Nun hat es also auch das zweite Großmaul im roten Ganzkörper
Das macht dem Film allerdings nichts aus, da dieser sich hervorragend ins MCU eingliedert. Dem Zuschauer dies deutlich zu machen war wohl auch Marvel sehr wichtig, so scheut man sich vor allem zu Beginn des Films nicht davor möglichst viele, und möglichst deutliche, Querverweise zu vorangegangenen Filmen ihres Universums zu streuen.
Dass ausgerechnet Tony Stark aka Iron Man hier nun mit von der Partie ist, und die Rolle des egozentrischen Mentors so bravourös wie erwartet ausfüllt, unterstreicht dies natürlich noch einmal sehr deutlich, ist mit diesem das MCU doch letztlich überhaupt erst entstanden und gilt seitdem auch - durchaus zurecht - als Aushängeschild dieses filmischen Universums.
So war die Befürchtung bei mir auch groß, dass er dem jungen Peter Parker, der sich erst noch in seine neue Heldenrolle einfinden muss, letztlich womöglich die Show stehlen würde. Diese Angst war jedoch vollkommen unbegründet, wie sie es auch schon bei Captain America: Civil War gewesen ist, wo man sich auch lange Zeit fragte, ob dieser Film überhaupt noch als wirklicher Cap Film angesehen werden kann oder nicht. Doch in beiden Fällen wusste mich Marvel - mal wieder - eines Besseren zu belehren. So gibt es in Spiderman - Homecoming tatsächlich nur sehr wenige Szenen mit Tony, dafür aber durchweg gelungene, die auch ihn selbst wieder etwas - in seiner eigenen Entwicklung - vorangebracht haben. Wenn auch nur marginal.
Die meiste Zeit steht demnach Peter Parker im Rampenlicht, der mit dem Druck und der Verantwortung, die damit einhergehen, erst noch lernen muss richtig umzugehen. Zwar trat er im kleinen Civil War recht souverän auf, doch schon dort merkte man, dass der Knabe noch viel zu lernen hatte. Daran hat Spiderman - Homecoming nun erfolgreich angeknüpft. So klopft er zwar auch jetzt schon aufmüpfige Sprüche, wenn er sich in seinem Kostüm befindet und gerade versucht ist ein paar Verbrecher in die Mangel zu nehmen, die Souveränität, sowie die Erfahrung, fehlen ihm allerdings noch. Dies wird mehrfach deutlich, sorgt dadurch aber auch für wunderbare Gags, die vor allem das Kind in mir, das von kleinauf ein begnadeter Fan des Wandkrabblers ist, vollständig abzuholen wussten.
Hinzu kommt eben auch noch, dass Peter der einzige Held im MCU ist, der sich noch sichtbar darum bemüht seine Identität geheim zu halten. Alle anderen gehen damit doch recht offen um, was ebenso für einige, äußerst humorvolle Szenen gesorgt hat, dem Ganzen aber gleichermaßen dasselbe Maß an Ernsthaftigkeit und Zwiespalt für ihn als Charakter mitgegeben hat, was man so auch schon aus den vorangegangenen Filmen von Spiderman gekannt hat.
Mein erwachsenes Ich dagegen konnte sich an etwas ganz anderem erfreuen, das da heißt: Michael Keaton. Auch hier hatte ich große Angst, dass Marvel diesen - wie so gut wie alle Antagonisten in der Vergangenheit, die oft auch schon sehr hochkarätig besetzt waren (Kurt Russel -> Ego; Mads Mikkelsen -> Kaecilius; Jeff Bridges -> Iron Monger etc. pp.) - komplett verschießen würde und ihn zum nächsten 0815er Antagonisten des MCU degradieren würde, aber tatsächlich ist genau das Gegenteil passiert: Für mich ist Michael Keatons Vulture - nach Loki - definitiv der bisher beste Schurke geworden, den Marvel bisher auf die Leinwand fürs MCU gebracht hat.
Denn, auch wenn seine Motive relativ simpel und stereotypisch sind, so sind sie für den einfachen Zuschauer doch durchaus greifbar und verständlich, da sie sich auch auf Problematiken stützen, die es in unserem realen Leben ebenfalls immer wieder gibt und die - in gewisser Weise - auch Teil unser aller Leben sind. Ihm geht es nicht darum Macht zu erlangen, er will keine Verwüstung schüren, auch sinnt er nicht auf sinnlose Rache. Ihm geht es einfach nur darum sich in die neue Welt, die durch das Auftauchen und die Etablierung der Avengers entstanden ist - und die seine eigene Welt zu zerstören drohte - einzugliedern und dort seinen Platz zu finden, um den Menschen, die er liebt, auch weiterhin so gut ernähren zu können, wie sie es gewohnt sind.
Unter anderem wird für mich anhand der Charakterzeichnung von Vulture, die auch noch über die bedingungslose Liebe zu seiner Familie hinausgeht, deutlich, dass sich das MCU durchaus weiterentwickelt hat.
Sicher, im Kern ist Spiderman - Homecoming noch immer ein typischer Origins-Streifen aus dem Hause Marvel, doch die einzelnen Komponenten, die die Struktur des jeweiligen Films ausmachen, befinden sich doch sichtbar im Wandel, was in Phase 3 vom MCU auch immer deutlicher wird. Dies begann bereits bei Captain America: Civil War, wenngleich dieser keine Origin-Story war, wo es zwar einen übergeordneten Antagonisten gab, die Kämpfe jedoch unter den Avengers selbst ausgetragen wurden, ging weiter mit Doctor Strange, der sich über weite Strecken zwar wie ein Iron Man 1 auf LSD angefühlt hat, doch vor allem auch durch die Charakterzeichnung des Antagonisten zu punkten wusste, die längst nicht mehr so eintönig war, wie bspw. noch bei Thor 2, aber am Ende vor allem durch den innovativen Showdown zu begeistern und überraschen wusste, und dieser Trend setzt sich nun eben bei Spiderman - Homecoming fort, wo ebenfalls der Antagonist deutlich mehr Tiefe erhalten hat, als man es von Marvel eigentlich gewohnt ist.
Doch nicht nur das, auch dieses ständige Übergreifen auf andere Mitglieder der Avengers kommt mittlerweile auch in den Solo-Filmen immer häufiger zum Zuge (auch hier stellt Civil War wieder das Extrembeispiel dar), doch verdrängen diese dabei nie den eigentlichen Protagonisten des jeweiligen Films, was das MCU einfach - jedenfalls für mich - noch mal deutlich unterhaltsamer macht, als es das ohnehin bereits gewesen ist. Dies hatten wir kürzlich bei Ant-Man, bei Captain America: Civil War, bei Doctor Strange (zählt man die Postcredit-Szene dazu) und nun eben auch bei Spiderman - Homecoming. Thor - Ragnarok wird da bekanntlich nachziehen, in dem dort der Hulk, und bei den wenigen Szenen auf der Erde womöglich auch Doctor Strange - bedingt durch dessen Postcredit-Szene - mitmischen werden. Und die Vorzeichen stehen gut, dass Bucky/The Winter Soldier womöglich beim kommenden Black Panther Film ebenfalls nachzieht. Die Möglichkeit ist - dank Civil War - definitiv gegeben.
Durch dieses narrative Vorgehen von Marvel ist auch das Gefühl beim Zuschauer dafür, dass in diesem filmischen Universum eigentlich alles und jeder miteinander vernetzt ist, deutlich gewachsen, da es nun nicht mehr immer nur den "einen", zentralen Helden im jeweiligen Film gibt. Sidekicks gab es zwar schon immer, wie etwa War Machine in Iron Man 2 und Iron Man 3, doch das Verständnis dafür hat sich nunmehr dahingehend gewandelt, dass es nun vermehrt Heldenfiguren sind, die zuvor bereits eigenständige Filme getragen haben und nun jene Rolle des Sidekicks einnehmen, was dem MCU an sich auch nochmals mehr Glaubwürdigkeit vermittelt, da es auch immer irgendwie seltsam war, dass die jeweiligen Helden nur zusammen kamen, wenn es hieß Avengers Assemble, sich sonst aber scheinbar nie für globale Katastrophen interessierten, die sich in den jeweiligen Solo-Filmen abgespielt haben. Diese Entwicklung begrüße ich ebenfalls sehr, weil es das MCU einfach glaubwürdiger gestaltet.
Und, wie man es vom MCU mittlerweile ja auch gar nicht mehr anders kennt, wird auch in Spiderman - Homecoming wieder mit reichlich Easter Eggs gearbeitet, die mögliche Nachfolger - unter Umständen gar ein komplettes Spidey-Universum - bereits indirekt angekündigt haben.
Scorpion? Sinister Six?? Miles Morales?!!
Auch wenn diese Hoffnung vermutlich vergebens sein dürfte, so hoffe ich doch inständig, dass bei diesen potenziellen Sequels/Spin-Offs ebenfalls wieder Marvel das Zepter in der Hand halten wird. Das kann diesen Filmen letztlich eigentlich nur zugute kommen, wie Homecoming nun wirklich überdeutlich dargelegt hat. Selbiges würde ich mir demnach natürlich auch für den Venom Film wünschen. Meinetwegen darf Sony in jedem Fall auch wieder fett ihren Firmennamen im Vor- und Abspann dem Zuschauer ins Gesicht schlagen, solange die Arbeiten an den Filmen selbst bei Marvel liegen würden. Aber wie gesagt, der Hoffnungsschimmer darauf ist doch verschwindend gering ...
Aber egal, ein Easter Egg möchte ich an dieser Stelle einfach mal besonders hervorheben, das mit dem MCU an sich aber relativ wenig zu tun hat, für mich aber einfach ein sehr amüsantes Gimmick darstellt: Und zwar betrifft dies die kleine Rolle von Donald Glover. Denn dieser ist nun schon der dritte Darsteller aus einer meiner absoluten Lieblingssitcoms - Community - der einen Auftritt im MCU spendiert bekommen hat. Neben Troy (Donald Glover) waren dies zuvor bereits Abed (Danny Pudi), der in Captain America - The Winter Soldier Cap beim Beginn des dritten Akts so freundlich war die Tür zu öffnen, sowie Dean Craig Pelton (Jim Rash), der selbige Rolle wie in der Sitcom - die des schleimenden Dekans - ebenfalls in Captain America: Civil War einnehmen durfte. Hat mit dem Film an sich zwar wenig zu tun, wusste jedoch mein Fanherz zum Jubilieren zu bringen
Alles in allem bleibt mir nur zu sagen, dass der Film meine Erwartungen voll erfüllt hat. Ob's nun der bisher beste Spiderman war, den wir auf der Leinwand zu sehen bekommen haben, vermag ich gar nicht zusagen, zumal der zweite Teil der Raimi Trilogie einfach auch heute noch der Ruf des nahezu perfekten Spiderman-Films nachhallt, während die Amazing Spiderman Reihe wohl vor allem daran zu knabbern hatte, dass diese relativ zeitnah nach der Trilogie von Raimi ins Leben gerufen wurde. Was letztlich einen Shitstorm zur Folge hatte, den ich bis heute nicht so recht verstehen kann (zumal ich Garfield auch immer als den besseren Spiderman empfunden habe; über seinen Peter Parker lässt sich bekanntlich streiten).
Tom Holland allerdings vereint beide Seiten - die des Loosers Parker, der in der Schule einfach nichts zu melden hat, und die des Wandkrabblers mit der großen Klappe, dem es aber noch an Souveränität und Erfahrung mangelt - wirklich hervorragend, wodurch ich seine Darstellung dieses Charakters bisher einfach nur genial finde. Was sich in Civil War aber bekanntlich bereits angekündigt hatte.
Was bleibt ist also ein an sich typischer Origins-Streifen aus dem Hause Marvel, der altbekannte Mechanismen und Komponenten allerdings weiterentwickelt hat und damit auch mit dazu beiträgt, dass sich das MCU selbst ein wenig wandelt. Was in mancher Hinsicht auch bitter nötig war.
Freue mich schon jetzt auf sein Mitwirken im bevorstehenden Infinity War, für den das Sammeln von Erfahrungen auch mehr als nur notwendig war, damit er dort nicht komplett untergeht. Zwischen all den Göttern und Muskelprotzen, die ihm ansonsten komplett zu enteilen drohen würden. Und natürlich auch auf kommende Sequels, mit denen Tom Hollands Spiderman das MCU in Zukunft bereichern wird!
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