Die ersten beiden Halbfinalisten durften bereits mit ihren Muskeln spielen, nun dürfen es ihnen die anderen beiden gleichtun. In diesem Duell unter wahren Männern Frauen Okamas zeigt sich, wer den Manga und seine Charaktere wirklich besser kennt. Wem ist es gelungen, Ivankov und Inazuma authentischer darzustellen? Wichtig dabei ist, dass keiner der beiden zu sehr vernachlässigt werden durfte. Wer hat diese Aufgabe mit dem besseren schriftlichen Handwerk bewältigen können? Lasst es uns gemeinsam herausfinden!
Wie im anderen Halbinfale bereits gesehen, wird es auch hier wieder zwei Umfragen geben. Bei der ersten berücksichtigt ihr bitte, wie authentisch die Charaktere dargestellt wurden. Ja, Authentizität ist immer auch etwas subjektiv, aber als Gemeinschaft werdet ihr dort schon den verdienten Sieger ermitteln können. In der zweiten Umfrage geht es um das schreiberische Handwerk. Das bedeutet nicht, dass ein einfacher Stil zwangsweise schlechter ist, als ein komplexer. Wichtig ist, dass der gewählte Schreibstil gut umgesetzt wurde und vor allem, dass der Text grammatikalisch korrekt ist. Immerhin wollen die Halbfinalisten ins Finale und dort haben Kommafehler nichts zu suchen! Wie immer habt ihr für die Abstimmung 3 Tage Zeit. Also bis zum Donnerstag den 23.07 um 18:30 Uhr.
Lang genug um den heißen Brei herumgeschrieben. Hier sind die beiden Texte:
Be whoever you want to be
Wieso nur hatte er es getan? Schon wieder! Er hätte besser aufpassen müssen. Sich vergewissern müssen, dass sein Vater unten beim Ausschank und nicht oben in den Wohnräumen war. Hätte die Türe absperren sollen, als er die Schminke und die Kleider seiner Schwester anlegte…
Panisch stolperte Inazuma die Treppe hinab in den Ausschankbereich der Bar, welche sich nun schon seit Generationen in Familienbesitz befand. Es waren nicht mehr viele Gäste da, zu fortgeschritten war bereits der Abend. Doch die wenigen, die noch da waren, blickten überrascht auf, als sie den Tumult an der Treppe bemerkten.
Schwankend kam sein Vater die Treppe heruntergepoltert und baute sich vor ihm auf. Ina spürte den zornigen Blick seines Vaters auf sich ruhen. Sah, wie er ihn anbrüllte, wie sich sein Arm erhob.
Schutzsuchend hob Ina seine Hände vors Gesicht und schloss panisch die Augen, wartete auf den bekannten, stechenden Schmerz in seinen Gliedern.
Doch er kam nicht…
„He, lass mich los!“, hörte er stattdessen seinen Vater entrüstet brüllen.
„Sie werden die junge Dame augenblicklich in Ruhe lassen!“, antwortete ihm eine fremde Stimme aufgebracht, „Haben sie mich verstanden?“
Zur Antwort erhielt er ein wütendes Grunzen seines Vaters.
„Dame… pfff… dass ich nicht lache!“, entgegnete er höhnisch, „Das ist mein Sohn! Verdammt noch mal!“
„Sollten Sie nicht eher sagen: ihre Tochter?“, entgegnete der Fremde mit leiser, jedoch bestimmter und fester Stimme, „Ist das denn so schlimm?“
„Ist das denn so schlimm?“, äffte sein Vater ihn verächtlich nach, „Zum einen geht dich das einen Scheißdreck an und zum anderen: Ich muss mich vor niemandem rechtfertigen! Geh gefälligst zurück zu deinen Tunten-Freunden und kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten!“
Ein eisiger Schauer lief Ina über den Rücken. Ängstlich öffnete er seine Augen. Vor ihm, nur einen Schritt entfernt, hatte sich ein fremder Mann beschützend vor ihm aufgebaut. Ein Mann mit langen, violetten Haaren, verhältnismäßig überproportioniertem Kopf und langen… Strapsen?!
„He, du da!“
Verwundert blickte Ina auf. Meinte der Fremde ihn?
„Was sagst du dazu?“
„Ich?“, setzte er an, wurde jedoch sogleich von seinem Vater unterbrochen.
„Seine Meinung ist hier scheißegal! Hier zählt, was ich möchte!“
„Eben nicht!“, entgegnete der Fremde aufgebracht. Ina sah, wie sein Vater unwillkürlich einen Satz zurück machte.
„Jeder Mensch sollte seine eigene Meinung haben dürfen! Sollte so leben dürfen, wie er es für richtig hält“, fuhr der Fremde unbeirrt fort, „Warum sollte ein Mann nicht eine Frau sein dürfen? Warum nicht eine Frau ein Mann?“
„Du spinnst doch…“, entgegnete sein Vater und schüttelte angewidert den Kopf, „Jetzt setz dem Kleinen nicht auch noch solche Flausen in den Kopf!“
Der Fremde wandte sich wieder Ina zu.
„Sag schon, was willst DU?“
Ja, was wollte er? Wenn das so einfach wäre. Ein Teil in ihm schrie laut: Seinem Vater gefallen! Der gute Sohn sein, der das Familienunternehmen weiterführte. Doch da war noch mehr. Ein kleiner Teil, den er bisher stets versucht hatte zu verdrängen. Zu ignorieren. Zu leugnen.
„Ich möchte…“, setzte Ina an, unsicher ob er es tatsächlich wagen konnte auszusprechen. Zu groß war noch immer die Angst vor seinem Vater. Die Furcht vor den Schmerzen. Der Tracht Prügel. Doch auch die Angst, seine Eltern zu enttäuschen. Die Schande der Familie zu sein…
„Trau dich ruhig…“, hörte er die nun sanfte, einfühlsame Stimme des Fremden, „Es ist an der Zeit, dass du endlich allen sagst, was du schon immer sagen wolltest!“
„Ich weiß nicht…“
„Niemand wird dich verachten…“
Sein Blick wanderte unsicher zu seinem Vater, dessen Kopf vor Zorn bereits hochrot angelaufen war.
„Echt?“
„Willst du, dass es immer so weitergeht?“
„…“
„Dass du immer dein wahres Ich verstecken musst?“
„…“
„Dass niemand dich wirklich kennt, weil du allen immer etwas vorspielen musst?“
„…“
„Ist es das, was du willst?“
Ina spürte, wie es in seinem Kopf wild zu rattern begann. Wollte er das? Es war eine simple Frage. Und doch so schwer zu beantworten. Doch… wenn er es sich ehrlich eingestand, konnte es nur eine Antwort geben…
„…Nein…“
Seine Stimme war kaum lauter als ein Flüstern, doch mit einem Mal war es im Raum mucksmäuschenstill. Ein wissendes Schmunzeln wanderte über die Lippen des Fremden.
„Was?!“, hörte er seinen Vater verdattert stottern.
„Nein, ich möchte nicht länger allen etwas vortäuschen…“
„Red keinen Unsinn, Junge!“
„Nein, Vater! Es stimmt!“, entgegnete Ina nun lauter, „Ich habe es lange Zeit versucht zu verdrängen, aber ich möchte nicht mehr… ich kann nicht mehr!“
„Wehe, Junge! Sei jetzt ruhig und ich vergesse, was hier eben passiert ist!“, er packte Ina am Handgelenk und zog ihn in Richtung Treppe, „Wir gehen nach oben und…“
„Nein, Vater!!“, rief Ina bestimmt und riss sich von seinem Vater los, „Ich hab es lange Zeit versucht zu verheimlichen, aber es muss jetzt einfach raus: Ich möchte kein Junge sein! Tief im Innern wusste ich es schon lange. Dass ich anders bin. Dass ich viel lieber eine Frau wäre…“
„Nein…“, ungläubig schüttelte ihr Vater seinen Kopf.
„…und das ist noch nicht alles: Ich möchte auch nicht den Familienbetrieb übernehmen. Wollte ich noch nie! Ich interessiere mich für ganz andere Dinge. Meine Leidenschaft waren schon immer Stoffe! Die verschiedenen Arten, Farben, Nahttechniken, Schnitte… ich werde eine Lehre als Schneider machen!“
„Wie kannst du es wagen!“, Ina sah, wie die Hände ihres Vaters unkontrolliert zu beben begannen. Sah, wie er bedrohlich die Faust hob und auf sie zugerannt kam.
Wieder einmal machte sie sich bereit für den Schmerz. Doch diesmal würde sie sich nicht verstecken. Würde sich ihrem Vater entgegenstellen, erhobenen Hauptes!
Doch dazu kam es nicht. In Sekundenbruchteilen stellte der Fremde seinen Körper zwischen ihr und ihrem Vater.
„Death Wink!“
Ein Knall und ihr Vater wurde von einer unsichtbaren Kraft rücklings durchs Zimmer geworfen. Krachend flog er gegen das Spirituosenregal und sackte bewusstlos zu Boden.
Der Fremde mit den violetten Haaren wandte sich nun wieder Ina zu, noch immer ein zufriedenes Schmunzeln auf seinen Lippen.
„Ich wusste doch, dass ich mich nicht getäuscht habe“, sagte er schließlich und reichte ihr seine in einen schwarzen Handschuh gehüllte Hand.
„Wenn ich mich vorstellen darf: Ivankov.“
Die Show muss weitergehen
„STIRB NICHT, STROHHÜTCHEN!“
„WIR VERDANKEN DIR UNSERE LEBEN!“
„WERDE SCHNELL WIEDER GESUND!“
„STROH-!“
Ivankov schloss die Tür hinter sich. Die weiteren Anfeuerungsrufe und Genesungswünsche der ehemaligen Impel Down-Gefangenen waren in der Kajüte nur noch dumpf zu hören. Es war dunkel. Nur eine schwach flackernde Lampe spendete etwas Licht. Der Transenkönig bewegte sich langsam auf das Bett in der Ecke zu und setzte sich auf die Bettkante. Er stützte sich mit seinen Ellbogen auf den Knien ab und atmete tief durch. Er massierte langsam seine Schläfen. Er spürte, wie ihn die Müdigkeit einholte. Plötzlich quollen dicke Tränen aus seinen Augen. Er konnte sie nicht mehr zurückhalten. All die Gefühle, die er in den letzten Stunden unterdrückt hatte, suchten sich einen Weg nach draußen. Er legte seinen Kopf in seinen Nacken, stieß einen verzweifelten Schrei aus und ließ seinen Emotionen freien Lauf.
„Die Wirkung der Hormone lassen nach. Dein Körper bezahlt jetzt dafür, nicht?“, eine ruhige, tiefe Stimme erklang aus einem dunklen Eck der Kajüte. Erst jetzt bemerkte Ivankov, dass er nicht allein in dem Raum war.
„Hier hast du dich also versteckt, Inazuma“, er wandte sein Gesicht schnell ab, „Aber du irrst dich. Mir geht es BLENDEND – YEEEHAAAW!“ Der Transenkönig sprang vom Bett auf und warf sich in Pose.
„Du musst mir nichts vormachen, Ivan-san. Ich kenne dich. Setz dich, ruhe dich aus“, Inazuma trat aus dem Schatten heraus auf Ivankov zu. Er nahm einen kleinen Schluck aus seinem Weinglas, „Willst du darüber sprechen, oder soll ich dich allein lassen?“
„Worüber sollte ich sprechen wollen? Ich habe doch gesagt, mir geht es blendend!“ Der Transenkönig drehte mehrere Pirouetten, wackelte mit der Hüfte und machte einen Satz nach vorne. Bei der Landung zitterten seine Beine.
„Ivan-san!“
„Wir haben es geschafft!“ Ivankov wechselte in eine Grätsche.
„Du kannst mich nicht täuschen!“
„ZEIT FÜR EINE PARTY!“ Mit einem Sprung war er wieder auf den Beinen und setzte zu einer weiteren Drehung an. „YEEE-“
„IVAN-SAN!!“
Ivankov blieb wie versteinert stehen und blickte zu Boden. Plötzlich kullerten wieder Tränen über sein Gesicht. Seine Beine begannen erneut zu zittern. Er setzte sich wieder auf das Bett, vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Inazuma nahm auf einem Sessel Platz, nippte erneut an seinem Wein. Stille erfüllte den Raum, nur Ivankovs leises schluchzen war zu hören. Inazuma fixierte seinen Vorgesetzten mit starrem Blick.
„Es ist… einfach so viel passiert,“ Ivankovs Stimme zitterte, „Der arme Strohhütchen. Ich will mir gar nicht vorstellen, was in ihm vorgehen wird, sobald er aufwacht… FALLS… er aufwacht.“ Unweigerlich erschien vor seinem inneren Auge das Bild von Ruffy, wie dieser vor ihm auf dem Boden lag und ihn anflehte, ihm eine seiner Hormoninjektionen zu geben. Dann sah er den Strohhut, der vor seinem toten Bruder kniete und sein Bewusstsein verlor. Und schlussendlich sah er Jimbei vor sich, wie er den schwerverletzten Ruffy vom Schlachtfeld zu retten versuchte. Er schluchzte erneut auf.
„Der Junge ist hart im Nehmen. Er wird es überleben. Immerhin ist er Dragons Sohn“, beschwichtigte Inazuma seinen Vorgesetzten, „Du hast alles getan, was in deiner Macht stand. Du bist der Grund, dass er es überhaupt lebend aus dem Gefängnis geschafft hat… Und ich auch.“ Jetzt musste auch Inazuma schlucken. „Ich hatte noch gar nicht die Möglichkeit, mich zu bedanken.“ Wieder setzte betretenes Schweigen ein. Der Lärm vor der Kajüte wurde lauter.
Nun suchte Ivankov den Blick seiner rechten Hand. Inazuma sah erschöpft aus. Natürlich. Er konnte sich ja auch noch nicht wirklich auskurieren. Ivankov musterte sein Gesicht, erkannte die blitzförmige Narbe auf dessen Stirn und ein weiteres Bild tauchte vor ihm auf. Er sah das Gesicht von Bartholomäus Bär, seinem langjährigen Kameraden und Vertrauten. Er sah die leeren Augen, die ihn nicht mehr zu erkennen schienen, das grimmige Gesicht, das sich nicht regte, als sie sich gegenüberstanden und schließlich den Lichtblitz, der aus seinem Mund auf ihn zugeschossen kam.
„Du denkst gerade an Bär, oder?“
„Ich verstehe es immer noch nicht. Was ist mit ihm geschehen? Es war so, als würde er kein einziges Wort von mir hören, als würde er mich gar nicht kennen!“ Nun sah Ivankov seinen Kameraden vor sich, wie er mit seiner ruhigen Art stets den Gegenpol zu seiner eigenen aufbrausenden Persönlichkeit bildete, wie sie gemeinsam für die Zwecke der Revolution kämpften, wie er sanft mit klein Bonney und Sabochen spielte. Ein dicker Kloß bildete sich in seinem Hals, erneut füllten sich seine Augen mit Tränen.
„Und was hatte es zu bedeuten, was Don Quichotte de Flamingo sagte? Dass Bär tot sei?“, Inazumas Blick war grimmig. Ivankov sah ihm seine Ratlosigkeit an.
Die beiden Revolutionäre saßen eine Weile wortlos da. Ivankov kämpfte weiterhin mit seinen Tränen. Dann fasste sich der Transenkönig: „Das alles macht keinen Sinn… Ich muss mit Dragonchen sprechen und ihm von alldem berichten.“
„Zuerst müssen wir heil nach Hause kommen. Du solltest dich noch etwas ausruhen, Ivan-san“, Inazuma stand auf, wollte seinen Vorgesetzten allein lassen. Immer lauter drängten die Jubelrufe der Überlebenden durch die Kajütentür. Die feierwütige Meute verlangte nach ihrem König. Ivankov schluckte, atmete durch. Er wischte sich die letzten Tränen aus den Augen, dann wurde sein Blick entschlossen.
„Nein. Ich muss hinaus zu ihnen. Sie brauchen mich.“
„Aber-“
„Kein ‚Aber‘. Du weißt doch: Auch wenn mein Herz zerbricht und mein Make-up abblättert…“
„…dein Lächeln bleibt bestehen. Ich weiß…“
„Die Show muss weitergehen.“
Ivankovs Finger formten sich zu Spitzen, die er sich sogleich in seine Seiten stieß. Kraft durchströmte seinen Körper. Er bäumte sich vom Bett auf, ging auf die Kajütentür zu. Er atmete noch einmal tief durch, setzte ein breites Grinsen auf und öffnete die Tür mit einem kräftigen Tritt.
„NA, MEINE SÜSSEN NEWKAMAAAAS?? LASST UNS IN UNSERE HEIMAT ZURÜCKKEHREN! YEEEEHAAAAW!“, in Ivankovs Stimme war kein Hauch von Zweifel mehr zu hören.
„IVA-SAMAAA~!!“, schallte es laut zurück.
Inazuma folgte dem Transenkönig an Deck, seinen Wein in der Hand schwenkend. Sein Blick war ernst. Doch auch er wusste:
Die Show muss weitergehen.
Wie im anderen Halbinfale bereits gesehen, wird es auch hier wieder zwei Umfragen geben. Bei der ersten berücksichtigt ihr bitte, wie authentisch die Charaktere dargestellt wurden. Ja, Authentizität ist immer auch etwas subjektiv, aber als Gemeinschaft werdet ihr dort schon den verdienten Sieger ermitteln können. In der zweiten Umfrage geht es um das schreiberische Handwerk. Das bedeutet nicht, dass ein einfacher Stil zwangsweise schlechter ist, als ein komplexer. Wichtig ist, dass der gewählte Schreibstil gut umgesetzt wurde und vor allem, dass der Text grammatikalisch korrekt ist. Immerhin wollen die Halbfinalisten ins Finale und dort haben Kommafehler nichts zu suchen! Wie immer habt ihr für die Abstimmung 3 Tage Zeit. Also bis zum Donnerstag den 23.07 um 18:30 Uhr.
Lang genug um den heißen Brei herumgeschrieben. Hier sind die beiden Texte:
Wieso nur hatte er es getan? Schon wieder! Er hätte besser aufpassen müssen. Sich vergewissern müssen, dass sein Vater unten beim Ausschank und nicht oben in den Wohnräumen war. Hätte die Türe absperren sollen, als er die Schminke und die Kleider seiner Schwester anlegte…
Panisch stolperte Inazuma die Treppe hinab in den Ausschankbereich der Bar, welche sich nun schon seit Generationen in Familienbesitz befand. Es waren nicht mehr viele Gäste da, zu fortgeschritten war bereits der Abend. Doch die wenigen, die noch da waren, blickten überrascht auf, als sie den Tumult an der Treppe bemerkten.
Schwankend kam sein Vater die Treppe heruntergepoltert und baute sich vor ihm auf. Ina spürte den zornigen Blick seines Vaters auf sich ruhen. Sah, wie er ihn anbrüllte, wie sich sein Arm erhob.
Schutzsuchend hob Ina seine Hände vors Gesicht und schloss panisch die Augen, wartete auf den bekannten, stechenden Schmerz in seinen Gliedern.
Doch er kam nicht…
„He, lass mich los!“, hörte er stattdessen seinen Vater entrüstet brüllen.
„Sie werden die junge Dame augenblicklich in Ruhe lassen!“, antwortete ihm eine fremde Stimme aufgebracht, „Haben sie mich verstanden?“
Zur Antwort erhielt er ein wütendes Grunzen seines Vaters.
„Dame… pfff… dass ich nicht lache!“, entgegnete er höhnisch, „Das ist mein Sohn! Verdammt noch mal!“
„Sollten Sie nicht eher sagen: ihre Tochter?“, entgegnete der Fremde mit leiser, jedoch bestimmter und fester Stimme, „Ist das denn so schlimm?“
„Ist das denn so schlimm?“, äffte sein Vater ihn verächtlich nach, „Zum einen geht dich das einen Scheißdreck an und zum anderen: Ich muss mich vor niemandem rechtfertigen! Geh gefälligst zurück zu deinen Tunten-Freunden und kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten!“
Ein eisiger Schauer lief Ina über den Rücken. Ängstlich öffnete er seine Augen. Vor ihm, nur einen Schritt entfernt, hatte sich ein fremder Mann beschützend vor ihm aufgebaut. Ein Mann mit langen, violetten Haaren, verhältnismäßig überproportioniertem Kopf und langen… Strapsen?!
„He, du da!“
Verwundert blickte Ina auf. Meinte der Fremde ihn?
„Was sagst du dazu?“
„Ich?“, setzte er an, wurde jedoch sogleich von seinem Vater unterbrochen.
„Seine Meinung ist hier scheißegal! Hier zählt, was ich möchte!“
„Eben nicht!“, entgegnete der Fremde aufgebracht. Ina sah, wie sein Vater unwillkürlich einen Satz zurück machte.
„Jeder Mensch sollte seine eigene Meinung haben dürfen! Sollte so leben dürfen, wie er es für richtig hält“, fuhr der Fremde unbeirrt fort, „Warum sollte ein Mann nicht eine Frau sein dürfen? Warum nicht eine Frau ein Mann?“
„Du spinnst doch…“, entgegnete sein Vater und schüttelte angewidert den Kopf, „Jetzt setz dem Kleinen nicht auch noch solche Flausen in den Kopf!“
Der Fremde wandte sich wieder Ina zu.
„Sag schon, was willst DU?“
Ja, was wollte er? Wenn das so einfach wäre. Ein Teil in ihm schrie laut: Seinem Vater gefallen! Der gute Sohn sein, der das Familienunternehmen weiterführte. Doch da war noch mehr. Ein kleiner Teil, den er bisher stets versucht hatte zu verdrängen. Zu ignorieren. Zu leugnen.
„Ich möchte…“, setzte Ina an, unsicher ob er es tatsächlich wagen konnte auszusprechen. Zu groß war noch immer die Angst vor seinem Vater. Die Furcht vor den Schmerzen. Der Tracht Prügel. Doch auch die Angst, seine Eltern zu enttäuschen. Die Schande der Familie zu sein…
„Trau dich ruhig…“, hörte er die nun sanfte, einfühlsame Stimme des Fremden, „Es ist an der Zeit, dass du endlich allen sagst, was du schon immer sagen wolltest!“
„Ich weiß nicht…“
„Niemand wird dich verachten…“
Sein Blick wanderte unsicher zu seinem Vater, dessen Kopf vor Zorn bereits hochrot angelaufen war.
„Echt?“
„Willst du, dass es immer so weitergeht?“
„…“
„Dass du immer dein wahres Ich verstecken musst?“
„…“
„Dass niemand dich wirklich kennt, weil du allen immer etwas vorspielen musst?“
„…“
„Ist es das, was du willst?“
Ina spürte, wie es in seinem Kopf wild zu rattern begann. Wollte er das? Es war eine simple Frage. Und doch so schwer zu beantworten. Doch… wenn er es sich ehrlich eingestand, konnte es nur eine Antwort geben…
„…Nein…“
Seine Stimme war kaum lauter als ein Flüstern, doch mit einem Mal war es im Raum mucksmäuschenstill. Ein wissendes Schmunzeln wanderte über die Lippen des Fremden.
„Was?!“, hörte er seinen Vater verdattert stottern.
„Nein, ich möchte nicht länger allen etwas vortäuschen…“
„Red keinen Unsinn, Junge!“
„Nein, Vater! Es stimmt!“, entgegnete Ina nun lauter, „Ich habe es lange Zeit versucht zu verdrängen, aber ich möchte nicht mehr… ich kann nicht mehr!“
„Wehe, Junge! Sei jetzt ruhig und ich vergesse, was hier eben passiert ist!“, er packte Ina am Handgelenk und zog ihn in Richtung Treppe, „Wir gehen nach oben und…“
„Nein, Vater!!“, rief Ina bestimmt und riss sich von seinem Vater los, „Ich hab es lange Zeit versucht zu verheimlichen, aber es muss jetzt einfach raus: Ich möchte kein Junge sein! Tief im Innern wusste ich es schon lange. Dass ich anders bin. Dass ich viel lieber eine Frau wäre…“
„Nein…“, ungläubig schüttelte ihr Vater seinen Kopf.
„…und das ist noch nicht alles: Ich möchte auch nicht den Familienbetrieb übernehmen. Wollte ich noch nie! Ich interessiere mich für ganz andere Dinge. Meine Leidenschaft waren schon immer Stoffe! Die verschiedenen Arten, Farben, Nahttechniken, Schnitte… ich werde eine Lehre als Schneider machen!“
„Wie kannst du es wagen!“, Ina sah, wie die Hände ihres Vaters unkontrolliert zu beben begannen. Sah, wie er bedrohlich die Faust hob und auf sie zugerannt kam.
Wieder einmal machte sie sich bereit für den Schmerz. Doch diesmal würde sie sich nicht verstecken. Würde sich ihrem Vater entgegenstellen, erhobenen Hauptes!
Doch dazu kam es nicht. In Sekundenbruchteilen stellte der Fremde seinen Körper zwischen ihr und ihrem Vater.
„Death Wink!“
Ein Knall und ihr Vater wurde von einer unsichtbaren Kraft rücklings durchs Zimmer geworfen. Krachend flog er gegen das Spirituosenregal und sackte bewusstlos zu Boden.
Der Fremde mit den violetten Haaren wandte sich nun wieder Ina zu, noch immer ein zufriedenes Schmunzeln auf seinen Lippen.
„Ich wusste doch, dass ich mich nicht getäuscht habe“, sagte er schließlich und reichte ihr seine in einen schwarzen Handschuh gehüllte Hand.
„Wenn ich mich vorstellen darf: Ivankov.“
„STIRB NICHT, STROHHÜTCHEN!“
„WIR VERDANKEN DIR UNSERE LEBEN!“
„WERDE SCHNELL WIEDER GESUND!“
„STROH-!“
Ivankov schloss die Tür hinter sich. Die weiteren Anfeuerungsrufe und Genesungswünsche der ehemaligen Impel Down-Gefangenen waren in der Kajüte nur noch dumpf zu hören. Es war dunkel. Nur eine schwach flackernde Lampe spendete etwas Licht. Der Transenkönig bewegte sich langsam auf das Bett in der Ecke zu und setzte sich auf die Bettkante. Er stützte sich mit seinen Ellbogen auf den Knien ab und atmete tief durch. Er massierte langsam seine Schläfen. Er spürte, wie ihn die Müdigkeit einholte. Plötzlich quollen dicke Tränen aus seinen Augen. Er konnte sie nicht mehr zurückhalten. All die Gefühle, die er in den letzten Stunden unterdrückt hatte, suchten sich einen Weg nach draußen. Er legte seinen Kopf in seinen Nacken, stieß einen verzweifelten Schrei aus und ließ seinen Emotionen freien Lauf.
„Die Wirkung der Hormone lassen nach. Dein Körper bezahlt jetzt dafür, nicht?“, eine ruhige, tiefe Stimme erklang aus einem dunklen Eck der Kajüte. Erst jetzt bemerkte Ivankov, dass er nicht allein in dem Raum war.
„Hier hast du dich also versteckt, Inazuma“, er wandte sein Gesicht schnell ab, „Aber du irrst dich. Mir geht es BLENDEND – YEEEHAAAW!“ Der Transenkönig sprang vom Bett auf und warf sich in Pose.
„Du musst mir nichts vormachen, Ivan-san. Ich kenne dich. Setz dich, ruhe dich aus“, Inazuma trat aus dem Schatten heraus auf Ivankov zu. Er nahm einen kleinen Schluck aus seinem Weinglas, „Willst du darüber sprechen, oder soll ich dich allein lassen?“
„Worüber sollte ich sprechen wollen? Ich habe doch gesagt, mir geht es blendend!“ Der Transenkönig drehte mehrere Pirouetten, wackelte mit der Hüfte und machte einen Satz nach vorne. Bei der Landung zitterten seine Beine.
„Ivan-san!“
„Wir haben es geschafft!“ Ivankov wechselte in eine Grätsche.
„Du kannst mich nicht täuschen!“
„ZEIT FÜR EINE PARTY!“ Mit einem Sprung war er wieder auf den Beinen und setzte zu einer weiteren Drehung an. „YEEE-“
„IVAN-SAN!!“
Ivankov blieb wie versteinert stehen und blickte zu Boden. Plötzlich kullerten wieder Tränen über sein Gesicht. Seine Beine begannen erneut zu zittern. Er setzte sich wieder auf das Bett, vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Inazuma nahm auf einem Sessel Platz, nippte erneut an seinem Wein. Stille erfüllte den Raum, nur Ivankovs leises schluchzen war zu hören. Inazuma fixierte seinen Vorgesetzten mit starrem Blick.
„Es ist… einfach so viel passiert,“ Ivankovs Stimme zitterte, „Der arme Strohhütchen. Ich will mir gar nicht vorstellen, was in ihm vorgehen wird, sobald er aufwacht… FALLS… er aufwacht.“ Unweigerlich erschien vor seinem inneren Auge das Bild von Ruffy, wie dieser vor ihm auf dem Boden lag und ihn anflehte, ihm eine seiner Hormoninjektionen zu geben. Dann sah er den Strohhut, der vor seinem toten Bruder kniete und sein Bewusstsein verlor. Und schlussendlich sah er Jimbei vor sich, wie er den schwerverletzten Ruffy vom Schlachtfeld zu retten versuchte. Er schluchzte erneut auf.
„Der Junge ist hart im Nehmen. Er wird es überleben. Immerhin ist er Dragons Sohn“, beschwichtigte Inazuma seinen Vorgesetzten, „Du hast alles getan, was in deiner Macht stand. Du bist der Grund, dass er es überhaupt lebend aus dem Gefängnis geschafft hat… Und ich auch.“ Jetzt musste auch Inazuma schlucken. „Ich hatte noch gar nicht die Möglichkeit, mich zu bedanken.“ Wieder setzte betretenes Schweigen ein. Der Lärm vor der Kajüte wurde lauter.
Nun suchte Ivankov den Blick seiner rechten Hand. Inazuma sah erschöpft aus. Natürlich. Er konnte sich ja auch noch nicht wirklich auskurieren. Ivankov musterte sein Gesicht, erkannte die blitzförmige Narbe auf dessen Stirn und ein weiteres Bild tauchte vor ihm auf. Er sah das Gesicht von Bartholomäus Bär, seinem langjährigen Kameraden und Vertrauten. Er sah die leeren Augen, die ihn nicht mehr zu erkennen schienen, das grimmige Gesicht, das sich nicht regte, als sie sich gegenüberstanden und schließlich den Lichtblitz, der aus seinem Mund auf ihn zugeschossen kam.
„Du denkst gerade an Bär, oder?“
„Ich verstehe es immer noch nicht. Was ist mit ihm geschehen? Es war so, als würde er kein einziges Wort von mir hören, als würde er mich gar nicht kennen!“ Nun sah Ivankov seinen Kameraden vor sich, wie er mit seiner ruhigen Art stets den Gegenpol zu seiner eigenen aufbrausenden Persönlichkeit bildete, wie sie gemeinsam für die Zwecke der Revolution kämpften, wie er sanft mit klein Bonney und Sabochen spielte. Ein dicker Kloß bildete sich in seinem Hals, erneut füllten sich seine Augen mit Tränen.
„Und was hatte es zu bedeuten, was Don Quichotte de Flamingo sagte? Dass Bär tot sei?“, Inazumas Blick war grimmig. Ivankov sah ihm seine Ratlosigkeit an.
Die beiden Revolutionäre saßen eine Weile wortlos da. Ivankov kämpfte weiterhin mit seinen Tränen. Dann fasste sich der Transenkönig: „Das alles macht keinen Sinn… Ich muss mit Dragonchen sprechen und ihm von alldem berichten.“
„Zuerst müssen wir heil nach Hause kommen. Du solltest dich noch etwas ausruhen, Ivan-san“, Inazuma stand auf, wollte seinen Vorgesetzten allein lassen. Immer lauter drängten die Jubelrufe der Überlebenden durch die Kajütentür. Die feierwütige Meute verlangte nach ihrem König. Ivankov schluckte, atmete durch. Er wischte sich die letzten Tränen aus den Augen, dann wurde sein Blick entschlossen.
„Nein. Ich muss hinaus zu ihnen. Sie brauchen mich.“
„Aber-“
„Kein ‚Aber‘. Du weißt doch: Auch wenn mein Herz zerbricht und mein Make-up abblättert…“
„…dein Lächeln bleibt bestehen. Ich weiß…“
„Die Show muss weitergehen.“
Ivankovs Finger formten sich zu Spitzen, die er sich sogleich in seine Seiten stieß. Kraft durchströmte seinen Körper. Er bäumte sich vom Bett auf, ging auf die Kajütentür zu. Er atmete noch einmal tief durch, setzte ein breites Grinsen auf und öffnete die Tür mit einem kräftigen Tritt.
„NA, MEINE SÜSSEN NEWKAMAAAAS?? LASST UNS IN UNSERE HEIMAT ZURÜCKKEHREN! YEEEEHAAAAW!“, in Ivankovs Stimme war kein Hauch von Zweifel mehr zu hören.
„IVA-SAMAAA~!!“, schallte es laut zurück.
Inazuma folgte dem Transenkönig an Deck, seinen Wein in der Hand schwenkend. Sein Blick war ernst. Doch auch er wusste:
Die Show muss weitergehen.