Der zweite Titel, den ich mir für die Reaktivierungs-Aktion des (Seinen-)Manga-Bereichs ausgesucht habe, ist ein Titel der bezaubernden Nakamura Hikaru, die viel zu hübsch ist, als dass man glauben möchte, dass diese Frau Manga zeichnet. (Erinnert man sich an „Schönheiten“ wie Takahashi, Tanemura, Tateno und Co.) Die gerade einmal 26-Jährige aus Shizuoka legte bereits mit 17 Jahren ihr Debüt als Mangazeichnern hin, damals in der Gekkan GanGan Wing von Square Enix. Zwei Jahre später – damals noch Oberschülerin – folgte ihre erste Serie im selben Magazin. Im darauf folgenden Jahr, 2004, folgte dann ihre zweite Serie, um die es in diesem Thread gehen soll: Arakawa Under the Bridge aus der Young GanGan (Square Enix)!
Nakamura zeichnet parallel zu Arakawa auch noch seit 2006 in der Morning von Kodansha eine zweite Serie, die ein paar Leuten wohlbekannt sein dürfte und in Japan bereits zum Riesenerfolg wurde, nachdem der Manga 2009 mit dem hoch angesehenen, prestigereichen Tezuka-Kultur-Preis ausgezeichnet wurde. Die Rede ist von Saint Young Men.
Die als „Manga-zeichnende Schönheit“ bekannte Dame hat sich vor allem auf Gag- und Comedy-Manga spezialisiert und gibt – was sie mir persönlich natürlich noch sympathischer macht – den genialen Usuta Kyousuke als ihr Vorbild an.
Der Aufbau für meinen Thread bleibt wie immer derselbe, wenn ich Serien bewerte. Beginnen wir also mit der Kurzvorstellung:
Die Grundstory des Manga ist leicht zusammengefasst:
Hauptcharakter der Geschichte ist der 21-jährige Ichinomiya Kou, Sprössling der Ichinomiya-Familie und zukünftiger Erbe des Weltkonzerns der Ichinomiya Group, ein aufstrebender Jungunternehmer und wohlhabendes Mitglied der gesellschaftlichen Oberschicht. Schon seit er ein Kind ist, lebt er nach einem einzigen Prinzip, das ihm sein Vater beibrachte und welches das goldene Gesetz der Ichinomiya-Familie ist: tue nichts, was dich bei anderen in der Schuld stehen lässt!
Doch als er sich eines Tages im Arakawa-Bezirk Tokios wieder findet, droht Kou seine Lebensphilosophie zu brechen. Durch eine Reihe von unglücklichen Umständen und Unfällen fällt er in den Arakawa (Fluss) und droht zu ertrinken. Aber ein junges Mädchen mit blonden Haaren rettet ihn aus den Tiefen. – Kou, der in seinem Leben bei niemandem je in der Schuld stand, möchte diese unverzüglich begleichen und dem Mädchen ihre tiefsten Wünsche erfüllen. Die Antwort des Mädchens: er möge ihr seine Liebe schenken.
Damit beginnt Kous Leben unter der Brücke, einem Ort – so würde er schon bald lernen– voller obskurer, von der Gesellschaft verstoßener Gestalten…
Anmerkung: Wie oben angefügt existiert zu diesem Manga auch ein äußerst sehenswerter Anime, der insbesondere den Leuten ans Herz gelegt sei, die mit Gag-Manga nur wenig anfangen können. Der Anime bewegt sich sehr nah am Original, strafft hierbei jedoch die Handlung minimal, so dass etwa 5% des Manga nicht umgesetzt wurden. Gleichzeitig wurde aber auch eine Geschichte extra produziert und auch am Ende jeder Folge findet sich eine kleine Anime-only Episode.
Es folgt meine gewohnte Rezensionsweise, los geht’s:
Artwork – 9/10 Punkte:
Hier muss man natürlich relativieren. Wir dürfen nicht vergessen, dass es sich hier um einen Gag-Manga handelt und Artwork daher einen gänzlich anderen Anspruch besitzt, als es in einem Story-Manga der Fall ist. Die Zeichnungen sind überwiegend – besonders in den ersten Bänden noch – eher einfach gehalten und können evtl. als zu schlicht/minimalistisch aufgefasst werden. Fakt ist jedoch, dass es in keinem Falle so ist, als könne Nakamura nicht zeichnen. Denn das kann die Dame! Dies merkt man u.a. in den Schlussepisoden in den Tankoubon sowie auf den Covern der Serie (Band 1 ausgeklammert). Das allgemeine Niveau steigert sich auch im Verlauf der Serie, sodass es zum Zeitpunkt von Band 4 hin sehr gelungen erscheint und meine hohe Wertung rechtfertigt.
Man merkt beim Lesen deutlich, dass Nakamura von Großmeister Usuta inspiriert wurde. Wie auch Usuta spielt Nakamura mit verschiedenen Zeichenstilen, je nach angestrebtem Effekt. Anbei ein paar Bilder zur Veranschaulichung:
Plot – 7/10 Punkte:
Auch hier muss man relativieren. In erster Linie ist Arakawa Under the Bridge ein Gag-Manga, diese zeichnen sich vor allem durch episodenhaften Charakter aus, der nicht zwingend einer Hauptstory folgt. Allerdings finden sich zwischen den Episoden auch Story-Arcs, was vielen entgegenkommen dürfte.
Zudem existiert ja auch noch der Subplot, um die Beziehung von unseren zwei Hauptfiguren. So ist Arakawa an zweiter Stelle auch eine Liebesgeschichte. Jedoch – bevor ich jetzt das große Würgen heraufbeschwöre – gelingt es Nakamura dabei gänzlich auf Kitsch zu verzichten und das ganze phantasievoll aufzurollen. Definitiv keine Geschichte, die man so bereits unzählige Male gelesen hat!
Charaktere – 10/10 Punkte:
Man muss sie einfach lieben. Ein bunter Haufen von durchgeknallten, absurden Figuren, die allesamt einen Hau haben und beim Leser die Vermutung nahe legen, dass es eine Irrenanstalt in der Nähe des Arakawa gibt…
Da wäre zum einen Nino, unsere weibliche Hauptfigur, die denkt von der Venus abzustammen.
Dann der Bürgermeister, ein – laut Eigenaussage – über 600 Jahre alter Kappa, dem die Bewohner unter der Brücke ihre Namen verdanken. Obwohl er es dementiert, ist offensichtlich, dass es sich nur um einen Mann in einem Kostüm handelt.
Sister, ein groß gewachsener Kriegsveteran aus England, der sich als Nonne verkleidet und unter seinem Gewand Unmengen von Waffen trägt.
Hoshi, ein talentloser Rockstar, der eine Sternenmaske trägt und ebenfalls auf Nino steht und deshalb im steten Konflikt mit Kou (später: Recruit oder Riku [Kurzform von rikurūto]).
Shiro, ein Mitte 40-jähriger Mann, der sich im „Man darf nur auf die weißen (Straßen-)Linien treten“-Spiel verloren hat und daher stets ein Gerät zum Linienziehen (beispielsweise auf Fußballfeldern) vor sich herschiebt.
Und noch viele, viele weitere solcher einzigartiger Figuren.
Thema und Motive – 8/10 Punkte:
Auf den ersten Blick haben wir eine Blödelgeschichte, die von wunderschön absurden Momenten und Situationen lebt. Für gewöhnlich käme niemand auf die Idee bei solch einem Gag-Manga groß nach tieferen Motiven zu suchen. – Aber es gibt sie!
Die Menschen unter der Brücke sind ein Haufen Aussätziger, denen Vernunft, gesunder Menschenverstand, Normen und Reglementierungen - wie sie von der Gesellschaft diktiert und für richtig befunden werden - abgehen. In diese Welt wird nun Kou geworfen, der zur gesellschaftlichen Elite zählt. Abstammung/Herkunft, Vorstellungen und Ideenwelt – all dies steht im Spannungsverhältnis und direkten Konflikt. Das interessante an Arakawa ist nun, dass je länger die Serie geht, der Leser vor die Frage gestellt wird: kann es sein, dass Kou selbst am Ende der komische Kauz ist? Er, der er nach den Spielregeln der Gesellschaft spielt, wird als einsamer Charakter ohne Freunde dargestellt, der aufgrund seiner Familienphilosophie und der unherzlichen Erziehung durch seinen Vater im sozialen Bereich deutliche Defizite aufweist… in gewisser Weise kann Arakawa also auch als Kritik an der gesellschaftlichen Ordnung und Konformität verstanden werden. Dies wird besonders in den kurzen Episoden am Ende eines jeden Band (analog in den ersten 1-2 Minuten im Anime) deutlich, die einen sehr melancholischen und philosophischen Ton besitzen.
Humor – 9/10 Punkte:
Hier gibt es eigentlich nichts groß zu kommentieren. Wir haben typisches Gag-Manga-Setup mit den Boke-Charakteren, die absurde und lustige Aktionen machen, und den Tsukkomi (in den meisten Fällen Kou), der diese kommentiert oder von ihnen vom Hocker gehauen wird. Für diejenigen, die sich mit Gag-Manga nicht so auskennen, das sind Fachtermini, die aus der jap. Comedyform Manzai entspringen, Wikipedia beschreibt die Charaktertypen in einem Satz wie folgt:
Die beiden Partner nehmen sich gegenseitig „auf den Arm“, wobei die Rollen des etwas verrückteren, Pointen initiierenden Boke und des ausgestaltenden, Widerspruch gebenden Tsukkomi fest verteilt sind.
Hinzu kommen natürlich auch noch lustige Charakter-Macken wie der Sadismus von Maria, der Yakuza-Charakter von Stella sowie ihrer „wahren Form“ (im übrigen eine Persiflage auf Hokuto no Kens Raou sowie einer kleinen Anspielung auf JoJoBA, wo sie nur meint „muda muda muda…“), Kous 50jährigen Angestellten, der die Rollen von dessen Vater/Mutter/Liebhaber am liebsten alle auf einmal ausfüllen würde, und und und… es ist IMO keine Serie zum Totlachen, aber Spaß und Schmunzler sind auf alle Fälle garantiert!
Anime – 9/10 Punkte:
Last but not least werde ich noch ein paar Sätze zur Anime-Adaptation aus dem Jahr 2010 verlieren. Diese ist dem Studio SHAFT zu verdanken, das durch sein Händchen für absonderliche, durchgeknallte Serien bereits in der Vergangenheit bei mir Punkten konnte. Wie so oft spielt das Team mit diversen Animations- und Zeichentechniken, u.a. expressionistischen Farbexperimenten sowie zeichnerischer Reduktion in Form von Offsetdruck-ähnlicher Coloration, und belässt es nicht einfach bei einer schnöden 1:1 Umsetzung der Vorlage. Das ist bei mir schon mal ein dickes Plus, weil ich auf so etwas abfahre. Leider – so bildete ich mir ein – werden Effekte dieser Art zum Ende der ersten Staffel hin spärlicher eingesetzt. Auch die Synchronsprecher sind äußerst gut gewählt und wissen sehr zu gefallen. Gewisse Szenen kommen im Anime einfach besser, z.B. Stellas Yakuza-Redensart.
Ein weiteres Highlight stellen die Openings und das Ending der Serie dar, welche die oben erwähnten zeichnerischen Effekte in Perfektion darbieten. (Nino stehen IMO rosa Haare btw besser als ihr tatsächliches blond) Diese habe ich abschließend noch als Videos rausgesucht:
Zusammengefasst: Ein äußerst humorvoller Manga, mit kitschfreier Liebesgeschichte, einer Prise Melancholie und untermalender Infragestellung von gesellschaftlichen Normen und Systemzwang. Beziehungen und das Miteinander spielen eine Rolle, genau wie Akzeptanz und Selbstfindung (vor allem in Form von Kou).
Viel Spaß mit dem Titel!
Nakamura zeichnet parallel zu Arakawa auch noch seit 2006 in der Morning von Kodansha eine zweite Serie, die ein paar Leuten wohlbekannt sein dürfte und in Japan bereits zum Riesenerfolg wurde, nachdem der Manga 2009 mit dem hoch angesehenen, prestigereichen Tezuka-Kultur-Preis ausgezeichnet wurde. Die Rede ist von Saint Young Men.
Die als „Manga-zeichnende Schönheit“ bekannte Dame hat sich vor allem auf Gag- und Comedy-Manga spezialisiert und gibt – was sie mir persönlich natürlich noch sympathischer macht – den genialen Usuta Kyousuke als ihr Vorbild an.
Der Aufbau für meinen Thread bleibt wie immer derselbe, wenn ich Serien bewerte. Beginnen wir also mit der Kurzvorstellung:
- Serie: Arakawa Under the Bridge (von Nakamura Hikaru)
- Genre: Gag, Lovestory, (Gesellschaftskritik)
- Magazin: Young GanGan [Square Enix]
- Status: 10 Bände in Japan erschienen; Scanlations bis 90% von Band 5 (131 Kapitel)*
Anime-Adaptation: Season 1 (April 2010) – 13 Episoden; Season 2 (Oktober 2010) – 13 Episoden geplant - Erscheinungsrhythmus: 14-tägig
Die Grundstory des Manga ist leicht zusammengefasst:
Hauptcharakter der Geschichte ist der 21-jährige Ichinomiya Kou, Sprössling der Ichinomiya-Familie und zukünftiger Erbe des Weltkonzerns der Ichinomiya Group, ein aufstrebender Jungunternehmer und wohlhabendes Mitglied der gesellschaftlichen Oberschicht. Schon seit er ein Kind ist, lebt er nach einem einzigen Prinzip, das ihm sein Vater beibrachte und welches das goldene Gesetz der Ichinomiya-Familie ist: tue nichts, was dich bei anderen in der Schuld stehen lässt!
Doch als er sich eines Tages im Arakawa-Bezirk Tokios wieder findet, droht Kou seine Lebensphilosophie zu brechen. Durch eine Reihe von unglücklichen Umständen und Unfällen fällt er in den Arakawa (Fluss) und droht zu ertrinken. Aber ein junges Mädchen mit blonden Haaren rettet ihn aus den Tiefen. – Kou, der in seinem Leben bei niemandem je in der Schuld stand, möchte diese unverzüglich begleichen und dem Mädchen ihre tiefsten Wünsche erfüllen. Die Antwort des Mädchens: er möge ihr seine Liebe schenken.
Damit beginnt Kous Leben unter der Brücke, einem Ort – so würde er schon bald lernen– voller obskurer, von der Gesellschaft verstoßener Gestalten…
Anmerkung: Wie oben angefügt existiert zu diesem Manga auch ein äußerst sehenswerter Anime, der insbesondere den Leuten ans Herz gelegt sei, die mit Gag-Manga nur wenig anfangen können. Der Anime bewegt sich sehr nah am Original, strafft hierbei jedoch die Handlung minimal, so dass etwa 5% des Manga nicht umgesetzt wurden. Gleichzeitig wurde aber auch eine Geschichte extra produziert und auch am Ende jeder Folge findet sich eine kleine Anime-only Episode.
Es folgt meine gewohnte Rezensionsweise, los geht’s:
Artwork – 9/10 Punkte:
Hier muss man natürlich relativieren. Wir dürfen nicht vergessen, dass es sich hier um einen Gag-Manga handelt und Artwork daher einen gänzlich anderen Anspruch besitzt, als es in einem Story-Manga der Fall ist. Die Zeichnungen sind überwiegend – besonders in den ersten Bänden noch – eher einfach gehalten und können evtl. als zu schlicht/minimalistisch aufgefasst werden. Fakt ist jedoch, dass es in keinem Falle so ist, als könne Nakamura nicht zeichnen. Denn das kann die Dame! Dies merkt man u.a. in den Schlussepisoden in den Tankoubon sowie auf den Covern der Serie (Band 1 ausgeklammert). Das allgemeine Niveau steigert sich auch im Verlauf der Serie, sodass es zum Zeitpunkt von Band 4 hin sehr gelungen erscheint und meine hohe Wertung rechtfertigt.
Man merkt beim Lesen deutlich, dass Nakamura von Großmeister Usuta inspiriert wurde. Wie auch Usuta spielt Nakamura mit verschiedenen Zeichenstilen, je nach angestrebtem Effekt. Anbei ein paar Bilder zur Veranschaulichung:
Plot – 7/10 Punkte:
Auch hier muss man relativieren. In erster Linie ist Arakawa Under the Bridge ein Gag-Manga, diese zeichnen sich vor allem durch episodenhaften Charakter aus, der nicht zwingend einer Hauptstory folgt. Allerdings finden sich zwischen den Episoden auch Story-Arcs, was vielen entgegenkommen dürfte.
Zudem existiert ja auch noch der Subplot, um die Beziehung von unseren zwei Hauptfiguren. So ist Arakawa an zweiter Stelle auch eine Liebesgeschichte. Jedoch – bevor ich jetzt das große Würgen heraufbeschwöre – gelingt es Nakamura dabei gänzlich auf Kitsch zu verzichten und das ganze phantasievoll aufzurollen. Definitiv keine Geschichte, die man so bereits unzählige Male gelesen hat!
Charaktere – 10/10 Punkte:
Man muss sie einfach lieben. Ein bunter Haufen von durchgeknallten, absurden Figuren, die allesamt einen Hau haben und beim Leser die Vermutung nahe legen, dass es eine Irrenanstalt in der Nähe des Arakawa gibt…
Da wäre zum einen Nino, unsere weibliche Hauptfigur, die denkt von der Venus abzustammen.
Dann der Bürgermeister, ein – laut Eigenaussage – über 600 Jahre alter Kappa, dem die Bewohner unter der Brücke ihre Namen verdanken. Obwohl er es dementiert, ist offensichtlich, dass es sich nur um einen Mann in einem Kostüm handelt.
Sister, ein groß gewachsener Kriegsveteran aus England, der sich als Nonne verkleidet und unter seinem Gewand Unmengen von Waffen trägt.
Hoshi, ein talentloser Rockstar, der eine Sternenmaske trägt und ebenfalls auf Nino steht und deshalb im steten Konflikt mit Kou (später: Recruit oder Riku [Kurzform von rikurūto]).
Shiro, ein Mitte 40-jähriger Mann, der sich im „Man darf nur auf die weißen (Straßen-)Linien treten“-Spiel verloren hat und daher stets ein Gerät zum Linienziehen (beispielsweise auf Fußballfeldern) vor sich herschiebt.
Und noch viele, viele weitere solcher einzigartiger Figuren.
Thema und Motive – 8/10 Punkte:
Auf den ersten Blick haben wir eine Blödelgeschichte, die von wunderschön absurden Momenten und Situationen lebt. Für gewöhnlich käme niemand auf die Idee bei solch einem Gag-Manga groß nach tieferen Motiven zu suchen. – Aber es gibt sie!
Die Menschen unter der Brücke sind ein Haufen Aussätziger, denen Vernunft, gesunder Menschenverstand, Normen und Reglementierungen - wie sie von der Gesellschaft diktiert und für richtig befunden werden - abgehen. In diese Welt wird nun Kou geworfen, der zur gesellschaftlichen Elite zählt. Abstammung/Herkunft, Vorstellungen und Ideenwelt – all dies steht im Spannungsverhältnis und direkten Konflikt. Das interessante an Arakawa ist nun, dass je länger die Serie geht, der Leser vor die Frage gestellt wird: kann es sein, dass Kou selbst am Ende der komische Kauz ist? Er, der er nach den Spielregeln der Gesellschaft spielt, wird als einsamer Charakter ohne Freunde dargestellt, der aufgrund seiner Familienphilosophie und der unherzlichen Erziehung durch seinen Vater im sozialen Bereich deutliche Defizite aufweist… in gewisser Weise kann Arakawa also auch als Kritik an der gesellschaftlichen Ordnung und Konformität verstanden werden. Dies wird besonders in den kurzen Episoden am Ende eines jeden Band (analog in den ersten 1-2 Minuten im Anime) deutlich, die einen sehr melancholischen und philosophischen Ton besitzen.
Humor – 9/10 Punkte:
Hier gibt es eigentlich nichts groß zu kommentieren. Wir haben typisches Gag-Manga-Setup mit den Boke-Charakteren, die absurde und lustige Aktionen machen, und den Tsukkomi (in den meisten Fällen Kou), der diese kommentiert oder von ihnen vom Hocker gehauen wird. Für diejenigen, die sich mit Gag-Manga nicht so auskennen, das sind Fachtermini, die aus der jap. Comedyform Manzai entspringen, Wikipedia beschreibt die Charaktertypen in einem Satz wie folgt:
Die beiden Partner nehmen sich gegenseitig „auf den Arm“, wobei die Rollen des etwas verrückteren, Pointen initiierenden Boke und des ausgestaltenden, Widerspruch gebenden Tsukkomi fest verteilt sind.
Hinzu kommen natürlich auch noch lustige Charakter-Macken wie der Sadismus von Maria, der Yakuza-Charakter von Stella sowie ihrer „wahren Form“ (im übrigen eine Persiflage auf Hokuto no Kens Raou sowie einer kleinen Anspielung auf JoJoBA, wo sie nur meint „muda muda muda…“), Kous 50jährigen Angestellten, der die Rollen von dessen Vater/Mutter/Liebhaber am liebsten alle auf einmal ausfüllen würde, und und und… es ist IMO keine Serie zum Totlachen, aber Spaß und Schmunzler sind auf alle Fälle garantiert!
Anime – 9/10 Punkte:
Last but not least werde ich noch ein paar Sätze zur Anime-Adaptation aus dem Jahr 2010 verlieren. Diese ist dem Studio SHAFT zu verdanken, das durch sein Händchen für absonderliche, durchgeknallte Serien bereits in der Vergangenheit bei mir Punkten konnte. Wie so oft spielt das Team mit diversen Animations- und Zeichentechniken, u.a. expressionistischen Farbexperimenten sowie zeichnerischer Reduktion in Form von Offsetdruck-ähnlicher Coloration, und belässt es nicht einfach bei einer schnöden 1:1 Umsetzung der Vorlage. Das ist bei mir schon mal ein dickes Plus, weil ich auf so etwas abfahre. Leider – so bildete ich mir ein – werden Effekte dieser Art zum Ende der ersten Staffel hin spärlicher eingesetzt. Auch die Synchronsprecher sind äußerst gut gewählt und wissen sehr zu gefallen. Gewisse Szenen kommen im Anime einfach besser, z.B. Stellas Yakuza-Redensart.
Ein weiteres Highlight stellen die Openings und das Ending der Serie dar, welche die oben erwähnten zeichnerischen Effekte in Perfektion darbieten. (Nino stehen IMO rosa Haare btw besser als ihr tatsächliches blond) Diese habe ich abschließend noch als Videos rausgesucht:
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Wie eingangs angefügt, orientiert sich der Anime nah am Original und ist ebenfalls in kleinen Episoden gehalten. Es finden sich dann und wann kleinere Änderungen, die aber selten wirklich negativ auffallen. (Einzige Ausnahme wäre vielleicht, dass im Anime die Eröffnungsszene abgeändert wurde. Im Manga liest Nino nämlich ein Mädchenmagazin, in dem es einen Artikel über Liebe und Beziehungen gibt und kam so überhaupt erst auf ihren Wunsch.) Die Animationsserie adaptiert die ersten vier Bände der Serie sowie das Eröffnungskapitel von Band 5. Ob ihr den Manga lesen wollt oder den Anime sehen, ist ganz euch überlassen. Ich kenne beides, habe aber zuerst den Manga gelesen. (Denke, dass diese Reihenfolge empfehlenswert ist, wenn man sich beides zu Gemüte führen möchte.)Zusammengefasst: Ein äußerst humorvoller Manga, mit kitschfreier Liebesgeschichte, einer Prise Melancholie und untermalender Infragestellung von gesellschaftlichen Normen und Systemzwang. Beziehungen und das Miteinander spielen eine Rolle, genau wie Akzeptanz und Selbstfindung (vor allem in Form von Kou).
Viel Spaß mit dem Titel!