Double-Plüsch schrieb:
Diese "Fehler" bzw. deren Art fallen so sehr auf, weil es in S1-S6 eben mehr oder weniger nicht vorkam. GoT bot Stilmittel und Erzählweisen, die man in der Art bis dato nicht kannte. Das war ein ausschlaggebender Grund für den Erfolg.
Natürlich sind solche "Fehler" menschlich und meinetwegen kann man sie auch mit Charme definieren, aber Tatsache ist doch auch, dass die Erzählweise seit S7 dieser einstmals genialen Serie ihre Seele herausgerissen hat.
Davon mal abgesehen, dass viele Probleme hausgemacht sind, weil man das Ei offensichtlich hopp la hopp pellen möchte.
Seit S7 setzt GoT nur noch visuell neue Maßstäbe. Von der Handlung, der Dialoge, der Charaktertiefe, der Komplexität und der Überraschung hat es so dermaßen abgebaut, dass es eben nichts besonderes mehr ist.
Wenn man sich mal die ersten Staffeln ansieht und miterlebt, was alles aufgebracht wurde, bis Person XY von ihrer Meinung abkommt oder von ihrer Tat absieht.
Und dann vergleicht man Staffel 7, wo Jon wie aus dem Nichts eine Höhlenmalerei (wow, gab es vorher noch nie) entdeckt und in 5min Daenarys von einer der wichtigsten Schritte in der gesamten Story überzeugt. Billiger und einfallsloser geht's doch kaum. Sowas war früher bei GoT undenkbar.
Man muss nur mal die Atmosphäre von Jons Gespräch mit Manke Rayder vergleichen, oder der Aufenthalt bei Craster, und dann dagegen die erzwungene Atmosphäre jetzt in Winterfell in der Nacht vor dem größten Krieg der Menschheit. Da liegen doch Welten dazwischen.
Dieser seelenlose Stil zieht sich gnadenlos durch. Leider
GoT wird als bombastischstes Serien-Ereignis in die Geschichte eingehen, basierend auf den visuellen Eindrücken von S7 und S8. Das wird (so befürchte ich) alles andere überdecken, was diese Serie einst ausgemacht hat.
Doch ich fragte ja: Bei welcher Serie war es anders? Welche Serie hat bis zur letzten Sekunde überzeugt?
...und hier differenziere ich eben. Ich kann mir auch gut und gerne weiterhin ein Shameless (z. B.) ansehen. Auch wenn mich dies nur unterhält und es niemals an das Seherlebnis von Game of Thrones herankommt.
...und so kann ich mir nun auch gut und gerne weiterhin mit jeglichem Genuss den Rest von Game of Thrones ansehen.
Weil es eben beispielsweise visuell überzeugt wie nichts davor und davor 6 Staffeln lang in allen Belangen überzeugt hat!
Denn ich sage halt: Jetzt ist die Kunst das richtig einzuordnen. Lassen wir die Kirche im Dorf, schrauben wir unsere Erwartungshaltung von The Winds of Winter runter. Wir sehen trotzdem noch eine Serie mit einem unfassbaren Niveau.
Ich weiß, das fällt schwer. Aber gehe ich mit einem unguten Gefühl in eine Sache, ist mein Blick schon vorher getrübt.
Darum habe ich mich ja ein paar Seiten zu vor auch auf @TourianTourist seine Anmerkung zu LOST bezogen. Hier ist Game of Thrones einfach noch nicht. Bei LOST hatten wir auch bis zu letzten Sekunde gewartet. Geben wir - trotz aller Anzeichen - dieser Serie auch die Chance.
Mir ist das insgesamt einfach - nicht nur hier - zu viel Schwarzmalerei im Moment.
So viele Serien gingen viel früher oder zum ähnlichen Zeitpunkt „total in die Binsen“.
Darum genieße ich einfach die restlichen drei Episoden dieser Serie.
Als bestes Beispiel fällt mir da House of Cards ein. Da hat man früh die Keule ausgepackt und gegen jede Plotarmor etwas durchgezogen (um einen wesentlichen Kritikpunkt der letzten Seiten aufzugreifen / wenn auch nicht von Euch Beiden). Danach war die Serie allerdings nur noch ein Schatten ihrer selbst.
Wenn sie es am Schluss total verbauen, hattet ihr jetzt schon Recht und ich ziehe meinen Hut. Meine Hoffnung diesbezüglich ist allerdings noch lange nicht am Ende.
Wie heißt es so schön: „Du sollst den Tag nicht vor dem Abend loben.“
Oder anders: „Gib die ‚lange Nacht‘ nicht vor dem bittersweet End auf.“
Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better.
- Samuel Beckett
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