Death the Kid schrieb:
Lang ists her, dass ich mich hier mal zu einem Kapitel gemeldet habe. Dieses Kapitel stellt allerdings einen so bedeutenden Einschnitt in der Geschichte von One Piece dar, dass ich meine Gedanken dazu auch mal wieder niederschreiben muss. Triggerwarning: Der folgende Beitrag könnte Spuren von Kritik enthalten.
Der Grund dafür ist offensichtlich das Ende des Kapitels. In Zunishas Worten: "Joy Boy is back". Und da haben wir das Problem. Natürlich war Ruffy immer etwas Besonderes, allein auf Grund seines familiären Hintergrundes. Er vereinigte viele Eigenschaften, die bedeutende Persönlichkeiten vor ihm hatten und wurde aufgebaut als der D. Träger auf den viele gewartet haben.
Was jetzt passiert, stellt allerdings alles auf den Kopf. Nun sieht es so aus, als bestünde eine direkte Verbindung zwischen Ruffy und Joy Boy. Sei es nun, dass Ruffy seine Inkarnation ist oder er seine Teufelsfrucht hat, was Oda da genau vorhat, ist noch nicht klar, aber keine der Möglichkeiten würde Gutes für den Manga bedeuten. Denn wenn Ruffy eine direkte Verbindung zu Joy Boy hat, macht ihn das zum Auserwählten, der von Anfang an dazu bestimmt war, das One Piece zu finden, die Weltregierung zu stürzen etc pp. Das bedeutet, das Rennen um das One Piece war von Anfang an gezinkt. Es gab nie eine faire Chance für jeden Piraten, der stark und ambitioniert genug ist, das Ziel zu erreichen, sondern es lief von vornherein alles immer nur auf Ruffy hinaus. Das würde die gesamte Prämisse des Manga in Frage stellen. Das große Piratenzeitalter wäre eine Lüge.
Was mich fast noch mehr stört, ist das, was das für den Charakter Ruffy bedeuten würde. Es ist etwas völlig anderes, ob Ruffy quasi per Zufall nach 800 Jahren derjenige ist, der all die Eigenschaften auf sich vereint, die es braucht bzw. die ihm den entscheidenden Vorteil verschaffen, als Erster das Ziel zu erreichen, oder ob er von Anfang an vom Schicksal dazu auserkoren war. Oda tut hier genau das, was Jahre zuvor schon Kishimoto mit Naruto gemacht hat und was dort schon niemand mochte: Seinen Protagonisten rückwirkend zum Auserwählten zu machen.
Die Trope des Chosen One ist ohnehin schon veraltet und overused, aber den Protagonisten auf der Zielgeraden dazu zu machen und seine gesamten Leistungen bzw. seinen Weg zu entwerten, ist einfach eine narrative Entscheidung, die mich wirklich verblüfft. Wieso tut man das? Warum soll ich es cool finden, zu erfahren, dass ich die ganze Zeit ohne es zu wissen der Story von Ninja bzw. Piratenjesus gefolgt bin?
Wenn Ruffy am Ende die WR stürzt, wird er das dann überhaupt tun, weil ihm das wichtig ist oder einfach nur weil es Joy Boys Wille bzw. der irgendeiner Vorsehung ist?
Das sind Fragen, die dieses Kapitel aufwirft. Vor allem aber sieht es so aus, als sei Ruffy jetzt tasächlich von Joy Boy besessen. Zunisha sagt schließlich explizit, Joy Boy sei zurück, nicht, dass er eine Aura oder was auch immer wahrnimmt, die sich so anfühlt wie die von Joy Boy. Man stelle sich mal vor, wie das aussähe, wenn Ruffy jetzt besessen von Joy Boy Kaido besiegt und dann für einen Triumph gefeiert würde, den er nicht einmal selbst errungen hat, während seine Kameraden es geschafft haben, Big Mom auszuschalten. Natürlich denkt man bei Ruffys Lächeln irgendwo auch an den Moment zurück, als Kaido darauf hinwies, dass der Strohhut breiter lächelt, je schwieriger seine Lage ist. Ich hoffe wirklich, dass wir hier keine Besessenheit sehen, sondern lediglich ein Awakening und Zunishas Aussage irgendwie anders zu interpretieren ist.
Die Alternative wäre jedoch ähnlich bescheiden. Wenn Ruffy nicht besessen ist, sondern seine TK erweckt hat und diese sich als Joy Boys herausstellt, wäre er nicht mehr der kreative Kämpfer, der aus einer unscheinbaren Teufelsfrucht wie der Gum-Gum Frucht enorm viel herausholt. Er wäre jemand, der deshalb so stark ist, weil er eine extrem seltene, besondere Teufelsfrucht geerbt hat, die sogar die WR fürchtet. Was im Übrigen auch null Sinn machen würde, denn warum ist das niemandem von der Marine bzw. WR in all der Zeit aufgefallen, die Ruffy nun schon als Pirat unterwegs ist? Man hätte ihn viel früher einkassieren können, als er noch ein kleiner Fisch war.
Das Ganze würde noch verschlimmert, wenn sich herausstellen sollte, dass es sich nicht einmal um die Gum-Gum Frucht handelt, die Teufelskraft die so lange essenzieller Bestandteil von Ruffys Charakter war. Er war immer der lustige Gummimann. Das wäre er plötzlich nicht mehr.
Das wäre ein weiterer drastischer Schritt in der Demontierung Ruffys. Und seien wir ehrlich, an der arbeitet Oda bereits seit WCI fleißig. Er hat Ruffy konstant Versprechungen machen lassen, die er dann nicht erfüllen konnte. Sei es, dass er niemanden mehr zurücklassen werde (siehe Jimbei) oder nicht mehr weglaufen werde (ebenfalls WCI). Oder aber und das fällt am aller meisten auf, dass er Kaido besiegen werde. Das predigt er schon seit Beginn des Wano Arcs. Was ist passiert? Er hat nicht ein, nicht zwei, nicht drei, sondern vier (!) Mal verloren. Wenn ich einer seiner Verbündeten wäre, ich würde ihm an diesem Punkt nichts mehr von dem abkaufen, was er von sich gibt. Er klopft nur große Sprüche, nur um dann regelmäßig auf die Fresse zu bekommen und bloßgestellt zu werden. Das macht es enorm schwer, als Leser mit ihm zu sympathisieren. Ich persönlich kann Ruffys Gelaber echt nicht mehr hören. Wie soll man es bitte ernst nehmen, wenn der Protagonist immer wieder gebetsmühlenartig wiederholt, er werde Piratenkönig, nur um dann brutal in seine Schranken gewiesen zu werden? Das lässt ihn aussehen wie eine komplette Witzfigur.
Das bringt mich zum nächsten Punkt: Der Eskalation der Kräfteverhältnisse durch Kaido. Denn alles fing mit diesem Oneshot an. Oda hat sich verrannt, in seinem Zwang, Kaido als diese unüberwindbare Hürde darzustellen und ihm immer mehr mächtige Fähigkeiten zu verpassen. Er sagte vor dem Wano Arc bereits, er wisse noch nicht, wie Ruffy Kaido schlagen solle. Das ist ein mehr als besorgniserregendes Eingeständnis von Ratlosigkeit seitens des Autors. Statt jedoch daran zu arbeiten, Ruffys Sieg irgendwie glaubhaft wirken zu lassen (zB. in dem er sich bestimmte Haki Fähigkeiten für Shanks aufgehoben hätte), macht er Kaido noch stärker. Logik sucht man da wirklich vergebens.
Niemand hat ihn gezwungen, Kaido derart übermächtig darzustellen, oder ihn Ruffy derart deklassieren zu lassen. Die Folge ist, dass Ruffys Sieg, der zweifellos folgen wird, am Ende nicht glaubwürdig verkauft werden kann. Ich meine, wie viele Power ups hat er in diesem Arc jetzt erhalten? Das ist ein derart gewaltiger Sprung. Was bleibt da überhaupt noch für das Ende des Manga übrig?
Um auch mal etwas Positives zu sagen: Die Inszenierung des Kapitels war wirklich geil. Das Panel, das Kaido als Sieger ankündigte, oder auch der Moment, als er den CP0 Agenten tötete (bitte lass einen Charakter ausnahmsweise mal sterben), war wirklich eindrucksvoll, ebenso wie seine folgende Ankunft auf dem Schlachtfeld. Diese Art von Überraschungsmoment, in der Ruffy einmal offiziell als Verlierer deklariert wird, hätte ein wirklich netter dramatischer Kniff sein können. Wenn er nicht zuvor bereits drei Mal verloren hätte! An diesem Punkt kann ich das einfach nicht mehr ernst nehmen. Eine Überraschung ist nicht automatisch etwas Positives. Natürlich hätte niemand erwartet, dass Ruffy ein weiteres Mal verliert, weil es einfach keinen Sinn macht und schlecht erzählt ist. Dass er durch fremdes Eingreifen behindert wurde, ändert da auch nichts. Das hätte man schließlich auch bringen können, ohne ihn davor noch zwei Mal verlieren zu lassen.
Alles in allem ein schreckliches Kapitel, das Böses für die Zukunft von One Piece verheißt.
Das Kapitel war alles andere, aber ganz sicher nicht schrecklich. Denn durch die aktuellen Ereignisse können jetzt so viele neue unterschiedliche Handlungsstränge entstehen, die die Geschichte sogar wieder spannender machen. Außerdem kann man erwarten, dass es jetzt dann langsam Richtung Zielgerade geht und wir einfach immer mehr Informationen zu Dingen erhalten, über die man sich als Leser vielleicht schon seit Jahren den Kopf zerbrochen hat. Oda hat es bisher immer geschafft, dass es in irgendeiner Form immer einen Bezug aus älteren Arcs zum aktuellen Geschehen gegeben hat und ich bin mir sicher, dass er das auch hier in Wano-Kuni wieder gut lösen wird.
Deshalb warte ich erst einmal ab was passieren wird und wie uns als Leser alles logisch erklärt wird.
Danach kann man immer noch den Teufel an die Wand malen und der Meinung sein, dass es mit One Piece bergab geht.
You may come to regret trying to manipulate me.