[One Shot] Asylum by Dillian

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  • [One Shot] Asylum by Dillian

    Hallo liebe Leser und Leserinnen dieser Zeilen. Seit längerem dümpelt diese kleine Geschichte nun schon auf meiner Festplatter rum. Genaugenommen ist es sogar eine der ersten Geschichten ,welche ich geschrieben habe. Sie ist nicht all zu lang und hat einen eher düsteren Grundton, wage ich einmal zu behaupten. Ich hoffe sie gefällt euch und vielleicht werde ich in Zukunft den ein oder anderen One Shot veröffentlichen. Die Geschichte hat übrigens überhaupt nichts mit One Piece zu tun, sondern ist eher in unserer modernen Welt angesiedelt.



    „Lasst mich raus!“ Meine Schreie hallten durch die kalten Flure der Anstalt. Das grünliche Licht flackerte und mein Atem bildete kleine Wölkchen vor mir. Wie so oft hatten sie die Heizung nicht eingeschalten. „Verdammt ich bin unschuldig“, schrie ich und rüttelte an meiner Tür. „Sie hören dir eh nicht zu“, ertönte Stefans Stimme hinter mir. Ich drehte mich um und sah meinen beiden “Zimmergenossen“ ins Gesicht. Stefan und Stephanie waren Zwillinge und wie ich unschuldig hier eingesperrt. Stephanie seufzte und betrachtete die kalten Wände unserer Zelle.
    „Langsam drehe ich hier wirklich durch“, sagte sie und warf sich auf ihr Bett. Das Metallgestell ächzte unter der neuen Last. „Zählst du eigentlich noch die Tage“, fragte Stefan mich und setzte sich ebenfalls auf sein Bett. Ich schüttelte den Kopf und wandte mich dann wieder der Türe zu. „Damit habe ich schon lange aufgehört“, sagte ich und hämmerte wieder gegen die Türe.
    „Lasst mich endlich hier raus. Ich bin nicht wahnsinnig!“ „Es hat keinen Sinn“, meinte Stefan und legte sich seufzend hin. „Wir wurden verschleppt. Der kleinste Teil der Patienten hier ist wirklich wahnsinnig. Wir sind doch in Wirklichkeit alle nur Versuchskaninchen für Doktor Mangel.“ Ich drehte mich um und sah meinen Mitgefangenen an. Er hatte blonde Haare genau wie seine Schwester, doch während sie äußerst feminin wirkte, war er ein wahres Muskelpaket.

    „Wir müssen fliehen!“ Ich hatte diese Worte schon so oft ausgesprochen, doch niemals hatten wir es ernsthaft in Betracht gezogen. Die Anstalt glich einer Festung. Wachtürme, Hundestaffeln und schwer bewaffnete Wachmänner patroulierten das Gelände. Es gab keinen Freigang für die Gegangenen. Unser komplettes Leben spielt sich in dieser kalten beengten Zelle ab. Zwar zermürbte einen die Monotonie langsam, doch in den letzten Wochen, war noch etwas dazugekommen, was an unserem angegriffenen Nervenkostüm zerrte. Grausame Schmerzensschreie hallten in der Nacht durch die Korridore. Mysteriöse Schatten begleitet von lautem Schnauben huschten durch die Finsternis. Manchmal hörten wir ein Zerren und Schaben an unserer Türe und die Wachen sprachen von einem Durchbruch des Doktors. Auch heute würde es nicht anders sein. Ich würde kein Auge zubekommen. Die Angst war ein ständiger Begleiter innerhalb dieser Mauern.
    Ich konnte an den Gesichtern meiner Mitgefangenen erkennen, dass es ihnen nicht anders erging. Gerade wollte ich mich wieder der Türe zuwenden um meinen lauten Protest weiterzuführen, doch plötzlich ertönte der laute Schrei einer Frau. Der Schrei lies mir das Blut in den Adern gefrieren. Er war gleichfalls erfüllt von Schmerz wie grenzenloser Angst. Ich taumelte einige Schritte zurück und schluckte. Stephanie hielt sich die Ohren zu und schluchzte. Auch Stefan wirkte verängstigt.
    „Wann hört dieser Alptraum endlich auf“, schluchzte das Mädchen, doch sie verstummte abrupt, als sich etwas gegen unsere Zellentüre warf. Das Donnern musste im ganzen Block zu hören gewesen sein. Ich schluckte und robbte etwas weiter von der Türe weg. Draußen hörte ich ein lautes Keuchen gefolgt von einem Kratzen, welches in den Ohren schmerzte. Es hörte sich so an, als würde etwas Hartes über das Metall kratzen. Ich und meine Mitgefangenen erstarrten völlig. Selbst das Atmen beschränkten wir auf das mindeste. Das Etwas vor unserer Zelle schnüffelte nun und etwas, das einem viel zu langen Finger glich, schob sich durch das Sichtgitter unserer Zellentür. „Oh Gott bitte bitte“, hauchte Stephanie verzweifelt. Ihre Hände umklammerten eine kleine Marienfigur und Tränen rannen über ihre Wangen. Ein rotes Auge erschien vor dem Sichtgitter und starrte uns direkt an. Keiner von uns machte auch nur die kleinste Bewegung.

    Plötzlich erschall ein weiterer Frauenschrei aus den Eingeweiden der Anstalt und die Kreatur lies von uns ab. Erst mehrere Minuten nachdem sie verschwunden war, fiel die Anspannung langsam von unseren Körpern ab. „Ich halt das einfach nicht mehr aus.“ Stephanie schien die Fassung zu verlieren. „Jede Nacht diese Todesangst. Es ist einfach zu viel.“ Ihr Bruder schloss sie in die Arme und sie presste ihr Gesicht gegen seine Brust. Ich schluckte und betrachtete die Marienfigur, welche Stephanie noch immer umklammerte. Sie hatte frappierende Ähnlichkeit mit einer Figur, welche meine Schwester einmal besessen hatte. Doch dies war vor langer Zeit in einem anderen Leben. Ein Leben, welches nicht nur aus Angst, Hunger, Schmerz und dem täglichen Kampf gegen den Wahnsinn bestanden hatte.
    Die Erschöpfung forderte ihren Tribut und langsam fielen meine Augen zu. Auf dem kalten Steinboden meiner Zelle und mit dem Schluchzen Stephanies und den beruhigenden Worten Stefans im Hintergrund schlief ich ein. Geweckt wurde ich am nächsten Tag durch den Aufseher. Wie immer wurde uns das Essen einfach zwischen den Gitterstäben des Sichtgitters unserer Zelle geworfen. Hatten wir uns am Anfang noch geweigert vom Boden zu Essen, nahmen wir inzwischen jede Mahlzeit dankend an. Hunger, Angst und Erschöpfung hatten uns gefügig gemacht. Wie immer trat Stefan einen Teil seiner Ration an seine Schwester ab, welche ihn nach einigem zögern dankend annahm. Wie immer setzten sich die zwei danach auf ihre Betten und starrten an die Wand, während ich mich wieder an der Tür zu schaffen machte.
    „Lasst mich hier raus! Ich bin unschuldig!“, schrie ich in den Korridor hinaus. „Woher nimmt er nur diese Kraft“, konnte ich Stefan hinter mir seiner Schwester zuflüstern hören. „Ich habe keine Ahnung, aber sein unerschöpflicher Willen gibt auch mir ein bisschen Hoffnung“, lautete die Antwort des Mädchens. Ich konnte mir ein leichtes Lächeln nicht verkneifen. „Nein sie würden mich nicht brechen. Nicht mich.“

    Ich wollte gerade ein weiteres Mal an der Tür rütteln, als diese aufgerissen wurde. Ich wurde zu Boden geschleudert und keuchte schmerzerfüllt auf. Zwei schwerbewaffnete Wachen standen im Eingang. Bevor ich wusste wie mir geschah, hatten sie mich auch schon auf die Beine gezerrt und aus der Zelle geschleift. Die Arme der Wachen fühlten sich wie Schraubstöcke an und ich versuchte gar nicht erst mich zu wehren. Ich wurde durch den Gang gezerrt, welchen ich schon so oft durch den Sichtschlitz meiner Zelle gesehen hatte. Aus ein paar der angrenzenden Zellen konnte ich leises Wimmern hören, doch sonst herrschte eine gespenstische Stille.
    Die Wände des Korridors waren verschmiert mit getrocknetem Blut, was die Wachen jedoch nicht zu stören schien. Die Gedanken in meinem Kopf rasten. Was würde mit mir passieren. Würden sie mich ebenfalls ihren scheußlichen Experimenten unterziehen. Bevor ich mich sammeln konnte, wurde ich hinaus auf den Hof der Anstalt gezerrt. Das gleißende Sonnenlicht nahm mir die Sicht, doch es war ein herrliches Gefühl. Seit Monaten hatte ich die Sonne nicht gesehen, geschweige denn frische Luft geatmet. Gegen die modrige und stickige Atemluft in unserer Zelle, erschien dies hier wie der größte Luxus. Die Sonnenstrahlen wärmten meine Haut und für einen Moment vergaß ich wo ich mich befand. Doch die grausame Realität holte mich sofort wieder an, als die Wachen mich in ein anderes Haus schleppten. Die Wärme verschwand schlagartig aus meinem Körper.
    Im Gegensatz zu unserem Zellenblock, war dieses Gebäude nicht verfallen. Es war hochmodern, jedoch strahlte es genau dieselbe Kälte aus, wie der Rest der Anstalt. Schließlich erreichten wir unseren Zielort und die Wachen stießen mich durch eine Türe in einen Raum. Ich rappelte mich auf und sah mich nun um. Außer mir waren noch zwei weitere Personen in dem Raum, bei dem es sich augenscheinlich um ein Büro handelte. Hinter dem Schreibtisch saß eine etwas ältere Frau. Erste Grauansätze zeigten sich bereits in ihrem streng nach hinten gebundenen braunen Haar. Sie lächelte zwar, jedoch erstreckte sich dieses Lächeln nicht auf ihre Augen, welche mich kalt anstarrten. Doch obwohl es erschien, als wäre sie aus Eis, war sie nichts im Vergleich zu der Person neben ihr. Ich konnte das Gesicht des großen Mannes nicht erkennen, da es hinter einer Gasmaske verborgen lag. Jedoch konnte ich lesen, was auf seiner Namensplakette stand.

    „Dr. Jan Mangel“ Ich schluckte und betrachtete den Doktor genauer. Er hatte eine vollkommen untypische Figur für einen Wissenschaftler. Sein Hemd schien aufgrund seiner Muskeln beinahe zu reißen. Den weißen Mantel, der ihn als Arzt kennzeichnete, hatte er sich locker über die Schultern geworfen. Der Doktor ging nun auf mich zu und wollte mich begutachten. Kurz bevor er mich erreichte, sprang ich hoch und verpasste ihm einen Kopfstoß gegen die Brust. Es fühlte sich an als würde ich eine Betonwand rammen. Mangel verpasste mir daraufhin einen Hieb in die Magengrube, der sämtliche Luft aus meinen Lungen presste und meinen Wiederstand brach. Der Doktor packte mich nun am Schädel und hob mich mühelos mit einer Hand hoch.
    „Interessant! Sobald sie fertig sind, möchte ich, dass er unverzüglich zur Behandlung nach unten geschickt wird“, sagte Mangel mit einer durchaus wohlklingenden Stimme, welche sich durch die Gasmaske seltsam dumpf anhörte. Er schleuderte mich auf den Boden und verließ das Büro. Aus den Augenwinkeln konnte ich erkennen, dass sich hinter ihm etwas von der Korridordecke löste und schnell in den Schatten verschwand. „Bitte setzen sie sich.“ Die Stimme der Frau riss mich aus meinen Gedanken. Sie deutete auf den freien Stuhl vor sich und ich folgte ihrer Aufforderung nach leichtem zögern. „Was wollen sie von mir?“ „Ich will dir nur helfen“ „Ja natürlich. Genauso wie ihr den Menschen helfen wollt, deren Schreie nachts durch dieses elendige Gemäuer hallen.“ Mit jeder Silbe drückte ich meine Verachtung aus. Sie musterte mich kühl und seufzte dann. „Du willst es noch immer nicht einsehen. Seit du deine Familie getötet hast…“
    „Ich habe meine Familie nicht umgebracht. Ich habe noch nie in meinem Leben getötet. Es war dieser seltsame Schwarze Mann der sie ermordet hat. Ich weiß nicht weshalb er mich leben lies.“ Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Die schmerzhaften Erinnerungen von damals kamen wieder hoch. „Mein Bruder. Meine Schwester. Warum hat er mich als einzigen verschont?“ Die Ärztin seufzte. „Du musst zulassen, dass ich dir helfen kann.“ „Oh ja so wie mir Doktor Mangel zuvor geholfen hat?“, sagte ich sarkastisch. „Es war niemand in diesem Raum außer dir und mir. Jetzt lass mich dir endlich helfen“, sie stand auf und zog etwas aus ihrer Tasche. Mit Schrecken erkannte ich, dass es sich um eine Spritze handelte. Panisch sah ich mich in dem Büro um. Es war vollgestopft mit Bücherregalen, doch sonst gab es nichts was mir helfen konnte.

    Schnell sprang ich auf und wandte all meine Kraft auf um den Schreibtisch der Ärztin umzukippen. Die überraschte Frau wurde unter ihrer Arbeit begraben. Ich wandte mich dem Ausgang zu und riss die Tür auf. Die beiden Wachen drehten sich überrascht zu mir um. Ich rammte einem von ihnen mein Knie direkt in die Familienjuwelen und entriss ihm seine Waffe, während er zu Boden ging. Aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, wie der andere seine Pistole aus dem Halfter zog. Ich wirbelte herum und drückte auf den Abzug. Wieder und wieder. Das Blut der Wache spritzte. Schließlich sank ich neben der Leiche zusammen.
    Fassungslos starrte ich auf meine Hände, die über und über mit Blut besudelt waren. Ich atmete schwer und fühlte mich so müde und kraftlos wie seit langem nicht mehr. „Ich habe getötet. Ich habe ein Menschenleben ausgelöscht.“ Meine Gedanken lähmten mich, doch schließlich wurde ich von der verbliebenen Wache zur Besinnung gerufen. Der Mann versuchte nach mir zu greifen, doch es gelang mir im letzten Moment wegzuspringen. Panisch flüchtete ich, während ich hinter mir bereits die Sirenen hören konnte. Um eine Ecke nach der anderen hetzte ich. Ich hatte keine Ahnung wohin ich rannte. „Raus! Ich muss hier raus“, war der einzige Gedanke der mich antrieb. Langsam wurden die Rufe hinter mir leiser und ich atmete durch.
    Doch nicht für lange. Ich sah mich um und bemerkte, dass ich mich anscheinend in einem Kellergewölbe befand. Doch ich war nicht allein. Ein Schnüffeln kam langsam näher. Ich konnte das Scharren von Klauen hören, welche über den kalten Steinboden näherkamen. Schnell drückte ich mich in eine dunkle Ecke. Ich schloss die Augen und hielt die Luft an. „Bloß kein Geräusch machen. Oh Gott ich will nicht sterben.“ Das Schnüffeln kam näher und näher. Innerlich schloss ich gerade mit meinem Leben ab, als etwas die Kreatur ablenkte. Ich wollte gerade aufatmen, als mich eine Hand von hinten packte.

    Bevor ich schreien konnte, wurde mir der Mund zugehalten und ich blickte in die Gesichter von Stefan und Stephanie, welche mich erschöpft aber glücklich anlächelten. „Ihr? Was? Wie seid ihr rausgekommen?“, fragte ich und umarmte meine beiden Zellengenossen. „Naja als sie dich verschleppt haben, konnte ich gerade noch meinen Glücksanhänger in den Türschlitz bekommen, bevor die Zellentür ins Schloss fiel“, sagte Stefan und hielt einen silbernen Anhänger in die Höhe. Für einen kurzen Moment dachte ich es wäre derselbe Anhänger, welchen mein Bruder immer um den Hals getragen hatte, doch anscheinend hatte mir meine Wahrnehmung einen Streich gespielt.
    „Also lasst uns von hier verschwinden“, sagte Stefan und grinste. „Wenn wir draußen sind, können wir endlich allen die Wahrheit erzählen.“ Stephanie und ich stimmten ihm zu. Vorsichtig spähte ich um die Ecke. Der Gang vor uns war komplett verlassen. Moos hing von der Decke und die Luft roch leicht modrig. Anscheinend waren wir tief unter der Erde. „ Wir sind im Reich der ewigen Dunkelheit. In ihrem Reich“, schoss es mir durch den Kopf doch ich verdrängte den Gedanken schnell wieder. „Wenn wir hier raus wollen, müssen wir zusammen und vor allem bei Verstand bleiben.“ Langsam schlichen wir uns durch den Gang. Immer wieder hörten wir seltsame Geräusche aus dem Halbdunkel. Keuchen, Schaben, Kratzen. Wir hofften, dass wir uns das alles nur einbildeten, denn sonst, soviel war sicher, würden wir diesen Ausbruch nicht überstehen. Ein gellender Schrei, welcher plötzlich durch die Katakomben hallte, lies uns das Blut in den Adern gefrieren. Stephanie klammerte sich an den Arm ihres großen Bruders, dessen Miene deutliche Besorgnis wiederspiegelte.
    Ich sah mich um. Einen kurzen Moment war es so, als würden längliche Finger aus dem Schatten hervorschauen, doch im nächsten Augenblick waren sie schon verschwunden. Das Licht, der Treppe durch, welche ich vorher nach unten gerannt war, wurde in der Entfernung immer kleiner, doch dieser Weg hätte uns auch nur wieder zurück in die Hände der Wachen geführt. „Wir müssen weiter“, flüsterte ich den Geschwistern zu und langsam schlichen wir vorwärts. Unsere Schritte hallten leise in dem Gang wieder und jede Sekunde, so befürchtete ich, würde eine grässliche Kreatur aus dem Schatten hervorspringen. Unsere Angst war förmlich greifbar, während wir durch das Halbdunkel gingen.

    Schließlich gelangten wir in einen großen Zellenblock. Er erinnerte an den Block in dem wir die letzten Monate eingesperrt gewesen waren, war jedoch noch verfallener. Die Wände hier waren nicht blutverschmiert, nein sie waren damit regelrecht zugekleistert. Das eingetrocknete bräunliche Blut, ich hoffte das es nur solches war, stank zudem grausam. Wir mussten uns die Nase zuhalten um weitergehen zu können. Die meisten Zellen hier waren aufgebrochen. In ihrem Inneren lagen entweder verfaulte Gerippe oder etwas weitaus schlimmeres. In manchen Zellen konnte man auf dem Harten Steinboden Kratzspuren sehen, so als wäre jemand aus der Zelle gezerrt worden und hätte sich mit all seiner Kraft dagegen gewehrt. „Bitte lass uns schnell weitergehen“, wimmerte Stephanie und klammerte sich noch enger an ihren Bruder.
    „Wartet.“ Die Stimme war so schwach, dass ich zuerst dachte ich hätte sie mir nur eingebildet, doch dann hörte ich sie noch einmal. „Wartet. Bitte!“ Langsam ging zu der Zellentüre von wo die Stimme gekommen war. Die Türe war verbeult, so als hätte etwas gewaltsam versucht sie aufzubrechen. Als ich durch den Sichtschlitz blickte, zog ich scharf die Luft ein. Die Person in der Zelle war in bedauernswerter Verfassung. Sofern man den Mann vor mir noch als Person bezeichnen konnte. Seine Kleidung hing in Fetzen herab. Er war nur noch Haut und Knochen. Seine Augen waren tief in eingefallen. Geschwüre wucherten auf seinem Körper und als er hustete, spie er eine Mischung aus grünlichem Schleim und Blut aus.
    „Wer seid ihr“, fragte er mich nun. Ich schluckte. „Wir sind Gefangene genau wie du“, antwortete ich ihn. Meine Worte schienen ihn zu belustigen. „Oh ihr seid von Oben? Was bringt den welche wie euch aus dem Paradies hier runter.“ Er musste das Entsetzen über seine Worte auf meinem Gesicht bemerkt haben, denn er brach in schallendes Gelächter aus. „Paradies! Wenn er diese Hölle da oben als Paradies bezeichnet, was muss dann hier unten erst geschehen“, dachte ich mir. „Ich war auch mal dort oben, bevor Mangel mich hierher verlegen ließ. Leider bemerkte er bald, dass wir Insassen dieses Zellenblocks nicht für ihn und seine Evolutionen geeignet waren.“

    Der Mann hustete uns spuckte erneut eine Ladung Schleim und Blut aus. „Also hat er uns seinen Kreationen zum Fraß vorgeworfen. Ich hatte Glück das meine Tür die letzte im Zellenblock war und sie irgendwann das Interesse verloren haben. Mangel hat das auch bemerkt und lässt mich seitdem wieder versorgen.“ Das letzte Wort klang so als würde der Mann es beinahe ausspeien. Er deutete mit einem Kopfnicken in die andere Ecke seiner Zelle. „Meine Rationen“, meinte er. Stephanie, die sich neben mich gestellt hatte, hielt sich den Mund zu um den Brechreiz zu unterdrücken und wandte sich ab. In der Ecke standen mehrere Eimer, welche mit menschlichen Überresten gefüllt waren. Augen, Gedärme. Auch mir wurde bei diesem Anblick schlecht. Anscheinend hatte der Gefangene seine Rationen nicht angerührt und so vergammelten sie in der Ecke.
    „Junge für mich ist es zu spät, aber ihr könnt Mangel entkommen. Geht weiter den Gang entlang bis ihr an sein Ende kommt. Dort befindet sich ein alter Entsorgungsschacht. Durch ihn könnt ihr nach draußen gelangen. Geht jetzt bevor Sie euch finden.“ Die Dringlichkeit in der Stimme des Mannes jagte mir einen kalten Schauer über den Rücken. „Wir sollten gehen“, sagte ich an Stefan und Stephanie gewandt. Die beiden nickten und wir gingen weiter. Einmal wandte ich mich noch um, doch der Mann hatte Recht gehabt. Für ihn gab es keine Hoffnung mehr. Vorsichtig tasteten wir uns durch den Gang nach vorne. Er war nur spärlich durch flackernde Deckenlampen ausgeleuchtet. Ein lautes Geräusch lies uns einmal innehalten. Es hörte sich so an als wäre eine Metalltür eingetreten worden. Gefolgt wurde das Geräusch von dem ohrenbetäubenden Schrei eines Mannes und dem lauten Brechen von Knochen. Entsetzt sahen wir uns an und hasteten dann weiter.

    „Verdammte Scheiße“, entfuhr es Stefan als wir das Ende des Ganges erreichten. Es war eine Sackgasse. Wir konnten ein lautes Keuchen immer näher kommen hören. Die Lampen im Gang fielen eine nach der anderen aus, sodass wir nicht mehr als die Silhouette der Kreatur erkennen konnten. Ich drückte mich gegen die Wand hinter mir und bemerkte einen kleinen Griff dort. Schnell riss ich die Luke auf und blickte in die Tiefe des schwarzen Schachtes. „Schnell da rein“, schrie ich. „Wir wissen nicht wo wir hinkommen. Der Mann war wahrscheinlich wahnsinnig“, sagte Stefan.
    Seine Schwester blickte panisch zwischen mir und ihm hin und her. „Wir werden sterben, wenn wir nicht rein springen“, schrie ich wütend. „Ich will zumindest weiterleben!“ „Vielleicht haben wir ja nie wirklich gelebt oder nennst du das hier Leben. Jeden Tag Todesangst. Jeden Tag gegen den Wahnsinn kämpfen“, schrie Stefan der nun seinerseits wütend wurde. „Ich habe nicht vor zu sterben unter keinen Umständen“, schrie ich und riss die Lucke hinter mir weit auf. Stephanie hielt sich die Ohren zu und schluchzte. „Es gibt sicher noch einen anderen Aus…“, lange Finger schossen aus der Dunkelheit hervor und rissen Stefan hinfort. Stephanie kreischte als ihr Bruder in die Dunkelheit gezerrt wurde. Sie wollte ihm nachspringen, doch ich hielt sie zurück. Blut spritzte aus der Finsernis hervor und ein grausames Knirschen war zu hören.
    „Als würde man einen Schädel zertrümmern“, dachte ich und packte die schreiende Stephanie. Sie versuchte sich zwar zu wehren, doch ich überwältigte sie und warf sie in den Schacht hinter mir, bevor ich ihr nachsprang. Hinter mir konnte ich noch ein wütendes Heulen vernehmen und das Tasten der langen Finger hören. Während wir durch die Finsternis rauschten schossen mir hunderte Gedanken durch den Kopf.

    Schließlich endete der Schacht in einer schleimigen Grube. Stephanie schrie und heulte. „Wieso hast du mich nicht dort gelassen.“ Ich versuchte sie zu beruhigen, doch es hatte keinen Sinn. Sie schlug um sich und schrie aus voller Kehle. „Es hat Stefan getötet. Er war der einzige bei dem ich Schutz fand in den letzten Monaten. Er hat sich um mich gekümmert, während du Tag für Tag an der Zellentür gezerrt hast. Siehst du jetzt bist du draußen. Bist du jetzt zufrieden. Du Arsch!“ Sie schrie mich an, warf mit wüsten Beschimpfungen um sich und heulte sich die Seele aus dem Leib.
    Ich ließ alles still über mich ergehen. Ich kannte das Gefühl des Verlustes nur allzu gut. Schließlich schloss ich sie in meine Arme. Zuerst wehrte sich das Mädchen nach allen Kräften, schlug, biss und kratze mich, doch nach einiger Zeit erschlaffte ihr Körper und sie heulte aus vollem Herzen. „Ich fühle mich so allein“, schluchzte Stephanie und schmiegte sich an mich. Ich tätschelte zärtlich ihren Kopf und sah mich um. Erst jetzt wurde mir bewusst, was für eine Art von Entsorgung hier stattfand. Entstellte Leichen lagen hier in Massen herum. Ich drückte Stephanie enger an mich, während ich meinen Brechreiz unterdrückte.
    Ihre angegriffene Psyche hätte einen derartigen Anblick wahrscheinlich nicht ertragen. Nicht nach dem Verlust ihres Bruders. Langsam ging ich mit ihr in Richtung Ausgang. Dieser führte durch eine kleine unscheinbare Türe ins Freie. Als ich die frische Luft einatmete, konnte ich es zuerst fast nicht glauben. Ich hörte das Meer, welches die Anstalt umgab gegen die Felsen branden. Es war ein unglaubliches Gefühl. Denn dieses Mal waren wir wirklich frei. Ein leichter Nieselregen ging draußen nieder. Die Tropfen fühlten sich auf meine Haut ungewohnt, aber keineswegs unangenehm an. Stephanie blickte auf und als sie die Morgensonne sah, welche gerade über dem Horizont aufstieg, spiegelten ihre Augen komplette Ungläubigkeit wieder.

    „Wir sind draußen? Wir sind frei?“ Sie fiel auf ihre Knie und schluchzte. Doch dieses Mal aufgrund unbändiger Freude. Für einen Moment zumindest vergaß sie den Tod ihres Bruders und freute sich. Auch ich bemerkte, dass ich mir ein Lächeln nicht verkneifen konnte. Der Alptraum hatte endlich ein Ende. Seufzend setzte ich mich nieder und betrachtete unsere Umgebung. Wir befanden uns auf einer Klippe über dem kalten Meer. Vor uns ging es gut 50 Meter in die Tiefe, doch dieser Abstieg würde, nach allem was uns wiederfahren war, ein Kinderspiel werden. Ich wandte mich Stephanie zu. „Wir sollten gehen. Noch sind wir nicht komplett in Sicherheit“, sagte ich. Das Mädchen nickte und wir beide standen auf.
    „Oh ich denke ihr geht nirgendwohin“, ertönte eine dumpfe Stimme hinter uns, welche mir das Blut in den Adern gefrieren lies. Dokter Mangel stand von mehreren Wachen begleitet hinter uns. Hinter einem Felsen in der Nähe glaubte ich außerdem die langen dürren Finger der Kreatur zu erkennen, welche uns die ganze Zeit verfolgt hatte. „Es tut mir leid, aber niemand entkommt der Anstalt. Trotzdem seid ihr weiter gekommen als all jene vor euch“, sagte der Doktor und lachte kalt und grausam. „Doch alle Heldenepen kommen irgendwann zu einem Ende.“ Mangel bedeutete seinen Wachen uns festzunehmen. Stephanie versuchte sich zu wehren, doch sie wurde mühelos überwältigt. Sie kreischte, schrie und strampelte, doch es half alles nichts. Auch auf mich kamen drei Wachen zu. „Ich werde euch nicht die Befriedigung geben“, schoss es mir durch den Kopf. Ich wirbelte herum und mit einem mächtigen Satz katapultierte ich mich über den Klippenrand. Ich konnte sehen, wie der Doktor geschockt an den Rand der Klippe gerannt kam. Stephanies Schreie, die Flüche des Doktors. Alle Geräusche wurden von den tosenden Wellen überschattet. Ich schloss die Augen. Das kalte Nass umschloss mich.

    Grelles Licht blendete mich, als ich die Augen wieder öffnete. Ich wollte mich aufsetzen, doch ich merkte, dass ich gefesselt war. „Nein“, stöhnte ich. Doch das kalte Lachen Doktor Mangels verschaffte mir Gewissheit. „Ich sagte doch. Niemand entkommt der Anstalt.“ Etwas bewegte sich am Rande meines Gesichtsfelds. Lange dünne Finger berührten mein Gesicht und tasteten es ab. Ich konnte das Schnüffeln hören. Deutlicher als jemals zuvor. Zum ersten Mal erblickte ich die Kreatur. Die nächste Stufe der Evolution, wie es Doktor Mangel nannte. Es war deutlich, dass das Wesen einmal ein Mensch gewesen war. Jedoch waren seine Arme ungefähr dreimal so lang, wie die einer normalen Person. Sein Körper war ausgemergelt und man konnte die Rippen darunter erkenne, doch der Bauch der Kreatur war kugelrund und aufgebläht. Gesicht besaß sie keines. Keine Augen. Keine Nase. Kein Mund. Das einzige was über ihr Gesicht verlief, war ein Riss, welcher sich nun öffnete und den Kopf der Kreatur auseinanderklappen lies. Darunter kam ein mit Reißzähnen bewehrter Schlund zum Vorschein in dessen Mitte ein stechend rotes Auge saß.
    Angeekelt wandte ich meinen Kopf ab. Ich atmete schwer. „Nein so will ich nicht sterben“, sagte ich, beinahe flehend an den Doktor gerichtet. Dieser Lachte unter seiner Gasmaske. „Keine Angst du wirst nicht sterben. Du wirst mehr werden. Die nächste Stufe der Evolution. Genau wie sie.“ Mangel deutete auf etwas, was im Schatten an der Decke gehangen hatte und sich nun herunterfallen lies. Ich zog scharf die Luft ein als ich Stephanie erkannte. Auch ihre Arme und Beine waren nun viel zu lang für ihren Körper. Aus ihrem Unterleib ragte ein langer Skorpionschwanz. Ihr Gesicht erinnerte an ein Insekt. Ihre Augen hatten waren die eines großen Insekts und aus ihrem Mund ragten zwei Greifzangen. Ich schluckte und versuchte mich von meinen Fesseln zu befreien, während sie immer näher kam, doch es war vergeblich.
    Ihr Speichel tropfte auf mein Gesicht und dieses Mal übergab ich mich. Der größte Teil traf, das was einmal Stephanie gewesen war ins Gesicht, der Rest ergoss sich über meine Kleidung. „Genug!“, schrie Doktor Mangel nun und die beiden Kreaturen ließen sofort von mir ab. „Es wird Zeit, dass du deine schwächliche Hülle ablegst und zu mehr wirst. Du wirst als ein höheres Wesen wiedergeworden werden“, sagte der Doktor und zückte eine Spritze mit einer langen Nadel. Die Spritze war mit einer blutroten Flüssigkeit gefüllt und der Doktor bewegte die Nadel nun auf mein Auge zu. Immer näher kam die Spritzennadel auf mein Auge zu, bis sie direkt davor war.

    Dann wurde alles schwarz.

    Die Tür fiel ins Schloss. Die Frau seufzte. Erste Grauansätze zeigten sich bereits in ihrem streng nach hinten gebundenen braunen Haar und sie hielt ein Klemmbrett in der Hand. Der alte Mann, der gerade neben sie getreten war, wirkte äußerst besorgt. „Und wie geht es ihm?“, fragte er. Die Frau sah in Traurig an. „Wie immer. Ich dringe einfach nicht zu ihm durch. Er lebt in seiner eigenen Traumwelt. Ich sitze direkt vor ihm, rede mit ihm und doch nimmt er mich nicht wahr. Er redet nur vor sich hin. Es ist immer das gleiche. Er werde ausbrechen, dann etwas von Experimenten und von Monstern.“ Die Frau schüttelte den Kopf. „Und was ist mit den Namen, die er immer wieder schreit?“, fragte der alte Doktor.
    „Stefan und Stephanie?“ Der Mann nickte. „Nun anscheinend handelt es sich dabei um seine Schwester und seinen Bruder. Ihr wisst schon, die zwei, welche er damals als letzte umbrachte. Jedoch scheint er sie in seiner Welt nicht mehr als solche zu erkennen. Er ist wirklich bedauernswert.“ Die Frau blickt durch das Sichtgitter in die Gummizelle. „Immer und immer wieder erlebt er dieselbe Geschichte und seinen Schreien nach, ist es keine Angenehme. Ich wünschte er würde endlich einmal aufwachen. Jedenfalls werde ich ihnen morgen meine Bericht zukommen lassen Doktor Mangel.“ Die Frau schritt davon und der Doktor betrachtete noch einmal den Jungen in der Gummizelle. Er war mit einer Zwangsjacke gefesselt und saß mit leerem Blick auf dem Boden. Er war nun seit 5 Jahren hier drin und war die ganze Zeit alleine gewesen, auch wenn es in seiner Welt für ihn natürlich anders aussah.
    „Ich hoffe du wachst irgendwann auf. Du kannst dich nicht auf ewig für deine schrecklichen Taten selbst bestraften“, sagte der Doktor und ging ebenfalls. Der Junge in der Zelle zeigte jedoch keine Reaktion. Sein leerer Blick war auf die Tür fixiert, bis er plötzlich blinzelte. Er öffnete den Mund.

    „Lasst mich raus!“ Meine Schreie hallten durch die kalten Flure der Anstalt.
    ~dilliansthoughthub.blogspot.co.at~
  • Ich frage mich, warum noch niemand deinen One Shot bewertet hat, immerhin ist sie mMn herausragend.
    Das Ende hat mich wirklich sehr überrascht. Ich hab mit vielem gerechnet, doch nicht damit. Vielleicht auch, da sie, im nachhinein, ziemlich offensichtlich war^^"
    Insgesamt kann ich nur sagen, dass ich beim Lesen mehr mitgefiebert und mitgefühlt habe, als bei so manch Stephen King Horror-Bücher. Deine Geschichte rief in mir ähnliche Gefühle vor, wie ich sie beim Gucken von »The Blairwitch Project« hatte - und das will was heißen ;)
    Wirklich packend erzählt, deine Sprachfertigkeit lässt sich sehen, kaum Fehler (nur am Ende hab ich einige entdeckt), flüssiger Stil. Sehr schön. Vor allem diese Beschreibungen fand ich toll.

    Ich hab echt nichts zu kritisieren. Gar nichts. Und wenn das "nur" eins deiner Anfangswerke war, dann will ich mir gar nicht ausmalen, wie gut du jetzt bist...
    Ich hoffe, du stellst auch deine anderen OSs rein.

    LG
    Mugiwara-no-Luffy

    P.S.: Und lad auch gleich noch ein paar Bilder in deinem Bilder-Thread hoch, ich bin nämlich sehr angetan von deinen Pics^^
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