Nachdem die Technikfrage gekärt ist, konnte ich endlich damit beginnen, die Fanfiction, wie ich hoffe halbwegs vernünftig, in Worte zu packen und niederzuschreiben. Nach und nach werde ich hier die einzelnen Kapitel online stellen und hoffe auf rege und vor allem ehrliche Kritik und Anregungen, was ich verbessern kann, natürlich auch an bereits veröffentlichten Teilen.
Hinweis: Da ich mich mit dem finden von Titel recht schwer tue, wer diese Geschichte von Anfang an mitverfolgt weiß das, habe ich mich dazu entschlossen, die Kapitelüberschriften, zu denen ich mich, nach mehrfachem Wunsch und trotz meiner anfänglichen Bedenken, ich könnte ohne es zu wollen spoilern, durchgerungen habe, mit einem Sternchen * zu kennzeichnen, wenn es sich um Arbeitstitel handelt.
Prolog
Währenddessen wird auf dem Meeresboden Schlamm aufgewühlt. Edles Schuhwerk drückt sich in den Boden, nur kurz überdauernde Spuren hinterlassend. Mit geschlossenen Augen spaziert ein Mann über den Boden der Tiefsee, beide Hände in den Taschen seines schwarzen Jetts. Eine breite,dreieckige Flosse erhebt sich aus seinem Nacken, drei Kiemenspalten sitzen an seinem Hals. Durch die blaue Haut verschmilzt er mit dem Wasser der Tiefe.
Kapitel 1: Abbruch
Als am anderen Ende der Leitung abgenommen wird, platzt es so laut aus ihm heraus, dass sein Ausruf durch gesamte Dachgeschoss seines Gebäudes hallt und seine spitzen Haifischzähne im letzten einfallenden Sonnenlicht aufblitzen: „Was denken Sie sich eigentlich?!“
Kapitel 2: Eine gelöste Zunge*
Als die Wachen die Folterkammer verlassen, natürlich nicht ohne Kens Arm wieder zu fesseln, und die Feuerschale mit den Brandeisen mitnehmen, kommt Ken wieder zu Bewusstsein.
Kapitel 3: Reaktion
Kapitel 4: Diagnose
Kapitel 5: Umbauten
Kapitel 6: Jaws*
Kapitel 7: Janus
„Du siehst schrecklich aus“, sind die ersten Worte, die die vollkommene Stille auf dem Schiff durchbrechen. Ken hebt das Kinn von seiner Brust, sodass er nun, wenn er durch den Zellstoff vor seinen Augen sehen könnte, die hoch aufgeschossene Gestalt erblicken würde, die seine Wächter ermordet haben muss.
„Diese Stimme“, schießt es Ken durch den Kopf.
„Du hast recht. Ich bin’s.“ Unter diesen Worten schieben sich mit Schwimmhäuten versehene, lange, nasse Finger zwischen Kens Gesicht und seine Augenbinde, um sie ihm kurz darauf vom Gesicht zu reißen. Der Anblick, der sich ihm nun bietet, schnürt ihm die Luft ab, eine seltsame Mischung von Freude und Entsetzen treibt kalten Schweiß auf die Stirn und lässt ihn die Augen weiten.
„Was ist das? Wer oder was bist du!?“, will er ausrufen, doch wegen des Fehlens seiner Zunge entfliehen seiner Kehle nur hohle, monotone Laute, aus denen man dennoch die Angst Kens ermessen kann.
Stimme und Statur des Mannes, in dessen Angesicht Ken blickt, sind die Jonas, und doch liegen zwischen seinem Gegenüber und seinem Geschäftspartner Welten. Obwohl Ken ihn eindeutig wiedererkennt, weigert sich sein Kopf, diese Kreatur als diesen zu akzeptieren, zu groß ist die Diskrepanz zwischen dem Fischmenschen, den Ken nur zu gut aus eigener Anschauung kennt und dem, der sich jetzt mit ihm in seiner Zelle befindet und den er aus seinen aufgerissenen Augen anstarrt.
In seiner Erinnerung erscheinen Bilder von gemeinsamen Geschäftstreffen, von Verhandlungen. Der große Konferenzsaal der Carcharias Corp. mit der üppigen Tafel wird von einem Kronleuchter mit warmen Licht erhellt, der Raum ist erfüllt vom Geruch gebratenen Fleisches, duftendem Jasminreis und des für den späteren Verlauf des Abends so wichtigen Kaffees. Jona zeigte sich immer von seiner besten Seite, als gepflegter Fischmensch, stets gekleidet in einen maßgeschneiderten, bis auf Krawatte, Einstecktücher und Nadelstreifen, die in Eisblau gehalten waren, schwarzen Anzug, ein Lächeln auf dem zernarbten, von der kantigen Nase dominierten Gesicht, umrahmt von den unzähmbaren, abstehenden Haaren. Ein angenehmer, wenn auch harter Verhandlungspartner, sowie ein verlässlicher, kompromissbereiter Verbündeter und Unterstützer, eine Person der Vernunft, Ruhe und Ausgeglichenheit verströmend.
Doch Jona einmal in einer solchen Situation zu sehen und in diesem Zustand, den sich Ken nichteinmal in seinen Alpträumen hätte vorstellen können, übersteigt Kens Vernunft. Nichts am aktuellen Stand der Dinge hat auch nur entfernt Ähnlichkeit mit den bisherigen Treffen. Vor ihm, in dem nun voll und ganz mit dem Geruch frischen Blutes angefüllten Raum, steht derselbe Fischmensch, doch von seiner Vernunft und Gepflegtheit ist hier nichts zu sehen, nichts zu erahnen. Zwar trägt Jona auch jetzt seinen Anzug, doch ist dieser vollkommen von Blut durchnässt, aus jeder der übersättigten Fasern quillt es hervor, um anschließend an seinem Körper herabzurinnen, eine deutliche rote Spur auf der blauen Haut Jonas hinterlassend. Seine sonst weißen Zähne blitzen nun ebenso rot zwischen den noch immer zu einem wahnsinnig aussehendem Grinsen verzogenen Lippen, die gesamte Partie um seinen Mund trieft von Blut, welches seine Kehle entlang rinnend besonders Hemdkragen, Krawatte und Revers durchtränkt. Der eigentlich klare, vernünftige Blick seiner blauen Augen ist dem eisigen einer blutrünstigen Bestie gewichen, dem eines Killers, der im Blutrausch willkürlich, mit unnötiger Gewalt und Grausamkeit Leben nimmt und aus den geschlitzten Pupillen nach seinem neuen Opfer sucht.
Als sich Jona in Bewegung setzt und auf Ken zugeht, verfällt dieser in Panik, voll der Angst, sein Geschäftspartner würde auch ihm, als Strafe für seinen Verrat, das Leben nehmen, ein schrecklicher Verdacht, der sich zu verhärten beginnt, als sich der Spalt zwischen Jonas Kiefern deutlich sichtbar weitet. Ken sieht, wie die Zunge Jonas über seine Lippen und Zähne huscht und ihm, als sie wieder mit Blut bedeckt in seiner Kehle verschwindet, ein wohliger Schauer zu durchzucken scheint.
Mit hellem Klicken durchtrennen die Zähne die Eisenketten, mit denen Ken in seiner Zelle fixiert ist, rasselnd fallen sie zu Boden.
„Die Fesseln um deine Handgelenke kann ich so leider nicht abmachen. Ich könnte dir höchstens Hände und Füße abbeißen, doch dass wäre weder in deinem noch in meinem Interesse, Ken. Mit diesen Ketten musst du für den Moment also leben lernen.“
Der Angesprochene ist, als die Ketten, mit denen seine Arme in Richtung Decke ausgestreckt wurden und die sein Gewicht trugen, kraftlos in sich zusammengesackt und starrt nun in sein Spiegelbild, das von der Oberfläche der Blutlache, zusammengeflossen aus den Verletzungen hunderter Marinesoldaten und dem Blut, welches noch immer von Jona tropft, schwach zurückgeworfen wird.
„Er hat recht“, schießt es Ken durch den Kopf, sichselbst in die eingefallenen, blutunterlaufenen Augen, die mit leerem Blick aus seinem von Hunger und Folter zerschlissenen Gesicht, auf dem sich seine Schädelknochen deutlich abzeichnen, schauend, welches plötzlich von kleinen Wellen verwirbelt wird, bevor es regelrecht zu sprudeln und, kleine Tröpfchen im Gesicht Kens verteilend, zu tanzen beginnt. „Er ist wütend...!“
„Ken...“, beginnt Jona, auf dessen Stirn seine geweiteten Blutgefäße deutlich hervorgetreten sind, bevor er seine Hand nach dem Angesprochenen austreckt, der noch immer sein Spiegelbild betrachtet, mit ihm zu sprechen, noch immer steht das Grinsen in seinem Gesicht, „Hast du mir nichts zu sagen?“ Mit dem gekrümmten Zeigenfinger und dem Daumen Druck auf das Kinn Kens ausübend, hebt er dessen Antlitz an, so dass sich beide nun in die Augen sehen, Ken in die noch immer kalten, von Mordlust blitzenden Augen Jonas, Jona in die verängstigten Augen Kens, die sich mit Tränen zu füllen beginnen, als dieser seinen Mund öffnet, um Jona die in ihm herrschende Leere zu zeigen.
Bei diesem Anblick verschwindet endlich das Grinsen, die Zähne werden hinter den Lippen verborgen, über die ein letztes Mal die Zunge huscht und auch die Blutgefäße, sich bis eben deutlich auf seiner Stirn abzeichnend, treten wieder zurück. Die Blutlache kommt zur Ruhe. So gut es ihm möglich ist, richtet sich Jona in der für ihn viel zu niedrigen Zelle auf.
Unvermittelt trifft Jonas Kick Ken mitten ins Gesicht und schleudert ihn gegen die Wand seiner Zelle, die unter der Wucht seines Körper zerbricht. Mühsam versucht Ken sich aufzurappeln, während sich Jona in Bewegung setzt. Nochmals blitzen in Kens Gedächtnis die Erinnerungen an die freundlichen, manchmal fast rauschenden Geschäftstreffen, an regelrechte Gelage, die er mit Jona und seinen Vorständen erleben durfte, wenn die Verhandlungen erfolgreich verlaufen waren. „Wie kann dieses Monstrum Jona sein?“, geht es Ken durch den Kopf, bevor er erneut durch eine Wand getreten wird, er hört deutlich, wie seine Rippen knarrend unter den wirkenden Kräften nachzugeben beginnen und schließlich durchbrechen. Der Schmerz zerfetzt die hellen Erinnerungen, die ihm mehr und mehr als die Bilder einer Fassade erscheinen, die nur dazu diente, diesen Charakterzug Jonas so gut es geht zu überdecken.
„Hätte dir das nicht früher einfallen können?!“ Die im Fischmensch tobende Wut entlädt sich in einem weiteren Kick, diesmal in die Bauchhöhle des am Boden liegenden Kens, ein weiteres Mal gehen Schotten zu Bruch, ebenso wie weitere Knochen Kens, der, als sein Körper zum Stillstand kommt, sich vor Schmerzen krümmend und windend, Blut spuckt. „Keine Sorge, du stirbst nicht, auch wenn du es verdient hättest. Erstens, weil du mich verraten hast und zweitens für deine unfassbare Dummheit. Sich die Zunge ausbeisen, NACHDEM man bereits alles gesagt hat! Wenn ich würde, wie ich könnte, wenn ich dürfte...!“ Ein weiterer Kick erschüttert Ken am Boden haftenden Körper, bevor Jona ihn an den Haaren packt und nach oben hebt, sodass er ihm ins zitternde Gesicht blickt, welches nach diesen Tritten von Blut, das aus den nun wieder geöffneten Wunden, verursacht durch Sadys Peitsche, an die Luft tritt, überströmt wird. „Aber ich brauche dich noch...“
Mit dem Gesicht voran wirft Jona den hochgehobenen Ken auf das Deck, wo er platschend in einem regelrechten See von Blut landet. Als er sein jetzt rotes Gesicht aufhebt, blickt er in die starren, toten Augen eines der vielen hundert Marinesoldaten. Sein Körper wurde von Jona regelrecht durchgebissen, ein gewaltiges, halbrundes Loch klafft an der Stelle, an der sich einst ein Arm befand. Mit entsetztem Gesicht weicht Ken zurück, rückwärts auf dem Boden kriechend entfernt er sich so schnell es ihm mit seinem ausgemergelten Körper möglich ist von der Leiche vor ihm. Erst als er einen Widerstand fühlt, wendet er sich um und bekommt ein ähnlich zugerichtetes Opfer Jonas zu sehen, dem Jona das rechte Bein abgebissen sowie den Hals zerfetzt hat.
Doch erst, als er die Augen von dem einzelnen Toten losreißen kann, erschließt sich ihm das ganze Ausmaß des Massakers, welches Jona in so kurzer Zeit angerichtet hat. In einem sich über das gesamte Deck erstreckenden Meer von Blut liegen die zerfetzten Kadaver hunderter Marinesoldaten herum, über denen sich ein kreischender Schwarm Möven, angelockt von der leichtverdienten, blutigen Tafel, kreist. Die von der gleißenden Sonne ohnehin schwere Luft ist trotz des Seewindes, der die zerfetzten Segel flattern lässt, vom Blutgeruch geschwängert.
Das Leid dieser Toten lässt ihn sich zusammenkauern, er zieht seine Beine an, seine Stirn wird gegen die Oberschenkel gepresst, seine Arme liegen verschränkt auf seinen Knien, während seine Kleidung beginnt, das Blut der umliegenden langsam aufzusaugen und somit an Kens Körper zu kleben beginnt.
„Nein. Nein, nein, nein. Das kann nicht Jona sein. Das darf nicht Jona sein.“
Einsam, wenn auch nicht allein, wankt sein Körper vor und zurück. Er hört das näher kommende platschende Geräusch, welches ihm verrät, dass sich Jona mit langsamen Schritten nähert.
„Das geht nicht. Jona ... Was hast du angerichtet? Was bist du?!“
Ein klapperndes Geräusch, gefolgt von schwerem Schlucken und einem erleichterten Seufzer dringen Ken noch ans Ohr, bevor das Platschen von Jonas Schuhen im Blut aufhört und er anfängt zu sprechen.
„Was hast du denn eigentlich, Ken? Das ist der Tod, und der droht jedem, der sich mir entgegenstellt oder oder mein Geschäft schädigt.“ Ken wendet sich um und blickt der schattenhaften Gestalt mit den wieder blitzenden Augen ins Gesicht.„Du hast ihn doch selbst hundertfach verursacht. Der Unterschied ist, dass ich, wenn es möglich ist, es bevorzuge, die Sache auf geradezu innige Weise durchzuführen. Wenn ich meine Zähne in den Feind schlage, spüre ich, wie sein warmes Blut mir in den Rachen fließt und schmecke, wie die Hormone seinen Körper zu fluten beginnen. Ich spüre das langsame Erkalten des Körpers, wie der Atem langsam flacher wird und wenn ich gut getroffen habe, kann ich sogar das schwächelnde Herzschlagen spüren.“ Bei diesen Worten liegt ein seltsamer, warmer Ton in Jonas Stimme, ein weicher Schmelz erfüllt sie und gibt Ken zu verstehen, dass er es genossen haben muss, seinen Kräften einmal freien Lauf zu lassen. Kens Haut wird immer bleicher, während er zu begreifen beginnt, was diese Worte für ihn und seine Zukunft bedeuten.
„Du“, fährt Jona mit wieder kühler Stimme fort, „hast immer nur auf Distanz getötet, du hast dem Tod nie ins Auge geblickt. Deine, nein, meine Waffe hat dich unantastbar gemacht, du hast unpersönlich getötet, ohne dem Opfer die Möglichkeit zu geben, sich zu verteidigen. Töten, das war für dich das Betätigen des Abzuges deiner Waffe. Für mich ist es ein, wie soll ich sagen, ein ... Akt größter Nähe im letzten Moment des Opfers, den es so lang es möglich ist, auszukosten gilt, sofern die Umstände es erlauben. So etwas hast du nie erlebt, der wohlige Schauer, der mich durchzuckt, ist dir fremder als jedem anderen, obwohl du ebenso tötest, und dass mit erstaunlicher Präzision und Effizienz. Nun komm, du hast noch was zu erledigen.“
Jona umschließt den Oberarm Kens, um diesen nun auf die Beine zu holen und ihn zu der Klappe im Stumpf des Hauptmastes zu führen, die auch das Ziel von Jonas letztem Opfer war. Im Rücken des Marinesoldaten klafft nun eine riesige Wunde, aus der ohne Unterlass Blut sickert, Fleischfetzen hängen aus ihr heraus. Ken hat die Augen fest geschlossen, er will von all dem Blut, all dem Tod nichts mehr sehen, doch umso stärker wirken nun das Kreischen der Möven, deren scharfe Schnäbel immer wieder auf die Toten herniederfahren, und der Blutgeruch auf ihn ein und projezieren das Blutband scheinbar gegen die Innenseite seiner Augenlider. Jona öffnet die Klappe, dahinter ruht eine Teleschnecke, ihr weißes Haus wird geziehrt vom Emblem der Marine, die Wählscheibe befindet sich an dessen rechter Seite.
„Also Ken, du wirst jetzt die Nummer deines Vorgesetzten wählen, verstanden?“
Jonas Stimme ist von Endgültigkeit erfüllt, wodurch Ken realisiert, dass er, will er weiterleben, keine Wahl hat, als Jonas Wunsch Folge zu leisten. Während er eine nur wenigen Männern bekannte Nummer wählt, schielt er heimlich zu dem grausam zugerichteten Marinesoldaten, der ihnen mit von Todesschmerz grässlich verzerrtem Gesicht zu Füßen liegt.
Ring, ring, ring. Ring, ring, ring. – Clank –
Hinweis: Da ich mich mit dem finden von Titel recht schwer tue, wer diese Geschichte von Anfang an mitverfolgt weiß das, habe ich mich dazu entschlossen, die Kapitelüberschriften, zu denen ich mich, nach mehrfachem Wunsch und trotz meiner anfänglichen Bedenken, ich könnte ohne es zu wollen spoilern, durchgerungen habe, mit einem Sternchen * zu kennzeichnen, wenn es sich um Arbeitstitel handelt.
Leviathan
Das gewaltige Schiff schneidet unter herrlich blauem Himmel durch die Wellen der See. Die riesigen, reinweißen Segel erheben sich, geziert von den Zeichen der Herrscher der Welt, majestätisch in die Höhe und scheinen im Sonnenlicht regelrecht von heiligem Licht erleuchtet.
Durch die Spalten zwischen den massiven Planken fällt nur wenig Sonnenlicht in den Bauch und die unteren Decks dieses schwimmenden Schlosses. Dunkel ist es dort unten. Hier spürt man nichts von der Schönheit der Welt. Die Luft ist stickig, es riecht nach Schweiß, Angst, Wut ... und verbranntem Fleisch.
Periodisch hallen Schreie durch die langen Korridore, die das gesamte Schiff durchziehen und Zugang zu den unzähligen, beengten Räumen bietet, in denen die Ware lagert. Immer, kurz nachdem ein weiteres Objekt eines dieser Quartiere verlassen musste, entweder unter Tränen, mit von Panik und Verzweiflung verzerrtem Gesicht, oder mit leeren, hoffnungslosen Augen, hört man im ganzen Schiff einen grausamen Schrei. Gefolgt von einer Wolke, die erneut den Geruch eines missglückten Bratens verteilt.
Ken ist Teil der Ware. Er gehört zu jenen, die hoffnungslos und mit leerem Blick ihr Los akzeptiert haben. Vor seinem geistigen Auge zerfällt seine Zukunft zu Asche, ein gewaltiges Feuer verzehrt alles. Alles, was er war. Alles, was er ist. Alles, was er hätte werden können. In ihm macht sich eine Leere breit, wie er sie noch nie füllte.
Wie er sie nie wieder fühlen wird, dessen ist er sich sicher.
„Los jetzt! Du bist dran. Beweg dich, niedere Kreatur, sonst...“ Ein Knall. Blut spritzt. Schreie. Ken erwacht, sein Sitznachbar fällt ihm auf den Schoß. Aus der Schusswunde zwischen seinen Augen quillt Blut hervor, das langsam an den jungen, dünnen Beinchen Kens
herabrinnt. Die kalten, hochmütigen Augen des ihm gegenüberstehenden Mannes in dem fremdartig wirkenden Overall und der Seifenblase auf dem Kopf ruhen auf ihm. Er fügt sich.
herabrinnt. Die kalten, hochmütigen Augen des ihm gegenüberstehenden Mannes in dem fremdartig wirkenden Overall und der Seifenblase auf dem Kopf ruhen auf ihm. Er fügt sich.
Er wird den Korridor entlang geführt. „Los jetzt, nicht einschlafen!“ Ein weiterer Knall, eine weitere Leiche. Aus dem Jungen ist bereits jeder Wille zum Weiterleben gewichen, so dass er den Toten erschreckend gleicht.
Währenddessen wird auf dem Meeresboden Schlamm aufgewühlt. Edles Schuhwerk drückt sich in den Boden, nur kurz überdauernde Spuren hinterlassend. Mit geschlossenen Augen spaziert ein Mann über den Boden der Tiefsee, beide Hände in den Taschen seines schwarzen Jetts. Eine breite,dreieckige Flosse erhebt sich aus seinem Nacken, drei Kiemenspalten sitzen an seinem Hals. Durch die blaue Haut verschmilzt er mit dem Wasser der Tiefe.
Unvermittelt bleibt er stehen.
Das Lied verstummt. Die Kiemen weiten sich. Er spürt eine Vielzahl an Menschen über ihm. „Da ist ... Angst. Gemeinsam mit Panik, Verzweifelung, Hoffnungslosigkeit, dem Wunsch nach Tod ... und ... Arroganz, Hochmut, Abscheu ... Ich bin da.“ Während er diese gedankliche Liste verfasst, verfinstert sich seine Miene.
Das Lied verstummt. Die Kiemen weiten sich. Er spürt eine Vielzahl an Menschen über ihm. „Da ist ... Angst. Gemeinsam mit Panik, Verzweifelung, Hoffnungslosigkeit, dem Wunsch nach Tod ... und ... Arroganz, Hochmut, Abscheu ... Ich bin da.“ Während er diese gedankliche Liste verfasst, verfinstert sich seine Miene.
Als er die Augen aufschlägt, scheinen sie vor Hass zu leuchten.
Seine Rechte geht nach vorn, den Handballen zur Oberfläche, nur Zeige- und Mittelfinger sind ausgestreckt.
Sie schnellen nach oben. Wasser rauscht.
Über Kens Rücken glüht das Brandeisen und taucht das Zimmer in bedrohliches Orange. „Beeilung! Ich will, dass er einsatzbereit ist, sobald wir zuhause ankommen!“ krächzt die Stimme des Mannes, der ihn vorher aus seinem Quartier holte. Ken spürt die Hitze, die das glühende Metall abstrahlt.
Unvermittelt geht ein Ruck durchs Schiff. Planken splittern, Wasser dringt ein.
Das Schiff zerbricht über die gesamte Länge, die majestätischen Segel, die das Schiff, Adlerschwingen gleich, über das Meer haben schweben lassen, zerreisen unter der enormen Kraft der aus heiterem Himmel über das Schiff hereinbrechenden Monsterwelle, und mit ihnen der Huf des aufsteigenden Drachen.
Krachend versinkt das Schiff in der Tiefe.
Ken und etliche andere treiben nun, geklammert an Reste der Beplankung, auf dem Meer. Sie mögen dem Sklavendasein entronnen sein, und dennoch ist ihre Zukunft ungewiss. „Das ist eine Katastrophe!“
Raymond schlägt wutentbrannt auf den massiven Bürotisch ein, hinter dem, in einem riesigen Drehsessel, sein Chef sitzt, den Rücken zu Ihm sowie seinen beiden Begleitern gewandt, durch das gewaltige Fenster seines Büros aufs Meer schauend, das sich mit heftiger Brandung gegen den Steilhang von White Tip Island wirft, auf dessen Spitze das riesige, aus Metall und Glas errichtete Haupt- und Verwaltungsgebäude der Carcharias Corp. thront. Auf dem Dach weht eine Flagge mit dem Emblem des Konzerns, ein von einem stilisierten Hai eingeschlossenes Fadenkreuz.„Und diese Frechheit lassen Sie sich einfach so bieten?“, richtet er sich direkt an seinen Chef, während knisternd Funken über seinen Körper, gekleidet in einen blauen, ölverschmierten Overall, an dessen Ellenbögen sich Ausbuchtungen für die dreieckigen Flossen seines Trägers befinden, und durch seine zu Berge stehenden Haare zucken.
„Jetzt schalt mal einen Gang runter, Ray“, erwidert Lorelei, die einzige Frau in dieser Runde, und gibt ihm einen leichten Schlag mit der langen, schleierartigen Schwanzflosse, welche die Schöne, die, getragen von einer Seifenblase um ihrer schmalen Taille, im Raum schwebt, als Meerjungfrau ausweist, gegen den Hinterkopf. Tatsächlich zeigt es Wirkung, zumindest äußerlich entspannt sich Raymond; der Funkenflug lässt nach.
„Aber die Frage ist berechtigt“, schaltet sich nun Benjamin ein, „ohne diesen Geldgeber ... Ist es jetzt überhaupt noch möglich 'Das Projekt' erfolgreich zum Abschluss zu bringen?" Dieser hat, im Gegensatz zu Raymond, während der Verkündung der Hiobsbotschaft innere Haltung bewahrt und sich langsam nach dem, wegen dessen Kurzschlussreaktion, zu Boden gesegelten Brief, der Auslöser des Aufruhrs ist, gebeugt, wobei sich die glücklicherweise verschlossenen Reagenzgläser in der geräumigen Brusttasche seines weißen Kittels hell klimpernd bemerkbar machten.
„Ich weiß nicht“, meldet sich nach einer kurzen Pause allgemeinen, angespannten Schweigens der Chef zu Wort, „wie es weitergeht, aber ich weiß, dass es weitergehen muss. Sie, Mr Raymond, Mr Benjamin und Mme Lorelei, haben zu viel Arbeit und Zeit und ich zu viel Geld investiert, als dass wir es uns leisten könnten, 'Das Projekt' nun einfach einzustellen. Wir was wir nun umso dringender brauchen, ist eine neue Geldquelle, darüber sind wir uns wohl einig.“ Während dieser Worte und unter dem Nicken der Anwesenden hat sich der Drehsessel langsam in Bewegung gesetzt und sich herumgedreht. Aus blauen Augen blickt Jona nun seine drei Vorstände an. „Bis sich uns eine neue Geldquelle eröffnet hat, werden Ihre Abteilungen“, dabei deutet er auf Raymond und Benjamin, „nicht an 'dem Projekt' weiterarbeiten. Wenden Sie sich, bis dieser Sachverhalt abschließend geklärt ist, Ihren, unseren früheren, Erfolg und Gewinn versprechenden Projekten zu. Sie, Lorelei, werden um neue Investoren für unser nun zwangsweise auf Eis gelegtes Großprojekt werben, in der Unterwelt, versteht sich. Spannen Sie alle Makler zu diesem Zweck ein.“
„Jawohl, Herr Generaldirektor“, antworten die drei völlig synchron.
„Das wars fürs erste.“ Mit einem Schwung seiner Hand weist Jona seinen Angestellten, dass sie sein Büro nun verlassen sollen, woraufhin sich alle drei zum Gehen abwenden.
„Ach, Benjamin, eins noch.“ Als sich der Angesprochene zum seinem Chef wendet, wirft dieser ihm ein kleines, zylindrisches, braunes Gefäß mit einem weißen Deckel zu. „Ich benötige Nachschub.“
„Ich hab Ihnen doch gesagt, sie sollen maßvoll mit dem Zeug umgehen. Das ist schon das dritte Mal in diesem Monat, dass Sie Nachschub ordern.“ Seufzend lässt Benjamin seinen Blick von dem Döschen zu seinem Chef, der bereits wieder auf das Meer hinausschaut, und zurück zum Döschen wandern. „Ich werde es der Werksapotheke weiterleiten. Heute Abend sollten Sie wieder versorgt sein.“
„Sag ihnen, sie sollen sich beeilen“, sagt Jona noch, bevor die schwere Metalltür mit der die Aufschrift „Generaldirektor“ tragenden Glasscheibe ins Schloss fällt und er mit geschlossenen Augen zu registrieren beginnt, dass die Schmerzen bereits seinen Körper zurückerobern.
Erst gegen Abend klopft es wieder an seiner Bürotür. Die Sonne beginnt bereits rot-golden am Horizont zu versinken, weshalb auch Jonas von Metall und Glas dominiertes Büro wie vergoldet erscheint.
Wegen seiner seit Mittag stetig stärker gewordenen Schmerzen ist Jona nur zu einem schwachen, zittrigen „Herein“ in der Lage. Sein ganzer Körper bebt, das ursprüngliche kräftige Blau seiner Haut ist einem fahlen, bleichen Farbton gewichen, Schweiß steht auf seiner Stirn und würde ihm brennend in die Augen fließen, wären diese nicht krampfhaft verschlossen. Unter seinem Drehsessel hat sich eine regelrechte Lache herabgetropften Schweißes gebildet. Man kann die Qualen, die er schon seit einigen Stunden still erträgt, geradezu riechen. Nun aber ist er gezwungen, den Schmerzen zu widerstehen und die Augen zumindest einen Spalt breit zu öffnen.
Ein Mann in weißem Kittel und mit einem silbernen Tablett in seinen Händen steht in der Tür, auf dem Tablett ruht das braune Döschen, dass Jona vor Stunden weggeben musste, gefüllt mit neuen, weißen Pillen.
Als Jonas Blick darauf fällt, gibt es für ihn kein Halten mehr. Gierig, mit einem an ein wildes, ausgehungertes Seemonster erinnernden Blick stürzt sich der hochgewachsene, schlanke Fischmensch auf den von ihm herbeigesehnten Boten oder vielmehr auf seine Medikamente. „Her damit!!“ Blitzschnell ergreift er das Döschen, schnippt den weißen Deckel auf, schüttelt sich mit der Rechten fünf Pillen in die vor Schmerz und Verlangen bebende linke Handfläche und schluckt sie hastig herunter.
Schnell beginnen die Pillen zu wirken. Seine Gesichtszüge normalisieren sich, das bis eben noch fahle Blau-Grau seiner Haut gewinnt langsam, aber deutlich sichtbar wieder an Tiefe, mit den Schmerzen lässt auch das Zittern seines Körpers nach. Langsam bewegt er sich auf seinen Schreibtisch zu und stellt das Döschen dort ab.
Erst als er sich in seinen Sessel fallen lässt, bemerkt er, dass sich der Bote, der ihm die ersehnte Linderung herangeschafft hat, nicht von der Stelle bewegt hat. Sein leerer Blick und die Blässe seines Gesichtes verraten, dass er von Jonas Explosion gleichermaßen überrascht wie schockiert, sogar eingeschüchtert ist.
„Ist noch was?“
Blinzelnd kommt der Bote wieder zu sich. „Äh ... Nein, Herr Generaldirektor.“
„Sie sind erschrocken, nicht wahr?“
„Nun, äh ... Kann ich darauf richtig antworten?“
„Bemühen Sie sich nicht. Ich spüre ihre Angst sehr deutlich.“ Während er dies sagt, entnimmt er dem Döschen mit Daumen und Zeigefinger eine weitere Pille und hält sie sich vor Augen. „Wirklich erstaunlich, dass ein paar dieser kleinen Pillen einen solchen Effekt haben können. Bis gerade eben war ich das Opfer meines eigenen Körpers, meines Folterknechtes, doch jetzt fühle ich mich wirklich wohl. Aber genug davon. Los, zurück an Ihre Arbeit. Und entrichten Sie Mr. Schneider meinen Dank. Sein Mittel wirkt noch immer Wunder. Losjetzt.“
„Sofort, Herr Generaldirektor“, erwidert der Bote, noch immer etwas verängstigt, bevor er aus Jonas Büro verschwindet.
Nun, da sich sein Zustand normalisiert hat, vermag dieser wieder einen klaren Gedanken zu fassen. „Was denken die sich dabei“, fragt er sich, seine Stimmung wandert zwischen Fassungslosigkeit und Zorn, während er sich den Brief, den Grund seines Unmuts, wieder zu Gemüte und vor die Augen führt. Er verfügt weder über Unterschrift noch Absender, doch als Folge einer drei Jahre andauernden Korrespondenz erkennt er die Handschrift. „Warum lassen sie Ken mir so etwas schreiben?“
Der Brief enthält nur ein Wort, doch dieses bedeutet für Jona einen unfassbaren Verlust. Auf dem Papier steht:
„Abbruch.“
Jona weiß genau, was das bedeutet. Es bedeutet, dass der wichtigste Investor und Interessent des von ihm persönlich mit Herzblut vorangetriebenen Großprojektes, das, dereinst fertiggestellt, in der Lage sein sollte, der bis dato schrecklichsten Waffe der Welt und dem wichtigen Machtinstrument ihrer Beherrscher, dem Buster Call, Paroli bieten zu können, abspringt. Gerade jetzt, als nach dreijähriger Planung und Entwicklung, beides ist auf Kosten von Jona und seiner Firma erfolgt, mit der Verwirklichung begonnen werden sollte. Diese ist jedoch, ohne die Beteiligung dieses Investors praktisch unmöglich, sodass dessen Absprung und eine damit verbundene Einstellung seines Lieblingsprojektes so kurz vor dem eigentlichen Baubeginn für ihn als Geschäftsmann und seinen über Jahre aufgebauten Konzern, die Carcharias Corp., ein Desaster wäre, flossen doch fast alle Einnahmen aus den Geschäften der vergangenen Zeit in dessen Entwicklung und Planung. Dieses große Projekt, das Jona sowohl dem eigenen Ziel wie auch den Investor dem seinen näher bringen sollte, droht nun, durch diesen Brief, zu einer in dutzenden Plänen und noch weit mehr Berechnungen festgehaltenen Gruft für Milliarden an Berry zu mutieren, zu einem sich nun vor Jonas geistigem Auge erhebenden Monster, dessen Krallen und Zähne nach seiner Existenz, seinem Lebenswerk greifen und sie zu zerfleischen drohen.
Von seiner Wut, seiner Fassungslosigkeit, aber auch von Wissbegierde über das Motiv seines Geldgebers getrieben, holt Jona schließlich seine Weiße Teleschnecke aus einer Schublade seines Schreibtisches hervor und wählt eine nur ihm bekannte Nummer.
Als am anderen Ende der Leitung abgenommen wird, platzt es so laut aus ihm heraus, dass sein Ausruf durch gesamte Dachgeschoss seines Gebäudes hallt und seine spitzen Haifischzähne im letzten einfallenden Sonnenlicht aufblitzen: „Was denken Sie sich eigentlich?!“
Schüsse knallten, Kugeln pfiffen durch die Luft und durchlöcherten Mann um Mann. Metall glitt über Metall, schon war der Gegner mit nur einem Streich zweigeteilt, in sich zusammensackend entlies er seinen letzten Atemzug. Im von Blut und Schweiß schlammig gewordenen Boden versanken die Stiefel und verlangsamten die Kämpfer, die dadurch für die feindliche Artillerie zum umso leichteren Ziel wurden.
Auch wenn sich Ken nicht inmitten des eigentlichen Schlachtgetümmels befand, durch das Zielfernrohr seines hochmodernen Präzisionsgewehrs erkannte der Scharfschütze jedes Detail des Grauens dieses Krieges, während er die gegnerischen Linien, Schuss um Schuss, ausdünnte.
Das von ihm verwendete Gewehr war allem, was er bisher an Schusswaffe in den begnadeten Händen hielt, weit überlegen. Speziell für den Gebrauch von Scharfschützen entwickelt, ermöglichte es eine Reichweite und Präzision, wie sie mit jeder anderen Waffe nahezu unmöglich sind und in den Händen eines Ausnahmetalentes, wie Ken eines ist, zu einer praktisch unbesiegbaren Waffe mutierte. Immer wieder betätigte er den Abzug und jeder Schuss traf das Ziel direkt zwischen die Augen. Mensch um Mensch, Mann um Mann, Feind um Feind, Ziel um Ziel ging blutend zu Boden. Ken wurde schneller, präziser und kaltblütiger. Gelegentlich sah er, wie ihm seine Kameraden dankend zuzuwinken schienen. Dann umspielte ein Lächeln seine Lippen, bis das nächste Ziel anvisiert war.
„Suchen, zielen, liquidieren. Suchen, zielen, liquidieren. Suchen, zielen, liquidieren.“
Als er angefangen hat, für Freiheit, für eine neue Welt zu kämpfen, hatte er noch Skrupel. Akribisch dokumentierte er, wie viele er tötete sowie persönliche Merkmale seiner Opfer, um am Abend für jeden von ihm Getöteten einzeln zu beten. Als die großen Bücherregale die Last nicht mehr tragen konnten, gab er dieses Unterfangen auf, wurde skrupelloser beim Verrichten seines Dienstes für seine Retter, die ihn einst aus dem Meer fischten. Schnell stieg der stets schmächtig gebliebene Junge auf, der, außerhalb des Schlachtfeldes gezwungen ist, wegen seiner Weitsichtigkeit eine dicke Brille zu tragen, und sich dennoch, oder gerade deshalb, schnell als wahrer Meister an Pistole, Gewehr und Kanone entpuppte, der selbst weit entfernte Ziele mit nur einem Schuss zu vernichten vermag.
Jeder Kämpfer zog frohen Mutes in den Kampf, wenn er sich des Schutzes durch Kens Gewehr sicher sein konnte. Die Männer vertrauten Ken und er vertraute auf sein Können und seine Waffe, ein „Barracuda“, gefertigt in den Manufakturen der Carcharias Corp. des Jona Sargasson, ein wahres Spitzenprodukt, ein empfindliches, neues Instrument im Orchester des Todes und eine dominierende Stimme in der Sinfonie dieses Krieges.
Seine Waffe und sein Talent ermöglichten ihm auf jedem Schlachtfeld die uneingeschränkte Herrschaft über Leben und Tod, jeder Feind war seiner Gnade ausgeliefert. Er hat angefangen, es zu genießen, das Lebenslicht eines jeden auslöschen zu können, ohne sich selbst in Gefahr begeben zu müssen, unantastbar über Leben und Tod entscheiden zu können. Er begann, sich als Gott zu fühlen, eine Tatsache, die ironischerweise in krassem Widerspruch zu seinem Unheil verheißenden Spitzname steht: 'Teufelsauge'.
An jenem schicksalhaften Tag jedoch passierte, von dem man überzeugt hätte sein können, dass es vollkommen unmöglich ist. Ein brennender Schmerz durchzuckte plötzlich seinen Körper, eine warme Flüssigkeit rann seinen linken Arm herab. Schockiert registrierte er die Schusswunde in seiner Schulter. Er wendete sich um und blickte in das erfreute Gesicht eines Mannes im schwarzen Anzug mit dem hellgelben Emblem der Weltregierung, mit einem noch rauchenden Gewehr im Anschlag und im Kreise seiner Kameraden, alle in den selben Anzügen, alle die Mündung ihrer Waffe auf Ken richtend...
„Der Gott ist gefallen, was?“, hatte man ihn spöttisch willkommen geheißen, bevor man ihn in die ewige Finsternis des Levels 6 von Impel Down brachte. „Ein angemessener Platz für einen Feind der Regierung wie dich, 'Teufelsauge' Ken. Was meinst du?“, wandte sich Hannyabal an seinen neuesten Gefangenen. „Bis zu deiner Verurteilung und Hinrichtung wird es etwas dauern“, hatte er Ken prophezeit, „vorher wollen wir noch einiges von dir wissen.“
„Niemals werde ich irgendetwas verraten!“, schrie er ihm entgegen.
„Abwarten“, entgegnete er ruhig, „Wir haben Mittel und Befugnisse. Du wirst reden.“
Das ist nun bereits Wochen her, und von dem einstigen Teufelsauge ist, körperlich wie seelisch, nicht mehr viel übrig.
Er hängt, gehalten von um seine Handgelenke gewundenen Ketten, frei im Raum. Sein eigenes Gewicht zieht an ihm, brachte seine Schultern zum Auskugeln und droht nun, die Wirbelsäule zu zerreißen. Unter den vernichtenden Hieben der Wächterbestien sind seine Gliedmaßen und Rippen zerschellt, die unbarmherzigen, scharfen Peitschenhiebe Sadys schlagen tiefe, stark blutende Wunden in seinen Körper.
Trotz dieser wochenlang ununterbrochenen Folter hat er bisher nichts über die Revolutionsarmee preisgegeben, doch zehren Isolation und vor allem der wachsende Hunger und Durst an seinen Nerven und machen ihn, langsam, aber stetig mürbe.
Immer und immer wieder kehren seine Peiniger gemeinsam mit Hannyabal, der die Verhöre höchstpersönlich durchführt, zurück, bringen immer neue, grausamere und sadistischere Ideen mit, um ihm körperlichen wie seelischen Schmerz zuzufügen.
„Jetzt sag uns endlich was wir wissen wollen“, wird er immer wieder gefragt, und immer wieder wird ihm zu dieser Frage seine Waffe gezeigt, „woher bezieht ihr diese Waffen? Wer beliefert euch, wer stellt diese Waffen für euch her?“
Ken schweigt. Aus leeren Augen starrt er gequält zu Boden. Er weiß, dass die Arbeit der Carcharias Corp. mit ihren geheimen Waffen-Manufakturen vor der Weltregierung unter allen Umständen verborgen bleiben müssen.
Aber er weiß auch, dass er nicht mehr lange zum Durchhalten fähig ist. Sein ganzer Körper ist vor Hunger ausgezehrt und schmerzt höllisch, sein Geist hat die im Feld mühsam antrainierte Erhabenheit über die Dinge vollständig abgelegt, zusätzlich vergiftet die noch immer in seiner Schulter steckende Bleikugel seinen Körper. Er leidet.
In ihm hat sich ein Gefühl einer Leere breitgemacht, wie er sie seit Jahren nicht mehr spürte.
Wie er sie nie wieder spürten würde, dessen war es sich sicher. Damals.
Verzweifelt beginnt er still zu weinen, als Sadys Peitsche unter deren Gelächter wieder zu schnalzen beginnt und ihm, Hieb um Hieb, das Fleisch vom Rücken reißt und sein Blut an den Wänden und über den Boden verteilt.
„Hat er endlich geredet, Sady-chan?“, fragt Hannyabal, als diese mit blutbespritzer Kleidung, das Zimmer verlässt.
„Leider nein, er hat sich sogar geweigert zu schreien! Dabei hatte er immer so schöne, Mmmmhhh~<3, so klare Schreie von sich gegeben...“, gibt diese zur Antwort, wobei sie, beim Gedanken an Kens Stimme, beinahe hinweggeschmolzen wäre.
Hannyabal überlegt kurz, bevor er sich an zwei Wachen wendet: „Nun, gut, dann werden wir einen Gang hochschalten ... Hohlt mir sofort eine Feuerschale mit glühenden Kohlen sowie Brandeisen.“
„Ja, Herr Direktor“, geben die Wachen zur Antwort und verschwindet, um kurz darauf mit einer metallenen Schale zurückzukehren, darin gleißend glühende Kohlen und zwei Brandeisen, eines als Stempel, das andere als Spieß gedacht. Mit diesen Werkzeugen kehren Sady und Hannyabal in die Folterkammer zurück, die von der beißend heißen Glut sofort in bedrohliches Orange getaucht wird.
Kens verzweifelte Resignation schwingt plötzlich in panische Angst um. Bilder aus einer längst verdrängten Vergangenheit drängeln sich wieder ans Licht. Von Männern in weißen Overalls, von Enge, von spritzendem Blut, von Tod.
Ohne zu wissen, was er in Kens Psyche anrichtet, hat Hannyabal es geschafft, ein altes Trauma wiederzuerwecken, so wie man eine alte Wunde aufreißt.
„Nein, NEEIIIINN!!!!“, brüllt Ken nun, wahnsinnig vor Panik und mit Schaum vor dem Mund, er beginnt zu toben, was die Ketten an seinen Handgelenken sich enger um diese schlingen lässt, „Nehmt das da weg! Ich bitte euch, ich flehe euch an.“ Ken ist nun seelisch vollkommen am Ende. „Ich werde euch alles erzählen, aber bitte, nehmt das da weg...“
Mit vor Verblüffung offenstehendem Mund und ungläubig auf den bis vor kurzem noch so widerstandsfähigen Gefangenen starrend, stehen Hannyabal und Sady eine kurze Zeit wie gelähmt da, bevor sich ein selbstsicheres, selbstzufriedenes Grinsen auf dem Gesicht des Direktors von Impel Down breitmacht. Siebzehn Tage langes Foltern scheint damit ein Ende zu finden.
„Na bitte, geht doch! Also, zurück zu meiner Frage, wer beliefert euch?“
Keuchend erzählt Ken alles, getrieben von der panischen, kopflosen Angst, wie sie ein Reh empfindet, wenn es sich von Feuer eingeschlossen wiederfindet, die noch immer in den glühenden Kohlen steckenden Brandeisen könnten doch noch zum Einsatz kommen.
„Und wie können wir uns sicher sein, dass du nicht lügst?“ Eine Frage, die Hannyabal routinemäßig stellen muss. Keiner der Anwesenden glaubt ernsthaft, der noch immer völlig aufgelöste Ken wäre im Moment zu einem solchen Täuschungsmanöver fähig.
„Glaubt mir“, erwidert Ken flehend und wimmernd, „ich habe nicht gelogen! Bitte, so glaubt mir doch!“ Seine tränengefüllten Augen liegen abwechselnd auf Hannyabal und auf Sady, die lustvoll mit den Brandeisen in den Kohlen rührt und mit größtem Genuss Kens Miene, die sich darin spiegelnde Verzweiflung und Furcht, studiert.
„Machen wir einen Test“, spricht der Direktor, bevor er sich an die Wachen wendet, „Bringt mir und einen Stift. Und sorgt dafür, dass er schreiben kann.“ Wieder Ken ins Gesicht blickend, erklärt er ihm, er solle einen Brief an den Lieferanten schreiben, kurz und knapp, höchstens drei Worte, um es ihm unmöglich zu machen, eine geheime Nachricht zu senden. „Du wirst ihn so schreiben, dass dieser angebliche Jona Sargasson außer sich geraten muss und sich zur Kontaktaufnahme gezwungen sehen wird. Du sagst, er erkenne deine Handschrift und würde sich in dringenden Fällen per Teleschnecke melden? Nun, gut, dass deine beschlagnahmt wurde. Meldet er sich, wissen wir, dass du die Wahrheit gesagt hast. Meldet er sich nicht, dann versuchen wir es nochmal. Ich könnte mir gut vorstellen, Sady-chan würde sich wirklich freuen, die Schreie zu hören, die du bei einer Verbrennung von dir gibst.“
Nachdem Kens Arm von der Fessel gelöst und eingerenkt wurde, gibt man ihm Zettel und Stift. Schnell, mit vor Schmerz und Panik bebender Hand, schreibt Ken, noch immer beherrscht von seinen Instikten und seinem Trauma und daher hörig, nur ein Wort nieder:
Abbruch.
Als die Wachen die Folterkammer verlassen, natürlich nicht ohne Kens Arm wieder zu fesseln, und die Feuerschale mit den Brandeisen mitnehmen, kommt Ken wieder zu Bewusstsein.
Fassungslos über sich selbst und seine Schwäche im entscheidenden Moment, bricht er in sich zusammen. Hemmungslos beginnt er zu weinen und in sich hinein zu schreien, als er begreift, was er gerade angerichtet hat, dass er gerade einen der wichtigsten Verbündeten der Revolutionäre ans Messer geliefert hat. Plötzlich spürt einen neuen Schmerz, Blut beginnt seinen Mund zu füllen. Er wird von einer gnädigen Ohnmacht empfangen, die alle Kraft und jede Spannung aus seinem Körper schwinden lässt, wodurch sein Kiefer aufklappt und eine große Menge Blutes unaufhörlich zu Boden fließt. Inmitten der entstehenden, stetig wachsenden Lache liegt Kens Zunge. „Das hätte viel früher passieren müssen“, denkt er, von nun an zum ewigen Schweigen verdammt, bevor er in eine alles umfassenden, stille Schwärze eintaucht.
„Was denken Sie sich eigentlich?!“
Dieser Satz reißt Ken erst am späten Abend aus seiner Bewusstlosigkeit. Hannyabal steht vor ihm, in den Armen trägt er eine Ken nur allzu gut bekannte Teleschnecke, nämlich seine. „Jona! Verdammt...“
Zu sprechen ist nicht nötig, seine Mimik spricht Bände. Sie zeigt Hannyabal, was er sehen wollte.
„Guten Abend, Mr Sargasson.“
Schweigen.
„Sie sind nicht Ken. Ich muss ihn sofort sprechen. Wer sind Sie?“
„Ich fürchte, das mit dem Sprechen hat sich auf immer erübrigt. Der Gute hat sich vor ein paar Stunden leider die Zunge abgebissen.“ Ein herzhaftes Auflachen zwingt Hannyabal dazu, seinen Satz kurz zu unterbrechen, während aus Jonas Gesicht die Farbe zu weichen beginnt. „Und um auf Ihre Frage nach meiner Persönlichkeit zu antworten“, fährt er nun fort, „hier spricht Hannyabal, Direktor von Impel Down! HAHAHAHAHAHA...!“
– Clank–
Jona lehnt sich in seinen Sessel zurück, wissend, dass dieses Telefonat ihm zwar die gewünschten Antworten bescherte, die Situation aber nochmals wesentlich verschärft hat. „Unfassbar, dass ich auf einen solchen Trick reingefallen bin... Jetzt habe ich ein richtiges Problem...“
Das braune Döschen, nach dem Schlucken dreier Pillen, die die Blässe aus seinem Gesicht und die sich wieder meldenden Schmerzen aus seinem Körper treiben, in der Innentasche seines Jacketts verstauend, versetzt Jona seinem Drehsessel einen kleinen Stoß, so dass er die Rückenlehne zur Bürotür wendet und Jona den Blick auf das Meer ermöglicht. Dieses erscheint nun, da die Sonne schon längst vollkommen hinter dem Horizont versunken ist, vollkommen schwarz und wäre vom wolkenverhangenen und damit sternlos erscheinenden Himmel nicht zu unterscheiden, würde die See nicht geradezu kochen. Mit unfassbarer Gewalt, wie von Wut rasend, wirft sich die Brandung gegen den Steilhang von White Tip Island, sodass die Gischt selbst das hoch über der Wasseroberfläche liegende Fenster von Jonas Büro befeuchtet. Jona erhebt sich aus seinem Sessel und öffnet das Fenster, sogleich schlägt ihm die Gischt ins von der markanten, scharfkantigen Nase, die mit der fliehenden Stirn und den nach hinten gekämmten Haaren fast eine Gerade bildet, und zwei Narben, einer sich von der rechten Braue über die Nase bis zum linken Mundwinkel ziehenden und einer kreuzförmigen auf der rechten Wange, dominierte Gesicht. Er saugt frische, salzige Seeluft in die Lungen, bevor er sich wieder setzt, die Augen geschlossen, sich mit Zeige- und Mittelfingern die Schläfen massierend.
„Ich benötige jetzt Ruhe.“ Die rechte Hand entfernt sich von ihrer Schläfe und wird, die zunächst gekrümmten Finger zum Fenster und damit zur brüllenden See ausgerichtet, ruckartig angespannt.
Sofort kehrt Stille ein. Freundlich und friedlich liegt die See um White Tip Island nun da, die Brandung ist verstummt. „Ah“, seufzt Jona, „Balsam für die Seele, diese Ruhe“, die Rechte wieder zur Schläfe führend.
Erst, als er endlich in einen unruhigen, wenig erholsamen Schlaf gesunken ist, beginnt sich die See wieder zu regen, um kurz darauf wieder mit der anfänglichen Intensität gegen den Steilhang anzurennen.
„Wie gedenken wir nun vorzugehen?“ Diese Frage schwebt über den Köpfen der zahlreichen Marineoffiziere, die, unter Vorsitz von Großadmiral Sakazuki und per Teleschnecke mit den Fünf Weisen in Verbindung stehend, über die Informationen aus Impel Down beraten. Man sitzt an einem langen, in der von der frühen Morgensonne glänzenden Tisch, an jedem Platz befindet sich eine kleine Keramikflasche, darin Sake von höchster Qualität, dessen alkoholischer Geruch bereits den Konferenzsaal erfüllt hat, sowie jeweils eine kleine, rote Porzellanschale, von einigen der Anwesenden schon des Öfteren zu den Lippen geführt. Edles Texil schmückt den hellen, offen wirkenden Raum und an einer Wand, direkt über dem Kopf des Großadmirals prangt das Zeichen der Marine gemeinsam mit ihrem Slogan und Motto: dem Kaligrafiezeichen für „Gerechtigkeit“.
Es könnte eine freundliche Gesellschaft in eleganter Umgebung sein, wären da nicht die ernsten Gesichter der Beteiligten, hauptsächlich Vizeadmiräle neben den Admirälen Borsalino und Issho, und das „Barracuda“, das mittig auf dem Tisch liegt und einige heimliche, aber bewundernde Blicke auf sich zieht. Über dieses sowie die bekannten Informationen der Carcharias Corp. werden in diesem Moment alle Beteiligten von Brandnew unterrichtet, aufmerksam wird die Tafel, auf der alle Informationen nochmals zusammengefasst illustriert werden, studiert und dem Vortragenden Gehör geschenkt.
„ ... soweit die Ergebnisse der Untersuchung dieses Gewehrs durch die wissenschaftliche Abteilung“, beendet er soeben seine Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse über die Carcharias Corp. und setzt sich an seinen Platz. Sofort hält Getuschel Einzug, die Diskussion hat, zumindest zwischen einzelnen Anwesenden bereits begonnen.
„Ich sehe kein Problem darin, diese ganze Insel, die sich den Revolutionären und damit dem Bösen so vollständig verschrieben hat, von der Landkarte zu tilgen. Ich plädiere für einen sofortigen Buster Call. Eine Vernichtung der für die Revolutionäre offenbar wichtigen ansässigen Waffenindustrie würde uns im Kampf gegen diese Teufel sicher einen entscheidenden Schritt weiter bringen.“ Mit der gewohnten Radikalität stellt der Großadmiral seine Meinung in den Raum, die zunächst Ruhe in den Raum zurückkehren lässt, begleitet von einigen nickenden Köpfen.
„Ich behaupte nicht, dass es diese Insel nicht verdient hätte“, erwidert, nach einer kurzen Zeit allgemeinen Schweigens, Vizeadmiral Kranich, sich aufsetzend und mit verschränkten Armen, „durch einen Buster Call vernichtet zu werden. Aber wäre es nicht auch eine Überlegung wert, diese Insel nur zu erobern, statt alles in Grund und Boden zu schießen?“ Alle Augen sind auf die junggebliebene, erfahrene Offizierin gerichtet, jeder der Anwesenden schenkt ihr gleichermaßen Gehör, beeindruckt von ihrer Courage, dem radikalen Großadmiral zu widersprechen. „Oft wurden wir Zeuge“, fährt sie fort, ihren Blick auf die Waffe gerichtet, „wie nur eine Hand voll revolutionärer Scharfschützen, ausgerüstet mit diesen Gewehren, ganze Bataillone unserer Soldaten zerschossen hat, bevor diese überhaupt in die Nähe des Feindes kommen konnten, selbst die Panzerung der Pacifistas wurde von diesen Waffen ohne Probleme durchschlagen. Vonseiten der Wissenschaftsabteilung hast du, Brandnew, eben noch verlautbaren lassen , dass dieses Gewehrt technisch den unseren nur wenig voraus ist, sondern der Unterschied hauptsächlich in der Qualität des Materials und der Verarbeitung liegt. Dieses Wissen, diese Möglichkeiten mitsamt der Insel zu vernichten, käme in meinen Augen einer verschwendeten Chance gleich, uns kostengünstigen und zeitnahen Zugriff zu einer stärkeren Bewaffnung zu verschaffen.“
„Du meinst also“, unterbricht nun Vizeadmiral Momonga seine Kollegin, „es wäre für uns besser, die Insel und damit die Carcharias Corp. in unseren, das heißt in den Besitz der Weltregierung zu bringen?“
„Exakt, Momonga.“, erwidert sie, bevor Sie rein optisch wieder zusammensackt, die Ellenbögen auf den Tisch gestützt, die Finger vor dem Mund verschränkt. „Ich plädiere also für eine Invasion der Marine auf White Tip Island. Nach der Exekution Jonas, des Kopfes dieser Schlange, würde man die Firma in den Besitz der Weltregierung übergehen lassen. Somit würden ab sofort für uns diese Gewehre, wahrscheinlich auch einige andere Waffen, von denen wir einfach noch nichts wissen, produziert, wir würden die Kontrolle über der Schlange Giftzähne bekommen. Über diese Firma und deren Personal wissen wir zwar nur das, was dieser Ken mittlerweile preisgegeben hat, aber ich rechne nicht mit ernstzunehmenden Widerstand. Das sind Fabrikanten, Hersteller, Geschäftsleute, aber keine Kämpfer. Es sollte uns also nicht schwer fallen, diese Insel zu übernehmen."
„Das Böse muss restlos von dieser Erde getilgt werden, damit die Absolute Gerechtigkeit siegen kann!“ Der Großadmiral hat, obwohl auch ihm das Bild einer Marine, ausgerüstet mit diesen in jeder Hinsicht auf Höchstleistung getrimmten „Barracudas“ und anderen, ähnlich tödlichen Waffen, durchaus gefällt, das Wort ergriffen. „Es wird nicht ausreichen, nur die Führungsebene auszulöschen! Schon der Gedanke, dass auf dieser, vom Bösen durchtränkten Insel, für uns, die Verfächter, die Verkörperung der Gerechtigkeit produziert werden soll, widert mich an. Unsere Waffen müssen von reinen, guten Händen stammen, doch die Hände aller auf dieser Insel sind befleckt.“ Während dieser Worte wurde der Teppich zu Füßen des Großadmirals angesenkt, so dass sich nun der Geruch von verbrannter Seide im Konferenzraum breitmacht.
„Ich stimme dem Großadmiral zu. Etwas so böses wie eine Waffenfabrik unter der Kontrolle der Revolutionäre, die überdies in der Lage ist, derart erschreckende Waffen wie das da“, angewidert deutet Vizeadmiral Onigumo auf das „Barracuda“, „zu fabrizieren, hat jede Daseinsberechtigung verspielt und es verdient, vom Feuer der Gerechtigkeit verzehrt zu werden. Auch mir erscheint ein Buster Call als die günstigste und richtige Lösung dieses Problems!“
„Aber Du wirst doch nicht leugnen können“, erwidert Vizeadmiral Comil seinem Kollegen, „dass die Vorstellung einer Armee künftiger Marinesoldaten, ausgerüstet mit eben diesen Waffen, die selbst einen Pacifista ausschalten können, nicht schlecht ist. Die Verbrechen der Carcharias Corp. müssen natürlich um jeden Preis gesühnt werden, aber es wäre wirklich vorteilhafter, diese Firma in unseren Besitz übergehen zu lassen.“
„Hier geht es nicht um uns oder unsere Interessen!“ Zorn spiegelt sich im Tonfall Onigumos wider. „Die Absolute Gerechtigkeit lässt keine andere Lösung als die vollständige, restlose Zerschlagung der Carcharias Corp. zu, wie sie nur durch einen Buster Call gewährleistet werden kann!“
Als sich auch die meisten anderen Anwesenden in diese an Lautstärke stetig wachsende Diskussion einzuschalten beginnen, still beobachtet von der regungslos sitzenden Kranich, breitet sich eine chaotische, aufgeheizte Stimmung aus, unter der die sich zunehmend ballende Faust Sakazukis langsam rotglühend zu verflüssigen beginnt.
„Ruhe!“ Unter diesem, von einer kleinen Eruption aus seiner Schulter heraus begleiteten Ausruf Sakazukis kehrt wieder Ordnung in die Versammlung zurück. Die Ausrufe, die gesamte bis eben noch lautstark und energisch geführte Diskussion scheint vollständig von Magma verzehrt worden zu sein. Mit dem einkehrenden Frieden entspannen sich Sakazukis bis eben verhärtete Gesichtszüge, seine Faust bekommt wieder ihre feste Form, öffnet sich aber nicht.
„Verzeih mir, Großadmiral“, bricht jetzt Admiral Issho das Schweigen, sich an seinen Vorgesetzten wendend, „Auf der Basis der uns vorliegenden Informationen geht nicht zweifellos hervor, in wie weit die Revolutionäre Einfluss ausüben. Es ist nicht auszuschließen, dass nur die bereits von Brandnew benannten Vorstände Lorelei, Raymond und Benjamin von der Zusammenarbeit von Carcharias Corp. und Revolutionsarmee wissen. Wenn dies der Fall sein sollte, so würde ein Buster Call zwar einen harten Schlag gegen die Revolution bedeuten, aber auch unzählige der Unschuldigen mit in den Tod reißen, die nicht von dieser Zusammenarbeit wussten und denen unser Schutz gelten sollte und muss. Insofern wäre eine Invasion und Besetzung nicht nur zukunftsorientierter, sondern man würde auch unnötige zivile Opfer, die ein Buster Call zwangsläufig mit sich bringt, vermeiden. Daher unterstütze ich den Vorschlag von Kranich nachdrücklich.“ Dankbarkeit spiegelt sich ob dieser Worte in den faltigen Gesichtszügen der Vizeadmirälin, bevor der Großadmiral wieder das Wort ergreift.
„Unwissenheit wird unter meinem Kommando niemals eine Ausrede sein! Selbst wenn es so sein sollte, wie du sagst, dann ändert dies nichts an der Tatsache, dass die Arbeiter der Carcharias Corp. für die Revolutionäre produzieren und sie folglich Feinde der Regierung und der Gerechtigkeit sind, unabhängig davon, in wie weit die darüber Bescheid wissen, für wen sie da produzieren. Daher beharre ich auf meiner Meinung und ordne hiermit in meiner Position als Großadmiral den Buster Call gegen White Tip Island...“
Als sich plötzlich der Mund der Teleschnecke mit Verbindung zu den Fünf Weisen zu öffnen beginnt, kehrt schlagartig Ruhe ein.
Alle starren gespannt auf das edel wirkende Weichtier mit dem weißen, seidigen Bart, selbst der blinde Issho öffnet die in ewiges dunkel gehüllten Augen und wendet den Kopf der Teleschnecke entgegen.
„Wir“, beginnt einer der Weisen, „stimmen mit Sakazuki und Onigumo darin überein, dass die ganze Insel durchaus die Vernichtung verdient hätte. Ein Eiland, das derart vom Einfluss der Revolutionäre durchtränkt ist und auf dem zusätzlich Waffen von solch erschreckender Wirkung hergestellt werden, was eindeutig als Förderung von Rebellion zu verstehen ist, sollte nicht länger existieren. Aber ...“, durch eine kurze Pause in seiner Rede hört man deutlich den Nachhall, der einen Eindruck von der Größe des Saales vermittelt, von dem aus die Fünf Weisen zu der Versammlung sprechen, „Vizeadmiral Kranichs Vorschlag erscheint uns sinnvoller als die stupide Zerstörung dieser Insel mitsamt ihrer Kenntnisse in puncto Waffentechnik. Wir können es nur befürworten, wenn die Fabriken, in denen diese Waffen hergestellt werden, in unseren Besitz übergehen, zumal es uns die sicherlich kostspielige und zeitaufwendig Forschungs- und Entwicklungsarbeit abnimmt, die nötig wäre, um mit diesen Waffen gleichzuziehen. Allerdings erscheint uns, vor diesem Hintergrund wohlgemerkt, eine breit angelegte Invasion als unverhältnismäßig, geht es doch dabei nur um den Kopf eines Firmenchefs. Daher ordnen wir hiermit die Entsendung eines Marinebataillons an, mit dem Ziel, die Carcharias Corp. in den Besitz der Weltregierung zu bringen, sowie den der offenen Rebellion gegen die Weltregierung eindeutig überführten Jona Sargasson, Direktor dieser Firma, sofort zu exekutieren und die verbliebene Führungsebene, insbesondere die benannten Vorstände, festzusetzen.“
„Um“, fährt ein zweiter der Fünf fort, „dennoch einen möglichst eleganten, reibunslosen Übergang dieser Firma unter die Fittiche der Weltregierung zu gewährleisten, haben in dieser Sache nicht Machtdemonstration, sondern vielmehr Diskretion und Effizienz oberste Gebote zu heißen. Wir wollen von den bereits auf der Insel vorhandenen Kenntnissen profitieren. Das Letzte, was wir brauchen können, ist Panik und breite Feindseligkeit gegen die Regierung. Wir erwarten also, dass Jonas Dahinscheiden nach Möglichkeit unbemerkt bleibt.“
Ein dritter schaltet sich ein: „Sollte es allerdings wider Erwarten zu erheblichem Widerstand kommen, muss diese Insel um jeden Preis von der Landkarte getilgt werden. Wir wissen um die Macht dieser Waffen. Niemand anderem als den Kämpfern der Absoluten Gerechtigkeit darf eine solche Bewaffnung in die Hände fallen! Bevor die Insel also nicht in unseren Besitz fallen kann, muss sie vernichtet werden. Daher geben wir hiermit unser Einverständnis für die Durchführung eines Buster Calls gegen White Tip Island, sollte sich die Übernahme der Insel als unmöglich herausstellen. Und Sakazuki“, beim Fallen seines Namens durch einen der Fünf verblasst sein Gesicht, „sei dir immer im Klaren darüber, dass der Buster Call ein letztes Mittel, um Gefahren für die Weltregierung zu beseitigen, darstellen soll.“
Geradezu peinlich berührt gibt dieser nur ein „Jawohl“ zur Antwort, dass nichts von der gewohnten Schärfe seiner Worte besitzt.
„Nun denn“, fährt der vierte der Fünf Weisen fort, „das Organisatorische überlassen wir dir, Großadmiral, sowie der Person, die den Vorschlag der Übernahme eingebracht hat: Vizeadmiral Kranich. Leitet alles Notwendige in die Wege.“
Die Augen schließend, antwortet sie: „Aye, Großadmiral.“
"Wollen wir hoffen, dass das kein Fehler war." Mit diesen Worten wendet sich der letzte, blass blonde Redner der Fünf Weisen an seine Kollegen. Von einem großen, vollständig aus Marmor errichteten Saal, durch dessen grazile Bogenfenster Sonnenlicht, sich im edlen Mauerwerk spiegelnd, hereinfällt und so den gesamten, riesigen Raum, der wegen seiner hohen Decken einen beträchtlichen Nachhall erzeugt, beleuchtet, hatten diese fünf Männer die Diskussion im Marinehauptquartier verfolgt und schlussendlich einen Entschluss zugunsten Kranichs gefällt.
"Ich sehe keinen Anlass für Ihre Verstimmung", wendet sich ein zweiter der Fünf, die einfallende Sonne lässt seine weißen Haare leuchten und die Narbe in seinem Gesicht aufflammen, an ihn, "es kann doch nur in ihrem Interesse sein, unserer Streitmacht, der Marine, die besten Waffen zugänglich zu machen. Ich stehe hinter unserer Entscheidung."
"Meine Sorge liegt nicht darin, dass die Entscheidung falsch war. Ich fürchte nur, dass man sie als Zeichen der Schwäche interpretieren könnte. Statt entschlossen und mit aller Härte vorzugehen, haben wir uns für diesen Weg entschieden."
"Ich verstehe diese Bedenken", schaltet sich nun der Dritte ein, indem er sich sein Schwert auf die Knie legt. "Dennoch bin ich der Meinung, diese Entscheidung vor den Tenryuubito rechtfertigen zu können."
"Nun, meine Herren" wendet sich nun ein Vierter der Weisen, ein hochgewachsener Mann von besonders edler Erscheinung, da keine Narbe sein Gesicht zeichnet, an seine Kollegen, "in dieser Angelegenheit haben wir nach bestem Wissen und Gewissen entschieden. Auch uns bleibt nun nur abzuwarten, wie sich die Dinge entwickeln."
"Wohl war", ergreift nun der letzte der Fünf, sich durch den beeindruckenden Schnurrbart streichend, das Wort, "für den Moment können wir nichts tun. Lasst uns hoffen, dass Kranich diese Typen nicht unterschätzt hat. Ich befürchte, dass wir nicht zum letzten Mal von diesen Typen gehört haben."
Es könnte eine freundliche Gesellschaft in eleganter Umgebung sein, wären da nicht die ernsten Gesichter der Beteiligten, hauptsächlich Vizeadmiräle neben den Admirälen Borsalino und Issho, und das „Barracuda“, das mittig auf dem Tisch liegt und einige heimliche, aber bewundernde Blicke auf sich zieht. Über dieses sowie die bekannten Informationen der Carcharias Corp. werden in diesem Moment alle Beteiligten von Brandnew unterrichtet, aufmerksam wird die Tafel, auf der alle Informationen nochmals zusammengefasst illustriert werden, studiert und dem Vortragenden Gehör geschenkt.
„ ... soweit die Ergebnisse der Untersuchung dieses Gewehrs durch die wissenschaftliche Abteilung“, beendet er soeben seine Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse über die Carcharias Corp. und setzt sich an seinen Platz. Sofort hält Getuschel Einzug, die Diskussion hat, zumindest zwischen einzelnen Anwesenden bereits begonnen.
„Ich sehe kein Problem darin, diese ganze Insel, die sich den Revolutionären und damit dem Bösen so vollständig verschrieben hat, von der Landkarte zu tilgen. Ich plädiere für einen sofortigen Buster Call. Eine Vernichtung der für die Revolutionäre offenbar wichtigen ansässigen Waffenindustrie würde uns im Kampf gegen diese Teufel sicher einen entscheidenden Schritt weiter bringen.“ Mit der gewohnten Radikalität stellt der Großadmiral seine Meinung in den Raum, die zunächst Ruhe in den Raum zurückkehren lässt, begleitet von einigen nickenden Köpfen.
„Ich behaupte nicht, dass es diese Insel nicht verdient hätte“, erwidert, nach einer kurzen Zeit allgemeinen Schweigens, Vizeadmiral Kranich, sich aufsetzend und mit verschränkten Armen, „durch einen Buster Call vernichtet zu werden. Aber wäre es nicht auch eine Überlegung wert, diese Insel nur zu erobern, statt alles in Grund und Boden zu schießen?“ Alle Augen sind auf die junggebliebene, erfahrene Offizierin gerichtet, jeder der Anwesenden schenkt ihr gleichermaßen Gehör, beeindruckt von ihrer Courage, dem radikalen Großadmiral zu widersprechen. „Oft wurden wir Zeuge“, fährt sie fort, ihren Blick auf die Waffe gerichtet, „wie nur eine Hand voll revolutionärer Scharfschützen, ausgerüstet mit diesen Gewehren, ganze Bataillone unserer Soldaten zerschossen hat, bevor diese überhaupt in die Nähe des Feindes kommen konnten, selbst die Panzerung der Pacifistas wurde von diesen Waffen ohne Probleme durchschlagen. Vonseiten der Wissenschaftsabteilung hast du, Brandnew, eben noch verlautbaren lassen , dass dieses Gewehrt technisch den unseren nur wenig voraus ist, sondern der Unterschied hauptsächlich in der Qualität des Materials und der Verarbeitung liegt. Dieses Wissen, diese Möglichkeiten mitsamt der Insel zu vernichten, käme in meinen Augen einer verschwendeten Chance gleich, uns kostengünstigen und zeitnahen Zugriff zu einer stärkeren Bewaffnung zu verschaffen.“
„Du meinst also“, unterbricht nun Vizeadmiral Momonga seine Kollegin, „es wäre für uns besser, die Insel und damit die Carcharias Corp. in unseren, das heißt in den Besitz der Weltregierung zu bringen?“
„Exakt, Momonga.“, erwidert sie, bevor Sie rein optisch wieder zusammensackt, die Ellenbögen auf den Tisch gestützt, die Finger vor dem Mund verschränkt. „Ich plädiere also für eine Invasion der Marine auf White Tip Island. Nach der Exekution Jonas, des Kopfes dieser Schlange, würde man die Firma in den Besitz der Weltregierung übergehen lassen. Somit würden ab sofort für uns diese Gewehre, wahrscheinlich auch einige andere Waffen, von denen wir einfach noch nichts wissen, produziert, wir würden die Kontrolle über der Schlange Giftzähne bekommen. Über diese Firma und deren Personal wissen wir zwar nur das, was dieser Ken mittlerweile preisgegeben hat, aber ich rechne nicht mit ernstzunehmenden Widerstand. Das sind Fabrikanten, Hersteller, Geschäftsleute, aber keine Kämpfer. Es sollte uns also nicht schwer fallen, diese Insel zu übernehmen."
„Das Böse muss restlos von dieser Erde getilgt werden, damit die Absolute Gerechtigkeit siegen kann!“ Der Großadmiral hat, obwohl auch ihm das Bild einer Marine, ausgerüstet mit diesen in jeder Hinsicht auf Höchstleistung getrimmten „Barracudas“ und anderen, ähnlich tödlichen Waffen, durchaus gefällt, das Wort ergriffen. „Es wird nicht ausreichen, nur die Führungsebene auszulöschen! Schon der Gedanke, dass auf dieser, vom Bösen durchtränkten Insel, für uns, die Verfächter, die Verkörperung der Gerechtigkeit produziert werden soll, widert mich an. Unsere Waffen müssen von reinen, guten Händen stammen, doch die Hände aller auf dieser Insel sind befleckt.“ Während dieser Worte wurde der Teppich zu Füßen des Großadmirals angesenkt, so dass sich nun der Geruch von verbrannter Seide im Konferenzraum breitmacht.
„Ich stimme dem Großadmiral zu. Etwas so böses wie eine Waffenfabrik unter der Kontrolle der Revolutionäre, die überdies in der Lage ist, derart erschreckende Waffen wie das da“, angewidert deutet Vizeadmiral Onigumo auf das „Barracuda“, „zu fabrizieren, hat jede Daseinsberechtigung verspielt und es verdient, vom Feuer der Gerechtigkeit verzehrt zu werden. Auch mir erscheint ein Buster Call als die günstigste und richtige Lösung dieses Problems!“
„Aber Du wirst doch nicht leugnen können“, erwidert Vizeadmiral Comil seinem Kollegen, „dass die Vorstellung einer Armee künftiger Marinesoldaten, ausgerüstet mit eben diesen Waffen, die selbst einen Pacifista ausschalten können, nicht schlecht ist. Die Verbrechen der Carcharias Corp. müssen natürlich um jeden Preis gesühnt werden, aber es wäre wirklich vorteilhafter, diese Firma in unseren Besitz übergehen zu lassen.“
„Hier geht es nicht um uns oder unsere Interessen!“ Zorn spiegelt sich im Tonfall Onigumos wider. „Die Absolute Gerechtigkeit lässt keine andere Lösung als die vollständige, restlose Zerschlagung der Carcharias Corp. zu, wie sie nur durch einen Buster Call gewährleistet werden kann!“
Als sich auch die meisten anderen Anwesenden in diese an Lautstärke stetig wachsende Diskussion einzuschalten beginnen, still beobachtet von der regungslos sitzenden Kranich, breitet sich eine chaotische, aufgeheizte Stimmung aus, unter der die sich zunehmend ballende Faust Sakazukis langsam rotglühend zu verflüssigen beginnt.
„Ruhe!“ Unter diesem, von einer kleinen Eruption aus seiner Schulter heraus begleiteten Ausruf Sakazukis kehrt wieder Ordnung in die Versammlung zurück. Die Ausrufe, die gesamte bis eben noch lautstark und energisch geführte Diskussion scheint vollständig von Magma verzehrt worden zu sein. Mit dem einkehrenden Frieden entspannen sich Sakazukis bis eben verhärtete Gesichtszüge, seine Faust bekommt wieder ihre feste Form, öffnet sich aber nicht.
„Verzeih mir, Großadmiral“, bricht jetzt Admiral Issho das Schweigen, sich an seinen Vorgesetzten wendend, „Auf der Basis der uns vorliegenden Informationen geht nicht zweifellos hervor, in wie weit die Revolutionäre Einfluss ausüben. Es ist nicht auszuschließen, dass nur die bereits von Brandnew benannten Vorstände Lorelei, Raymond und Benjamin von der Zusammenarbeit von Carcharias Corp. und Revolutionsarmee wissen. Wenn dies der Fall sein sollte, so würde ein Buster Call zwar einen harten Schlag gegen die Revolution bedeuten, aber auch unzählige der Unschuldigen mit in den Tod reißen, die nicht von dieser Zusammenarbeit wussten und denen unser Schutz gelten sollte und muss. Insofern wäre eine Invasion und Besetzung nicht nur zukunftsorientierter, sondern man würde auch unnötige zivile Opfer, die ein Buster Call zwangsläufig mit sich bringt, vermeiden. Daher unterstütze ich den Vorschlag von Kranich nachdrücklich.“ Dankbarkeit spiegelt sich ob dieser Worte in den faltigen Gesichtszügen der Vizeadmirälin, bevor der Großadmiral wieder das Wort ergreift.
„Unwissenheit wird unter meinem Kommando niemals eine Ausrede sein! Selbst wenn es so sein sollte, wie du sagst, dann ändert dies nichts an der Tatsache, dass die Arbeiter der Carcharias Corp. für die Revolutionäre produzieren und sie folglich Feinde der Regierung und der Gerechtigkeit sind, unabhängig davon, in wie weit die darüber Bescheid wissen, für wen sie da produzieren. Daher beharre ich auf meiner Meinung und ordne hiermit in meiner Position als Großadmiral den Buster Call gegen White Tip Island...“
Als sich plötzlich der Mund der Teleschnecke mit Verbindung zu den Fünf Weisen zu öffnen beginnt, kehrt schlagartig Ruhe ein.
Alle starren gespannt auf das edel wirkende Weichtier mit dem weißen, seidigen Bart, selbst der blinde Issho öffnet die in ewiges dunkel gehüllten Augen und wendet den Kopf der Teleschnecke entgegen.
„Wir“, beginnt einer der Weisen, „stimmen mit Sakazuki und Onigumo darin überein, dass die ganze Insel durchaus die Vernichtung verdient hätte. Ein Eiland, das derart vom Einfluss der Revolutionäre durchtränkt ist und auf dem zusätzlich Waffen von solch erschreckender Wirkung hergestellt werden, was eindeutig als Förderung von Rebellion zu verstehen ist, sollte nicht länger existieren. Aber ...“, durch eine kurze Pause in seiner Rede hört man deutlich den Nachhall, der einen Eindruck von der Größe des Saales vermittelt, von dem aus die Fünf Weisen zu der Versammlung sprechen, „Vizeadmiral Kranichs Vorschlag erscheint uns sinnvoller als die stupide Zerstörung dieser Insel mitsamt ihrer Kenntnisse in puncto Waffentechnik. Wir können es nur befürworten, wenn die Fabriken, in denen diese Waffen hergestellt werden, in unseren Besitz übergehen, zumal es uns die sicherlich kostspielige und zeitaufwendig Forschungs- und Entwicklungsarbeit abnimmt, die nötig wäre, um mit diesen Waffen gleichzuziehen. Allerdings erscheint uns, vor diesem Hintergrund wohlgemerkt, eine breit angelegte Invasion als unverhältnismäßig, geht es doch dabei nur um den Kopf eines Firmenchefs. Daher ordnen wir hiermit die Entsendung eines Marinebataillons an, mit dem Ziel, die Carcharias Corp. in den Besitz der Weltregierung zu bringen, sowie den der offenen Rebellion gegen die Weltregierung eindeutig überführten Jona Sargasson, Direktor dieser Firma, sofort zu exekutieren und die verbliebene Führungsebene, insbesondere die benannten Vorstände, festzusetzen.“
„Um“, fährt ein zweiter der Fünf fort, „dennoch einen möglichst eleganten, reibunslosen Übergang dieser Firma unter die Fittiche der Weltregierung zu gewährleisten, haben in dieser Sache nicht Machtdemonstration, sondern vielmehr Diskretion und Effizienz oberste Gebote zu heißen. Wir wollen von den bereits auf der Insel vorhandenen Kenntnissen profitieren. Das Letzte, was wir brauchen können, ist Panik und breite Feindseligkeit gegen die Regierung. Wir erwarten also, dass Jonas Dahinscheiden nach Möglichkeit unbemerkt bleibt.“
Ein dritter schaltet sich ein: „Sollte es allerdings wider Erwarten zu erheblichem Widerstand kommen, muss diese Insel um jeden Preis von der Landkarte getilgt werden. Wir wissen um die Macht dieser Waffen. Niemand anderem als den Kämpfern der Absoluten Gerechtigkeit darf eine solche Bewaffnung in die Hände fallen! Bevor die Insel also nicht in unseren Besitz fallen kann, muss sie vernichtet werden. Daher geben wir hiermit unser Einverständnis für die Durchführung eines Buster Calls gegen White Tip Island, sollte sich die Übernahme der Insel als unmöglich herausstellen. Und Sakazuki“, beim Fallen seines Namens durch einen der Fünf verblasst sein Gesicht, „sei dir immer im Klaren darüber, dass der Buster Call ein letztes Mittel, um Gefahren für die Weltregierung zu beseitigen, darstellen soll.“
Geradezu peinlich berührt gibt dieser nur ein „Jawohl“ zur Antwort, dass nichts von der gewohnten Schärfe seiner Worte besitzt.
„Nun denn“, fährt der vierte der Fünf Weisen fort, „das Organisatorische überlassen wir dir, Großadmiral, sowie der Person, die den Vorschlag der Übernahme eingebracht hat: Vizeadmiral Kranich. Leitet alles Notwendige in die Wege.“
– Clank –
„Damit wäre die Sache endgültig geklärt.“ Ruhig hat Sakazuki wieder das Wort ergriffen. „Vizeadmirälin, ich hoffe, dass du dir der großen Ehre, die dir eben zuteil wurde, bewusst bist. Wir werden die Fünf Weisen nicht enttäuschen!“Die Augen schließend, antwortet sie: „Aye, Großadmiral.“
"Wollen wir hoffen, dass das kein Fehler war." Mit diesen Worten wendet sich der letzte, blass blonde Redner der Fünf Weisen an seine Kollegen. Von einem großen, vollständig aus Marmor errichteten Saal, durch dessen grazile Bogenfenster Sonnenlicht, sich im edlen Mauerwerk spiegelnd, hereinfällt und so den gesamten, riesigen Raum, der wegen seiner hohen Decken einen beträchtlichen Nachhall erzeugt, beleuchtet, hatten diese fünf Männer die Diskussion im Marinehauptquartier verfolgt und schlussendlich einen Entschluss zugunsten Kranichs gefällt.
"Ich sehe keinen Anlass für Ihre Verstimmung", wendet sich ein zweiter der Fünf, die einfallende Sonne lässt seine weißen Haare leuchten und die Narbe in seinem Gesicht aufflammen, an ihn, "es kann doch nur in ihrem Interesse sein, unserer Streitmacht, der Marine, die besten Waffen zugänglich zu machen. Ich stehe hinter unserer Entscheidung."
"Meine Sorge liegt nicht darin, dass die Entscheidung falsch war. Ich fürchte nur, dass man sie als Zeichen der Schwäche interpretieren könnte. Statt entschlossen und mit aller Härte vorzugehen, haben wir uns für diesen Weg entschieden."
"Ich verstehe diese Bedenken", schaltet sich nun der Dritte ein, indem er sich sein Schwert auf die Knie legt. "Dennoch bin ich der Meinung, diese Entscheidung vor den Tenryuubito rechtfertigen zu können."
"Nun, meine Herren" wendet sich nun ein Vierter der Weisen, ein hochgewachsener Mann von besonders edler Erscheinung, da keine Narbe sein Gesicht zeichnet, an seine Kollegen, "in dieser Angelegenheit haben wir nach bestem Wissen und Gewissen entschieden. Auch uns bleibt nun nur abzuwarten, wie sich die Dinge entwickeln."
"Wohl war", ergreift nun der letzte der Fünf, sich durch den beeindruckenden Schnurrbart streichend, das Wort, "für den Moment können wir nichts tun. Lasst uns hoffen, dass Kranich diese Typen nicht unterschätzt hat. Ich befürchte, dass wir nicht zum letzten Mal von diesen Typen gehört haben."
Am frühen Morgen hatten hämmernde Schmerzen, die seinen gesamten Körper wie Pulsschläge durchzucken, Jona aus seinem Schlaf gerissen und ihn sein Gesicht zu einer gequälten Fratze verziehen lassen. Panisch begann er seinen Schreibtisch nach den lindernden Pillen zu durchsuchen, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, während die Schmerzen mit jeder Bewegung intensiver wurden und seinen Geist zunehmend vernebelten. Mit trüb gewordenen Augen ließ er sich, nachdem er seinen Schreibtisch vergeblich bis in die letzte Schublade durchsucht hatte, tief ins Polster seines Sessels sinken und fuhr sich mit der Rechten durch die abstehenden Haare, während er die bebende Linke über das Gesicht hielt, als wolle er sie in ihrem Beben beobachten. Plötzlich fuhr diese Hand an seine Brust, während er sich mit aufgerissenen Augen im Sessel aufrichtete, die, als seine Hand das Döschen in der Innentasche seines Jacketts erfühlen, regelrecht zu leuchten zu begonnen. Allein der Gedanke an seine Pillen ließ ihn einen Moment lang die Qualen, die ihm bis eben kalten Schweiß auf die Stirn hatten treten lassen, vergessen, sodass ein kleines Lächeln seine Kiefer umspielte.
Schnell war das Döschen von der Linken umschlossen, der Deckel geöffnet und fünf Pillen in seinem von Rasiermesserzähnen geschmückten Rachen verschwunden. Sofort vertrieb das Wundermittel die Schmerzen, Jonas Miene und Haltung entspannte sich, weshalb er wieder tief im Polster seines Sessels versank.
Die Ereignisse und Erkenntnisse des vorherigen Tages Revue passierend, über das weitere Vorgehen der Marine spekulierend und über entsprechende Gegenmaßnahmen nachsinnend, erwartet Jona den Anbruch des Morgens, um sich zu Dr. Castle, dem Chefarzt des von ihm, Jona, finanzierten Krankenhauses, ursprünglich zur Versorgung kranker oder verletzter Arbeiter der Carcharias Corp. errichtet, zu begeben.
Als die Sonne schließlich über dem Horizont steht, durchquert Jona mit großen Schritten das loungeartige Vorzimmer seines Büros und erreicht den großen Aufzug direkt gegenüber der Metalltür, die zu seinem Arbeitszimmer führt. Mit der Betätigung der die Aufschrift „Erdgeschoss“ tragenden Taste setzt sich Maschinerie, zunächst schwerfällig, dann jedoch flüssig laufend, in Bewegung und bringt Jona mühelos in die Eingangs- und Empfangshalle seines Gebäudes.
Von oben wie von unten dringen dort Arbeitsgeräusche an seine Ohren. Von oben hört er nur ein stetes, leises Klicken, unterbrochen von seltenen, lauten Knallen, von unten dringt das unangenehme schwere Stampfen und Schlagen zum Teil schwerster Maschinerie an sein Ohr. Hier, im Erdgeschoss, befindet man sich genau zwischen den Laboratorien der Entwicklungsabteilung, in denen, dem Knallen zufolge, gerade an der Weiterentwicklung von Schusswaffen oder Sprengstoffen getüftelt und geforscht wird, über dem Kopf, und den großen, in den Fels der Insel getriebenen Fertigungshallen und Docks, die sich mit schweren Metalltoren gegen die heftige Brandung schützen. Diese Docks, ein Relikt aus der Zeit eines vor Jahren stillgelegten Projektes, könnten nun, denkt sich Jona, wieder bedeutungsvoller werden.
Eine kurzen Fußmarsch später sitzt Jona mit gebeugtem, bis auf einen schmalen Verband freigelegtem Oberkörper, die Unterarme auf die Beine gestützt, im Dachgeschoss des von ihm finanzierten Krankenhauses auf einer Krankenliege in einem separaten Untersuchungszimmer, dessen weiße Inneneinrichtung das einfallende Sonnenlicht grell zurückwirft und die seinen gesamten Körper überziehenden, teilweise grotesk geformten Narben, zu beleuchten scheint. Ihm gegenüber, den Rücken zu ihm gewandt und Untersuchungsergebnisse studierend, steht sein Hausarzt, Doktor Castle, ein kleiner, untersetzt wirkender Mann in einem etwas zu großen Arztkittel.
Schließlich wendet sich Jona, noch immer auf den Boden blickend, an seinen Arzt: „Nun, Doktor? Wie sieht es aus?“
„In einem Wort: desolat“, erwidert Castle, sich kopfschüttelnd zu seinem Patienten umwendend. „Schneider und meine Wenigkeit hatten es Ihnen ja prophezeit, dass Ihre Medikamente ein zweischneidiges, aber kontrollierbares Schwert sind, aber mit Ihrem zunehmend exzessiven Gebrauch dieser Pillen konnte keiner von uns rechnen.“
Jona ist, während Castle gesprochen hat, in Erwartung einer schlimmen Diagnose, noch weiter in sich zusammen gesackt. „Wie schlimm ist es denn nun genau?“, möchte er wissen.
Lakonisch, fast mechanisch gibt Castle Antwort: „Dieses Wundermittel, wie Sie es nennen, bringt Sie um.“
Dieser Satz reißt Jona aus seinem Trancezustand, mit schockierten, weit aufgerissenen Augen steht er starr im Raum. „Wie bitte?!“
„Ja. Das hatte ich Ihnen am Anfang der Therapie erklärt“, beginnt Castle, eine der für Jona so wichtigen Tabletten in der Hand hin und her rollend, zu wiederholen, was er ihm über Jahre hinweg immer und immer wieder erklärte, „Der Wirkstoff ihrer Medikamente, gewonnen aus den Giften Schneiders, ist das stärkste Schmerzmittel, das mir jemals unter die Augen gekommen ist. Es heilt zwar nicht, aber immerhin betäubt es jeden Schmerz, unabhängig davon, wo und wie er entsteht. Allerdings setzt er, wenn der Körper versucht ihn über den Stoffwechsel abzubauen, einen organschädigenden Stoff frei, der anfängt, langsam zuerst Nieren und Leber, später auch andere Organe zu zerfressen. Bei einer Pille pro Tag, wie Schneider es empfohlen und ich es verschrieben hatte, würde sich der Schaden in tolerablen Grenzen halten und der Körper könnte sich regenerieren.“ Mit kalten Augen, die ein analytisches, berechnendes Gehirn hinter Castles hoher Stirn verraten, blickt der Arzt in die Jonas, die jetzt ebenfalls Kälte verströmen, jedoch nicht aufgrund Gefühlslosigkeit und Rationalität, sondern aus Resignation. „Doch die Dosis“, fährt Castle monoton fort, „der Sie Ihren Körper täglich aussetzten, hat diese Grenze weit überschritten. In der Folge haben Nieren und Leber schwere Schädigungen erlitten und auch ihr Herz ist angegriffen. Dazu kommen noch die alten Wunden, wegen denen sie diese Schmerzmittel eigentlich brauchen. Ihr Fischmenschenkörper kann diese Schäden noch verkraften, aber Fakt ist: Sie liegen bereits im Sterben.“
„Gibt es keine Rettung?“ Schockiert bis ins Mark lässt Jona seinen sehnigen, zernarbten Körper wieder auf die Krankenliege fallen.
„Wenn die Schäden ab jetzt nicht weiter fortschreiten würden, könnten Sie so überleben. Dafür müssten wir allerdings Ihr Medikament absetzen ...“
„Das geht nicht! Ohne diese Pillen kommen die Schmerzen zurück und mit denen ist mir ein normales Leben nicht möglich. Ohne meine Medikamente kann ich mich ja kaum bewegen, ohne durch die Hölle zu müssen.“
Es entsteht eine Pause, als Jona die Augen schließt um genau nachzudenken. Seine Umwelt vollständig ausblendend, wägt er sehr genau ab. „Wenn ich meine Medikamente weiterhin nehme ... Wie lange lebe ich noch?“
„Schwer, das genau zu beziffern, aber ich würde sagen, höchstens ein Jahr. Vielleicht vierzehn Monate. Eventuell können wir Ihren Tod auch noch etwas weiter hinauszögern. Doch die letzten Monate würden in jedem Fall von schweren Symptomen begleitet werden. Ich kann Ihnen nicht genau sagen, wann Sie sterben, aber ich kann Ihnen versichern, das wird kein angenehmes, friedliches Dahinscheiden. Zu den Schmerzen, unter denen Sie ohnehin leiden, werden, durch die Nebenwirkungen ihrer Pillen, weitere Schmerzen hinzukommen, die Sie zwingen werden, noch mehr Pillen zu schlucken, was die Zerstörung Ihrer Organe weiter beschleunigen wird. Ab diesem Moment ist alles zu spät, dann kann ich nichts mehr für Sie tun.“
Aus den Gesichtern seiner Vorstände weicht alle Farbe, als Jona, zurück in seinem Büro, ihnen die Ereignisse und Erkenntnisse des vergangenen Abends und die Diagnose Dr. Castles erläutert. Besonders Raymond wirkt mitgenommen, selbst seine sonst von Statik abstehenden Haare scheinen den Kopf hängen zu lassen und fallen schließlich wirklich schlaff als struppige Mähne herab.
„Das ist der aktuelle Stand der Dinge“, beendet Jona, ein bitteres Lächeln auf den Lippen, soeben seine Ansprache, „die Weltregierung weiß von unseren Geschäften und ich sterbe. Ich würde sagen: Worst Case.“
Betreten und unfähig etwas zu sagen blicken Lorelei, Benjamin und Raymond ihrem Chef, der sich mit den Unterarmen auf seinem Schreibtisch abstützt, in die meerblauen Augen.
„Und wie soll es jetzt weitergehen?“, ergreift schließlich Raymond das Wort, „Auch wenn wir nun doch zur Vervollständigung ’Des Projektes’ finanzielle Hilfen von den Revolutionären bekommen, so haben wir jetzt doch das Problem, dass uns die Weltregierung auf die Pelle rücken wird, und wir dem nichts entgegenzusetzen haben. Die werden uns überrennen, wenn sie nicht sogar planen, die ganze Insel mit einem Buster Call von der Weltkarte zu schießen!“
„Hören Sie mir jetzt bitte gut zu.“ Jona hat wieder das Wort, „Ich habe mir ein Ziel gesetzt, und ich bin noch immer entschlossen, dieses zu erreichen, auch wenn nun die Umstände noch stärker gegen mich arbeitet. Hinzu kommt, dass, wie Mr Raymond vollkommen richtig bemerkte, in naher Zukunft die Marine die Konfrontation mit uns, zumindest mit mir suchen wird. Ich fürchte, uns bleibt nichts anderes übrig, als in einen aktiveren, offensiveren Status zu gehen.“
Noch immer schockiert und daher nur schwach ergreift nun Benjamin das Wort: „Was stellen Sie sich denn vor?“
„Also, ich habe wahrscheinlich noch ein reichliches Jahr zu leben und ich habe noch immer vor, den Sturz der Weltaristokraten mitzuerleben. Eigentlich wollte ich das ja indirekt durch die Finger der Revolutionäre am Abzug meiner Waffen geschehen lassen und das Schwinden ihrer Macht genüsslich mitverfolgen, doch nun stehe ich unter erhöhtem Zeitdruck, und der endgültige Sieg der Revolution ist noch lange nicht in Sicht.“
„Wollen Sie sich aktiv in diesen Krieg einmischen?!“ Fassungslos blickt Lorelei ihrem Chef ins Gesicht. Ihre im Normalfall sehr helle Haut ist, wegen der Gefühlswallungen, die sie nur mühsam unter Kontrolle hält, gerötet, in ihrem zierlichen Körper tobt es. „Das wäre Wahnsinn! Sie sind von allen in dieser Firma der Einzige, der kämpfen und uns, diese Firma beschützen kann! Im Falle eines Angriffs durch die Marine in Ihrer Abwesenheit wären wir vollkommen hilflos!“
„Nicht mehr lange“, unterbricht Jona sie, „Ich habe umfassende Strukturreformen anzukündigen. Mme Lorelei, Sie sind mir dafür zuständig, dieser Firma einen Sicherheitsdienst einzurichten. Die Marine wird sicher bald anrücken, und ich habe nicht vor, Ihnen diese Insel wie auf dem Silbertablett zu überlassen. Ich will 150 Mann, im Idealfall mit Kampferfahrung! Sehen Sie sich überall um, ich akzeptiere alle, die Ihnen im Kampf nützlich erscheinen. Deserteure, Piraten, Kopfgeldjäger, gerne auch Männer, die bereits in meiner Firma arbeiten und die Sie für geeignet halten. Suchen Sie besonders unter denen, die keine Zukunft haben und das Angebot, für mich zu arbeiten, daher nicht ablehnen können. Ich werde mich dieser Aufgabe ebenfalls zuwenden, immerhin geht es um mein Lebenswerk, das hier geschützt werden soll.“
„Jawohl, Herr Generaldirektor“, antwortet die Angesprochene.
„Mr Raymond, Sie werden die alten Docks in der Nachbarschaft der Fertigungshallen wieder in Stand setzen. Ich gebe Ihnen, sagen wir, fünfzehn Tage, mir eine Flotte von „Heartless“- und „Soulless“-Schiffen zu präsentieren. Zunächst sollten insgesamt 17 Schiffe reichen. Lassen Sie sich notfalls nochmals die Pläne aus Mr Benjamins Archiv geben. Die Zeit läuft ab kommender Mitternacht.“
„Sie wollen allen Ernstes dieses Projekt wieder ins Leben rufen? Die Teile wollte uns doch schon damals keiner Abkaufen, weil niemand mit der Steuerung und der Maschinerie zurecht kam. Wozu also?“
„Ich habe nicht vor, diese Schiffe auf den Markt zu bringen, es handelt sich hier um Eigenbedarf. Diese Insel braucht Schutz, verstehen Sie? Ich würde es begrüßen, wenn die Marine noch auf dem Meer abgefangen und bekämpft werden kann! Wir werden deren Mannschaftsstärke nicht erreichen können, aber auf der technischen Seite ist sie nur allzu leicht zu übertrumpfen.“
„Alles klar, ich verstehe. Ich werde sofort alles Nötige in die Wege leiten, Herr Generaldirektor, damit wir so schnell wie möglich den Bau in Angriff nehmen können.“
„Schön“, antwortet Jona schnell, bevor sich Benjamin einschaltet.
„Ja, schön ist gut. Wenn ich die Kosten für diese Aktionen grob überschlage, darf ich fragen, wie Sie das alles zu bezahlen gedenken?“
„Ja dürfen Sie. Jetzt kommt der unangenehmste Teil, denn, wie Sie, Mr Benjamin, völlig richtig sagten, kommen da große Beträge, die es zu begleichen gilt, auf uns, auf mich zu. Daher und auch eingedenk des Faktes, dass in einem Jahr kaum bahnbrechende Fortschritte aus Ihrem Bereich, Mr Benjamin, zu erwarten sind, werde ich Gelder aus dem Budget Ihrer Abteilung für Entwicklung abziehen, um diese zusätzlichen Kosten zu decken.“
„Wie bitte?“ Kurz stehen Unverständnis sowie Fassungslosigkeit Benjamin ins ansonsten steinern wirkende Gesicht geschrieben, bevor er sich emotional wieder fängt. „Nun gut, Sie haben die Wahrheit gesprochen. Ein Jahr ... Das ist in meiner Abteilung wirklich nicht besonders viel Zeit. Wenn ich daran denke, dass allein die Entwicklung eines relativ kleinen Produktes wie den "Barracudas" fast drei Jahre in Anspruch genommen hat...“
„Dann sind wir uns also einig?“, verschafft Jona mit schärferem Ton seiner Entscheidung Nachdruck und lässt, nicht effektlos, seine Zähne blitzen, woraufhin Benjamin nur bleibt, seinem Chef den gleichen Respekt zu zeugen, wie man ihm für eine wilde Bestie empfindet und seine Zustimmung zu geben.
Sofort entspannen sich die Gesichtszüge Jonas, bevor er fortfährt: „Es ist ja nicht so, dass ich Ihre Abteilung auflöse. Nein, ich muss Sie lediglich und mit einigem Bedauern dazu zwingen, sich nur noch der Weiterentwicklung und Fertigstellung bereits vorangeschrittener Projekte widmen, die Projekte zur Verbesserung der für die „Heartless“- und „Soulless“-Schiffe vorgesehene Ausrüstung wieder ins Leben zu rufen und sich auf diese zu konzentrieren. Und dazu sollten, nach meiner Rechnung, sechzig Prozent ihres ursprünglichen Bugdets ausreichen.“
Benjamin führt seine Rechte zum Kinn, der dazu gehörige Ellenbogen ruht auf dem vor dem Bauch verschränkten linken Unterarm, und schließt die Augen. Sofort läuft sein Geist auf Hochtouren, er beginnt, Jonas Ergebnis, wie er sagen würde, grob zu überschlagen. Tatsächlich handelt es sich dabei um die Meisterleistung eines nimmermüden menschlichen Verstandes, dank der er sehr schnell überaus konkrete und vor allem erstaunlich präzise Ergebnisse erzielt. Vor seinem inneren Auge laufen, als würden seine Augenlinie als Leinwand funktionieren, lange Zahlenreihen herab, der Inhalt ganzer Akten, zusammengefasst in hunderten Zahlen, die er nun in Windeseile vergleicht, gegenrechnet, prüft, auf deren Basis er Voraussagen über die künftige finanzielle Situation der Firma erstellt und die Plausibilität von Jonas Ergebnis testet. Als er, nach etwa drei Sekunden, wieder die Augen öffnet, gibt er Jona die Antwort, die dieser hören wollte: „Erscheint mir etwas knapp bemessen, sollte aber machbar sein. Jawohl, Herr Generaldirektor.“
„Gut. Das wäre dann auch alles.“ Mit einer Handbewegung gibt er den Dreien zu verstehen, dass sie nun sein Büro verlassen sollen.
Als die Tür ins Schloss fällt, befinden sich die Drei bereits im Fahrstuhl, in dem sich eine betroffene, unangenehme und schwere Atmosphäre und Stille ausbreitet.
Lorelei verlässt als erste den Fahrstuhl. Als sich auf der Etage ihrer Abteilung die Tür öffnet, dringt sofort aufgeregtes Gemurmel, das Klingeln dutzender Teleschnecken und das Kratzen von Schreibfedern über Papier sowie von Kaffee geschwängerte Luft in die Maschine. „Bis später“, hört man Lorelei noch flüstern, bevor sie sich wieder in ihr Element stürzt, der Diplomatie, dem Verkaufs- und Anwerbungsgespräch, dem Betören des Gesprächspartners durch großartige Versprechen von ihren schnellen, schmeichelnden Lippen.
Als sich die Türen ein zweites Mal in einem tiefer gelegenen Stockwerk öffnen, werden die beiden verbliebenen Insassen vom grellen Lichtblitz, dem Knall und der Hitze einer Explosion empfangen, die sie zwingt, die Augen zusammenzukneifen und die Arme vor den Kopf reißen, und kurz darauf stolpert ihr Verursacher, verrußt, gekleidet in einen teilweise verkohlten Kittel und hustend, aber, dank seines kantigen Panzers, ohne große Verletzungen in den Fahrstuhl, auf der blinden Suche nach einer Sitzgelegenheit. „Ach, Ascani“, wendet sich Benjamin an seinen Mitarbeiter, „musste das denn sein? Jetzt ist wieder die gesamte Etage verraucht, ganz zu schweigen von Ihrem Labor!“
„Sie müssen entschuldigen, Mr Benjamin“, bringt der Kofferfischmensch Ascani zwischen zwei Hustenanfällen hervor, „doch Sie werden zugeben müssen, die Explosion war gut, nicht war? Bald habe ich den Sprengstoff mit der geforderten Stärke.“
„Und wie viele Zimmer und Laboratorien wollen Sie bis dahin noch verwüsten? Nun gut, zeigen Sie mal her.“
Unter diesen Worten verlässt Benjamin, seufend, begleitet vom nun euphorischen Ascani, demim Momenteinzigen heiteren Gemüt in der vollkommen verrauchten Etage, aus der sich nun die Ersten an die frische Luft zu flüchten versuchen, den Fahrstuhl in Richtung der Quelle der Detonation.
Unter diesen Worten verlässt Benjamin, seufend, begleitet vom nun euphorischen Ascani, demim Momenteinzigen heiteren Gemüt in der vollkommen verrauchten Etage, aus der sich nun die Ersten an die frische Luft zu flüchten versuchen, den Fahrstuhl in Richtung der Quelle der Detonation.
Die Tür verschließt sich wieder und Raymond fährt allein bis ins erste Untergeschoss, wo ihm, beim Öffnen der Tür, sofort die Funken von Schweißarbeiten, in diesen nur relativ schwach erleuchteten Gewölben grell leuchtend, entgegenfliegen und sein Umfeld rechter Hand von einer riesigen, skelettartigen Metallkonstruktion, in der scheinbar ameisengroße Männer herum klettern, um einen metallenen „Knochen“ mit dem anderen zu verschweißen oder durch Nieten mit einander verbinden, dominiert wird, während in der Mitte seines Blickfeldes an langen Förderbändern Menschen und einfache Maschinen zusammenarbeiten, um „Barracudas“ und ähnlich effiziente und ausgereifte Waffen zu erschaffen. Links liegen die schlafenden Docks zu Füßen, die Jona nun wieder in Betrieb nehmen will. Im schummrigen Zwielicht dieser Fertigungshallen erscheint er wie von göttlichem Licht zu erstrahlen, tatsächlich hüllt ihn der in seinem Körper erzeugte elektrische Strom in ein schwaches, bläuliches Glimmen. Mit Blick auf die verstaubten, von Spinnennetzen bedeckten, tief schlummernden Docks, beginnt er sich die Hände zu reiben, zwischen denen daraufhin kleine Funken überspringen, bevor er sich selbst sagt: „An die Arbeit!“
Von diesem Treiben spürt Jona längst nichts mehr. Der Wind bläht die Vorhänge des großen, weit geöffneten Fensters seines Büros, unter dem sich wieder die Brandung gegen den Fels White Tip Islands wirft, durch das er sich ins die wütende Urgewalt der See stürzte.
Als er wieder ans Tageslicht tritt, muss Ken die Augen fest zusammenkneifen, überwältigt von der Helligkeit, die ihn nun umfängt. Seine zitternden Knie tragen nur mühsam seinen von wochenlanger, ununterbrochener Folter, von Hunger und Durst gezeichneten, ausgemergelten Körper. Seine verschlissen wirkende Gefangenenkleidung ist übersät von Blutsflecken, die sich teilweise noch ausdehnen und die Anwesenheit offener, blutender Wunden unter dem derben Stoff verraten. Seine durch noch immer ausgekugelte Schultern mit dem Körper verbundenen Arme hängen, vom Gewicht der unnötigen Eisenfesseln nach unten gezogen, schlaff an ihm herab, die ihm vor das Gesicht gefallenen, langen, ungepflegten Haare weiter zerzaust. Der dicken Brille gehen mehrere Sprünge durch die Linsen, wodurch sein Sichtfeld zusätzlich eingeschränkt ist. Zwar erkennt er deutlich das große Marineschiff, doch die Personen in seiner unmittelbaren Umgebung vermag er wegen seiner Weitsichtigkeit nur anhand ihrer Stimmen und ihren Silhoutten, die sich wie Schattenbilder vor ihm abzeichnen, zu unterscheiden.
„Bitte sehr, Vizeadmiral“, spricht Hannyabal, dessen Stimme Ken in der vergangenen Zeit nur zu gut kennen und hassen gelernt hat, „hiermit überantworte ich Ihnen den Kämpfer der Revolutionarmee, „Teufelsauge“ Ken. Er konnte uns keinerlei Information mehr übermitteln, der Grund sollte Ihnen bekannt sein?“ Hannyabal umfasst Kens Mundpartie und drückt die Wangen zusammen, wodurch sich die Kiefer unweigerlich öffnen, wodurch das Fehlen seiner Zunge unübersehbar wird. „Damit hat er jeden Restwert für die Welt verloren. Er gehört nun ganz Euch.“
„Danke, Direktor“, dringt jetzt eine dröhnende Stimme an Kens Ohr, die offenbar zur Silhouette eines hünenhaften, muskelbepackten Mannes gehört, zu dem sich nun ein zweiter, wesentlich kleinerer gesellt, der sich mit seiner geradzu fisteligen Stimme an seinen Vorgesetzten wendet: „Vizeadmiral Notung, Sir, die Vorbereitungen sind abgeschlossen. Auf Ihr Kommando hin können wir Segel setzen.“
„Gut“, beginnt der angesprochene wieder zu dröhnen, bevor er Ken mit einer seiner mit Hornhaut bedeckten Pranken die Brille abnimmt und mit der anderen seinen Arm umschließt, ihn spüren lassend, dass es ihm ein Leichtes wäre, mit einem leichten Griff jeden Knochen in diesem Arm zu feinen Pulver zu zermahlen.
„Sagen Sie“, beginnt Hannyabal mit Blick auf das bis an die Zähne bewaffnete Kriegsschiff, das Ken zum Schafott bringen soll, hinter vorgehaltender Hand Notung zuzuflüstern, „finden Sie dieses Aufgebot an Kampfkraft nicht etwas übertrieben?“
„Wir haben es hier mit einem Schwerverbrecher zu tun, der überdies Teil des schlimmsten Verbrecherorganisation der ganzen Welt ist! Was soll also die Frage?“
„Ich meine ja nur, dass sich die Revolutionäre bisher nur sehr selten in Seegefechte haben verwickeln lassen und das da“, sein abfälliger Blick liegt auf dem geschundenen Ken, „ist ja nicht einmal ein Offizier. Ein, zugegebenermaßen, recht bekannter Kämpfer und Kontaktmann, mehr nicht. Glauben Sie wirklich, die Revolutionäre werden den Gefangenentransport angreifen?“
„Ich wiederhohle mich ungern!“ Der dröhnende Bass Notungs hat an Lautstärke und Druck gewonnen, was Hannyabal verschreckt zurückfahren lässt und ihn zu Boden wirft, „Es geht nicht darum, was passieren könnte, der Punkt ist vielmehr, dass diesem Typen alles zuzutrauen ist! Über Jahre hinweg hat er gute Menschen im Namen des Bösen getötet! Wen es nach mir ginge, würde ich ihn hier und jetzt mit meinem Schwert zerschmettern!“ Der Gesichtsausdruck Notungs wirkt wie versteinert, seine ohnehin harten Züge sind voll der Abscheu gegen den Mann, dessen Arm mit seinen Pranken umschließt und man sieht ihm an, dass er sich zwingen muss, diesen Arm, der, durch den Lauf eines Gewehres hundertfach verlängert, den Tod zahlreicher Streiter der Gerechtigkeit verschuldet hat, nicht die ganze Kraft seines Griffs spüren und ihn in tausende Teile bersten zu lassen. Schließlich fährt er mit erzwungenen Ruhe fort: „Aber, es geht nicht nach mir. Und eines der Grundprinzipien der Weltregierung und der Marine ist der Anspruch auf einen Gerichtsprozess. Er wird die Gerechtigkeit zu spüren bekommen, ob nun jetzt oder in einigen Stunden ist insofern absolut unerheblich. Danke für die angemessene Verwahrung des Gefangenen, Direktor, er wird nicht in ihr Gefängnis zurückkehren.“
„Nun“, erwidert Hannyabal, während er sich aufrappelt, „davon gehe ich aus. Auf Wiedersehen, Vizeadmiral.“
„Ts, und ihr fragt euch, wie sich die Menschen gegen diese Regierung auflehnen kann“, denkt Ken, diese Unterhaltung mithörend, „Gerichtsprozess, das ich nicht lache!“
Er an Bord und unter Deck geführt, wo er in einer fensterlosen Zelle hinter einer schweren Tür aus massivem Holz weggeschlossen wird, die Augen verbunden, Hände und Füßen mit schweren Eisenketten gefesselt und an Wänden und Boden so fixiert, dass ihm nur der Lotussitz möglich ist.
Von oben hört er nun geschäftiges Getrappel sowie das Rauschen festen Tauwerks und fallender Segel, die, als sie sich mit Wind füllen, ein leises, fast knallendes Geräusch von sich geben. Sein Körper wird kurz gegen die Wand seiner Zelle gepresst, als das Schiff, dass ihm nun als schwimmender Kerker dient und ihn zu seiner Hinrichtungsstätte bringen soll, Fahrt aufnimmt und vom Wind getragen über die See fliegt. Hier, gefesselt, durch Finsternis und Augenbinde seiner Sicht vollständig beraubt und ohne eine Schusswaffe in erreichbarer Nähe, ist er absolut hilflos. Sich der Hoffnungslosigkeit seiner Lage bewusst werdend, verliert sich Ken in sich selbst, er verfällt in einen tranceähnlichen Zustand, sein Körper lässt jede Anspannung fahren, wodurch sein Kinn auf seinen Brustkorb sinkt und seine Atmung langsamer zu werden beginnt. Das zynischerweise beruhigende Schaukeln des Schiffes auf den Wogen der See lässt ihn aus der Trance in eine Traumwelt gleiten, von der aus er schließlich noch tiefer in sich versinkt, um schlussendlich in tiefen, traumlosen Schlaf zu fallen.
Ein Ruck, wie von einem plötzlichen, heftigen Einschlag reißt ihn aus diesem Zustand. Plötzlich hellwach lauscht er angestrengt in die kurzzeitige Stille, der ein infernalisches Geschrei folgt, das unvermittelt losbricht und das Schiff vollständig erfüllt und schnell leiser wird. Er spürt, wie im von oben herab Tropfen einer warmen Flüssigkeit auf Kopf, Schultern und Beine fallen und seine Zelle langsam mit dem Geruch von Blut erfüllt wird, dem Geruch einer Blutmenge, die nicht allein von seinen Wunden stammen kann. Schon nach wenigen Minuten ist der Lärm wieder vorbei, eine geisterhafte Ruhe liegt über dem Schiff.
Stille herrscht nun an Deck und im gesamten Schiff, nur unterbrochen vom vereinzelten Stöhnen sterbender, schwerverletzter Männer, die kreuz und quer in Lachen ihres eigenen Blutes liegen, welches ihre weißen Uniformen färbt und durch die Ritzen der Planken vom Deck bis in den Schiffsbauch tropft und Wände wie Decks, über die es rinnt, in tiefes Rot taucht. Die zerrissenen Segel flattern schwach im Wind, der Hauptmast liegt, nur noch von den starken Tauen der Takelage am Schiff gehalten, quer über dem Deck und taucht mit der über die Reling hängenden Spitze ins Meer.
Ein letzter Soldat kriecht noch mit letzter Kraft und von einer Blutspur verfolgt über das Deck, dem Stumpf des Hauptmastes entgegen, in dem sich, hinter einer kleinen Klappe, eine Teleschnecke befindet. „Ich ... ich muss das melden!“
„Aber, aber. Was haben wir den vor?“
Bebend vor Angst wendet der Angesprochene um. Auf der Seite liegend und auf den Unterarm gestützt, haftet sein entsetzter, angsterfüllter Blick auf der schattenhaften, hochgewachsenen Gestalt, mit den zu glühen scheinenden Augen und den in den Taschen ihres Jacketts vergrabenen Händen hinter ihm, auf ihren blauen Lippen, von denen das Blut seiner Kameraden tropft. Noch bevor er seinen Schrei ausstoßen kann, verzieht sich das Gesicht der Kreatur wieder zu der gräßlichen, den Tod bedeutenden Fratze, die Wundwinkel ziehen sich bis an die Wangen zurück, Zähne blitzen auf, um im nächsten Moment auf den Soldaten niederzufahren.
Funken sprühend schlagen sie auf der schweren, schwarz glänzenden Schwertklinge, die unvermittelt zwischen Soldat und Angreifer aufgetaucht ist, ein.
„Was fällt dir Ungeheuer ein, dich an meinen Männern zu vergreifen?“ Blutüberströmt hat sich Vizeadmiral Notung aufgerafft und sein mannsgroßes, mit Haki ummanteltes Breitschwert schützend vor seinen Untergebenen gehalten, der mittlerweile vor Angst in Ohnmacht gefallen ist. Doch auch er ist in einem katastrophalen Zustand. Die Zähne, denen er sich eben in den Weg stellte, haben auch in seinen Körper unzählige, klaffende Fleischwunden gerissen, aus denen Blut an seinem muskulösen Körper herabströmt und seine Kleidung durchtränkt, sodass selbst sein weißer Offiziersmantel in homogenen, dunklen Rot strahlt.
Das Schwert aus dem Schraubstock ihrer Kiefer befreiend, richtet sich die Kreatur nun auf und blickt aus kalten Augen auf den schon von Erschöpfung und Blutverlust keuchenden Vizeadmiral herab, ihr Antlitz entspannt sich, ihre Zunge huscht über die Lippen und mit ihr verschwindet das Blut seiner Männer im Schlund der Bestie.
„Glauben Sie nicht, dass ihre Intervention ein bisschen spät kommt? Sie hätten es wesentlich einfacher gehabt, wenn Sie auf meine Bitte eingegangen wären!“ Unter diesen Worten lässt das Wesen seinen geöffneten Mund mit großer Kraft auf den Vizeadmiral niederfahren, dem es mit Mühe gelingt, sein Schwert schnell genug nach oben zu reißen, um die Zähne daran zu hindern, sein Gesicht zu zerfleischen und den Schädel in Splitter brechen zu lassen. Mit der Kraft beider muskelbepackter Arme schafft er es, die Kreatur abzuwehren um nun seinerseits zum Angriff überzugehen.
Er holt weit mit dem in noch immer in glänzendes Schwarz getauchten Schwert aus, sein gesamtes Gewicht auf den rechten Fuß verlagernd hebt den linken senkrecht nach oben, sodass sein Oberkörper mit dem Schwert nun in der Horizontalen liegt. Mit Gewalt reißt er seinen Körper herum, als sein linker Fuß auf dem Deck auftrifft, erbebt dieses kurz, bevor sich seine Schwertklinge mit brachialer Gewalt hineintreibt. Die gewaltige Schnittwelle, die sich von Notungs Schwert löst, rauscht auf seinen Gegner zu und löscht alles aus, was sich hier an verbliebener Beplankung in den Weg stellt, um schlussendlich auch den metallenen Außenpanzers des schweren Marinekriegsschiffes mühelos zu zerteilen. Keuchend betrachtet der Vizeadmiral die Schneiße der Vernichtung, die er in das Deck geschlagen hat und jetzt dem Blut seiner Männer als Abflussrinne in den Ozean dient.
„Ich muss zugeben, ich bin beeindruckt!“ Registrierend, dass er von hinten angesprochen wird, wendet sich Notung mit aufgerissenen Augen, deren Pupillen sich verengen und Blutgefäschen hervortreten, um, Entsetzten spiegelt sich in seinem Gesicht. „All diese Zerstörungskraft, freigesetzt in Sekundenbruchteilen ... Ich bin wirklich beeindruckt von Ihrer Kraft, Vizeadmiral. Schade nur, dass die Ihnen garnichts nützt, wenn Ihr Gegner schneller ist als Sie!“
Rasend vor Wut und Entschlossenheit versetzt der Vizeadmiral seinen Körper in Drehung, die Zentrifugalkräfte heben sein Schwert ohne sein Zutun in die Horizontale. Spiralförmig pflanzen sich Schnittwellen fort, alles glatt durchtrennend, worauf sie treffen, wodurch sich der Hauptmast nun endgültig vom Schiff löst, während er sich auf den Feind zu bewegt, der nun wieder die Zähne fletscht. Im entscheidenden Moment schnellt dessen Körper nach vorn und Notungs Schwert, dessen vernichtende Kraft noch bis eben das ganze Schiff entgültig zu zerschmettern drohte, stoppt zwischen zwei Reihen nun ebenfalls schwarz glänzender Zähne. Ein Ruck geht durch die Körper der Kontrahenten und lässt die Kreatur, deren Hände sich während des gesamten Intermezzos nicht rührten, die Augen zusammenkneifen.
„Auch noch Haki?!“, fragt Notung seinen Feind, bekommt jedoch keine Antwort. Unter hellen Knacken graben sich die Zähne ins Metall, das schließlich nachgibt. Krachend bricht das gewaltige Schwert entzwei, die härtende Wirkung des Hakis Notungs verfliegt. Die Spitze seiner Waffe liegt nun zu Füßen Notungs, der noch ungläubig auf den in seiner Hand verbliebenen Stumpf starrt, bevor sein Blick am mit Blut seiner Männer befleckten Körper der Gestalt vor ihm nach oben wandert und an den zu glühen scheinenden Augen hängen bleibt. In ihm macht sich ein Gefühl breit, welches er in all seinen Jahren bei der Marine noch nie verspührte: Furcht. Eine lähmende Angst hat von ihm Besitz ergriffen, unfähig, sich zu rühren, starrt er aus weit aufgerissenen Aufgen in die kalt leuchtenden seines Gegners. Sich der Tatsache bewusst werdend, soeben seinem Tod ins Auge zu blicken, gewinnt sein Stolz als Schwertkämpfer und Soldat der Gerechtigkeit wieder an Boden, woraufhin er seine Arme vom Körper streckt, seinem überlegenen Gegner jetzt mit von Entschlossenheit strahlenden Augen entgegenfunkelnd.
Ein flüchtiges Lächeln huscht über das Gesicht der Kreatur vor ihm, das die Narben in ihrem Gesicht kurz tanzen lässt, als sich ihre rechte Hand endlich in Bewegung setzt.
Notung, seinen Blick nicht von den kalten Augen seines Gegners wendend, spürt, dass sich die Rechte des Monsters, deren gewaltiger Biss sein Schwert bersten ließ, sich geradezu sanft auf seinen Brustkorb legt. Schlagartig geht ein Ruck durch seinen Körper, in Strahlen schießt Blut aus all den tiefen Wunden am Körper Notungs, der daraufhin keuchend, mit leeren Augen und Blut spuckend zu Boden geht. „Sagen Sie, finden sie dieses Aufgebot an Kampfkraft nicht etwas übertrieben?“, erklingt die Stimme Hannyabals in seinen Ohren, als wolle er ihn verspotten.
„Soviel dazu“, kommentiert die Kreatur, die Rechte wieder in der Tasche ihres Jacketts vergrabend, emotionslos das eben geschehene, bevor sie sich wieder ihrem anfänglichem Ziel, dem ohnmächtigen, aber noch immer lebenden Marinesoldaten zuwendet.
Ihre Zähne nehmen wieder ihre Arbeit auf, schnell und mühelos graben sie sich in den Rücken des wehrlosen Marinesoldaten, gleiten mit Leichtigkeit durch Haut, Muskeln, Knochen, Nervenbahnen. Schließlich schließen sich die Kiefer mit einer, in Anbetracht der Schärfe der Zähne, unnötigen Kraft. Ein letztes Mal ergießt sich ein Schwall Blut ins Gesicht der Bestie und über die Reste des Decks.
Wortlos, sich genüsslich das Blut von den Lippen leckend, wendet sich die Gestalt dem Aufbau des Schiffes zu, um kurz darauf, nach einem flüchtigen Blick auf das Blutbad, dass sie angerichtet hat, die knarrenden Stufen in den Schiffsbauch hinabzuschreiten, verfolgt von einer Spur von Blutstropfen.
Als Ken registriert, dass das knarrende Geräusch, er schnell als Schritte identifiziert, stetig näher kommt, beschleunigt sich seine Atmung, während sich ihm der Brustkorb zuzuschnüren scheint.
Unbehelligt, mit geschlossenen Augen findet sich das mordende Wesen im geräumigen Bauch des Schiffes zurecht. Sich an der einzigen Präsenz, die auf dem Schiff noch spürbar ist, orientierend, geht es die Gänge entlang, bis es die Tür erreicht, nach der es suchte. Seine Zähne durchschlagen die schwere Tür, mühelos heben sie sie aus ihren Angeln.
Ken versucht, sich aus seinen Fesseln zu winden, als er das Krachen von Holz vernimmt und ihm Splitter ins Gesicht schlagen. Er hört das quitschende Geräusch übereinander gleitenden Metalls und folgert, das die Tür seiner Zelle aus den Angeln gehoben wurde und der Schlächter der Besatzung nun ihm gegenüber steht.
„Bitte sehr, Vizeadmiral“, spricht Hannyabal, dessen Stimme Ken in der vergangenen Zeit nur zu gut kennen und hassen gelernt hat, „hiermit überantworte ich Ihnen den Kämpfer der Revolutionarmee, „Teufelsauge“ Ken. Er konnte uns keinerlei Information mehr übermitteln, der Grund sollte Ihnen bekannt sein?“ Hannyabal umfasst Kens Mundpartie und drückt die Wangen zusammen, wodurch sich die Kiefer unweigerlich öffnen, wodurch das Fehlen seiner Zunge unübersehbar wird. „Damit hat er jeden Restwert für die Welt verloren. Er gehört nun ganz Euch.“
„Danke, Direktor“, dringt jetzt eine dröhnende Stimme an Kens Ohr, die offenbar zur Silhouette eines hünenhaften, muskelbepackten Mannes gehört, zu dem sich nun ein zweiter, wesentlich kleinerer gesellt, der sich mit seiner geradzu fisteligen Stimme an seinen Vorgesetzten wendet: „Vizeadmiral Notung, Sir, die Vorbereitungen sind abgeschlossen. Auf Ihr Kommando hin können wir Segel setzen.“
„Gut“, beginnt der angesprochene wieder zu dröhnen, bevor er Ken mit einer seiner mit Hornhaut bedeckten Pranken die Brille abnimmt und mit der anderen seinen Arm umschließt, ihn spüren lassend, dass es ihm ein Leichtes wäre, mit einem leichten Griff jeden Knochen in diesem Arm zu feinen Pulver zu zermahlen.
„Sagen Sie“, beginnt Hannyabal mit Blick auf das bis an die Zähne bewaffnete Kriegsschiff, das Ken zum Schafott bringen soll, hinter vorgehaltender Hand Notung zuzuflüstern, „finden Sie dieses Aufgebot an Kampfkraft nicht etwas übertrieben?“
„Wir haben es hier mit einem Schwerverbrecher zu tun, der überdies Teil des schlimmsten Verbrecherorganisation der ganzen Welt ist! Was soll also die Frage?“
„Ich meine ja nur, dass sich die Revolutionäre bisher nur sehr selten in Seegefechte haben verwickeln lassen und das da“, sein abfälliger Blick liegt auf dem geschundenen Ken, „ist ja nicht einmal ein Offizier. Ein, zugegebenermaßen, recht bekannter Kämpfer und Kontaktmann, mehr nicht. Glauben Sie wirklich, die Revolutionäre werden den Gefangenentransport angreifen?“
„Ich wiederhohle mich ungern!“ Der dröhnende Bass Notungs hat an Lautstärke und Druck gewonnen, was Hannyabal verschreckt zurückfahren lässt und ihn zu Boden wirft, „Es geht nicht darum, was passieren könnte, der Punkt ist vielmehr, dass diesem Typen alles zuzutrauen ist! Über Jahre hinweg hat er gute Menschen im Namen des Bösen getötet! Wen es nach mir ginge, würde ich ihn hier und jetzt mit meinem Schwert zerschmettern!“ Der Gesichtsausdruck Notungs wirkt wie versteinert, seine ohnehin harten Züge sind voll der Abscheu gegen den Mann, dessen Arm mit seinen Pranken umschließt und man sieht ihm an, dass er sich zwingen muss, diesen Arm, der, durch den Lauf eines Gewehres hundertfach verlängert, den Tod zahlreicher Streiter der Gerechtigkeit verschuldet hat, nicht die ganze Kraft seines Griffs spüren und ihn in tausende Teile bersten zu lassen. Schließlich fährt er mit erzwungenen Ruhe fort: „Aber, es geht nicht nach mir. Und eines der Grundprinzipien der Weltregierung und der Marine ist der Anspruch auf einen Gerichtsprozess. Er wird die Gerechtigkeit zu spüren bekommen, ob nun jetzt oder in einigen Stunden ist insofern absolut unerheblich. Danke für die angemessene Verwahrung des Gefangenen, Direktor, er wird nicht in ihr Gefängnis zurückkehren.“
„Nun“, erwidert Hannyabal, während er sich aufrappelt, „davon gehe ich aus. Auf Wiedersehen, Vizeadmiral.“
„Ts, und ihr fragt euch, wie sich die Menschen gegen diese Regierung auflehnen kann“, denkt Ken, diese Unterhaltung mithörend, „Gerichtsprozess, das ich nicht lache!“
Er an Bord und unter Deck geführt, wo er in einer fensterlosen Zelle hinter einer schweren Tür aus massivem Holz weggeschlossen wird, die Augen verbunden, Hände und Füßen mit schweren Eisenketten gefesselt und an Wänden und Boden so fixiert, dass ihm nur der Lotussitz möglich ist.
Von oben hört er nun geschäftiges Getrappel sowie das Rauschen festen Tauwerks und fallender Segel, die, als sie sich mit Wind füllen, ein leises, fast knallendes Geräusch von sich geben. Sein Körper wird kurz gegen die Wand seiner Zelle gepresst, als das Schiff, dass ihm nun als schwimmender Kerker dient und ihn zu seiner Hinrichtungsstätte bringen soll, Fahrt aufnimmt und vom Wind getragen über die See fliegt. Hier, gefesselt, durch Finsternis und Augenbinde seiner Sicht vollständig beraubt und ohne eine Schusswaffe in erreichbarer Nähe, ist er absolut hilflos. Sich der Hoffnungslosigkeit seiner Lage bewusst werdend, verliert sich Ken in sich selbst, er verfällt in einen tranceähnlichen Zustand, sein Körper lässt jede Anspannung fahren, wodurch sein Kinn auf seinen Brustkorb sinkt und seine Atmung langsamer zu werden beginnt. Das zynischerweise beruhigende Schaukeln des Schiffes auf den Wogen der See lässt ihn aus der Trance in eine Traumwelt gleiten, von der aus er schließlich noch tiefer in sich versinkt, um schlussendlich in tiefen, traumlosen Schlaf zu fallen.
Ein Ruck, wie von einem plötzlichen, heftigen Einschlag reißt ihn aus diesem Zustand. Plötzlich hellwach lauscht er angestrengt in die kurzzeitige Stille, der ein infernalisches Geschrei folgt, das unvermittelt losbricht und das Schiff vollständig erfüllt und schnell leiser wird. Er spürt, wie im von oben herab Tropfen einer warmen Flüssigkeit auf Kopf, Schultern und Beine fallen und seine Zelle langsam mit dem Geruch von Blut erfüllt wird, dem Geruch einer Blutmenge, die nicht allein von seinen Wunden stammen kann. Schon nach wenigen Minuten ist der Lärm wieder vorbei, eine geisterhafte Ruhe liegt über dem Schiff.
Stille herrscht nun an Deck und im gesamten Schiff, nur unterbrochen vom vereinzelten Stöhnen sterbender, schwerverletzter Männer, die kreuz und quer in Lachen ihres eigenen Blutes liegen, welches ihre weißen Uniformen färbt und durch die Ritzen der Planken vom Deck bis in den Schiffsbauch tropft und Wände wie Decks, über die es rinnt, in tiefes Rot taucht. Die zerrissenen Segel flattern schwach im Wind, der Hauptmast liegt, nur noch von den starken Tauen der Takelage am Schiff gehalten, quer über dem Deck und taucht mit der über die Reling hängenden Spitze ins Meer.
Ein letzter Soldat kriecht noch mit letzter Kraft und von einer Blutspur verfolgt über das Deck, dem Stumpf des Hauptmastes entgegen, in dem sich, hinter einer kleinen Klappe, eine Teleschnecke befindet. „Ich ... ich muss das melden!“
„Aber, aber. Was haben wir den vor?“
Bebend vor Angst wendet der Angesprochene um. Auf der Seite liegend und auf den Unterarm gestützt, haftet sein entsetzter, angsterfüllter Blick auf der schattenhaften, hochgewachsenen Gestalt, mit den zu glühen scheinenden Augen und den in den Taschen ihres Jacketts vergrabenen Händen hinter ihm, auf ihren blauen Lippen, von denen das Blut seiner Kameraden tropft. Noch bevor er seinen Schrei ausstoßen kann, verzieht sich das Gesicht der Kreatur wieder zu der gräßlichen, den Tod bedeutenden Fratze, die Wundwinkel ziehen sich bis an die Wangen zurück, Zähne blitzen auf, um im nächsten Moment auf den Soldaten niederzufahren.
Funken sprühend schlagen sie auf der schweren, schwarz glänzenden Schwertklinge, die unvermittelt zwischen Soldat und Angreifer aufgetaucht ist, ein.
„Was fällt dir Ungeheuer ein, dich an meinen Männern zu vergreifen?“ Blutüberströmt hat sich Vizeadmiral Notung aufgerafft und sein mannsgroßes, mit Haki ummanteltes Breitschwert schützend vor seinen Untergebenen gehalten, der mittlerweile vor Angst in Ohnmacht gefallen ist. Doch auch er ist in einem katastrophalen Zustand. Die Zähne, denen er sich eben in den Weg stellte, haben auch in seinen Körper unzählige, klaffende Fleischwunden gerissen, aus denen Blut an seinem muskulösen Körper herabströmt und seine Kleidung durchtränkt, sodass selbst sein weißer Offiziersmantel in homogenen, dunklen Rot strahlt.
Das Schwert aus dem Schraubstock ihrer Kiefer befreiend, richtet sich die Kreatur nun auf und blickt aus kalten Augen auf den schon von Erschöpfung und Blutverlust keuchenden Vizeadmiral herab, ihr Antlitz entspannt sich, ihre Zunge huscht über die Lippen und mit ihr verschwindet das Blut seiner Männer im Schlund der Bestie.
„Glauben Sie nicht, dass ihre Intervention ein bisschen spät kommt? Sie hätten es wesentlich einfacher gehabt, wenn Sie auf meine Bitte eingegangen wären!“ Unter diesen Worten lässt das Wesen seinen geöffneten Mund mit großer Kraft auf den Vizeadmiral niederfahren, dem es mit Mühe gelingt, sein Schwert schnell genug nach oben zu reißen, um die Zähne daran zu hindern, sein Gesicht zu zerfleischen und den Schädel in Splitter brechen zu lassen. Mit der Kraft beider muskelbepackter Arme schafft er es, die Kreatur abzuwehren um nun seinerseits zum Angriff überzugehen.
Er holt weit mit dem in noch immer in glänzendes Schwarz getauchten Schwert aus, sein gesamtes Gewicht auf den rechten Fuß verlagernd hebt den linken senkrecht nach oben, sodass sein Oberkörper mit dem Schwert nun in der Horizontalen liegt. Mit Gewalt reißt er seinen Körper herum, als sein linker Fuß auf dem Deck auftrifft, erbebt dieses kurz, bevor sich seine Schwertklinge mit brachialer Gewalt hineintreibt. Die gewaltige Schnittwelle, die sich von Notungs Schwert löst, rauscht auf seinen Gegner zu und löscht alles aus, was sich hier an verbliebener Beplankung in den Weg stellt, um schlussendlich auch den metallenen Außenpanzers des schweren Marinekriegsschiffes mühelos zu zerteilen. Keuchend betrachtet der Vizeadmiral die Schneiße der Vernichtung, die er in das Deck geschlagen hat und jetzt dem Blut seiner Männer als Abflussrinne in den Ozean dient.
„Ich muss zugeben, ich bin beeindruckt!“ Registrierend, dass er von hinten angesprochen wird, wendet sich Notung mit aufgerissenen Augen, deren Pupillen sich verengen und Blutgefäschen hervortreten, um, Entsetzten spiegelt sich in seinem Gesicht. „All diese Zerstörungskraft, freigesetzt in Sekundenbruchteilen ... Ich bin wirklich beeindruckt von Ihrer Kraft, Vizeadmiral. Schade nur, dass die Ihnen garnichts nützt, wenn Ihr Gegner schneller ist als Sie!“
Rasend vor Wut und Entschlossenheit versetzt der Vizeadmiral seinen Körper in Drehung, die Zentrifugalkräfte heben sein Schwert ohne sein Zutun in die Horizontale. Spiralförmig pflanzen sich Schnittwellen fort, alles glatt durchtrennend, worauf sie treffen, wodurch sich der Hauptmast nun endgültig vom Schiff löst, während er sich auf den Feind zu bewegt, der nun wieder die Zähne fletscht. Im entscheidenden Moment schnellt dessen Körper nach vorn und Notungs Schwert, dessen vernichtende Kraft noch bis eben das ganze Schiff entgültig zu zerschmettern drohte, stoppt zwischen zwei Reihen nun ebenfalls schwarz glänzender Zähne. Ein Ruck geht durch die Körper der Kontrahenten und lässt die Kreatur, deren Hände sich während des gesamten Intermezzos nicht rührten, die Augen zusammenkneifen.
„Auch noch Haki?!“, fragt Notung seinen Feind, bekommt jedoch keine Antwort. Unter hellen Knacken graben sich die Zähne ins Metall, das schließlich nachgibt. Krachend bricht das gewaltige Schwert entzwei, die härtende Wirkung des Hakis Notungs verfliegt. Die Spitze seiner Waffe liegt nun zu Füßen Notungs, der noch ungläubig auf den in seiner Hand verbliebenen Stumpf starrt, bevor sein Blick am mit Blut seiner Männer befleckten Körper der Gestalt vor ihm nach oben wandert und an den zu glühen scheinenden Augen hängen bleibt. In ihm macht sich ein Gefühl breit, welches er in all seinen Jahren bei der Marine noch nie verspührte: Furcht. Eine lähmende Angst hat von ihm Besitz ergriffen, unfähig, sich zu rühren, starrt er aus weit aufgerissenen Aufgen in die kalt leuchtenden seines Gegners. Sich der Tatsache bewusst werdend, soeben seinem Tod ins Auge zu blicken, gewinnt sein Stolz als Schwertkämpfer und Soldat der Gerechtigkeit wieder an Boden, woraufhin er seine Arme vom Körper streckt, seinem überlegenen Gegner jetzt mit von Entschlossenheit strahlenden Augen entgegenfunkelnd.
Ein flüchtiges Lächeln huscht über das Gesicht der Kreatur vor ihm, das die Narben in ihrem Gesicht kurz tanzen lässt, als sich ihre rechte Hand endlich in Bewegung setzt.
Notung, seinen Blick nicht von den kalten Augen seines Gegners wendend, spürt, dass sich die Rechte des Monsters, deren gewaltiger Biss sein Schwert bersten ließ, sich geradezu sanft auf seinen Brustkorb legt. Schlagartig geht ein Ruck durch seinen Körper, in Strahlen schießt Blut aus all den tiefen Wunden am Körper Notungs, der daraufhin keuchend, mit leeren Augen und Blut spuckend zu Boden geht. „Sagen Sie, finden sie dieses Aufgebot an Kampfkraft nicht etwas übertrieben?“, erklingt die Stimme Hannyabals in seinen Ohren, als wolle er ihn verspotten.
„Soviel dazu“, kommentiert die Kreatur, die Rechte wieder in der Tasche ihres Jacketts vergrabend, emotionslos das eben geschehene, bevor sie sich wieder ihrem anfänglichem Ziel, dem ohnmächtigen, aber noch immer lebenden Marinesoldaten zuwendet.
Ihre Zähne nehmen wieder ihre Arbeit auf, schnell und mühelos graben sie sich in den Rücken des wehrlosen Marinesoldaten, gleiten mit Leichtigkeit durch Haut, Muskeln, Knochen, Nervenbahnen. Schließlich schließen sich die Kiefer mit einer, in Anbetracht der Schärfe der Zähne, unnötigen Kraft. Ein letztes Mal ergießt sich ein Schwall Blut ins Gesicht der Bestie und über die Reste des Decks.
Wortlos, sich genüsslich das Blut von den Lippen leckend, wendet sich die Gestalt dem Aufbau des Schiffes zu, um kurz darauf, nach einem flüchtigen Blick auf das Blutbad, dass sie angerichtet hat, die knarrenden Stufen in den Schiffsbauch hinabzuschreiten, verfolgt von einer Spur von Blutstropfen.
Als Ken registriert, dass das knarrende Geräusch, er schnell als Schritte identifiziert, stetig näher kommt, beschleunigt sich seine Atmung, während sich ihm der Brustkorb zuzuschnüren scheint.
Unbehelligt, mit geschlossenen Augen findet sich das mordende Wesen im geräumigen Bauch des Schiffes zurecht. Sich an der einzigen Präsenz, die auf dem Schiff noch spürbar ist, orientierend, geht es die Gänge entlang, bis es die Tür erreicht, nach der es suchte. Seine Zähne durchschlagen die schwere Tür, mühelos heben sie sie aus ihren Angeln.
Ken versucht, sich aus seinen Fesseln zu winden, als er das Krachen von Holz vernimmt und ihm Splitter ins Gesicht schlagen. Er hört das quitschende Geräusch übereinander gleitenden Metalls und folgert, das die Tür seiner Zelle aus den Angeln gehoben wurde und der Schlächter der Besatzung nun ihm gegenüber steht.
„Du siehst schrecklich aus“, sind die ersten Worte, die die vollkommene Stille auf dem Schiff durchbrechen. Ken hebt das Kinn von seiner Brust, sodass er nun, wenn er durch den Zellstoff vor seinen Augen sehen könnte, die hoch aufgeschossene Gestalt erblicken würde, die seine Wächter ermordet haben muss.
„Diese Stimme“, schießt es Ken durch den Kopf.
„Du hast recht. Ich bin’s.“ Unter diesen Worten schieben sich mit Schwimmhäuten versehene, lange, nasse Finger zwischen Kens Gesicht und seine Augenbinde, um sie ihm kurz darauf vom Gesicht zu reißen. Der Anblick, der sich ihm nun bietet, schnürt ihm die Luft ab, eine seltsame Mischung von Freude und Entsetzen treibt kalten Schweiß auf die Stirn und lässt ihn die Augen weiten.
„Was ist das? Wer oder was bist du!?“, will er ausrufen, doch wegen des Fehlens seiner Zunge entfliehen seiner Kehle nur hohle, monotone Laute, aus denen man dennoch die Angst Kens ermessen kann.
Stimme und Statur des Mannes, in dessen Angesicht Ken blickt, sind die Jonas, und doch liegen zwischen seinem Gegenüber und seinem Geschäftspartner Welten. Obwohl Ken ihn eindeutig wiedererkennt, weigert sich sein Kopf, diese Kreatur als diesen zu akzeptieren, zu groß ist die Diskrepanz zwischen dem Fischmenschen, den Ken nur zu gut aus eigener Anschauung kennt und dem, der sich jetzt mit ihm in seiner Zelle befindet und den er aus seinen aufgerissenen Augen anstarrt.
In seiner Erinnerung erscheinen Bilder von gemeinsamen Geschäftstreffen, von Verhandlungen. Der große Konferenzsaal der Carcharias Corp. mit der üppigen Tafel wird von einem Kronleuchter mit warmen Licht erhellt, der Raum ist erfüllt vom Geruch gebratenen Fleisches, duftendem Jasminreis und des für den späteren Verlauf des Abends so wichtigen Kaffees. Jona zeigte sich immer von seiner besten Seite, als gepflegter Fischmensch, stets gekleidet in einen maßgeschneiderten, bis auf Krawatte, Einstecktücher und Nadelstreifen, die in Eisblau gehalten waren, schwarzen Anzug, ein Lächeln auf dem zernarbten, von der kantigen Nase dominierten Gesicht, umrahmt von den unzähmbaren, abstehenden Haaren. Ein angenehmer, wenn auch harter Verhandlungspartner, sowie ein verlässlicher, kompromissbereiter Verbündeter und Unterstützer, eine Person der Vernunft, Ruhe und Ausgeglichenheit verströmend.
Doch Jona einmal in einer solchen Situation zu sehen und in diesem Zustand, den sich Ken nichteinmal in seinen Alpträumen hätte vorstellen können, übersteigt Kens Vernunft. Nichts am aktuellen Stand der Dinge hat auch nur entfernt Ähnlichkeit mit den bisherigen Treffen. Vor ihm, in dem nun voll und ganz mit dem Geruch frischen Blutes angefüllten Raum, steht derselbe Fischmensch, doch von seiner Vernunft und Gepflegtheit ist hier nichts zu sehen, nichts zu erahnen. Zwar trägt Jona auch jetzt seinen Anzug, doch ist dieser vollkommen von Blut durchnässt, aus jeder der übersättigten Fasern quillt es hervor, um anschließend an seinem Körper herabzurinnen, eine deutliche rote Spur auf der blauen Haut Jonas hinterlassend. Seine sonst weißen Zähne blitzen nun ebenso rot zwischen den noch immer zu einem wahnsinnig aussehendem Grinsen verzogenen Lippen, die gesamte Partie um seinen Mund trieft von Blut, welches seine Kehle entlang rinnend besonders Hemdkragen, Krawatte und Revers durchtränkt. Der eigentlich klare, vernünftige Blick seiner blauen Augen ist dem eisigen einer blutrünstigen Bestie gewichen, dem eines Killers, der im Blutrausch willkürlich, mit unnötiger Gewalt und Grausamkeit Leben nimmt und aus den geschlitzten Pupillen nach seinem neuen Opfer sucht.
Als sich Jona in Bewegung setzt und auf Ken zugeht, verfällt dieser in Panik, voll der Angst, sein Geschäftspartner würde auch ihm, als Strafe für seinen Verrat, das Leben nehmen, ein schrecklicher Verdacht, der sich zu verhärten beginnt, als sich der Spalt zwischen Jonas Kiefern deutlich sichtbar weitet. Ken sieht, wie die Zunge Jonas über seine Lippen und Zähne huscht und ihm, als sie wieder mit Blut bedeckt in seiner Kehle verschwindet, ein wohliger Schauer zu durchzucken scheint.
Mit hellem Klicken durchtrennen die Zähne die Eisenketten, mit denen Ken in seiner Zelle fixiert ist, rasselnd fallen sie zu Boden.
„Die Fesseln um deine Handgelenke kann ich so leider nicht abmachen. Ich könnte dir höchstens Hände und Füße abbeißen, doch dass wäre weder in deinem noch in meinem Interesse, Ken. Mit diesen Ketten musst du für den Moment also leben lernen.“
Der Angesprochene ist, als die Ketten, mit denen seine Arme in Richtung Decke ausgestreckt wurden und die sein Gewicht trugen, kraftlos in sich zusammengesackt und starrt nun in sein Spiegelbild, das von der Oberfläche der Blutlache, zusammengeflossen aus den Verletzungen hunderter Marinesoldaten und dem Blut, welches noch immer von Jona tropft, schwach zurückgeworfen wird.
„Er hat recht“, schießt es Ken durch den Kopf, sichselbst in die eingefallenen, blutunterlaufenen Augen, die mit leerem Blick aus seinem von Hunger und Folter zerschlissenen Gesicht, auf dem sich seine Schädelknochen deutlich abzeichnen, schauend, welches plötzlich von kleinen Wellen verwirbelt wird, bevor es regelrecht zu sprudeln und, kleine Tröpfchen im Gesicht Kens verteilend, zu tanzen beginnt. „Er ist wütend...!“
„Ken...“, beginnt Jona, auf dessen Stirn seine geweiteten Blutgefäße deutlich hervorgetreten sind, bevor er seine Hand nach dem Angesprochenen austreckt, der noch immer sein Spiegelbild betrachtet, mit ihm zu sprechen, noch immer steht das Grinsen in seinem Gesicht, „Hast du mir nichts zu sagen?“ Mit dem gekrümmten Zeigenfinger und dem Daumen Druck auf das Kinn Kens ausübend, hebt er dessen Antlitz an, so dass sich beide nun in die Augen sehen, Ken in die noch immer kalten, von Mordlust blitzenden Augen Jonas, Jona in die verängstigten Augen Kens, die sich mit Tränen zu füllen beginnen, als dieser seinen Mund öffnet, um Jona die in ihm herrschende Leere zu zeigen.
Bei diesem Anblick verschwindet endlich das Grinsen, die Zähne werden hinter den Lippen verborgen, über die ein letztes Mal die Zunge huscht und auch die Blutgefäße, sich bis eben deutlich auf seiner Stirn abzeichnend, treten wieder zurück. Die Blutlache kommt zur Ruhe. So gut es ihm möglich ist, richtet sich Jona in der für ihn viel zu niedrigen Zelle auf.
Unvermittelt trifft Jonas Kick Ken mitten ins Gesicht und schleudert ihn gegen die Wand seiner Zelle, die unter der Wucht seines Körper zerbricht. Mühsam versucht Ken sich aufzurappeln, während sich Jona in Bewegung setzt. Nochmals blitzen in Kens Gedächtnis die Erinnerungen an die freundlichen, manchmal fast rauschenden Geschäftstreffen, an regelrechte Gelage, die er mit Jona und seinen Vorständen erleben durfte, wenn die Verhandlungen erfolgreich verlaufen waren. „Wie kann dieses Monstrum Jona sein?“, geht es Ken durch den Kopf, bevor er erneut durch eine Wand getreten wird, er hört deutlich, wie seine Rippen knarrend unter den wirkenden Kräften nachzugeben beginnen und schließlich durchbrechen. Der Schmerz zerfetzt die hellen Erinnerungen, die ihm mehr und mehr als die Bilder einer Fassade erscheinen, die nur dazu diente, diesen Charakterzug Jonas so gut es geht zu überdecken.
„Hätte dir das nicht früher einfallen können?!“ Die im Fischmensch tobende Wut entlädt sich in einem weiteren Kick, diesmal in die Bauchhöhle des am Boden liegenden Kens, ein weiteres Mal gehen Schotten zu Bruch, ebenso wie weitere Knochen Kens, der, als sein Körper zum Stillstand kommt, sich vor Schmerzen krümmend und windend, Blut spuckt. „Keine Sorge, du stirbst nicht, auch wenn du es verdient hättest. Erstens, weil du mich verraten hast und zweitens für deine unfassbare Dummheit. Sich die Zunge ausbeisen, NACHDEM man bereits alles gesagt hat! Wenn ich würde, wie ich könnte, wenn ich dürfte...!“ Ein weiterer Kick erschüttert Ken am Boden haftenden Körper, bevor Jona ihn an den Haaren packt und nach oben hebt, sodass er ihm ins zitternde Gesicht blickt, welches nach diesen Tritten von Blut, das aus den nun wieder geöffneten Wunden, verursacht durch Sadys Peitsche, an die Luft tritt, überströmt wird. „Aber ich brauche dich noch...“
Mit dem Gesicht voran wirft Jona den hochgehobenen Ken auf das Deck, wo er platschend in einem regelrechten See von Blut landet. Als er sein jetzt rotes Gesicht aufhebt, blickt er in die starren, toten Augen eines der vielen hundert Marinesoldaten. Sein Körper wurde von Jona regelrecht durchgebissen, ein gewaltiges, halbrundes Loch klafft an der Stelle, an der sich einst ein Arm befand. Mit entsetztem Gesicht weicht Ken zurück, rückwärts auf dem Boden kriechend entfernt er sich so schnell es ihm mit seinem ausgemergelten Körper möglich ist von der Leiche vor ihm. Erst als er einen Widerstand fühlt, wendet er sich um und bekommt ein ähnlich zugerichtetes Opfer Jonas zu sehen, dem Jona das rechte Bein abgebissen sowie den Hals zerfetzt hat.
Doch erst, als er die Augen von dem einzelnen Toten losreißen kann, erschließt sich ihm das ganze Ausmaß des Massakers, welches Jona in so kurzer Zeit angerichtet hat. In einem sich über das gesamte Deck erstreckenden Meer von Blut liegen die zerfetzten Kadaver hunderter Marinesoldaten herum, über denen sich ein kreischender Schwarm Möven, angelockt von der leichtverdienten, blutigen Tafel, kreist. Die von der gleißenden Sonne ohnehin schwere Luft ist trotz des Seewindes, der die zerfetzten Segel flattern lässt, vom Blutgeruch geschwängert.
Das Leid dieser Toten lässt ihn sich zusammenkauern, er zieht seine Beine an, seine Stirn wird gegen die Oberschenkel gepresst, seine Arme liegen verschränkt auf seinen Knien, während seine Kleidung beginnt, das Blut der umliegenden langsam aufzusaugen und somit an Kens Körper zu kleben beginnt.
„Nein. Nein, nein, nein. Das kann nicht Jona sein. Das darf nicht Jona sein.“
Einsam, wenn auch nicht allein, wankt sein Körper vor und zurück. Er hört das näher kommende platschende Geräusch, welches ihm verrät, dass sich Jona mit langsamen Schritten nähert.
„Das geht nicht. Jona ... Was hast du angerichtet? Was bist du?!“
Ein klapperndes Geräusch, gefolgt von schwerem Schlucken und einem erleichterten Seufzer dringen Ken noch ans Ohr, bevor das Platschen von Jonas Schuhen im Blut aufhört und er anfängt zu sprechen.
„Was hast du denn eigentlich, Ken? Das ist der Tod, und der droht jedem, der sich mir entgegenstellt oder oder mein Geschäft schädigt.“ Ken wendet sich um und blickt der schattenhaften Gestalt mit den wieder blitzenden Augen ins Gesicht.„Du hast ihn doch selbst hundertfach verursacht. Der Unterschied ist, dass ich, wenn es möglich ist, es bevorzuge, die Sache auf geradezu innige Weise durchzuführen. Wenn ich meine Zähne in den Feind schlage, spüre ich, wie sein warmes Blut mir in den Rachen fließt und schmecke, wie die Hormone seinen Körper zu fluten beginnen. Ich spüre das langsame Erkalten des Körpers, wie der Atem langsam flacher wird und wenn ich gut getroffen habe, kann ich sogar das schwächelnde Herzschlagen spüren.“ Bei diesen Worten liegt ein seltsamer, warmer Ton in Jonas Stimme, ein weicher Schmelz erfüllt sie und gibt Ken zu verstehen, dass er es genossen haben muss, seinen Kräften einmal freien Lauf zu lassen. Kens Haut wird immer bleicher, während er zu begreifen beginnt, was diese Worte für ihn und seine Zukunft bedeuten.
„Du“, fährt Jona mit wieder kühler Stimme fort, „hast immer nur auf Distanz getötet, du hast dem Tod nie ins Auge geblickt. Deine, nein, meine Waffe hat dich unantastbar gemacht, du hast unpersönlich getötet, ohne dem Opfer die Möglichkeit zu geben, sich zu verteidigen. Töten, das war für dich das Betätigen des Abzuges deiner Waffe. Für mich ist es ein, wie soll ich sagen, ein ... Akt größter Nähe im letzten Moment des Opfers, den es so lang es möglich ist, auszukosten gilt, sofern die Umstände es erlauben. So etwas hast du nie erlebt, der wohlige Schauer, der mich durchzuckt, ist dir fremder als jedem anderen, obwohl du ebenso tötest, und dass mit erstaunlicher Präzision und Effizienz. Nun komm, du hast noch was zu erledigen.“
Jona umschließt den Oberarm Kens, um diesen nun auf die Beine zu holen und ihn zu der Klappe im Stumpf des Hauptmastes zu führen, die auch das Ziel von Jonas letztem Opfer war. Im Rücken des Marinesoldaten klafft nun eine riesige Wunde, aus der ohne Unterlass Blut sickert, Fleischfetzen hängen aus ihr heraus. Ken hat die Augen fest geschlossen, er will von all dem Blut, all dem Tod nichts mehr sehen, doch umso stärker wirken nun das Kreischen der Möven, deren scharfe Schnäbel immer wieder auf die Toten herniederfahren, und der Blutgeruch auf ihn ein und projezieren das Blutband scheinbar gegen die Innenseite seiner Augenlider. Jona öffnet die Klappe, dahinter ruht eine Teleschnecke, ihr weißes Haus wird geziehrt vom Emblem der Marine, die Wählscheibe befindet sich an dessen rechter Seite.
„Also Ken, du wirst jetzt die Nummer deines Vorgesetzten wählen, verstanden?“
Jonas Stimme ist von Endgültigkeit erfüllt, wodurch Ken realisiert, dass er, will er weiterleben, keine Wahl hat, als Jonas Wunsch Folge zu leisten. Während er eine nur wenigen Männern bekannte Nummer wählt, schielt er heimlich zu dem grausam zugerichteten Marinesoldaten, der ihnen mit von Todesschmerz grässlich verzerrtem Gesicht zu Füßen liegt.
Ring, ring, ring. Ring, ring, ring. – Clank –
Dieser Beitrag wurde bereits 37 mal editiert, zuletzt von Josha ()