So lange die erste Phase gedauert hat, so zügig geht es nun mit der zweiten Phase auch schon wieder dem Ende zu, wenn ich heute den Abschluss für diese Runde und damit auch Phase bilden darf!
Ich danke vorab schon einmal allen für ihre pünktliche Abgabe der Texte sowie allen stillen Mitlesenden, Votierenden und Kommentatoren, die noch treu dabei sind! Heute dürft ihr euch die vier Texte der Autoren(paare) gönnen, die sich der Stimmung bzw. Atmosphäre "Sanft" widmen müssen. Ich war sehr gespannt darauf, wie die Autoren sich dieser Herausforderung stellen und möchte deshalb gar nicht lange um den heißen Brei herumreden.
Sanfter Trost
Saga: Den Tollwütigen hinterher-Saga
Erster Erweiterungstext: Family-Time
Wieso nur… wieso nur hatte sie nicht auf Gideon gehört? Bleib hier und warte auf den richtigen Moment, hatte er gesagt. Begib dich nicht blindlings auf gegnerisches Territorium, hatte er ihr eingebläut. Und was hatte sie getan? Sie hatte -mal wieder- nicht auf ihn gehört. Wieder einmal unüberlegt gehandelt. Das getan, was sie wollte. Und was hatte sie jetzt davon…
…Erbarmungslos versenkte die Schatten-Bestie ihre Zähne in den Nacken des hilf- und schutzlos vor ihr liegenden Marinesoldaten. Zerfetzte mit einem bestialischen Knurren das Fleisch. Blut spritze pulsierend aus der Hauptschlagader, während Lorna wie in Trance einen herumliegenden Steinbrocken zu greifen bekam und auf den Schattenhund losging. Ausholte. Und den Brocken unbarmherzig auf den Schädel der Bestie niedersausen lies…
Alleine die Erinnerung an die grausamen Geschehnisse vor wenigen Tagen trieben ihr die Tränen in die Augen. Kapidelli…Holts…Rennsing…ihre komplette Einheit… allesamt tot. Gestorben wegen ihrer Unachtsamkeit. Ihrer Unerfahrenheit. Ihrer bescheuerten Unbedachtheit!
Ein Pochen an der Kabinentür lies Lorna aufhorchen und vertrieb für einen kurzen Moment die schrecklichen Gedanken aus ihrem Kopf. Sie wollte keinen Besuch, nicht jetzt. Wollte niemanden sehen. Alleine sein. Alleine mit ihren Gedanken, ihren Erinnerungen, mit ihrer Trauer. Und mit ihrer Schuld.
Sie blieb stumm.
Beharrlich ertönte erneut das Klopfen an der Tür.
„Lorna…“, konnte sie Gideon hinter der Holztür aufseufzen hören, „Ich weiß, dass du da drinnen bist… Darf ich reinkommen?“
Nein! Das war das letzte, was sie im Moment wollte! Nicht Gideon. Jeder, aber nicht Gideon! Sie konnte ihm jetzt nicht in die Augen blicken. Die stillen Vorwürfe, die Schuldzuweisung. Und vor allem die Enttäuschung… das ertrug sie nicht!
„Nein“, ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, aber sie war sich sicher, dass Gideon jedes einzelne ihrer Worte klar und deutlich verstand, „Ich möchte niemanden sehen...“
Einen kurzen Moment lang blieb es beunruhigend still hinter der Tür, ehe erneut Gideons tiefe Bassstimme ertönte.
„Das war keine Frage, Lorna…“
Lorna spürte, wie ihr Augen erneut zu brennen begannen. Eilig versuchte sie mit den Handballen die Spuren der Tränen aus ihrem Gesicht zu wischen.
„Mach bitte die Türe auf, Lorna.“
Ein letztes Mal atmete Lorna tief durch, warf einen kurzen, prüfenden Blick in den Spiegel -okay, sie hatte schon mal besser ausgesehen. Das zerzauste Haar, die verquollenen Augen… aber die schlimmsten Spuren ihres Zusammenbruchs hatte sie einigermaßen kaschiert- ehe sie mit zittrigen Händen das Schloss entsperrte. Bereits im nächsten Moment öffnete sich die Tür und Gideon betrat die kleine Kajüte. Angespannt wich Lorna seinem musternden Blick aus und schaute betreten zu Boden. Einen schier endlos lange erscheinenden Moment sagte keiner ein Wort. Stillschweigend standen sie sich gegenüber.
„Oh man, du siehst echt besch....eiden aus, Lorna“, durchbrach Gideon schließlich die Stille.
„Sehr taktvoll…“, erwiderte sie kurz, den Blick noch immer auf den Boden gerichtet, „Das wünscht sich doch jede junge Frau zu hören.“
„Lorna, du weißt, wie es gemeint ist“, erwiderte Gideon und legte sorgsam eine Hand auf ihre Schulter.
„Ach, ich weiß gar nichts mehr!“, sie löste sich aus der lieb gemeinten Berührung, marschierte zu ihrem Bett, lies sich niedergeschlagen auf die Bettkante nieder und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Gideon folgte ihr und nahm behutsam neben ihr Platz.
„Ich bin nicht gut in solchen Dingen, Lorna. War ich noch nie. Und das weißt du auch“, setzte er schließlich nach einer Pause leise an, „Ich weiß genau, wie du dich gerade fühlst…“
„Nein“, widersprach Lorna kopfschüttelnd, „Das kannst du nicht. Du hast nicht… dir ist noch nie…“
„Leider schon…“, es war kaum mehr als ein bedrücktes Flüstern, aber es lies Lorna mitten im Satz abbrechen und überrascht aufhorchen, „Wir alle machen Fehler, Lorna, auch ich habe meine gemacht… mache sie heute noch. Aber lass dir aus Erfahrung sagen: Es hilft niemanden, wenn du dich hier einschließt und dir Selbstvorwürfe machst. Weder dir, noch Kapidelli, Rennsing oder auch Holts. Es war ein Fehler, klar, eine blöde Entscheidung, auch klar, aber Herr Gott noch mal, wer hätte ahnen können, dass es so ausgeht?“
„Ich hätte es wissen müssen. Zumindest daran denken… aber nein, ich war viel zu sehr darauf aus, diesen gottverdammten Köter in die Hände zu bekommen. War zu sehr auf das Abenteuer aus…“
„Das Wichtigste ist, dass du daraus lernst, Lorna. Aus jeder Niederlage kann man für die Zukunft lernen. Und das hier, das war eine große Niederlage. Eine extrem große! Aber eine, aus der du gestärkt zurückkommen wirst!“, erneut umfasste seine Hand fürsorglich Lornas Schulter und drückte sie sanft und aufmunternd. Lorna spürte, wie ihre Augen bedrohlich brannten, wie sich die Tränen langsam aber sicher ihren Weg über ihre Wangen bahnten.
„Es ist alles meine Schuld…“
„Nein, Lorna! Ist es nicht“, entgegnete Gideon bestimmt und verstärkte den sanften Druck an ihrer Schulter, „Schau mich an…“
Energisch schüttelte sie ihren Kopf. Nein, sie wollte nicht. Wollte nicht den niedergeschlagenen Ausdruck in Gideons Gesicht sehen, die abgrundtiefe Enttäuschung…
„Lorna…“
Es half nichts, früher oder später musste sie es eh hinter sich bringen. Und wie sie Gideon kannte, würde er eh nicht so schnell aufgeben. Widerwillig hob sie langsam ihr Kinn und blickte auf, in Erwartung des strengen, tadelnden Blickes ihres Vorgesetzten. Doch mit dem, was sie sah, hatte sie nicht gerechnet. Dicke, kugelige Tränen rannen in Strömen über Gideons Gesicht, dunkle Augenringe zeugten von schlaflosen Nächten in letzter Zeit und sein Blick zeigte keine Spur von Tadel, von Missachtung oder Enttäuschung. Nein, was sie stattdessen sah, war nichts anderes als tiefstes Mitgefühl, Sanftheit und ehrliche, ernstgemeinte Fürsorge. Sie spürte, wie auch ihre Tränen sich nun nicht mehr zurückhalten ließen. Mit einem lauten Schluchzer gab sie schließlich nach und vergrub weinend ihr Gesicht an Gideons Brust, lies ihrem Schmerz freien Lauf.
Liebevoll legte Gideon seine Arme um Lorna und zog sie in einer tiefen, ehrlichen, väterlichen Umarmung fest an sich heran.
„Wir schaffen das schon, meine Kleine…“, sagte er sanft, während Lorna nun hemmungslos ihrer Trauer freien Lauf ließ, „Gemeinsam bekommen wir das wieder hin…“
An Bord der Orphan's Turf: Heimat
Saga: An Bord der Orphan's Turf-Saga
Erster Erweiterungstext: An Bord der Orphan's Turf: Abgrund
Seine Tränen schimmerten im Schein der abendlichen Sonne. Er schloss die Augen und nahm einen langen, tiefen Atemzug. Keine Fesseln, die ihn banden, und keine Ketten, die sich um ihn schnürten. Doch ein Gefühl des Unbehagens keimte auf. Die Reise war noch nicht vorbei.
Einen letzten Moment wollte er an dieser Klippe auskosten, die frische Meeresluft tief einatmen und die letzten, wärmenden Sonnenstrahlen des Tages auf seiner Haut spüren. Plötzlich schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf und Raks raste zu den anderen zurück, wie er nur konnte.
Nach dem Untergang der Orphan’s Turf retteten sich die überlebenden Kinder auf das Marineschiff, mit welchem sie fortan auf der Suche nach einer neuen Heimat weitersegelten. Zwei Monaten sind seitdem vergangen und der kleine Trupp besuchte eine Insel nach der Nächsten. Doch sie wurden niemals fündig nach einem Ort fernab der Piraterie und Marine und fernab sämtlicher schlechter Erinnerungen.
„Im Calm Belt … nicht weit von hier …“, schnaufte Raks vornübergebeugt und ohne Atem, nachdem er den Weg zum Schiff zurückgerannt war, „gibt es eine Insel. Eine Fischerinsel.“
Bei diesen Worten spitzten die restlichen Kinder die Ohren und versammelten sich wie ein neugieriger Fischschwarm um den schnaufenden Jungen.
„Damals hatten Mako und ich die Marinetypen in der Küche oft was von einer Insel am Rande des Calm Belt reden hören, welche berühmt für gewesen war für ihre prächtigen Fische. Aus diesem Grund hatte die Basis auch oftmals den Fisch von eben dort bezogen. Na, wie klingt das? Sollten wir es uns nicht mal anschauen?“
Raks blickte in viele neugierige, freudige Gesichter seiner Kameraden. Dann ließ er seinen Blick zu Stripes wandern, der sich im Gegensatz zu den anderen abwandte. Reony legte ihre Hand auf Raks‘ Schulter und flüsterte kaum merklich, sodass es nur Raks mitbekam: „Stripes kriegt sich wieder ein, keine Sorge. Der Abstecher hierhin machte sich auf jeden Fall schon mal bezahlt.“
Zwei weitere Tage verstrichen, ehe sich die ersten Umrisse einer Insel am weiten Horizont abzeichneten. Die ehemaligen Mitglieder der Orphan’s Turf rannten in freudiger Erwartung umgehend aufs Deck und starrten gebannt dem Horizont entgegen. Sobald das Schiff nah genug an der Insel war, sprangen die Ersten bereits übermutig ins Wasser und schwammen den restlichen Weg.
Raks glitt mit seinen Fingern durch den perlweißen Sand und wohlige Wärme breitete sich aus. Das Meer glitzerte in dem gleißenden Sonnenschein und blendete Raks, sodass er die Augen zusammenkneifen musste, während er seinen Freunden beim Schwimmen, Spielen und Jagen von Fischen zusah. So fühlte sich Freiheit an.
Die Abenteurer blieben bis spät nachts wach, und beobachtete die funkelnden Sterne am Himmelszelt, während sie es sich in dem warmweichen Sand bequem machten und die gefangenen Fische über einem großen Lagerfeuer grillten.
Raks starrte lange Zeit in das Feuer und verlor sich allmählich in seinen Erinnerungen und Gedanken. Er dachte an die Zeit zurück, in welcher er zusammen mit Mako die Beine unbeschwert über der Klippe baumeln ließ, nachdem sie zum wiederholten Male Forellenadmiral Ranzig verärgert hatten. Und an die Zeit auf der Orphan’s Turf, als die beiden Kinder kein Auge zudrücken konnten und stattdessen mehrere Nächte gemeinsam auf dem Deck verbrachten und den nächtlichen Horizont absuchten. Und an die Zeit, als Mako ein letztes Mal den Blick von Raks suchte.
Doch plötzlich spürte er eine weiche Tatze auf seiner Schulter, die ihn aus den Gedanken riss. Raks blickte in das lächelnde Gesicht eines Tigers, der zwei gegrillte Fische in der Hand hielt und ihm einen davon anbot. Raks antwortete mit einem Lächeln, nahm den Fisch an.
Sie hatten ihr Ziel erreicht.
Erloschene Flamme
Saga: König der Unterwelt-Saga
Erster Erweiterungstext: Erste Funken
Sabaody Archipel, Grandline, 1515
Stillschweigend stand er da. Den Blick auf den urgewaltigen Baumstamm gerichtet, der vor ihm in den Himmel ragte. In Gedanken versunken. In Erinnerungen an eine idyllische, fast schon märchenhafte, Zeit schwelgend.
Kaum zu glauben, dass es schon sieben Jahre her ist. Sieben Jahre, drei Monate und zwölf Tage. So viel Zeit ist vergangen, seitdem ich sie hier kennengelernt habe. Ich werde den Tag nie vergessen, an dem wir uns begegnet sind. Den Tag, an dem sich mein Leben für immer verändert hat. Ich habe stets in dem Glauben gelebt, dass ich niemals sesshaft werden würde. Ich log und betrog. Ich mogelte mich durchs Leben. Bis sich unsere Wege kreuzten. Noch Monate später konnte ich nicht verstehen, wieso ich damals das Bedürfnis hatte ihrem Schrei nach Hilfe zu folgen. Das war gar nicht meine Art und doch konnte ich nicht anders. Fast so, als hätte mich eine übernatürliche Macht gepackt und zu ihr gezogen. Fast so, als sei unsere Begegnung vorherbestimmt gewesen.
Schlussendlich fand ich mit ihr etwas, von dem ich nicht geglaubt hatte, dass ich es jemals erlangen würde. Die Liebe. Immer wieder stellte ich mir selbst die Frage, womit ich eine Frau wie Mary eigentlich verdient hatte. Und selbst jetzt beschäftigt es mich noch. Sieben Jahre später.
Der schlaksige Mann im feinen, weißen Zwirn machte ein paar Schritte auf den Grove zu. Der süße Geruch von Lavendel kroch ihm in die Nasenhöhlen. Er schloss die Augen, genoss jeden einzelnen Zug dieses wundervollen Aromas, das ihn umströmte.
Ich weiß, dass es unmöglich ist. Ich weiß, dass sie nicht zurückkehren wird. Und doch, jedes Mal wenn ich diesen Ort betrete, kommt es mir so vor, als stünde sie direkt vor mir. So wie damals. So wie an jenem Tag, an dem ich vor ihr auf die Knie fiel. Mary’s Gesichtsausdruck werde ich nie vergessen. Eine Mischung aus Glückseligkeit und Ungläubigkeit. Ihre Hände verdeckten augenblicklich ihren Mund, um ihr aufkeimendes Schluchzen zu unterdrücken. Tränen sammelten sich in ihren himmelblauen Augen. Doch keine Tränen der Trauer, sondern Tränen der Freude. Ich wusste immer, dass sie genauso für mich empfand, wie ich für sie. Und doch, diese Reaktion von ihr, noch bevor ich ihr die größte aller Fragen überhaupt stellen konnte, führte mir einmal mehr vor Augen, wie tief unsere Gefühle füreinander waren. Wie stark das Band war, das uns miteinander verband.
Nach einem letzten, tiefen Atemzug schritt Jim weiter auf den Baumstamm zu, achtsam darauf bedacht den wildwachsenden Lavendel nicht zu zertreten. Sanft legte er seine Handfläche auf das warme Holz auf. Und er lächelte. Er lächelte, als er die Markierungen unter seiner Haut spürte. Die Eingravierungen ihrer Namen waren noch da, sie hatten die vielen Jahre überdauert.
Ich erhob mich. Ungestüm fiel sie mir um den Hals, umarmte mich. Keine überraschende Geste, doch die Intensität, die damit einherging, übertraf alles, was ich bis dahin von ihr gewohnt war. So überwältigt war sie von dem Gedanken daran, dass wir uns bald das Jawort geben würden. Unbewusst ließ ich die Schatulle fallen, die ich schon seit einigen Wochen mit mir herumgetragen hatte, als sie sich letztlich von mir löste und mir einen leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen drückte. Wir lächelten einander zu. Ich zückte mein Messer. Die einzige Konstante, die ich in meinem Leben hatte, bevor ich auf Mary getroffen war. Hand in Hand näherten wir uns dem Grove, an dem wir uns einst kennengelernt hatten. Behutsam ritzte ich zunächst meinen und dann ihren Namen in das Holz ein. Ich musste diese Geste nicht erklären, Mary erkannte sie sogleich und küsste zärtlich meine rechte Wange.
Sanft touchierte Jim eben jene Stelle seines Gesichts, während er wie gebannt auf die unvollständige Inschrift starrte.
Wie oft wir hier am Stamm gelehnt saßen, den süßen Duft von Lavendel in der Nase. An einem dieser Tage ergriff Mary meine Hand und legte sie auf ihren Bauch. Zuerst begriff ich nicht, doch als ich ihre freudestrahlende Miene erblickte verstand ich. Ein dritter Name, um unser Glück vollkommen zu machen. Worte brauchten wir nicht, wir lagen uns einfach in den Armen, während ich über ihren Bauch strich und das neue Leben zu erspüren versuchte.
Ein flüchtiges, unscheinbares Lächeln wich ihm über seine Lippen, als er dem Grove schließlich den Rücken zuwandte und davon schritt. Ohne zurückzusehen.
Jim und Mary
Für immer Dein, für immer Mein
Unerwartet liebevoller Tyrann
Saga: Unerwartete Kuma-Saga
Erster Erweiterungstext: Unerwartet liebevoller Tyrann
Die weißen Wolken türmten sich wie Berge aus Schnee um mich. Der vorbeiziehende, blaue Himmel erneuerte immer wieder seinen Glanz. Ich war nie ein König gewesen. Eine Handvoll hatte ich noch aus den Trümmern retten können, hatte ihren Schmerz gelindert, aber es war ein Schatten von dem, was ich hätte erreichen können, wenn ich wachsamer gewesen wäre. Wie sollte ich ihr unter die Augen treten? Ich musste Wiedergutmachung leisten, was auch immer das bedeuten mochte.
Ich erhob mich von dem Tatzenabdruck im Boden und schritt schwerfällig in Richtung des Lagers der Revolutionäre. Meine Mitstreiter begrüßten mich wie einen Bruder. Sie wussten bereits Bescheid, doch ich ignorierte die Respektbekundungen und suchte zwischen all den Menschen nur nach ihr. Doch sie entdeckte mich zuerst, ein gellender Schrei übertönte das Stimmengewaber und wieder einmal schoss sie wie eine rosafarbene Kanonenkugel auf mich zu. Ich wollte nichts mehr als sie in den Arm nehmen. Zu spüren, dass es ihr gut ging. Sie nie wieder loslassen. Doch mein Traum wurde jäh zerrissen, als sie mich erreichte.
„Du mieser Riesenklops!“ Bonneys kleine Fäuste hämmerten wie wild auf mich ein. „Ich hasse dich!“
Meine Augen füllten sich mit Tränen. Mein Klumpen in mir, der in den letzten Tagen etwas Ruhe gegeben hatte, brodelte wieder wie ein Vulkan auf. Ich blieb stumm, ließ mich nur auf die Knie fallen, unternahm einen zaghaften Versuch sie zu berühren, doch sie ließ ihrer Wut, tränenüberströmt, weiter freien Lauf. Ich hatte es verdient. Irgendwann schwächelte sie und ich sah einen kurzen Lichtblick.
Ich umfasste behutsam ihr Gesicht und blickte in ihre verquollenen Augen. „Bon, es tut mir leid.“
„Warum hast du mich einfach so alleine gelassen?“, schluchzte sie und berührte meine Hände.
„Ich...ich wollte dich beschützen. Ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht.“ Auch ich konnte nicht mehr an mich halten und spürte Tränen auf meinem Gesicht, während ich ihre fürsorglich aus ihrem Gesicht wischte.
Bonney starrte mich nur ungläubig an, sie hatte mich noch nie so gesehen. Der übrig gebliebene Zorn in ihren Augen verblasste und sie umarmte mich. Da war er, der Traum. Ich umschloss sie, wie ein schützender Umhang. Gleichzeitig verdampfte der brodelnde Klumpen für diesen Moment. Alles andere war unwichtig. Nur sie und ich.
Eine gefühlte, wunderschöne Ewigkeit dauerte es an. Dann löste sie sich von mir, lächelte mich kurz an. Mehr brauchte ich nicht, um auch den Rest hinweg zu spülen.
„Komm, ich will dir jemanden vorstellen.“ Sie nahm mich bei der Hand und führte mich weiter ins Lager hinein. Ein blonder Junge saß gedankenversunken auf dem Boden. Seine ernsten Augen hoben sich als wir näher kamen. „Sabo! Das ist Bartholomäus, von dem ich dir erzählt hab.“
Die Augen des Jungen weiteten sich kurz vor Überraschung bei meinem Anblick. Doch es war keine Angst zu sehen, die meine riesige Gestalt normalerweise auslöste.
„Hallo, Sabo“, begrüßte ich ihn freundlich und streckte ihm meine offene Handfläche hin.
„Hi.“ Er starrte wieder auf den Boden, ignorierte meine Hand.
Bonney nahm mich kurz zur Seite und flüsterte hinter vorgehaltener Hand. „Er weiß nicht wer er ist und ist die ganze Zeit traurig. Magst du mir helfen ihn aufzumuntern?“
Ich nickte und beobachtete Sabo interessiert.
„Komm Sabo, wir spielen Tatzenschleuder!“, rief Bonney ihm zu.
Ich wusste genau was ich zu tun hatte, legte mich auf den Rücken und streckte die Arme nach oben. Bonney kletterte auf meine Handfläche. Sabo sah im gebührenden Abstand zu. Ich erzeugte einen kurzen Schub und Bonney wurde in die Höhe getragen. Sie jubelte auf. Ich schleuderte sie mit dem nächsten Schub noch höher. Ihre freudigen Schreie wurden lauter.
„Sabo, komm endlich! Das ist super!“ schrie sie mit verzerrter Stimme.
Der Junge begann, immer noch skeptisch, meine Hand zu erklimmen. Ich wollte zunächst vorsichtig beginnen, überlegte es mir anders und schleuderte ihn ebenfalls hoch in die Luft. Ein überraschter Schrei entfuhr ihm und nach einigen Malen lockerten sich auch seine Gesichtszüge und der Anflug eines Lachens war zu erkennen.
Ein jäher Windstoß trug die beiden Kinder wieder sanft zu Boden. „Hier bist du also. Und schon mit den Kindern am Werk.“ Dragon löste sich grinsend aus dem Hintergrund. „Bonney, darf ich ihn mir kurz ausleihen? Wir bleiben in der Nähe.“
Bonney zögerte kurz und nickte.
Dragons Mimik nahm wieder ernste Züge an. „Ich hab es bereits gehört. Es tut mir leid. Vor allem das mit Breek.“
„Ich konnte nicht mehr tun.“ Meine leeren Augen starrten auf Bonney.
Dragon packte mich kameradschaftlich am Arm „Ich weiß. Ich kenne diesen inneren Kampf.“
„Wirklich?“
„Ja. Weißt du, ich habe einen Sohn. Er heißt Ruffy und wohnt im Goa Königreich, so wie Sabo.“
Ich riss überrascht die Augen auf. „Das hast du mir nie erzählt.“
Dragon schlug die Beine übereinander. Sein sonst scharfer Blick wandte sich nachdenklich in Richtung der aufsteigenden Sonne. „Das hab ich niemanden erzählt. Aber ich sehe was du für Bonney empfindest und es erinnert mich daran.
„Wann hast du ihn das letzte Mal gesehen?“
Dragon seufzte tief. „Nur als Baby. Er dürfte jetzt ungefähr so alt sein wie Bonney. Als wir im Goa Königreich waren habe ich mit mir gerungen ihn zu Gesicht zu bekommen, aber es war zu schwer. Ich konnte nicht.“
Ich ahnte schon worauf es hinauslief und trotzdem schoss kurz Ärger durch meinen Kopf. „Warum hast du ihn dann überhaupt zurückgelassen?“
Dragon schwieg kurz. Er wandte seinen Blick zu mir, dann zu den spielenden Kindern. „Wegen ihnen. Ich kann weder Ruffy noch allen anderen Kindern eine solche Welt hinterlassen. Diese Welt ist grausam für Kinder. Es ist ein Kriegsschauplatz und Hunderte lassen täglich ihr Leben wegen den Verbrechen der Weltregierung. Du hast es selbst erlebt.“
Ich war nicht überzeugt. „Und trotzdem lässt du ihn im Stich?“
„Bartholomäus, ich bin ein schrecklicher Vater. Aber wenn ich ihn jetzt sehen würde, weiß ich nicht ob ich das hier weiterhin machen könnte. Eines Tages vielleicht. Ich musste mich entscheiden.“ Er drehte sich zu mir. „Das wirst du auch müssen.“
Ich betrachtete Bonneys wehende Haare, wie sie in der Sonne glänzten. Ich mich entscheiden?
Ich danke vorab schon einmal allen für ihre pünktliche Abgabe der Texte sowie allen stillen Mitlesenden, Votierenden und Kommentatoren, die noch treu dabei sind! Heute dürft ihr euch die vier Texte der Autoren(paare) gönnen, die sich der Stimmung bzw. Atmosphäre "Sanft" widmen müssen. Ich war sehr gespannt darauf, wie die Autoren sich dieser Herausforderung stellen und möchte deshalb gar nicht lange um den heißen Brei herumreden.
Saga: Den Tollwütigen hinterher-Saga
Erster Erweiterungstext: Family-Time
Wieso nur… wieso nur hatte sie nicht auf Gideon gehört? Bleib hier und warte auf den richtigen Moment, hatte er gesagt. Begib dich nicht blindlings auf gegnerisches Territorium, hatte er ihr eingebläut. Und was hatte sie getan? Sie hatte -mal wieder- nicht auf ihn gehört. Wieder einmal unüberlegt gehandelt. Das getan, was sie wollte. Und was hatte sie jetzt davon…
…Erbarmungslos versenkte die Schatten-Bestie ihre Zähne in den Nacken des hilf- und schutzlos vor ihr liegenden Marinesoldaten. Zerfetzte mit einem bestialischen Knurren das Fleisch. Blut spritze pulsierend aus der Hauptschlagader, während Lorna wie in Trance einen herumliegenden Steinbrocken zu greifen bekam und auf den Schattenhund losging. Ausholte. Und den Brocken unbarmherzig auf den Schädel der Bestie niedersausen lies…
Alleine die Erinnerung an die grausamen Geschehnisse vor wenigen Tagen trieben ihr die Tränen in die Augen. Kapidelli…Holts…Rennsing…ihre komplette Einheit… allesamt tot. Gestorben wegen ihrer Unachtsamkeit. Ihrer Unerfahrenheit. Ihrer bescheuerten Unbedachtheit!
Ein Pochen an der Kabinentür lies Lorna aufhorchen und vertrieb für einen kurzen Moment die schrecklichen Gedanken aus ihrem Kopf. Sie wollte keinen Besuch, nicht jetzt. Wollte niemanden sehen. Alleine sein. Alleine mit ihren Gedanken, ihren Erinnerungen, mit ihrer Trauer. Und mit ihrer Schuld.
Sie blieb stumm.
Beharrlich ertönte erneut das Klopfen an der Tür.
„Lorna…“, konnte sie Gideon hinter der Holztür aufseufzen hören, „Ich weiß, dass du da drinnen bist… Darf ich reinkommen?“
Nein! Das war das letzte, was sie im Moment wollte! Nicht Gideon. Jeder, aber nicht Gideon! Sie konnte ihm jetzt nicht in die Augen blicken. Die stillen Vorwürfe, die Schuldzuweisung. Und vor allem die Enttäuschung… das ertrug sie nicht!
„Nein“, ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, aber sie war sich sicher, dass Gideon jedes einzelne ihrer Worte klar und deutlich verstand, „Ich möchte niemanden sehen...“
Einen kurzen Moment lang blieb es beunruhigend still hinter der Tür, ehe erneut Gideons tiefe Bassstimme ertönte.
„Das war keine Frage, Lorna…“
Lorna spürte, wie ihr Augen erneut zu brennen begannen. Eilig versuchte sie mit den Handballen die Spuren der Tränen aus ihrem Gesicht zu wischen.
„Mach bitte die Türe auf, Lorna.“
Ein letztes Mal atmete Lorna tief durch, warf einen kurzen, prüfenden Blick in den Spiegel -okay, sie hatte schon mal besser ausgesehen. Das zerzauste Haar, die verquollenen Augen… aber die schlimmsten Spuren ihres Zusammenbruchs hatte sie einigermaßen kaschiert- ehe sie mit zittrigen Händen das Schloss entsperrte. Bereits im nächsten Moment öffnete sich die Tür und Gideon betrat die kleine Kajüte. Angespannt wich Lorna seinem musternden Blick aus und schaute betreten zu Boden. Einen schier endlos lange erscheinenden Moment sagte keiner ein Wort. Stillschweigend standen sie sich gegenüber.
„Oh man, du siehst echt besch....eiden aus, Lorna“, durchbrach Gideon schließlich die Stille.
„Sehr taktvoll…“, erwiderte sie kurz, den Blick noch immer auf den Boden gerichtet, „Das wünscht sich doch jede junge Frau zu hören.“
„Lorna, du weißt, wie es gemeint ist“, erwiderte Gideon und legte sorgsam eine Hand auf ihre Schulter.
„Ach, ich weiß gar nichts mehr!“, sie löste sich aus der lieb gemeinten Berührung, marschierte zu ihrem Bett, lies sich niedergeschlagen auf die Bettkante nieder und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Gideon folgte ihr und nahm behutsam neben ihr Platz.
„Ich bin nicht gut in solchen Dingen, Lorna. War ich noch nie. Und das weißt du auch“, setzte er schließlich nach einer Pause leise an, „Ich weiß genau, wie du dich gerade fühlst…“
„Nein“, widersprach Lorna kopfschüttelnd, „Das kannst du nicht. Du hast nicht… dir ist noch nie…“
„Leider schon…“, es war kaum mehr als ein bedrücktes Flüstern, aber es lies Lorna mitten im Satz abbrechen und überrascht aufhorchen, „Wir alle machen Fehler, Lorna, auch ich habe meine gemacht… mache sie heute noch. Aber lass dir aus Erfahrung sagen: Es hilft niemanden, wenn du dich hier einschließt und dir Selbstvorwürfe machst. Weder dir, noch Kapidelli, Rennsing oder auch Holts. Es war ein Fehler, klar, eine blöde Entscheidung, auch klar, aber Herr Gott noch mal, wer hätte ahnen können, dass es so ausgeht?“
„Ich hätte es wissen müssen. Zumindest daran denken… aber nein, ich war viel zu sehr darauf aus, diesen gottverdammten Köter in die Hände zu bekommen. War zu sehr auf das Abenteuer aus…“
„Das Wichtigste ist, dass du daraus lernst, Lorna. Aus jeder Niederlage kann man für die Zukunft lernen. Und das hier, das war eine große Niederlage. Eine extrem große! Aber eine, aus der du gestärkt zurückkommen wirst!“, erneut umfasste seine Hand fürsorglich Lornas Schulter und drückte sie sanft und aufmunternd. Lorna spürte, wie ihre Augen bedrohlich brannten, wie sich die Tränen langsam aber sicher ihren Weg über ihre Wangen bahnten.
„Es ist alles meine Schuld…“
„Nein, Lorna! Ist es nicht“, entgegnete Gideon bestimmt und verstärkte den sanften Druck an ihrer Schulter, „Schau mich an…“
Energisch schüttelte sie ihren Kopf. Nein, sie wollte nicht. Wollte nicht den niedergeschlagenen Ausdruck in Gideons Gesicht sehen, die abgrundtiefe Enttäuschung…
„Lorna…“
Es half nichts, früher oder später musste sie es eh hinter sich bringen. Und wie sie Gideon kannte, würde er eh nicht so schnell aufgeben. Widerwillig hob sie langsam ihr Kinn und blickte auf, in Erwartung des strengen, tadelnden Blickes ihres Vorgesetzten. Doch mit dem, was sie sah, hatte sie nicht gerechnet. Dicke, kugelige Tränen rannen in Strömen über Gideons Gesicht, dunkle Augenringe zeugten von schlaflosen Nächten in letzter Zeit und sein Blick zeigte keine Spur von Tadel, von Missachtung oder Enttäuschung. Nein, was sie stattdessen sah, war nichts anderes als tiefstes Mitgefühl, Sanftheit und ehrliche, ernstgemeinte Fürsorge. Sie spürte, wie auch ihre Tränen sich nun nicht mehr zurückhalten ließen. Mit einem lauten Schluchzer gab sie schließlich nach und vergrub weinend ihr Gesicht an Gideons Brust, lies ihrem Schmerz freien Lauf.
Liebevoll legte Gideon seine Arme um Lorna und zog sie in einer tiefen, ehrlichen, väterlichen Umarmung fest an sich heran.
„Wir schaffen das schon, meine Kleine…“, sagte er sanft, während Lorna nun hemmungslos ihrer Trauer freien Lauf ließ, „Gemeinsam bekommen wir das wieder hin…“
Saga: An Bord der Orphan's Turf-Saga
Erster Erweiterungstext: An Bord der Orphan's Turf: Abgrund
Seine Tränen schimmerten im Schein der abendlichen Sonne. Er schloss die Augen und nahm einen langen, tiefen Atemzug. Keine Fesseln, die ihn banden, und keine Ketten, die sich um ihn schnürten. Doch ein Gefühl des Unbehagens keimte auf. Die Reise war noch nicht vorbei.
Einen letzten Moment wollte er an dieser Klippe auskosten, die frische Meeresluft tief einatmen und die letzten, wärmenden Sonnenstrahlen des Tages auf seiner Haut spüren. Plötzlich schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf und Raks raste zu den anderen zurück, wie er nur konnte.
Nach dem Untergang der Orphan’s Turf retteten sich die überlebenden Kinder auf das Marineschiff, mit welchem sie fortan auf der Suche nach einer neuen Heimat weitersegelten. Zwei Monaten sind seitdem vergangen und der kleine Trupp besuchte eine Insel nach der Nächsten. Doch sie wurden niemals fündig nach einem Ort fernab der Piraterie und Marine und fernab sämtlicher schlechter Erinnerungen.
„Im Calm Belt … nicht weit von hier …“, schnaufte Raks vornübergebeugt und ohne Atem, nachdem er den Weg zum Schiff zurückgerannt war, „gibt es eine Insel. Eine Fischerinsel.“
Bei diesen Worten spitzten die restlichen Kinder die Ohren und versammelten sich wie ein neugieriger Fischschwarm um den schnaufenden Jungen.
„Damals hatten Mako und ich die Marinetypen in der Küche oft was von einer Insel am Rande des Calm Belt reden hören, welche berühmt für gewesen war für ihre prächtigen Fische. Aus diesem Grund hatte die Basis auch oftmals den Fisch von eben dort bezogen. Na, wie klingt das? Sollten wir es uns nicht mal anschauen?“
Raks blickte in viele neugierige, freudige Gesichter seiner Kameraden. Dann ließ er seinen Blick zu Stripes wandern, der sich im Gegensatz zu den anderen abwandte. Reony legte ihre Hand auf Raks‘ Schulter und flüsterte kaum merklich, sodass es nur Raks mitbekam: „Stripes kriegt sich wieder ein, keine Sorge. Der Abstecher hierhin machte sich auf jeden Fall schon mal bezahlt.“
Zwei weitere Tage verstrichen, ehe sich die ersten Umrisse einer Insel am weiten Horizont abzeichneten. Die ehemaligen Mitglieder der Orphan’s Turf rannten in freudiger Erwartung umgehend aufs Deck und starrten gebannt dem Horizont entgegen. Sobald das Schiff nah genug an der Insel war, sprangen die Ersten bereits übermutig ins Wasser und schwammen den restlichen Weg.
Raks glitt mit seinen Fingern durch den perlweißen Sand und wohlige Wärme breitete sich aus. Das Meer glitzerte in dem gleißenden Sonnenschein und blendete Raks, sodass er die Augen zusammenkneifen musste, während er seinen Freunden beim Schwimmen, Spielen und Jagen von Fischen zusah. So fühlte sich Freiheit an.
Die Abenteurer blieben bis spät nachts wach, und beobachtete die funkelnden Sterne am Himmelszelt, während sie es sich in dem warmweichen Sand bequem machten und die gefangenen Fische über einem großen Lagerfeuer grillten.
Raks starrte lange Zeit in das Feuer und verlor sich allmählich in seinen Erinnerungen und Gedanken. Er dachte an die Zeit zurück, in welcher er zusammen mit Mako die Beine unbeschwert über der Klippe baumeln ließ, nachdem sie zum wiederholten Male Forellenadmiral Ranzig verärgert hatten. Und an die Zeit auf der Orphan’s Turf, als die beiden Kinder kein Auge zudrücken konnten und stattdessen mehrere Nächte gemeinsam auf dem Deck verbrachten und den nächtlichen Horizont absuchten. Und an die Zeit, als Mako ein letztes Mal den Blick von Raks suchte.
Doch plötzlich spürte er eine weiche Tatze auf seiner Schulter, die ihn aus den Gedanken riss. Raks blickte in das lächelnde Gesicht eines Tigers, der zwei gegrillte Fische in der Hand hielt und ihm einen davon anbot. Raks antwortete mit einem Lächeln, nahm den Fisch an.
Sie hatten ihr Ziel erreicht.
Saga: König der Unterwelt-Saga
Erster Erweiterungstext: Erste Funken
Sabaody Archipel, Grandline, 1515
Stillschweigend stand er da. Den Blick auf den urgewaltigen Baumstamm gerichtet, der vor ihm in den Himmel ragte. In Gedanken versunken. In Erinnerungen an eine idyllische, fast schon märchenhafte, Zeit schwelgend.
Kaum zu glauben, dass es schon sieben Jahre her ist. Sieben Jahre, drei Monate und zwölf Tage. So viel Zeit ist vergangen, seitdem ich sie hier kennengelernt habe. Ich werde den Tag nie vergessen, an dem wir uns begegnet sind. Den Tag, an dem sich mein Leben für immer verändert hat. Ich habe stets in dem Glauben gelebt, dass ich niemals sesshaft werden würde. Ich log und betrog. Ich mogelte mich durchs Leben. Bis sich unsere Wege kreuzten. Noch Monate später konnte ich nicht verstehen, wieso ich damals das Bedürfnis hatte ihrem Schrei nach Hilfe zu folgen. Das war gar nicht meine Art und doch konnte ich nicht anders. Fast so, als hätte mich eine übernatürliche Macht gepackt und zu ihr gezogen. Fast so, als sei unsere Begegnung vorherbestimmt gewesen.
Schlussendlich fand ich mit ihr etwas, von dem ich nicht geglaubt hatte, dass ich es jemals erlangen würde. Die Liebe. Immer wieder stellte ich mir selbst die Frage, womit ich eine Frau wie Mary eigentlich verdient hatte. Und selbst jetzt beschäftigt es mich noch. Sieben Jahre später.
Der schlaksige Mann im feinen, weißen Zwirn machte ein paar Schritte auf den Grove zu. Der süße Geruch von Lavendel kroch ihm in die Nasenhöhlen. Er schloss die Augen, genoss jeden einzelnen Zug dieses wundervollen Aromas, das ihn umströmte.
Ich weiß, dass es unmöglich ist. Ich weiß, dass sie nicht zurückkehren wird. Und doch, jedes Mal wenn ich diesen Ort betrete, kommt es mir so vor, als stünde sie direkt vor mir. So wie damals. So wie an jenem Tag, an dem ich vor ihr auf die Knie fiel. Mary’s Gesichtsausdruck werde ich nie vergessen. Eine Mischung aus Glückseligkeit und Ungläubigkeit. Ihre Hände verdeckten augenblicklich ihren Mund, um ihr aufkeimendes Schluchzen zu unterdrücken. Tränen sammelten sich in ihren himmelblauen Augen. Doch keine Tränen der Trauer, sondern Tränen der Freude. Ich wusste immer, dass sie genauso für mich empfand, wie ich für sie. Und doch, diese Reaktion von ihr, noch bevor ich ihr die größte aller Fragen überhaupt stellen konnte, führte mir einmal mehr vor Augen, wie tief unsere Gefühle füreinander waren. Wie stark das Band war, das uns miteinander verband.
Nach einem letzten, tiefen Atemzug schritt Jim weiter auf den Baumstamm zu, achtsam darauf bedacht den wildwachsenden Lavendel nicht zu zertreten. Sanft legte er seine Handfläche auf das warme Holz auf. Und er lächelte. Er lächelte, als er die Markierungen unter seiner Haut spürte. Die Eingravierungen ihrer Namen waren noch da, sie hatten die vielen Jahre überdauert.
Ich erhob mich. Ungestüm fiel sie mir um den Hals, umarmte mich. Keine überraschende Geste, doch die Intensität, die damit einherging, übertraf alles, was ich bis dahin von ihr gewohnt war. So überwältigt war sie von dem Gedanken daran, dass wir uns bald das Jawort geben würden. Unbewusst ließ ich die Schatulle fallen, die ich schon seit einigen Wochen mit mir herumgetragen hatte, als sie sich letztlich von mir löste und mir einen leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen drückte. Wir lächelten einander zu. Ich zückte mein Messer. Die einzige Konstante, die ich in meinem Leben hatte, bevor ich auf Mary getroffen war. Hand in Hand näherten wir uns dem Grove, an dem wir uns einst kennengelernt hatten. Behutsam ritzte ich zunächst meinen und dann ihren Namen in das Holz ein. Ich musste diese Geste nicht erklären, Mary erkannte sie sogleich und küsste zärtlich meine rechte Wange.
Sanft touchierte Jim eben jene Stelle seines Gesichts, während er wie gebannt auf die unvollständige Inschrift starrte.
Wie oft wir hier am Stamm gelehnt saßen, den süßen Duft von Lavendel in der Nase. An einem dieser Tage ergriff Mary meine Hand und legte sie auf ihren Bauch. Zuerst begriff ich nicht, doch als ich ihre freudestrahlende Miene erblickte verstand ich. Ein dritter Name, um unser Glück vollkommen zu machen. Worte brauchten wir nicht, wir lagen uns einfach in den Armen, während ich über ihren Bauch strich und das neue Leben zu erspüren versuchte.
Ein flüchtiges, unscheinbares Lächeln wich ihm über seine Lippen, als er dem Grove schließlich den Rücken zuwandte und davon schritt. Ohne zurückzusehen.
Jim und Mary
Für immer Dein, für immer Mein
Saga: Unerwartete Kuma-Saga
Erster Erweiterungstext: Unerwartet liebevoller Tyrann
Die weißen Wolken türmten sich wie Berge aus Schnee um mich. Der vorbeiziehende, blaue Himmel erneuerte immer wieder seinen Glanz. Ich war nie ein König gewesen. Eine Handvoll hatte ich noch aus den Trümmern retten können, hatte ihren Schmerz gelindert, aber es war ein Schatten von dem, was ich hätte erreichen können, wenn ich wachsamer gewesen wäre. Wie sollte ich ihr unter die Augen treten? Ich musste Wiedergutmachung leisten, was auch immer das bedeuten mochte.
Ich erhob mich von dem Tatzenabdruck im Boden und schritt schwerfällig in Richtung des Lagers der Revolutionäre. Meine Mitstreiter begrüßten mich wie einen Bruder. Sie wussten bereits Bescheid, doch ich ignorierte die Respektbekundungen und suchte zwischen all den Menschen nur nach ihr. Doch sie entdeckte mich zuerst, ein gellender Schrei übertönte das Stimmengewaber und wieder einmal schoss sie wie eine rosafarbene Kanonenkugel auf mich zu. Ich wollte nichts mehr als sie in den Arm nehmen. Zu spüren, dass es ihr gut ging. Sie nie wieder loslassen. Doch mein Traum wurde jäh zerrissen, als sie mich erreichte.
„Du mieser Riesenklops!“ Bonneys kleine Fäuste hämmerten wie wild auf mich ein. „Ich hasse dich!“
Meine Augen füllten sich mit Tränen. Mein Klumpen in mir, der in den letzten Tagen etwas Ruhe gegeben hatte, brodelte wieder wie ein Vulkan auf. Ich blieb stumm, ließ mich nur auf die Knie fallen, unternahm einen zaghaften Versuch sie zu berühren, doch sie ließ ihrer Wut, tränenüberströmt, weiter freien Lauf. Ich hatte es verdient. Irgendwann schwächelte sie und ich sah einen kurzen Lichtblick.
Ich umfasste behutsam ihr Gesicht und blickte in ihre verquollenen Augen. „Bon, es tut mir leid.“
„Warum hast du mich einfach so alleine gelassen?“, schluchzte sie und berührte meine Hände.
„Ich...ich wollte dich beschützen. Ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht.“ Auch ich konnte nicht mehr an mich halten und spürte Tränen auf meinem Gesicht, während ich ihre fürsorglich aus ihrem Gesicht wischte.
Bonney starrte mich nur ungläubig an, sie hatte mich noch nie so gesehen. Der übrig gebliebene Zorn in ihren Augen verblasste und sie umarmte mich. Da war er, der Traum. Ich umschloss sie, wie ein schützender Umhang. Gleichzeitig verdampfte der brodelnde Klumpen für diesen Moment. Alles andere war unwichtig. Nur sie und ich.
Eine gefühlte, wunderschöne Ewigkeit dauerte es an. Dann löste sie sich von mir, lächelte mich kurz an. Mehr brauchte ich nicht, um auch den Rest hinweg zu spülen.
„Komm, ich will dir jemanden vorstellen.“ Sie nahm mich bei der Hand und führte mich weiter ins Lager hinein. Ein blonder Junge saß gedankenversunken auf dem Boden. Seine ernsten Augen hoben sich als wir näher kamen. „Sabo! Das ist Bartholomäus, von dem ich dir erzählt hab.“
Die Augen des Jungen weiteten sich kurz vor Überraschung bei meinem Anblick. Doch es war keine Angst zu sehen, die meine riesige Gestalt normalerweise auslöste.
„Hallo, Sabo“, begrüßte ich ihn freundlich und streckte ihm meine offene Handfläche hin.
„Hi.“ Er starrte wieder auf den Boden, ignorierte meine Hand.
Bonney nahm mich kurz zur Seite und flüsterte hinter vorgehaltener Hand. „Er weiß nicht wer er ist und ist die ganze Zeit traurig. Magst du mir helfen ihn aufzumuntern?“
Ich nickte und beobachtete Sabo interessiert.
„Komm Sabo, wir spielen Tatzenschleuder!“, rief Bonney ihm zu.
Ich wusste genau was ich zu tun hatte, legte mich auf den Rücken und streckte die Arme nach oben. Bonney kletterte auf meine Handfläche. Sabo sah im gebührenden Abstand zu. Ich erzeugte einen kurzen Schub und Bonney wurde in die Höhe getragen. Sie jubelte auf. Ich schleuderte sie mit dem nächsten Schub noch höher. Ihre freudigen Schreie wurden lauter.
„Sabo, komm endlich! Das ist super!“ schrie sie mit verzerrter Stimme.
Der Junge begann, immer noch skeptisch, meine Hand zu erklimmen. Ich wollte zunächst vorsichtig beginnen, überlegte es mir anders und schleuderte ihn ebenfalls hoch in die Luft. Ein überraschter Schrei entfuhr ihm und nach einigen Malen lockerten sich auch seine Gesichtszüge und der Anflug eines Lachens war zu erkennen.
Ein jäher Windstoß trug die beiden Kinder wieder sanft zu Boden. „Hier bist du also. Und schon mit den Kindern am Werk.“ Dragon löste sich grinsend aus dem Hintergrund. „Bonney, darf ich ihn mir kurz ausleihen? Wir bleiben in der Nähe.“
Bonney zögerte kurz und nickte.
Dragons Mimik nahm wieder ernste Züge an. „Ich hab es bereits gehört. Es tut mir leid. Vor allem das mit Breek.“
„Ich konnte nicht mehr tun.“ Meine leeren Augen starrten auf Bonney.
Dragon packte mich kameradschaftlich am Arm „Ich weiß. Ich kenne diesen inneren Kampf.“
„Wirklich?“
„Ja. Weißt du, ich habe einen Sohn. Er heißt Ruffy und wohnt im Goa Königreich, so wie Sabo.“
Ich riss überrascht die Augen auf. „Das hast du mir nie erzählt.“
Dragon schlug die Beine übereinander. Sein sonst scharfer Blick wandte sich nachdenklich in Richtung der aufsteigenden Sonne. „Das hab ich niemanden erzählt. Aber ich sehe was du für Bonney empfindest und es erinnert mich daran.
„Wann hast du ihn das letzte Mal gesehen?“
Dragon seufzte tief. „Nur als Baby. Er dürfte jetzt ungefähr so alt sein wie Bonney. Als wir im Goa Königreich waren habe ich mit mir gerungen ihn zu Gesicht zu bekommen, aber es war zu schwer. Ich konnte nicht.“
Ich ahnte schon worauf es hinauslief und trotzdem schoss kurz Ärger durch meinen Kopf. „Warum hast du ihn dann überhaupt zurückgelassen?“
Dragon schwieg kurz. Er wandte seinen Blick zu mir, dann zu den spielenden Kindern. „Wegen ihnen. Ich kann weder Ruffy noch allen anderen Kindern eine solche Welt hinterlassen. Diese Welt ist grausam für Kinder. Es ist ein Kriegsschauplatz und Hunderte lassen täglich ihr Leben wegen den Verbrechen der Weltregierung. Du hast es selbst erlebt.“
Ich war nicht überzeugt. „Und trotzdem lässt du ihn im Stich?“
„Bartholomäus, ich bin ein schrecklicher Vater. Aber wenn ich ihn jetzt sehen würde, weiß ich nicht ob ich das hier weiterhin machen könnte. Eines Tages vielleicht. Ich musste mich entscheiden.“ Er drehte sich zu mir. „Das wirst du auch müssen.“
Ich betrachtete Bonneys wehende Haare, wie sie in der Sonne glänzten. Ich mich entscheiden?