-Bo- schrieb:
@smoker976
Ich bin kein Freund davon, wenn mit zweierlei Maß gemessen wird. Das ist alles. Auf Dress Rosa wurde die Versklavung durch eine übermächtige Teufelsfrucht noch als ein Albtraum ohne Erwachen dargestellt, eine unaussprechliche Qual für die Betroffenen und ein Unrechtszustand, der mit jedem Mittel beendet werden musste. Die in Spielzeuge verwandelten Menschen wurden ihrer Menschlichkeit und ihres freien Willens beraubt. Sie degenerierten zu willenlosen Marionetten eines kleinen Mädchens bzw. einer Frau, die weder äußerlich noch charakterlich jemals erwachsen geworden ist.
Inwiefern ist die Situation hier eine andere? Wir haben am Beispiel von Speed gesehen, dass deren Persönlichkeit und freier Wille nach dem Verzehr von Tamas Speise "überschrieben" wurden. Speed wurde, sowohl sinnbildlich als auch buchstäblich, zu Tamas Nutztier. Tama hat Speed mit ihrer Teufelsfrucht unter ihrer Kontrolle, gelangte mit ihrer unfreiwilligen Unterstützung sogar nach Onigashima, wo sie nun tausende Menschen auf dieselbe Weise manipuliert. Freilich, das sind die "Bösen", die "Feinde", die "Schurken". Aber rechtfertigt das diese himmelschreiende Doppelmoral? Sollen wir akzeptieren, dass eine Macht, die wenige Arcs zuvor noch als unmenschlich und grausam dargestellt wurde, nun gemeinhin als rechtmäßig hingenommen wird, nur weil sie aufseiten der Strohhüte liegt? Die Bestienpiraten mögen eine Horde ungehobelter und gewalttätiger Piraten sein, doch rechtfertigt das ein Schicksal, das auf DR noch als derart unerträglich charakterisiert wurde?
Du hast die innere Struktur der Bestienpiraten angesprochen. Wir wissen, dass die Hierarchie auf Macht beruht und sich die Kommandanten in permanenter Gefahr befinden, von einem erstarkten Offizier entthront zu werden. Diese elitären Ränke aber treffen vermutlich nicht auf den gemeinen Fußsoldaten zu. Nicht jedes Mitglied der Bestienpiraten kann, rein statistisch gesehen, ein opportuner Machiavellist sein, der seine Kameraden für eine Beförderung niedermetzeln würde. Wir haben bereits beim Beginn des Raids gesehen, wie das Fußvolk der Bande gemeinsam feiert, trinkt, lacht. Freundschaftliche Bande oder zumindest eine Zusammengehörigkeit bestehen also, ungeachtet der martialischen Politik der Offiziersriege oder dem allgemeinem Gewaltpotenzial.
Du hast Queen angesprochen, dessen verabscheuungswürdige Taten aber nicht nur von Außenstehenden verurteilt wurden, sondern sogar von Mitgliedern seiner eigenen Bande. Nicht umsonst sind viele Bestienpiraten zur Allianz übergelaufen, nachdem sie das Schicksal ihrer infizierten Kameraden und Queens zynische Befehle mitbekommen haben. Erneut: Von der Obrigkeit auf das Volk zu schließen, vermittelt selten ein realistisches Bild eines Staates. Oder in diesem Fall kann man Queens verächtliche Natur nicht auf die gesamte Bande übertragen, wo doch viele nicht mit dessen Vorgehen einverstanden waren und sogar desertiert sind.
Ich möchte nicht abstreiten, dass die Bestienpiraten im Kleinen wie im Großen furchtbare Dinge getan haben. Aber die Strafe muss im Verhältnis zur Tat stehen und moralische Grundsätze sollten nicht über Bord geworfen werden, nur weil es dem Plot gerade dienlich ist. Der ganze DR-Arc drehte sich um die Frage der Selbstbestimmung und das grauenvolle Schicksal, sich selbst zu verlieren. Vielleicht sogar gezwungen zu werden, gegen seine eigenen Freunde kämpfen zu müssen. Und nun, drei Arcs später, machen sich die Strohhüte eine ganz ähnliche Kraft zunutze? Das ist meines Erachtens keine Botschaft, die Oda oder der Manga vertreten sollte.
Ich kann den Impuls verstehen, schlimmen Menschen schlimme Dinge antun zu wollen. Aber 1.) können wir nicht sämtliche Bestienpiraten über einen Kamm scheren (siehe oben) und 2.) sollte eine Geschichte ihre eigenen aufgestellten Werte nicht unreflektiert verraten. Ruffy sagte einst, er sei ein Pirat und kein Held. Dennoch ist er die moralische Bezugsperson, die von Oda klar als das "Gute" in diesem Manga stilisiert wird. Zudem ist Ruffy auch der Mensch, der die Freiheit über jede andere Maxime stellt und ganze Arcs damit verbracht hat, Menschen aus der Tyrannei herrschsüchtiger Despoten zu befreien. Für Ruffy wäre der Verlust seiner Selbst, seiner Freiheit, seiner Selbstbestimmung ein Schicksal schlimmer als der Tod -- und ebenso ging es vermutlich jedem Menschen, der sich in Sugars Bann befunden hat.
Warum also sollte ich nicht hinterfragen, was hier mit den Bestienpiraten geschieht? Weil sie schlimme Dinge getan haben? Weil sie die "Bösen" sind? Welches Vergehen rechtfertigt denn den Verlust seines Selbst oder den Verlust seiner Selbstbestimmung? Welche Gräuel, die Speed begangen hat, rechtfertigen ihre nunmehr tagelange Knechtschaft unter Tama? Findest du es nicht erschreckend, dass ein achtjähriges Mädchen hier eine ganze Armee aus gehirngewaschenen Menschen befehligen kann? Zumal wir nicht wissen, ob die Betroffenen diese Tortur bewusst miterleben wie die Spielzeuge, gefangen in einem Körper, der nicht länger der ihre ist. Hilflose Zuschauer eines Lebens, das nicht länger ihnen gehört.
In einem anderen Arc wäre Tama mit einer solchen Kraft die Böse. Dass es so wäre, haben wir auf DR gesehen. Versteht mich nicht falsch. Die Bestienpiraten gehören bestraft, ja. Aber nicht so.
Da wäre es wirklich höchst unmoralisch wenn Tama ihre Kräfte dazu benutzt die Bestienpiraten temporär zu manipulieren um Wano zu befreien.
Klar ist moralisch nicht absolut perfekt, aber immer noch vertretbar, da dadurch viel größeres Leid verhindert wird.
Das mit Sugar zu vergleichen ist einfach nur unpassend.