Kapitel 1106 - "An deiner Seite"

Das erste Kapitel der letzten Zeit, welches mich leider mit etwas gemischten Gefühlen zurücklässt.

Fangen wir mit den Dingen an, die mir wahnsinnig gut gefallen haben und da muss einfach Bonney an erster Stelle stehen. Ich hätte nie gedacht, dass Oda es schaffen würde, mir Bonney als Charakter emotional so nahe zu bringen. ich fand Bonney schon immer ganz interessant, da sie vor allem zum Zeitpunkt ihrer Einführung (und auch im Vergleich zu den doch sehr schablonenartigen Frauenfiguren nach dem Timeskip) durchaus aus dem Muster gefallen ist. Die einzige Frau unter den Supernovae, optisch interessant, laut, ein Vielfraß. Doch Oda hat es geschafft, durch ihre Verbindung zu Bär, aber auch ihrer teilweise paradoxen, dabei dennoch absolut glaubwürdigen Zerrissenheit zwischen einem unschuldigen Kind und einer Person, die für ihr Alter schon zu viel Schmerz und Verlust ertragen musste, eine unglaublich einnehmende Figur zu schaffen. Die Offenbarung von Vegapunk und ihre eigene Erkenntnis, dass die Heldenfigur ihres Vaters und ihrer Kindheit nun wirklich erschienen ist, haben mich emotional wieder absolut berühren können.

Wenn wir von Nika sprechen, muss ich aber auch mit meinem ersten Kritikpunkt anfangen. ich gehöre sicherlich zu der Minderheit hier, die mit Nika - sowohl optisch als auch narrativ - jetzt weniger (teilweise gar nichts) auszusetzen hat, aber heute habe ich das erste Mal auch gespürt, wie mir Odas Inszenierung von Nika missfallen hat. Wir sind in einer absoluten ernsten Situation. Nicht nur Bonney, Kuma und Vegapunk, sondern mit Franky und Sanji auch seine eigenen Crewmitglieder sind absoluter, tödlicher Gefahr ausgesetzt und Ruffy fällt nichts anderes ein als lachend über Egghead zu springen? Das wirkt für mich unpassend. Versteht mich nicht falsch. Ruffy war schon immer ein Charakter, der das Positive im Augenblick gesucht hat und der im Gegensatz zu ernsten Charakteren wie Zoro oder Robin gerade auch dadurch bestochen hat, dass er im Ernst der Lage umschalten konnte. Gerade dieser Kontrast, diese Wandlung, wenn Ruffys positive Natur von Zorn aufgrund seines ausgeprägten Gerechtigkeitsempfinden abgelöst wird, führten in der Vergangenheit zu den epischten und charakterprägendsten Momenten von One Piece. Und gerade dieser Kontrast hat mir im heutigen Kapitel gefehlt. Weder gegenüber Saturn, noch gegenüber Kizaru war zu spüren, dass Ruffy jetzt die Schnauze voll hat. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass das durchaus noch kommen kann, aber an sich hat die starke Diskrepanz zwischen der ernsten Lage und Ruffys nikainhärenten Aufgedrehtheit für mich eher zu ner Dissonanz geführt. Ich hoffe, dass Oda sich hier wieder besser nivellieren kann.

Überzeugend fand ich grundlegend, dass Vegapunk hier einen Fallstrick eingebaut hat, um Bonney zumindest vor den Klonen ihres Vaters zu schützen. Es zeigt zumindest, dass er durchaus seine eigenen Prinzipien hat und auch hinter diesen steht. Gleichzeitig ergeben sich für mich hieraus zwei Fragen: 1. Warum hat er nicht für sich selbst so eine Notlösung eingebaut? 2. Warum bedurfte es jetzt des konkreten Befehls von Atlas? Wie hätte das Bonney denn jetzt beispielsweise auf weiter See geholfen? Ich gehe persönlich auch davon aus - wie es hier sicherlich auch schon spekuliert wurde -, dass das Schmuckstück, welches Bonney von Kuma erhalten hat, der buchstäbliche Schlüssel zur Lösung ist, wie Vegapunk das einbauen konnte. Es wurde ja nicht grundlos als Schutztalisman bezeichnet.

Weniger glaubwürdig und überzeugend fand ich Kizaru in diesem Kapitel. So sehr mir die subtile Charakterisierung des Marineadmirals in den letzten Kapitel zu gefallen wusste und Oda hier wirklich die innere Zerissenheit eines Menschen darstellt, der sein Leben lang ein Zahnrad in einem Getriebe war und selten bis vermutlich nie mit seinem eigenen Gewissen sowie Moralvorstellungen konfrontiert wurde; so schwach fand ich seine Entscheidung heute. Es passt meiner Meinung nach nicht, dass er für Kumas und Bonneys Ende gerade eine Attacke ausführt, welche in seinem Arsenal vermutlich die direkteste Konfrontation erfordert. Warum kein gewaltiger Laserstrahl? Wieso kein Spiegelangriff? Stattdessen möchte er sie (zwar mit einem Schlag) mit dem Schwert hinrichten. Das passt für mich nicht ganz ins Bild, ist aber auch kein allzu großer Kritikpunkt. Am Ende - auch vor dem Klang der Trommeln der Befreiung - scheint er ja (erneut!) ins Grübel zu geraten. Ich frage mich wirklich, welchen Weg Oda Kizaru einschlagen lässt. Zum jetzigen Zeitpunkt sehe ich tatsächlich noch alle Pfade offen und das finde ich an sich schon sehr erstaunlich, da mich die Admiräle im Ganzen, aber Kizaru im Speziellen wirklich immer unglaublich wenig interessiert haben.

Zum Abschluss: Boogey und Woogey. Ja...also die Riesen waren sicherlich nicht meine erste Wahl bzw. hatte ich ja fest mit Sauro gerechnet. Ich sehe darin jetzt per se auch kein Problem. Die Riesen sind für mich jetzt die logische Überleitung zum Elbaf-Arc. Ebenso wurden sie durch Vegapunks Flashback und den anfänglichen Szenenwechsel zu Shanks, als dieser die Kidbande ausgelöscht hat, auch eingeführt. In diesem Sinne sind schon eine gelungene Wahl. Mich stört eher ihr Einsatz in genau diesem Kapitel. Ich finde dadurch wird die Handlung unnötig zerfasert. Ich hätte durchaus noch 1-2 Kapitel warten können, bis wir wirklich erfahren hätten, wer nun die ominösen Unterstützer sind.

Noch ein kleiner Nachtrag: Odas Zeichenstil. Es fehlt ja spätestens seit dem Kapitel auf, das nicht fertig geworden ist, aber es ist meiner Meinung nach nur unwesentlich besser geworden. Teilweise sind Handlungen, Personen und Geschehnisse kaum klar zu erkennen. Das ist manchmal verschmerzbar, bei der Diskussion darum, ob Sanji nun jetzt durch Kizaru verletzt wurde oder nicht (Twitter/x läuft ganz heiß deswegen), wäre es durchaus gravierend. Teilweise wirkt es schon sehr unfertig.

Insgesamt ein Kapitel mit Licht und Schatten, aber natürlich auch im Kontext von qualitativ extrem hochwertigen Kapiteln der letzten Wochen und Monate fallen Schnitzer natürlich auch wieder stärker auf.