himmlischen Daunenbettes, auf dem grellrote Haarbüschel im Zwielicht wie Goldspäne irisierten. Hier musste »die Rothaarige« im sanften Schlummer geruht haben, eine Prinzessin im Zauberbanne eines fantastischen Schlafes. Die Vorstellung elektrisierte Timmy, der gar den anmutigen Atem der schönen Unbekannten noch in der Luft zu hören glaubte — bis jener zu einem Schnarchen umschlug, das kein Schnarchen war und Timmy erkennen ließ, dass ihn riesige braune Hundeaugen über die Laken hinweg musterten. Als er verschreckt zurückwich, barst die monströse Dogge auf. Binnen weniger kraftvoller Pfotenstöße hatte das Ungetüm das Bett hinter sich gelassen und ihr gewaltiges Gewicht auf Timmy geworfe. Ihre scharfen Zähne sabberten bluthungrigen Speichel auf sein angstverzerrtes Antlitz. Mit verzweifelter Kraft versuchte Timmy, die lebensrettende Bratpfanne zwischen sich und der bissigen Höllenbestie zu halten, immer wieder gegen die gebleckte braune Schnauze schlagend und markerfüllt schreiend. Gerade, als die Bratpfanne dem rasiermesserscharfen Maul des Monstrums zum Opfer fiel, gelang ihm das Unmögliche: Er wehrte sich gegen die gigantischen Pranken, stellte die Füße gegen den Brustkorb des Hundes und wuchtete ihn mit aller Gewalt in das Schlafgemacht zurück. Perplex rappelte sich die Dogge auf, sofort wieder das Töten im hellbraunen Auge. Bellend und grollend stürmte sie wieder auf Timmy zu, bevor ihr Jaulen durch alle Knochen des Mac Brónach schoss. Der Zeitungsjunge tat sein Übelstes, um die Tür zu verschließen und nahm keinerlei Rücksicht auf die braune Pfote, die ihm dabei im Weg war. Endlich glückte es ihm, die gebrochene Pranke verschwand hinter dem Türschlitz und die Stifte fielen rasselnd ins Schloss.
      »Scheiße…«, prustete der Zeitungsjunge atemlos. Sein Gesicht war weiß und glänzte vor nacktem Angstschweiß.

      »Wo ist sie?!«
      Erschrocken blickte Timmy hinter sich, wo ihn sein eigenes abgekämpftes Spiegelbild in der Klinge eines beachtlichen Messers erwartete. Die Augen des Jungen, dem er gefolgt war, glichen den seinen; auch in ihnen flimmerte die Angst wie Hitze vor einem Sommerhorizont.
      »WO IST SIE?! Was hast du mit ihr gemacht?!«, brüllte Ennis dem überforderten Timmy entgegen, welcher seinerseits nur nach einem Ausweg suchte. Tomm!…Tomm…! Hinter den donnernden Fensterläden krochen die dunklen Schluchten des Lairenghettos bis an die westlichen Ufer des Pirrip, der Weg in die Tiefe jedoch war weit und tödlich. Mit dem winselnden Höllentier im Rücken und dem Messer an der Brust, handelte Timmy instinktiv: Setzte zurück, trampelte über die sperrige Couch — Ennis ein Kissen zuwerfend, das im Zweikampf mit dem scharfen Messer tausende Federn blutete — und stolperte in die schäbige Wohnküche. Dort jedoch brach Ennis bereits durch den weißen Daunennebel, packte den Zeitungsjungen am Mantelkragen und presste ihn zu Boden.
      »WER—?!«
      Mit diesem Fausthieb hatte er nicht gerechnet. Sogar Timmy selbst staunte nicht schlecht über seine Kraft…und den Schmerz, der seine Finger in Brand steckte. Zähneknirschend schlug er seinem Widersacher die Klinge aus der Hand, kickte den rotbraunen Schopf gegen den toten Eisschrank und sprang über die Spüle hinweg zum Ausgang.
      Ennis blinzelte durch rote Sprenkel, nachdem er aus dem Sekundenkoma erwacht war. Klarer als Gott aber vernahm er die grässliche Gossenstimme des Bastardkönigs, die ihn zur Eile antrieb. Pure Todesangst lenkte seine wackligen Füße aus der Dachstube ins Treppenhaus und die Stufen hinunter. Der Eindringling war ihm eine ganze Etage voraus. Würde der Bastardkönig diesen Fehler verzeihen? Der Gedanke an den verkrüppelten Baxter war Antwort genug. Ohne zu Zögern kletterte Ennis auf das Geländer, wartete wie ein Tiger im Hechtsprung — und fiel. In einem wüsten Knäuel rollten die beiden Jungs die Treppen hinunter, rangelnd, raufend, vor Schmerz ächzend. Erst die steinerne Wand stoppte die verquirlten Leiber.
      Das Erste, was der zu sich kommende Timmy erblickte, waren die weit aufgerissenen Augen des toten Ennis, der sich irgendwo zwischen der fünften und der zehnten Stufe das Genick gebrochen hatte. Das Zweite die verschwommenen Umrisse der anderen Straßenkinder, die der Tumult angelockt haben musste. Mit Tränen in den Augen und feuchten Flecken zwischen den Beinen humpelte Timmy zum Hinterausgang. Obwohl der Atem seiner Verfolger bereits in seinem Rücken perlte, hörte er nur das Rauschen des weit entfernten Flusses, den er im Fensterkreuz der Dachkammer ausgemacht hatte. Mit letzter Energie schleppte er sich die kathedralischen Treppengeflechte hinauf, die Mac Brónach vom Rest des Gossenviertels abschnürten. Er rannte und rannte dem schwarzen Wolkenhimmel entgegen, bis er in seinem geprügelten Verstand eins wurde mit dem Sturm und den Wolken. Die Schatten seiner Verfolger würden ihn niemals erwischen, würden niemals schneller sein als sein ungestümer Drang nach Freiheit und Leben. Alles, was noch zwischen ihm und seiner Heißgeliebten stand, waren seine eigenen erlahmenden Beine und das harte Bollwerk, an dessen massiver Brust Timmys Schädel plötzlich zerschellte. Wie ein Spielball prallte der Zeitungsjunge an dem massigen Leib ab und krachte rücklings die Treppen hinunter, wo sich alsbald die keuchenden Atemwolken der eintrudelnden Straßenkinder über ihm zusammenbrauten.
      »Was zum Teufel ist passiert?«
      Timmy erkannte die rattenzerfressene Stimme, noch bevor sich das verzerrte Geplärre der Jungen überschlug. Die Frau wäre verschwunden, Ennis tot. Es wäre nicht ihre Schuld. Bitte, Bitte, Mr. McKenna, Sir. Nicht ihre Schuld. Die flehenden Bekundungen von Treue und Gehorsam berührten den Bastardkönig kaum. Während er sich über die steilen Stufen in die lairische Hölle hinab quälte, brauste der launische Wind um sein goldgelocktes Haupt und blies den offenen Mantel zu mächtigen Schwingen auf. Ein dämonischer Engel, der sich über dem im Dreck liegenden Timmy erhob.
      »Du bist der Zeitungsjunge«, erinnerte sich Ulysses beinahe griesgrämig. Erst jetzt wurden Timmy und die Straßenjungen der schwarzblauen Geschwüre gewahr, die sich unter seinem linken Auge aufblähten.
      »Weißt du noch…«, schniefte Ulysses wie ein Leichnam, der sich aus seinem Grab freigebuddelt hatte, »Weißt du noch, womit wir unser Geld verdienen?«
      Gegen seinen Willen begann Timmy bitterlich zu schluchzen, mit bebenden Lippen und zuckender Kehle wimmernd:
      »…schlechten…Nachrichten…«
      Kapitel 149 - Heredita Pandemonium I

      »Nicht, dass du in ein paar Jahren in einem zerrissenen Kleid und mit verschmierter Schminke auf der Bühne irgendeiner Transenkaschemme herumschwirrst und eine schnapstrunkene Arie schmetterst, von wegen Mein Daddy war mein Liebster oder weiß Gott was, während du mit verträumtem Blick an einer Perlenkette herumfingerst, an der du dich später in deiner Garderobe aufknüpfst, weil dir deine Mutter diese verqueren Ideen von neuer Männlichkeit eingeimpft hat. Deshalb sind wir hier. Riechst du die Waldluft? Cliff? Riechst du die Waldluft? Das ist der Duft von Dreck und Erde und Moschus! Atme tief ein, du hast's nötig. Wenn dich deine Mutter nicht so verzogen hätte, müsstest du jetzt nicht so tief einatmen. Deine Mutter, ja…Sie meint es gut, ganz sicher, aber Mütter sind nicht für die Erziehung ihrer Söhne geschaffen. Ich hätte dich gleich nach dem letzten Tröpfchen Muttermilch von ihrer Titte reißen und hierher in den Wald schaffen sollen. Das hätte sie zwar nicht glücklich gemacht, aber glücklich ist sie jetzt auch nicht und wer bin ich denn, dass ich die…Schwuchtel…ie…Schwuchtelisierung…meines Sohnes billig in Kauf nehme, nur um seiner Mutter Glück nicht zu schaden? Und überhaupt. Wer schert sich schon ums Glück? Jede Ehe ist nur so gut wie die moralischen Werte, die sie hochhält. Merk dir das, Cliff. Wenn du mehr suchst, dann kannst du dir eine dieser gottlosen Schmonzetten deiner Mutter zur Hand nehmen, wo der Mann mit wallendem Haar und behaarter Brust herumstolziert und einen größeren Schwengel hat als der Gaul, auf dem er zur Rettung seiner sexgeilen Angebeteten reitet. Darum geht's nämlich eigentlich, Cliff. Überall nur Muskeln und Hengste und Sex, Sex, Sex. So sind die Weiber. Und so sind Hysterie und Syphilis über die Welt gekommen: Frauenzimmer, die in ihrer Traumwelt leben und vom Mann ständig Wunder erwarten. Dass er sie liebt und ihre Bedürfnisse befriedigt, in Liebesdingen und im Bett und mit Schmuck und Tand. Weil sie glauben, die ganze weite Welt gehe über ihrem Nabel auf und unter ihrer Du-weißt-schon-was wieder unter. Früher — Das kann ich dir sagen! — da hatten Frauen noch Werte, da waren noch Damen unter uns. Aber heute? Wollen sie Huren und Königinnen gleichzeitig sein und auch so behandelt werden. Und wir Männer sind dazu verdammt, Schritt zu halten mit diesem bipolaren Gezerre, das in den Schundheften deiner Mutter auch noch glorifiziert wird. Emanzipation? Von wegen. Faschistische Weiberdiktatur, so nenne ich das. Das ist auch das Problem der modernen Literatur, sage ich dir. Cliff, tritt nicht in die Bärenscheiße, das verschreckt das Wild! Das Problem der modernen Literatur. Kennst du es? Ich schon. Folgendes nämlich: Ständig biedert sie sich an die Weiber an, statt sich wieder den großen Fragen zu widmen. Feminismus hier, Gleichberechtigung da. Kein Wunder, dass formbare Jammerlappen wie du darüber so seltsame Ansichten über allerhand Sachen kriegen und lieber mit kleinen Mädchen Teeparty spielen, statt mit dem Luftgewehr auf Eichhörnchen zu schießen. Such mir einen Roman, der die Welt aus den Augen eines waschechten Mannes zeigt — würdest keinen finden, wette ich. Die meisten Literaten sind selber halbe Weiber, wie sie gepudert und parfümiert in ihren Kämmerchen sitzen und die Feder schwingen. Die großen Fragen aber, du weißt schon, die wirklich großen Fragen, die kann man sich nicht erdenken. Die muss man erleben! Fühlen! Wie den Schweiß auf seiner Haut und die Flinte zwischen den Fingern! Nimm nur diesen Wald, Cliff. Grandioses Fleckchen, seit Jahrhunderten im Familienbesitz. Schon dein Urur…ur…urgroßvater ist vermutlich an diesem Baum hier vorbeigelaufen und hat mit den großen Fragen gerungen. Das machen wir nämlich so. Hier, in der Natur, im Wald. Nur hier können Männer noch Männer sein. Frauen hingegen würden keine fünf Minuten überleben, ohne sich einen Nagel einzureißen. Und genau deshalb sollte ein echter Mann genau hier schreiben, wenn wir wieder auf die Literatur zu sprechen kommen wollen. Um dieser widernatürlichen Schwulettenzunft zu entkommen, die sich heutzutage Autoren schimpft. Die ›Effemination der Gesellschaft‹, so hieß ein Artikel, den ich neulich gelesen habe. Da ging's genau darum. Alle Männer verweichlichen, das Gefüge der Zivilisation gerät aus den Fugen, denn wer soll die Ordnung auch aufrechterhalten? Die Weiber? Die Marine? Pah! Hast du dir deren Offiziere mal genau angesehen? Die tänzeln in ihren maßgeschneiderten Anzügen über gewachste Flure wie auf einem Frühlingsball. Ein Schönheitswettbewerb mit Epauletten, das ist die Marine. Möchtegern-Krieger, die sich die Pickel wegschminken und Maniküren geben lassen. Lass dir das gesagt sein, Cliff: Echte Männer schminken sich niemals die Pickel weg. Die Welt wird im Chaos versinken. Echte Männer haben unsere Gesellschaft geformt und ohne sie wird alles scheitern, weil sich echte Männer niemals die Pickel wegschminken!«

      Zurück in der Gegenwart

      Wenn die Öfen und die Maschinen innehielten, um dem tragischen Dämmerspiel des Tages und der Nacht zu lauschen, die einander ewig begehren und niemals finden, fühlte sich der königliche Uhrmacher seiner Welt der toten Dinge näher und verbundener als ein Vater seinem Sohn. In diesen kostbaren Momenten des Zwielichts schwelten seine Werkstätten »Antsiness« in einer magischen Stille, die mit dem eifrigen Fußgetrappel des unmittelbaren Schichtwechsels wie neuer Schnee durch die hohen Fenster rieselte. Für gewöhnlich ergötzte sich der königliche Uhrmacher an dieser winterlichen Zeitlosigkeit, in der das Rattern und Rasseln in seinen pfeifenden Ohren plätschernd verhallte, doch an diesem Abend wilderten die Gedanken des wichtigen Mannes in tieferen Gefilden. Grüblerisch gedachte er dem Tag und der Nacht, diesen glücklosen Liebhabern. Auch sie verzehren sich nach dem Unmöglichen, auch sie teilen eine Liebe, die das Universum niemals zuließe. An manchen verzauberten Abenden jedoch, wenn die Sonne noch auf dem Horizont perlt, während die ersten Sterne bereits wie Rosshaar über den violetten Himmel ziehen, liebkosen sie einander und spüren ihre Nähe; diese unerreichbare, und doch scheinbar greifbare Nähre ihrer wahren, verbotenen Bestimmung.
      Schnaufend richtete sich der Uhrmacher seinen zuckenden Schritt, aufgeschreckt vom plötzlichen enervierenden Scheppern der rostigen Fabrikglocken. Schichtwechsel. Wie eine Würgeschlange warf er seine graue Fliege von sich, stieß die großen gläsernen Fenstergalerien seines Arbeitszimmers auf und stürzte bis an die Brüstung einer ausladenden stählernen Steilküste — direkt in das Herz der Finsternis.
      In weiter Ferne verglühten die aufsteigenden Feuersbrünste des Union Black vor einem Tsunami apokalyptischer Sturmwolken, die die verschachtelten Fassaden seiner hochmodernen Gedankenschmieden in aschfahler Dunkelheit erstickten. Der Loch Llyr wütete besonders bestialisch in diesem Jahr. Mit jeder dröhnenden Bö, die die carnischen Kesselberge über das dunkle Meer schleuderten, erzitterte ganz Nickleby. Das Kreischen der Sturzwinde verschluckte gar die Jubelschwüre der rußigen Münder, über denen sich schwielige Hände aus dem Bodensatz der Stadt nach der unerreichbaren Gestalt des Uhrmachers verrenkten. In Ewigkeit lobpreisten seine Arbeiter ihren Götzen der Maschinen und des Stahls für jeden Berry und jedes tägliche Brot. Doch ihre Verehrung galt nicht ihm. Sie galt der Lüge, die er lebte.
      Mit der Würde eines Mannes, der niemals existiert hatte, blinzelte Sir Benedict Hearst gegen die schneidenden Sturmböen des carnischen Teufelssees. Der schwarze Himmel knitterte wie ein Tintenfleck auf dem zerknüllten Abschiedsbrief, den er niemals abgeschickt hatte. Wie der Heilige auf seinem Berg erhob er schließlich die Hand, winkend, und bekräftigte vor der drohend-dunklen Kulisse des untergehenden Nicklebys die Ära des Phönix aus dem Rost. Während seine Arbeiter über gesenkte Arbeitsauflagen, steigende Löhne und vergoldete Misthaufen frohlockten, zermalmten die grollenden Maschinen ihre Kinder und gebaren hoffnungslose Witwen aus den giftigen Dämpfen der niederbrennenden Kohlengruben. In diesem Wissen lehnte der Uhrmacher seinen wohlgealterten Oberkörper über die Brüstung des Balkons, der ihn zu einem Prediger auf einer Kanzel stilisierte, und ließ den frostblauen Blick über die hoffnungsfrohen, erschöpften Gesichter der Tagschicht schweifen. Trübe Augen und zerfurchte Hände, Lebenslinien wie Erzadern auf geschwärzter Haut. All diese Menschen und ihre Familien stützten sich auf seine Schultern, aßen von seinen Tellern und schliefen in den Betten, deren Aufbau er finanziert hatte. Für einen unachtsamen Moment maßte er sich an zu glauben, ihrer Dankbarkeit würdig zu sein, und ließ sich zu einer seiner seltenen, hochgeschätzten Ansprachen hinreißen.
      »Wir leben in einem Zeitalter der Wunder«, beschallte seine tiefsäuselnde Stimme den Innenhof und zerschellte an den hohen Zinntürmen der ratternden Manufakturen mit dem Jaulen des Windes, »Wir leben in einer Zeit, in der Männer und Frauen den Göttern die Macht über das Feuer und die Erde abtrotzen, in einer Zeit der gegenwärtigen Zukunft.«
      Effekt heischend fuhr er sich durch das schwarze, zu den Seiten hin grauwellige Haar. Aus der niederen Perspektive seiner Arbeiter musste dieser beiläufige Akt von der zutiefst ehrwürdigen, aristokratischen Sicherheit eines selbstbewussten Industriellen zeugen. Doch in Wahrheit war Hearst nur ein Süchtiger und ertrank an kalter Luft, während er sprach:
      »Wir alle, die wir in dieser Stadt atmen und arbeiten; wir alle sind die Schmiede ihrer Zukunft. Und ihr…ihr, die ihr euren Schweiß und…eure Herzen in die Maschinen ausschüttet, die unsere Kinder…«
      Kinder. Die Kinderhände, die sich in den Fabriken durch enge, glühend heiße Öffnungen wie durch Nadelöhre zwängten; die ihre kleinen Finger um mächtige stählerne Hebel schlossen. Seine Brust rasselte schnappatmend, der Hosenbund schnürte sich zur Schlinge um seine anschwellenden Weichteile. Unbemerkt von der applaudierenden Arbeiterschaft musste der Uhrmacher den Verschluss öffnen, um wieder frei atmen zu können. Denn er war der Tag — und die Nacht nahte.
      »Unsere Kinder…werden über Jahre, Jahrzehnte hinweg ernährt und versorgt werden. Durch die Maschine, durch den Fortschritt, den wir Tag für Tag anstoßen. Ihr, die ihr eure Leben dem Glück und der Stärke unserer prachtvollen Nation widmet. Auf euren Schultern ruht diese Stadt — Nein! Das ganze Empire tragt ihr auf eurem Rücken! Drum erhebt euch, stolzgeschwellt, mit breiter Brust! Auf eine glückliche Nacht. Gott schütze euch — und Gott schütze die Königin!«

      Forbidden Woman, Cattle's Corridor

      Lange badete Mary in den Blicken der Frau, die ihr gegenübersaß. Tag um Tag beging sie diesen bewussten Ritus, in dem sie sich die Haut der Mary Kelly abstreifte und den lüsternen Teufeln zum Fraß vorwarf, um als blutbeschuppte Bloody Mary wiedergeboren zu werden. Selbstopferung und Auferstehung schufen einen ewigen Kreislauf, der ihr Genugtuung und Ekstase zugleich war und sie wie Phönix an der Unsterblichkeit weiden ließ. Wo früher das verlorene Mädchen auf die Knie gezwungen worden war, erhob sich nun die blutgesalbte Verbotene Frau über all jenen, die sie einst geschändet hatten. Über der fetten Matrona Blanca, über der herzlosen Laura O'Rourke, über Politikern und Mafiosi, über gierigen Piraten und anmaßenden Marines. Wenn sie sich als rotgetränkte Domina in ihrem hautengen Lederharnisch aus ihrem Thron schwang, die Kerzen der lasziven Folterkammer entzündete, ihre liebste Peitsche eng um die wohlgeformte, schwingende Hüfte band und dem nächsten Kunden Einlass in ihr Reich des sinnlichsten Schmerzes gewährte, fühlte sie die Missgunst ihrer alten Peiniger aus dem Grabe — und genoss jede Sekunde.
      Doch an diesem Abend verklebte die Zeit hinter dem schimmernden Spiegelglas der Poudreuse, bis selbst die spukenden Geister der zündelnden Räucherstäbchen in der Reflexion zu gefrieren schienen.
      Das Ritual? Gescheitert. Bis knapp über die rasierte Scham hatte sich die Hurenmutter in ihren karmesinroten Kampfanzug zwängen können, bevor ihr prüfender Blick in ihren eigenen Augen versandet war. Das platinblonde Haar hatte sie zum bedrohlichen, stacheligen Kamm eines schlachtenden Centurions aufgestellt, die markanten Wangenknochen und die langen Wimpern mit düsteren Schatten verhangen. Sie sah die Bloody Mary, doch ihre Siegessicherheit blieb er verwehrt. Mit nacktem Oberkörper richtete sie sich von ihrem samtenen Sitz auf und presste die Faust gegen den Spiegel, dass sich die obskuren schwarzen Buchstaben auf ihren Fingern in das Glas einbrannten. Als misstraute sie ihrem eigenen Abbild, strich ihre Hand über ihren langen Arm, der sie mit dem surrealen blonden Geschöpf hinter der Reflexion verband. Sie kostete sich selbst aus, wie noch kein Mensch sie ausgekostet hatte, bis sich die blassen Finger ihres Spiegelbildes plötzlich um den zarten Adamsapfel legten und zudrückten. Sofort wucherte eine schwere, schwarze Leere in ihrer Brust und erste verzweigte Äderchen bluteten aus der erdbeerbraunen Iris, als die Fremde im Spiegel einen Tropfen aus Tränen vergoss, der über die fleckige Wange eines kleinen blonden Mädchens rollte. Mary kannte sie, diese willenlose Sklavin im Dienste des Höchstbietenden. Der glänzende Berry war ihr einziger Gott und vor ihm auf die Knie sinken zu dürfen die größte Auszeichnung, die einem gefallenen Geschöpf wie ihr beschienen war. Er kannte viele Gestalten. Er war der feueräugige Junge, der sie im Rausch des Alkohols entjungfert, der rothaarige Würstchenmagnat, der sie mit seiner fetten Wampe beinahe erstickt hatte. Sogar die knurrige Millionärswitwe, die das Hurenmädchen mit der Peitsche vor sich hergescheucht hatte wie eine widerspenstige Stute. Von ihr hatte Mary einst lernen dürfen, auf welch fragilem Konstrukt ihr tiefgründiger Wunsch nach Kontrolle und Selbstbestimmung baute, und wie hauchzart der Schleier zwischen Macht und Verletzlichkeit, Dominanz und Unterwerfung im Spiel der Lust wabert. Die Peitsche ergötzt sich nicht am Schnalzen des Leders, sondern am Zischen der Striemen auf wunder Haut. Wie die Räuber an ihrer Beute laben sich die Sadisten am Fleisch der Masochistischen und saugen die Angst, die aus den zitternden Leibern der Unwilligen und Furchtsamen sickert. Als Laura sie erniedrigt und Callaghan ihren Schoß geplündert hatte, war Mary dieser fundamentalen Wahrheit des Menschseins ausgeliefert gewesen: Keine Seele übersteht den kannibalistischen Akt des Fressens oder Gefressen-werdens, der die Starken gegen die Schwachen hetzt und schwarze Hunde mit Augen aus Feuer gebiert. Die Schreie ihrer Familie hallten in ihren Ohren wider, noch bevor ihr der eisige Gestank der Bestie in die bleichen Nüstern kroch. Erschrocken befreite sich Mary daraufhin aus dem Würgegriff ihres dämonischen Zerrbildes, hustend und würgend, als tauchte sie aus dem Grunde des Ozeans ans Licht. Compeyson hatte sie eingeholt.

      »Ein neuer Fetisch?«, erfüllte die Stimme ihrer besten Freundin und liebsten Gefährtin in diesem Moment die erotische Folterkammer, »Ich bin dir gerne behilflich — gegen einen gewissen Obolus, versteht sich.«
      Lächelnd ließ Mary sie gewähren, als Fawnes manikürte Hände in der empfindsamen Kuhle zwischen Nacken und Hals genussvolle Spiralen drehten. Sinnliche Stromstöße jagten durch ihren halbnackten Körper, der in einer beklemmenden Stasis halb stehend und halb sinkend zwischen den Rauchkringeln wogte.
      »Es wird alles wieder gut.« Fawnes Atem perlte wie warmer Regen gegen ihr Ohrläppchen. »Du wirst schon sehen.«
      »Tatsächlich? Warum?«, fistelte Mary verkrampft, »Weil diese beiden Idioten da draußen kaum fahrlässiger sein können, wenn unser Leben davon abhinge? Oder weil ich Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt habe, um Carla gegen mich aufzubringen? Wie konnte ich nur, Fawne? Wie konnte ich naiv genug sein zu glauben, mich gegen Ulysses McKenna auflehnen zu können? Er hat mir den Kaufvertrag des Bordells wie Süßigkeiten unter die Nase gehalten und ich? Habe zugegriffen wie ein kleines…furchtbar dummes Mädchen, das es hätte besser wissen müssen.«
      Stirnrunzelnd ließ ihre Buchhalterin sogleich von der Hurenmutter ab, sich unterkühlt die rahmenlose Brille richtend und fachmännisch durch das dunkelbraune Haar fahrend. Jede einzelne schiefe Strähne schien ihr ärgstes Kopfzerbrechen zu bereiten.
      »Glaubst du denn, du hattest eine Wahl?«, fragte sie letztlich.
      Verdutzt wandte sich Mary um, die tätowierten Hände in die Hüften gestemmt und Fawne die wohlgerundeten Brüste wie geladene Haubitzen entgegengestreckt. »Etwa nicht?«
      »Mary…Denkst du wirklich, Ulysses McKenna hat sein Imperium auf den Rücken von Leuten errichtet, die eine Wahl hatten? Du könntest einhundert Menschen fragen und sie alle würden dir zustimmen — weil jene, die anderer Meinung waren, von Würmern gefressen oder vom Wanst eines Seekönigs verdaut werden. Sieh mich an.«
      Widerwillig tat Mary wie geheißen, obwohl sie im halbverspiegelten Brillenglas der Braunhaarigen kaum mehr entdeckte als ihre eigene, abgespannte Leichenbittermiene.
      »Ich wollte uns befreien, Fawne…Ich wollte nicht länger machtlos sein. Niemals wieder wollte ich katzbuckeln müssen. Wie damals…«
      »Ich weiß«, versicherte ihre Gefährtin mit einem ihrer seltenen, herzensguten Lächeln. Bedächtig schlang sie die molligen Arme um die schlanken, ansehnlichen Kurven ihrer Herrin und ertastete mit wandernden Händen deren Gesäß, über dem der Reißverschluss des blutroten Lederanzugs die metallenen Zähne fletschte.
      »Aber wir sind bereits frei, Mary, sind mächtig und stark«, versicherte Fawne eindringlich, eng an Mary gepresst die metallenen Zinken mit jedem Wort höher zusammenziehend, »Wir alle respektieren dich und, viel entscheidender, wir alle lieben dich. Du hast uns gezeigt, dass Herrschaft und Dienerschaft keine Gegensätze sein müssen. Dass wir über eine Macht verfügen, die sich unsere Kunden niemals erträumen ließen. Tief in unserem Herzen haben wir alle auf dich gewartet, Bloody Mary.«
      Zurrend verschmolz der Reißverschluss in Marys Nacken mit dem Rest ihrer ledernen Festung, die jeden Zentimeter ihres sündigen Körpers in verhängnisvolles Rot schmiedete. In Fawnes Augen war sie vollkommen und weder Carla noch der Bastardkönig könnten jemals Hand an sie legen, ohne sich zu schneiden.
      »Hearst wird bald hier sein«, bemerkte die Gesellschafterin nüchtern, lächelnd, und die Verbotene Frau tat es ihr gleich, endlich mit dem unnachahmlichen Ausdruck des Aufbegehrens in den markanten Grübchen.

      »Sieht wahnsinnig professionell aus. Soll ich dir noch einen toten Fisch und Weihwasser besorgen?«
      »Ich reinige Schürfwunden und mische Salben gegen entzündete Mösen«, zischte die genervte »Schwester« Betty mit chirurgischer Schärfe in der Stimme, während sie O'Maras zerschundenen Arm auf Gutglück in die Überbleibsel der letzten Hausrenovierung eintapezierte, »Idioten, die im Vollrausch unter den Mittagszug nach Baskerville gestolpert sind, übersteigen meine medizinische Ausbildung.«
      »Hast du denn eine?«
      »Eine Ausbildung?«, schmunzelte die krause Schwarzhaarige mit einem kecken Naserümpfen, das die dunklen Punkte auf ihren Wangen zu verheißungsvollen Sternbildern zusammenzog, »Zumindest sagt das die Uniform.«
      »Dann bin ich ja in den besten Händen«, seufzte O'Mara trocken. Das Galgengelächter schenkte er sich, da jeder unkoordinierte Atemzug Feuer an seine gebrochenen Rippen legte und ihn der einmaligen Gelegenheit gewahr werden ließ, die er auf seiner manischen Geisterjagd gegen leere Hände und schmerzende Glieder eingetauscht hatte. Dafür aber lachte der nervenzerreißende Sturm, der krachend gegen das massive Mauerwerk schwappte und donnerrollend über der Dachterrasse brandete.
      »Klingt nach der Götterdämmerung. Wird er sich bei diesem Chaos wirklich hierher trauen?«
      »Hearst?«, feixte Betty mit wie Hefeteig aufgehenden Brauen, »Aber natürlich. Wie lange könnte dich der Sturm hier halten, sollte uns der Fusel ausgehen?«
      »Ist'n Argument«, gestand O'Mara und nippte an seinem Brandy wie an Tee, »Krill?«
      Bereits seit einigen Minuten lehnte der rote Kraken seinen schlaksigen Körper ungerührt gegen die florale pinke Barocktapete, als stütze er das gesamte Freudenhaus mit seinem Rücken. Seine blinden, milchigen Augen ruhten katzenhaft verzerrt in ihren Höhlen und durchstachen das improvisierte Krankenzimmer, in dem O'Mara verarztet wurde, mit der klinischen Präzision eines sterilen Skalpells.
      »Krill?«
      Der Meermann hörte O'Mara nicht, oder gab es zumindest vor, was im Angesicht der alles hörenden Ohren als logischere Erklärung anmutete. Wenn selbst Krill ihm grollte, dämmerte es dem blonden Trinker, musste sein Frevel einer Todsünde gleichkommen.
      »Hör zu, Krill…Ich hab's verschissen, okay? Aber…«
      Krill bemerkte ihn nicht einmal. Sein fleischlicher Körper mochte stationär an O'Maras Seite zwischengeparkt worden sein, doch der Geist des Blinden schwirrte in Schwärmen durch die Flure des Bordells und wachte über die kleine Ondine, deren langes Haar wie eine blaue Seerose im dampfenden Badewasser aufquoll. Platschend und planschend backten die winzigen Händchen Küchlein aus Seifenschaum, bevor der leuchtend-grüne Blick des Mädchens auf die irisierenden Schuppen der geheimnisvollen Meerjungfrau fiel. Unbedarft betatschte es Abazures gespaltenen Fischschweif, der sich zu beiden Seiten um ihren nassen Körper schlängelte.
      »Ich mag das«, hörte Krill Ondine plappern, »Du bist fast wie Monsieur Le Poulpe. Glitschig. Ich mag glitschige Sachen.«
      »Ich nehme es als Kompliment«, klingelte das Lachen der Nixe in seinen Ohren, »Weil du es bist. Ondine?«
      »Ja?« Das Kind schien von den Bewegungen der kleinen Finnen an Abazures Schenkeln vollkommen hypnotisiert.
      »Was weißt du über das, was nachher geschehen wird?«
      »Ich ziehe ein hübsches Kleid an«, erklärte Ondine ohne vom Schuppenkleid der Meerjungfrau aufzusehen, »Und ihr bemalt mein Gesicht. Und dann kommt ein Mann, der mich sehen will. Das hat La Femme Rouge gesagt.«
      »Richtig, aber—«
      »Aber es ist eine Falle, ich weiß.«
      Das Kichern des Mädchens konnte nur als kindlicher Sadismus ausgelegt werden, derart hell und schadenfroh tänzelte die kleine Zunge über das doppelte L. Für einen Augenblick lang nahm Abazure an, Ondines Vorfreude speise sich einzig aus ihrer Unwissenheit und der Unfähigkeit, die unbegreifliche Perversität der Situation zu begreifen. Doch als das Kind aufsah, um der Nixe ein makelloses Kleinemädchenlächeln zu kredenzen, über dem die smaragdgrünen Augen scharfsinnig klimperten, spürte Abazure einen unzweifelhaften Sog des Unfassbaren im zuckerweißen Antlitz dieses sagenhaften Geschöpfs.
      »Nun«, vernahm der stolze Krill das deutliche Zaudern in der Stimme der Hure, »Das ist richtig. Aber damit die Falle ›zuschnappt‹, muss er sich wohlfühlen. Verstehst du? Er muss sich in Sicherheit wiegen.«
      »Na, gut«, quietschte Ondine beiläufig, längst wieder an den violetten Flossenspitzen der Meerjungfrau nestelnd.
      »Das bedeutet…« Verspielt näherten sich Abazures schwarzlackierte Fingernägel der kindlichen, flachen Brust, die pinken Brustwarzen einkreisend. »Er könnte dich hier berühren…Oder…hier.« Sie fuhr hinab, stoppte erst am knubbeligen Nabel des papierdünnen Bäuchleins, das sich unter dem vergnügten Glucksen des Mädchens possierlich aufbäumte. Abazure gönnte Ondine ihren Spaß, bevor sie mit einem tiefen Seufzer über den Hügel strich und tiefer wanderte.
      »Er könnte auch versuchen…« Noch tiefer. »…dich hier—«
      Angewidert flohen Krills blinde Augen aus dem Zimmer und sperrten sich hinter den roten Lidern ein, als könnte der Allsehende auf diesem Wege den verstörenden Bildern entkommen.
      »Jedenfalls…Ich hab's verkackt, okay?«, rasselte O'Mara das Ende seines langen, resignierten Monologs derweil zeitgenau herunter, um von Krill bemerkt zu werden.
      Irritiert fokussierten die trüben Augen in O'Maras Richtung, ohne die zusammengekniffenen Lippen zu einer Antwort nötigen zu können. Das Bild der betretenen Abazure, die Ondine auf die bevorstehenden Avancen des pädophilen Hearst vorbereitete, saß wie ein Splitter in seinem Fleisch — und Mercedes' zornige Stimme kreischte furienhaft in seinen Ohren, aufgeladen mit allem Recht der Welt.

      »Krill? Komm schon, sei kein Arsch. Ich hab mich entschuldigt, was soll ich noch tun? Ja, ich hätte nicht abhauen sollen und ja, ich hätte Ulysses nicht allein stellen dürfen. Ich war ein Idiot und ein Hitzkopf und alles, was uns Callaghan über die letzten Jahrhunderte eigentlich ausgetrieben hatte, aber…als ich die Chance sah, da—«
      »Chance worauf?«, kläffte Krill plötzlich derart giftig, dass sich O'Mara instinktiv tiefer in seinem Sessel verkroch und Betty wie ein Hund vor dem Erdbeben Reißaus nahm.
      »O'Mara!«, nötigte Krill den Blonden, »Chance worauf? Carla zu fassen, Ulysses deine Erinnerungen aus dem Schädel zu reißen? Reunion mit deinen alten Freunden zu feiern? Chance worauf, hm?«
      O'Mara war sprachlos. Nie zuvor hatte er Krill derart energisch erlebt. Oft schonungslos, zuweilen eiskalt, aber niemals erbost. Selbst in den hitzigsten Diskussionen mit Callaghan höchstselbst hatte sich der Meermann stets eine zurückgezogene, ehrfürchtige Contenance bewahrt, welche nun jedoch unter einem fiebrigen Film verglüht schien.
      »Krill…was ist los?«
      »Das frage ich dich«, schalt ihn der Meermann wie einen ungehorsamen Knaben, »Was ist los mit dir?«
      »Ich…«
      »14 Jahre, O'Mara. Wir kennen uns seit 14 Jahren und niemals habe ich dich Callaghan oder gar Mercedes derart in die Enge treiben sehen. Du respektierst ihn, aber sie vergötterst du, und doch versetzt du ihr einen Stich ins Herz, sobald sie Bedenken an diesem verrotteten Plan äußert, den wir uns als ›einzige Chance‹ zurechtgelegt haben?«
      »Ja, ganz genau! Wir!«, versuchte sich der überrumpelte O'Mara ungelenk zu verteidigen, »Das war unser Plan, du und ich! Wir haben am selben Strang gezogen!«
      »Tatsächlich?« Abschätzig raffte der Kraken die dünnen Lippen, nur um sie sogleich wieder in den mürrischen Mundwinkeln zu versenken. »Wir ziehen nicht an einem Strang, O'Mara. Wir sind keine Partner. Partner stehlen sich nicht in einem Kurzschluss alleine davon, um sich den halben Körper verkrüppeln zu lassen. Partner halten sich an Abmachungen.«
      »Was soll das jetzt heißen? Vertraust du mir nicht?«
      »Ich vertraue niemandem. Aber ich glaubte zumindest, mich auf dich verlassen zu können.«
      »Als ob du das nicht könntest!«, verteidigte sich der Blonde hilflos, doch Krill ließ ihn mit nur einer einzigen Handbewegung verstummen.
      »Tatsächlich? Dann schlag ein. Reichen wir einander die Hände und belassen es dabei.«
      Ertappt starrte O'Mara in die ausgestreckte Rechte des Meermannes, die sein gebrochener Arm nicht ergreifen konnte.
      »Wirklich clever, Arschloch.«
      »Bin ich das Arschloch? Oder warst du es, der sich wie ein rücksichtsloser Trampel aufgeführt hat und zur Tür hinausgestürmt ist, als ich für fünf Minuten nicht hingesehen habe?!«
      »Scheiße, erspar mir deine bigotte Predigt! Der einzige Grund, warum wir das Mädchen überhaupt an diesen Kinderficker verhökern können, bist du! Du hast sie nach deinem kleinen außerplanmäßigen Abenteuer in Gavroche angeschleppt! Du bist nicht besser als ich! Was ist hier und jetzt so anders?«
      »Simpel«, konstatierte Krill messerscharf, »In Gavroche konnte ich mich auf Callaghan und Mercedes verlassen.«
      »Ach, und ich—?!«
      »Und du brauchst ein Kindermädchen, O'Mara. Sieh dich an. Sieh, was geschieht, wenn Callaghan und Mercedes deine postpubertären Launen nicht im Zaum halten.«
      »Meine…WAS?!«
      Fassungslos sprang O'Mara aus den Polstern auf, bis auf Fingerbreite an das flammende rote Gesicht des Blinden heranpreschend. »Meine Launen? Und das von dem Mann, der eine Sechsjährige in diese mörderische Verschwörung hineinzieht, weil sie irgendwas alrauniges ist? Und vergessen wir nicht, dass du es warst, der diese ekelhafte Blutsaugerin Triagast zum Teufel geschickt hat, damit wir — Gott bewahre! — keine Hilfe der Regierung in diesem Scheißhaufen annehmen können!«
      »Alles, was ich tat«, erklärte sich Krill distanziert, »Tat ich für Ondine. Was ist deine Entschuldigung? Wo ist deine Ondine?!«
      Plötzlich glaubte O'Mara zu verstehen und schüttelte den zerzausten blonden Schopf, als wolle er den Geistesblitz augenblicklich wieder loswerden.
      »Was? Du meinst…? Darum geht es hier? Um Luca? Deswegen dieses Gezeter?«
      »Sag du es mir«, sprach Krill nun ruhiger, doch noch immer hörbar gereizt.
      »Ich…Was willst du von mir hören?«, warf O'Mara sichtlich getroffen zurück, »Ja, natürlich will ich sie retten. Du etwa nicht?«
      »Nicht um jeden Preis. Du hingegen—«
      »Ich hingegen tue alles, um sie zu retten. Ja, natürlich tue ich das. Weil ich im Gegensatz zu dir kein fatalistischer Soziopath bin! Sie ist unsere Freundin, unsere Informantin, unsere…unsere…!«
      Erst jetzt wurde O'Mara seiner erhobenen Faust gewahr, deren verkrampfte Finger sich in das weiße Hemd seines Freundes gebohrt hatten. Unwirsch und verstört ließ er von Krill ab, bevor er gedankenverloren in den Sessel zurücktaumelte.
      »Was…was willst du hören?«
      »Nichts«, erwiderte der Meermann ehrlich, »Mir hast du nichts mehr zu sagen und ich dir ebensowenig. Die Frage lautet: Was willst du ihr sagen?«
      Perplex glotzte O'Mara direkt durch ihn hindurch, sodass Krill ungerührt fortfuhr:
      »Wir fassen Hearst, um Luca zu retten. Wir stehen auf der selben Seite, O'Mara, doch ich kann dir nicht vertrauen, solange du diesen Mond anheulst. Du hast die Spur der Drogen nicht verfolgt, um Ulysses zu finden, sondern wolltest die Lairin gefangen nehmen, um sie gegen Luca einzutauschen. Ist es nicht so?«
      Wieder erlebte Krill den sonst so großmäuligen O'Mara verlassen von Worten.
      »Sehr gut. Schweige. Sammle deine Stimme für euer Wiedersehen. Ich bin fertig. Aber ich hoffe, du weißt, was es zu tun gilt, sobald du ihr gegenüberstehst.«
      »Krill…« Vollkommen überfordert verknetete O'Mara das Gesicht in der intakten Hand. »Du bist ein echtes Stück Scheiße, weißt du das?«
      Kopfschüttelnd lehnte sich der Meermann zurück an die Wand, die weißen Hemdsärmel gegen O'Mara verschränkt.
      »Mercedes hat recht«, sagte er matt, »Du und Luca habt einander verdient.«

      Auf Hacken wie blutigen Dolchen stolzierte die Bloody Mary Kelly in O'Maras zusammengeschustertes Lazarett. In ihren erdbeerbraunen Augen züngelte ein reinigendes Feuer, in dem die zerknirschten Abbilder der beiden Kopfgeldjäger brannten. Nur ein Peitschenschlag der Domina hätte genügt, um O'Mara und Krill strammstehen zu lassen.
      »Sie ist soweit«, verkündete Mary resolut, worauf sich die perfekte kleine Puppe Hearsts feuchter Träume aus dem Schatten des langen Flures hinter ihr schälte.
      »Monsieur Le Poulpe!«, stimmte Ondine einen leichtherzigen Singsang an, dessen Takt das Hämmern ihrer roten Lackschuhe auf dem dunklen Parkett vorgab. Einen langen geflochtenen Schweif aus blauen Zöpfen und roten Nelken zog die Sternschnuppe hinter sich her, als sie auf halber Strecke den Holzdielen entfloh und in stolzen Bahnen die Schöpfe der entgeisterten, sprachlosen Kopfgeldjäger umrundete. Die großen Smaragdaugen, nur dezent von Schattierungen umkränzt, strahlten unter falschen Wimpern, die wie Vogelschwingen klimperten, wenn Ondine verträumt blinzelte. Roter Lippenstift in der Farbe der Nelken in ihrem Haar und der gestickten Rosen auf ihrem schneeweißen Kleidchen kontrastierte indes die nahezu unmenschliche Blässe ihrer porzellanglatt geschminkten Haut.
      »Gott«, entfuhr es O'Mara unwillkürlich. Hätte er gewusst sich zu bekreuzigen, so hätte er es aus blankem Selbstekel getan. Krill hingegen entwuchs dem Bordell wie erstarrtes Wurzelwerk, bis die aufgetakelte Ondine bis an seine flache Nase schwebte und in ihrer leisen, geheimniskrämerischen Manier flüsterte:
      »Monsieur Le Poulpe, sehe ich aus wie eine Puppe
      O'Mara glaubte, den blinden Blick dass Kraken in seine Haut schneiden zu spüren, als jener belegt antwortete:
      »Ich…denke schon?«
      »Du Dummerchen, du kannst doch gar nichts sehen!«
      Kichernd schlug das Kind vor seiner Nase eine rasante Pirouette, gen Decke wirbelnd und im halsbrecherischen Steilflug kopfüber vor O'Maras Hungerleidergesicht innehaltend:
      »Monsieur Moribond, sehe ich aus wie eine Puppe?«
      Monsieur Moribond schluckte hinunter, was auch immer er gerade in seinen Mund erbrochen hatte, und setzte sein schwachsinnigstes Grinsen auf. »Ja, Ondine. Eine sehr…hübsche Puppe. Hör mir zu…«
      Krill, der die Scharade nicht länger ertrug, schlurfte bemüht gleichmüßig hinter Mary aus dem Zimmer, doch seine Ohren verhedderten sich an O'Maras Lippen.
      »Ondine, du…du weißt doch, dass dir nichts geschehen wird, ja? Ich…wir…werden dich beschützen, du wirst zu keiner Sekunde in Gefahr sein. Das weißt du, oder?«
      Verwundert, beinahe neugierig, drehte Ondine die Welt wieder gerade und schaute O'Mara tief in die flimmernden moosgrünen Augen.
      »Du bist albern«, gickelte sie vergnügt, »Mademoiselle de Fer wäre doch sonst nicht weggegangen. Du musst keine Angst haben.«
      »Stimmt, natürlich. Aber…du kannst mir vertrauen. Weißt du? Du kannst auf mich zählen, ich bin…da.«
      »Ich weiß«, versicherte Ondine zuckersüß wie zum Trost — und O'Mara, plötzlich übermannt von seinen Gefühlen, nahm sie unverhofft in den Arm, just als die Klingel läutete und das Hurenhaus mit Raunen flutete. Unter donnerndem Applaus bauschte der Sturm die wirbelnden braunen Lockenstrudel der grinsenden Cocky Lynn auf, nachdem sie der schwarzverhüllten Maskengestalt die Hintertür geöffnet und Mary die anderen Mädchen in ihre Kammern gescheucht hatte. Zu gerne hätte die Hurenmutter sie allesamt aus dem Bordell geschmissen, doch Hearst fand Trost in dem Gedanken, nicht das einzige Monster der Nacht zu sein, und genoss ein volles leeres Haus. Ein letztes Mal nahm Mary einen langen, tiefen Atemzug, der das karmesinrote Leder über ihren Brustwarzen knarzend spannte, bevor sie in den Flur gen Hintereingang trat und den Gast der Stunde mit gebührender Umsicht in Empfang nahm.
      »Guten Abend. Ich hoffe, das Frühstück ist Ihnen wohlbekommen?«, flötete sie zwinkernd.
      »Ich konnte es bei mir behalten. Danke«, hallte es durch die Maske — einem abscheulichen schwarzen Stück Metall voll wölfischer Reißzähne und gläserner Rabenaugen, aus denen grässliche spitze Klauen wie Schwimmhäute spreizten. »Jedoch werde ich fortan vermutlich jedem Wasserspeier misstrauen. Sind wir allein?
      »Nur auf den Fluren, selbstverständlich.«
      Diesem Versprechen zum Trotz trat der Uhrmacher seinen langen schwarzen Mantel und die groteske Maske erst nach dem dritten prüfenden Blick an Cocky ab, welche auf ein Nicken der Bloody Mary damit sogleich in einem der menschenverlassenen Salons entschwand. Die eisblauen Augen des großen Mannes setzten ihr argwöhnisch nach, doch Mary wusste seine Aufmerksamkeit spielend für sich zu erobern:
      »Sir? Sie werden bereits erwartet.«
      Augenblicklich schob sich das geschliffene, markante Kinn des Uhrmachers bis vor die eisernen Lippen, wo es in sublimer Vibration verharrte.
      »Wie…reizend«, versuchte er noch mit einem Lächeln zu überspielen, was der Menschheit großer Fall ihm in die Wiege gelegt hatte, da verriet sein bebender Adamsapfel bereits den lüsternen Durst in seiner Kehle. Wie ein Fleischer krempelte er die schwarzen Hemdsärmel in die Ellbogen, bevor ihn die rotbehandschuhte Hand der Hurenmutter über die langen Treppen gen ersten Stock wies.
      »Wollen wir? Oder könnte ich Sie zuvor für einen kleinen Drink begei-?«
      »Nein! Ich meine…Danke, nein. Ich muss sie sehen. Bitte.«
      »Gewiss doch. Wenn Sie mir bitte folgen möchten…«
      Betont langsam glitt die Domina in ihrem hautengen Lederanzug die Treppen hinauf, dass die Ritze zwischen ihren perfekten Gesäßbacken verführerisch knisterte. Hearst war es gleich, sein eisblauer Blick fokussierte über ihre mahlenden Schultern hinweg. Schnaufend wie das Raubtier, das Mary in ihm sah, stiefelte er hinter der Hurenmutter hinauf. Stoisch, hart wie Stahl. Nur noch wenige Schritte und eine Tür aus schwarzem Holz trennten ihn von seinen Sternen am flammengeküssten Horizont, von seinem Abend nach der Dunkelheit.


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    • Kapitel 145 - Die verbotene Frau

      Den Flow muss ich ausnutzen, dass ich gerade noch frisch in deiner Geschichte drinnen bin und auch gleich das Kapitel noch gelesen habe, bevor mich die Verpflichtungen wieder übermannen.

      Für mich geht es also quasi nahtlos weiter mit den buchstäblichen Nachbeben der vorherigen Kapitel, was sowohl der Angriff auf Copperfield als auch die kurze Rückblende zwischen Ulysses und Carla angeht. Wir starten nämlich mit den Huren und dürfen Bloody Mary noch einmal umfassend kennenlernen. Zunächst erreicht alle die feurig-blutige Botschaft aus Copperfield und die Sorge um Mercedes ist natürlich da. Besonders beeindruckt hat mich hier der Schwenk auf Luca, die Mercedes die Stange hält und sich für ihre "Freundin" einsetzt bzw. den Glauben an sie nicht verliert.
      Das gefällt mir besonders gut, nachdem du ja schon die recht spannende Entwicklung und Beziehungen zwischen den beiden Frauen angelegt hast und ist für mich einfach eine sehr positive Weiterentwicklung der Figur Lucas, welche im Gefängnis paradoxerweise charakterlich aufzublühen scheint. Das fröhliche Intermezzo mit ihrem Gefängniswärter unterbricht dann unser blinder Pädophiler erster Güte. Hier weiß ich gar nicht mehr, was der letzte Stand war. Er war ja Anhänger dieser mysteriösen Vereinigung Almanag. Kocht er hier ein Süppchen für Carla oder gar für diese Organisation oder seine eigenen Interessen? Möglichkeiten gibt es ja genug, aber ich freue mich immer wieder etwas von Luca zu lesen und bin froh, dass du sie nicht vergessen hast.

      Und dann kommen wir zur unheilvollen Tafelrunde, die an morbiden Tamtam und Theatralik meiner FF in nichts nachstehen würde. Carla ist die Königin der Inszenierung und auch, wenn ich mir nicht wirklich sicher bin, um was es sich bei diesen Babydingern jetzt handelt (Essen? Trinkschalen?) hat mir die ganze Szenerie im Ganzen sehr gut gefallen. Ich gehe mal davon aus, dass Carla die Steinfiguren mithilfe ihrer Spinnenteufelskräfte und der Fäden steuert. So ähnlich wie das Viktoria mit ihren Seidenfiguren auch macht, oder ich habe an der Stelle dann vielleicht eine wichtige Erklärung überlesen. Auf jeden Fall kommen Carlas wichtige Untergebene zusammen und nur Ètain, die tatsächlich ihren Dorgenrausch in Copperfield auskuriert, und Waterloo, dessen gesundheitlicher Zustand ja auch eher zu Wünschen übrig lässt, sind auch alle anwesend.
      Mittendrin die Huren um Mary Kelly. Ich hab dir ja schon im letzten Kapitel ein Lob für deine Dialoge ausgesprochen und auch hier enttäuscht du nicht. Überrascht war ich über die Loyalität und Kreativität, mit der Fawn und Cocky die offensichtlich überrumpelte Mary unterstützt haben. Es sollte mich nicht wundern, dass Carla mit ihrem buchstäblichen Netzwerk herausgefunden hat, dass Mary mal mit den Kopfgeldjägern zu tun hatte, aber ich unterstelle ihr sogar, dass sie über die aktuellen Verbindungen zumindest nicht überrascht wäre. Ich schätze Carla zumindest so ein, dass sie ihre Verbündeten mehr als einmal gründlich durchcheckt.

      Damit kommen wir auch zum Flashback, der mir gut gefallen hat, da er vor allem endlich ein Mysterium um Laura O'Rourke auflöst bzw. anschneidet. Die Verbindung zu Ulysses kam für mich an dieser Stelle überraschend. Ebenso die Verbindung zu Étain. Jetzt ergab die kurze Namensrecherche, dass die gleichen Nachnamen schon bekannt waren, was mich insofern verwundert, ob wir das schon einmal angesprochen haben oder uns das tatsächlich noch nicht aufgefallen ist? In welchen Verhältnis stehen die beiden Damen nun? Insbesondere auch in Anbetracht an die letzte Flashbackszene (danke für die Aufklärung übrigens). Hmm...eine interessante Persönlichkeit auf jeden Fall.

      Soviel mal zu meinen Gedanken zu dem Kapitel. Ich hoffe ich habe nichts eklatant wichtiges vergessen oder falschverstanden. Ich freue mich auf mehr.

    • Kapitel 145: Die verbotene Frau

      Nochmal vielen Dank für die Vorwarnung zum neuen Kapitel, ich weiß echt nicht warum ich derzeit immer so lange für eine Antwort brauche. Besonders wenn ich an die Zeiten denke, an denen ich fast jeden Tag ein Kapitel kommentiert habe, weil ich so viele FFs gelesen habe die zu dieser Zeit wöchentlich neue Kapitel veröffentlicht haben.

      Diesmal beginnt es mit einem fast normalen Morgen in Marys Reich, welchen du einfach nur wunderbar lebhaft und doch alltäglich dargestellt hast. Aber Mary hat nicht nur eine unerwartete Einladung von Carla erhalten, sondern darf sich auch an dem unerfreulichen Anblick der beiden restlichen KGJ erfreuen, die mal wieder ihr eigenes Ding gemacht und somit sie und alle ihre Untergebenen noch mehr in Gefahr gebracht haben. Dies beunruhigt Krill und O‘Mara natürlich überhaupt nicht, was man an ihren fast schon desinteressierten Antworten auf Marys Ermahnungen erahnen kann. Zu allem Überfluss stürzt auch noch der keine Timy in den Raum und schafft es mit seiner Meldung über die Ereignisse in Chopperfield mehr Aufmerksamkeit zu bündeln als Mary mit ihren Ermahnungen.

      Diese wunderbare Inszenierung setzt sich in Carlas Anwesen fort, in der du nicht nur ein wunderbar dunklesBild des Anwesens zeichnest, sondern die schwarze Witwe in dessen Mitte setzt und ihre Fäden im sprichwörtlichen Sinne spinnen lässt.Sie hat ihre Beute in Form der drei Huren und Hearst bewusst positioniert und mit dem leeren Stuhl für Étaín eine weitere Botschaft bzw Nachricht gesetzt, welche von den anderen zwar als solche erkannt, aber nicht entschlüsselt wurde. Denn auch Waterloo und Remington fehlen, aber für sie gab es keine Stühle. Diese (vermeintlichen) Nachrichten setzten sich dann mit der Statuen und der Verteilung der Drinks weiter fort, bis sie Mary direkt mit den KGJ konfrontiert.

      Worauf wir ein wunderbares Zusammenspiel der drei Huren erleben und ich mich am Ende sogar gefragt habe, ob die Nachricht über die Anwesenheit der KGJ Carla wirklich noch nicht erreicht hat. Immerhin scheint sie sich recht einfach mit den Erklärungen zufriedenzugeben, auch wenn das natürlich noch alles teil ihres Spiels sein kann.

      Dabei stellte sich mir auch die Frage, ob Mary weiß in welcher Beziehung Carla und Ulysses stehen. Zwar meine ich mich zu erinnern, dass Mary von Ulysses an Carla verwiesen wurde, als er ihr das Bordell überschrieb, aber ob sie weiß, dass Carla eigentlich eine Untergebene von Ulysses ist, ist nach meiner Erinnerung nicht bekannt.

      Das Cocky mehr als eine Schraube locker hat, wissen wir schon lange, aber mit diesem Kapitel sind definitiv noch einige dazugekommen. Auch wenn es irgendwie für sie spricht, dass sie ebenfalls über Carlas Art die Drinks zu verteilen entsetzt war. ^^

      Das wirklich interessante war für mich aber der FB bzw. die Informationen, welche sich aus dem Auftreten von Laura O'Rourke, der Leiterin des wahnsinnigen O'Rourke—Syndikats ergebenhaben. Damit wissen wir endlich mehr über Laura, die in den FB bisher eigentlich nur als Wirtin des Pubs aufgetreten ist, in dem Ulysses und O‘Mara gearbeitet hatten. Zwar wurde schon immer angedeutet, dass sie eine dunkel, brutale und bekannte Persönlichkeit der larischen Bevölkerung war, aber nun wissen wir, dass sie mit ihrem Syndikat wahrscheinlich einen Großteil der Unterwelt kontrolliert hat. Zumindest innerhalb des Empires, wenn nicht der ganzen OP-Welt.

      Weiterhin hat sie den gleichen Nachnamen wie Etain, was sehr sicher auf eine Verwandtschaft hindeutet. Grundsätzlich könnte ich mir zwar ein Mutter Tochter Verhältnis vorstellen, aber da Etain sie in letzten FB mit Laura und nicht mit Mutter oder so bezeichnet hat, könnte sie auch ihre Tante sein. Wobei ich mir bei so einer Mutter auch sehr gut ein Verhältnis vorstellen kann, wo sie selbst ihre Tochter mit Vornamen anspricht.

      Dadurch stellt sich auch die weitere Frage, ob Ulysses das Syndikat später übernommen hat, da Etain z.B. nicht als neue Leiterin geeignet war oder ob er seine eigene Organisation aufbaute. Natürlich kann er in diesem Fall zunächst auch nur Teile übernommen haben, denn je größer ein Syndikat ist, umso mehr hängt der Zusammenhalt dieses an der Führungsperson und falls Laura irgendwann weg war, könnte das Syndikat auch zerbrochen sein.

      Dieser Gedanke speist sich aber zum Teil aus etwas, was auch ein Flüchtigkeitsfehler sein könnte. Den Ulysses hat das Bordell von Stussy gekauft, bevor er es Mary übergeben konnte. Wenn ich mich recht entsinne, hast du in deiner Antwort auf meinen Kommentar damals geschrieben, dass Stussy eine spontane Änderung war und das Bordell ursprünglich direkt Ulysses gehören sollte. In diesem Fall hätte er es von Laura sozusagen geerbt und da ich kaum glaube, dass Stussy Laura mit einer neuen Haarfarbe ist, muss das Bordell eigentlich irgendwann den Besitzer gewechselt haben.

      Weiterhin dürfte dann auch Laura und nicht Ulysses für den großen Anschlag auf die damalige larische Hauptstadt und die Vernichtung der Armeeeinheiten verantwortlich sein.

      Als letztes bleibt dann noch Luca welche sich weiterhin königlich mit ihrem Bewacher Kevin zu amüsieren scheint, bzw frag ich mich beim Zusammenspiel der beiden immer wer hier wirklich der „Gefangene“ ist. Mal schauen was Douglas bei bzw mit ihr vorhat, immerhin wissen wir noch immer nichts über die wirklichen Absichten von Almanag.

      Wiedermal ein wunderbares bildgewaltiges Kapitel und ich freu mich schon sehr auf das neue, bei dem ich hoffe endlich mal wieder zeitnah kommentieren zu können.
      :thumbsup: Nicht nur in One Piece die reine Wahrheit: :thumbsup:
      Pirates are evil?!!... ...The Marines are Justice?!!
      These labels have been passed around Heaven knows how many times...!!!
      Kids who have never known peace... ...and kids who have never known war... ...Their values are too different!!!
      Whoever stands at the top can define right and wrong as they see fit!!!
      Right now, we stand in neutral territory!!!
      "Justice will prevail"?!... ...Well, sure it will!
      Whoever prevails... ...is Justice!!!! (Doflamingo)

      So kann man es aber auch sehen
      "THERE IS NO JUSTICE, THERE IS ONLY ME!"
      Death, Discworld, Terry Pratchett