Johann Wolfang von Goethe (1815) schrieb:
[...]Sind es zwei, die sich erlesen,
dass man sie als eines kennt?
Solche Fragen zu erwidern
fand ich wohl den rechten Sinn.
Fühlst du nicht an meinen Liedern,
dass ich eins und doppelt bin?
Das Finale ist im heißen Gange und heute gehen wir in die zweite Runde, in der unsere Finalisten ihre jeweiligen Sagen zu einem Crossover miteinander verflechten mussten. Nach der ersten Runde ist der Punkteunterschied zwischen unseren beiden Finalisten @Baka und seiner ursprünglich aus dem North Blue stammenden Saga An Board der Orphan's Turf sowie dem im Eastblue und Der Asche-Trilogie gestarteten @EmperorsHaki kaum spürbar!
Also schauen wir mit welcher Raffinesse und welchem handwerklichen Geschick sie diese Aufgabe gemeistert habt! Am Ende könnt ihr wieder anhand von drei Umfragen, die unterschiedlich gewichtet sind, euren Favoriten können. Die Kategorien Idee und Handwerk kennt ihr bereits aus der letzten Runde. Neu kommt dieses Mal die Schwerpunktaufgabe des Crossovers hinzu. Wer konnte hier die besseren Bezüge herstellen und wem ist am Ende vielleicht sogar ein grober Schnitzer passiert? Entscheidet weise und nehmt euch die Zeit, um je euren Favoriten in diesen Umfragen zu küren!
Die Umfragen enden am Dienstag, 11.08, um 19.30!
Ich erwachte, geboren in Sturm und Gischt.
Von der wohligen Finsternis, in das brennende Licht.
Vom Teufel besessen, umschlang mich im Nu,
er gab mir Leben, doch nahm mir die Ruhˋ.
Mit dem Bewusstsein kam dazu auch der Zorn.
Was hatte ich in dieser einsamen Welt verloren?
Wer brauchte mich? An wen könnt‘ ich binden?
Ein Anker um den tiefsten Grund zu finden.
Ich bäumte mich auf, gegen tosende Wellen,
dieser Drang an Felsen erbost zu zerschellen.
Das Meer wurde leise, ich entschied für‘s Leben.
Meine wohl endlose Reise, hier sie erst begann.
Ließ mich ewig, ziellos von den rauen Winden treiben.
Betrachtete Scharen von Möwen, überaus zu beneiden.
Dann erblickte ich es, ein Wesen mir höchst gleich,
die Welt öffnete sich, ein mir unbekanntes Reich.
Meine schwarzen Segel blähten sich vor Freude,
wollte sofort zu ihm, bevor ich mehr Zeit vergeude.
Ich knarrte und zischte, mit viel bemerkbaren Lärm,
aber die Antwort war Schweigen, einer Antwort fern.
Andere Stimmen erhoben sich, lebendige Kreaturen.
Sie schritten auf mir, fremde, pulsierende Figuren.
Ich streckte ihn aus, meinen gar behutsamen Geist,
doch wütender Graus und Schrecken war die Reaktion.
„Dämonenschiff!“, schallte es aus unzähligen Mündern,
sie flohen, es donnerte, musste um Wunden mich kümmern.
So verliefen alle Begegnungen, immer nur blanke Angst.
Ablehnung und Verzweiflung, im wiederkehrenden Tanz.
Zog mich zurück, es wuchs eine undurchdringliche Rinde.
Ist Existenz allein bereits eine unverzeihliche Sünde?
An einer leeren Küste umfing mich ein tiefer Schlummer,
Zu entrinnen ich versuchte, diesem fortlaufenden Kummer.
Durch eine neue Präsenz schreckte ich wiederum auf.
Spürte meine kühle Tendenz, sprach er „Ich sehe dich.“
Ich betastete ihn und erkannte endlich mich selbst.
Ein inneres Feuer schien, doch unsere Augen eiskalt.
Verlassen und verschieden, in dieser grausamen Welt.
Verwaist und vertrieben, doch waren wir nun zu zweit.
Ich band mich an ihn, um ihm im Kampf zu unterstützen.
Ich gehörte nun ihm und wurde zu seinem Waisenreich.
Gezielt trieb ich mit den sorgenfreien Winden voran.
Ignorierte die Möwen, sie waren mir gleich geworden.
Diese Welt war voller Schönheit, Freiheit und Kampf.
Zu meinem Begleiter gesellten sich noch andere dazu.
Dunkel gekleidet, seine Kameraden, stets auf der Hut,
dem charismatischen Anführer, gewappnet mit seinem Tuch.
Doch die direkte Verbindung blieb nur zum Waisen bestehen.
Oftmals tauschten wir uns über vergangene Erlebnisse aus.
Er erzählte mir von seiner Suche über Gerüchte von mir.
Erklärte mir meinen Ursprung, ein missglücktes Experiment.
Ein kluger Mann hatte versucht mir das Leben einzuhauchen.
Ich galt wohl als gescheitert, auf dem Meer zurückgelassen,
es scherte mich nicht weiter, ich benötigte ja nur noch ihn.
Im Kampf zeigte er sich äußerst behände, mit schwarzer Asche.
Schützte mich oft, umhüllte mich wie ein finsterer Mantel.
Meine Kanonen donnerten und zerstörten, für seinen Hass.
Auf alle Piraten, wir schickten sie zahlreich in ihr ewiges Grab.
Seine sonst kalten Augen flackerten zuweilen in warmen Gold,
auch ich erspürte langsam durch ihn entfaltete Menschlichkeit.
Wir waren umzingelt, es wütete eine wogend, blutige Schlacht.
Sein finsterer Aschesturm hielt nicht mehr alles von mir fern.
Ich gab mein Bestes, die mir ungleichen Schiffe zerschellten,
doch um mich schnellten immer wieder neue Feinde empor.
Die Flammen leckten an mir, ich rumpelte, zitternd vor Schmerz.
Er erstickte das Feuer mit Asche, es war ein zweckloser Kampf.
Der Anführer zerrte panisch und fordernd an seinem Gewand.
Es fiel mein letzter Harnisch, ruiniert durch stürmenden Brand.
Der junge Krieger wehrte sich verzweifelt gegen die Autorität.
Der Leiter deutete auf die wehenden Segel. „Es ist zu spät!“
„Lass es zurück!“ Der Waise nickte nur auffallend stumm.
Die Augen wieder eisig, kehrte er sich nicht mehr zu mir um.
Bäumte mich verbissen über die Wellen auf, wollte ihn zwingen,
wieder zu mir holen, ihn für alle Zeit wieder an mich zu binden.
Er erstarrte wie versteinert, rang plötzlich elendig nach Luft.
Erschrocken heulte ich auf, ließ los, hinterließ eine tiefe Kluft.
Er schritt weiter voran, ich war nicht einmal mehr Erinnerung.
Die Asche hinfort, wieder allein, dies war mein letzter Sprung.
Ich entkam, durchbrach das Inferno, löschte das Feuer mit Wellen.
Aber wie sollte ich nun auch nur einen Funken Glück erquälen?
Der Leiter hatte ihn gebunden, nicht durch Liebe, sondern Macht.
Was hatte mir Liebe, außer Seelenschmerz, auch schon gebracht?
Ein Schiff, ich wollte sie knechten, wollte alle Waisen finden.
Zu mir an Bord sie treiben, um sie dort für immer zu binden.
Der unschuldige Borkas, mein Gefäß, wollte ihnen nahe sein.
Weiter Piraten vernichten, sie sollen brennen im Flammenschein.
Die Jahre vergingen, aber ich vernahm durch das Werk keinen Trost.
Mord, Ketten, Vernichtung, doch weiter in Einsamkeit´s Schoß.
Ich selbst war schon längst bereit, aber wer löste meine Fesseln?
Da sah ich sie wieder, kalte Augen, dann glühend von Hass zerfressen.
Es war eine Waise, an mich gekettet, doch seine Wärme hat mich gerettet.
Hier bin ich nun, das Wasser quillt ein.
Könnte kämpfen, aber lasse es sein.
Lange genug in der Existenz gequält.
Am Ende von einem Waisen gefällt.
Mein Fehler war fehlende Menschlichkeit.
Da geht es unter das Reich, ganz ohne Tränen.
Möchte mich nicht weiter im Dasein grämen.
Lebe wohl, Arden. Das letzte Licht ich erhasche.
Erneut wohlige Finsternis und kalte Asche.
„… und wenn du auch nur einen einzigen Schritt auf das modrige Schiff machst, so kannst du es nie wieder verlassen. Du wirst ein Teil der Crew, ob du willst oder nicht und musst auf ewig für den Willensräuber Borkas auf Raubzüge gehen“, die Worte des Jungen hallten dumpf von den Höhlenwänden wider.
Jedes einzelne Haar an Ardens Körper stand ihm zu Berge. Die kleine Ilvy neben ihm zupfte nervös an ihrem rosaroten Haarband, das ihre hellblonden Haare zu einem festen Zopf zusammenhielt. Das schwache Flackern der Petroleumlampe in ihrer Mitte ließ ihre Schatten schemenhaft an den Wänden tanzen. Weder Arden noch Ilvy trauten sich auch nur einen Mucks zu machen.
„Die Orphan’s Turf segelt unentwegt über alle Meere und sammelt neue Crewmitglieder. Kinder, die niemanden sonst haben…“, nun blickte er mit unheimlichem Gesichtsausdruck Ilvy an, „Kinder wie dich!“
Ilvy schlug sich die Hände vor das Gesicht, drehte sich schnell weg und versuchte einen Schrei zu unterdrücken. Arden, der selbst kaum ruhig bleiben konnte, sah wie sein Gegenüber hämisch grinste.
„Ivar, das geht zu weit“, Ardens Stimme war zittrig.
Auf einmal ertönte ein gurgelndes Geräusch von außerhalb der Höhle. Ivars Miene fror ein, Ardens Augen wurden groß, Ilvy versteckte ihr Gesicht immer noch in ihren Händen. Arden blickte hinaus in die Dunkelheit und versuchte etwas auszumachen.
„Was ist das?“, Ivar klang ängstlich.
Eine schattenhafte Figur setzte sich allmählich vom Dunkel der Nacht ab. Sie bewegte sich auf die Kinder zu. Plötzlich erfüllte eine dröhnende Stimme die Luft: „ICH BIN WILLENSRÄUBER BORKAS UND IHR SEID NUN TEIL MEINER CREW!“
Arden sprang instinktiv auf, Ilvy ließ einen schrillen Schrei ertönen. Die Schattenfigur sprang mit lautem Gebrüll in den Lichtschein. Ilvy wurde fast ohnmächtig, Arden machte sich kampfbereit. Doch es war kein geisterhafter Piratenkapitän, der vor dem Trio stand. Nein. Arden kannte die Person vor ihnen. Es war Pitt, der beste Freund von Ivar. Plötzlich brach ebenjener in schallendes Gelächter aus.
„Ihr hättet eure Gesichter sehen sollen!“, Ivar bekam kaum noch Luft, „Ihr seht aus wie zwei Geister!“
„Das war nicht lustig“, ließ Arden seinem Ärger Luft, „Sieh mal. Ilvy weint. War das denn notwendig?“ Er setzte sich zu Ilvy und legte seinen Arm tröstend um sie.
„Ach, das war doch nur eine kleine Geistergeschichte“, plötzlich wurde Ivars Gesichtsausdruck wieder ernst, „Wobei es die Orphan’s Turph aber wirklich gibt!“
„Hör jetzt auf!“, Arden wurde wütend.
„Du solltest wirklich aufpassen Ilvy. Borkas ist hinter Waisenkindern her. Du bist doch auch ein Waisenkind, vielleicht schnappt er dich auch noch.“
„Es reicht!“
„Aber ich will Ilvy doch nur warnen. Heute ist eine Vollmondnacht. In solchen Nächten ist Borkas besonders gerne unterwegs!“
„Halt jetzt deine Klappe, Ivar!“, Arden wurde laut, „Du lässt Ilvy jetzt in Frieden! Das ist nicht lustig!“
„Ich finde es schon noch lustig“, grinste Ivar. Pitt lachte laut auf.
Arden wurde es zu viel.
„Wenn es Borkas wirklich gibt, dann solltest du dich aber auch in Acht nehmen, Ivar! Deine Mutter im Krankenbett und dein Vater einfach abgehauen!“, nachdem er das ausgesprochen hatte, schlug er die Hände vor seinen Mund.
Ivar sprang auf Arden zu und packte ihn am Hals. Mit schnappenden Atemzügen brüllte er Arden an: „Sei still! So sprichst du nicht über meine Eltern!“
Ivar ballte seine Faust und holte aus, doch bevor er zuschlagen konnte, warf sich Pitt auf seinen Freund. „Halt! Das ist es nicht wert! Komm, wir verschwinden und lassen die beiden Angsthasen alleine.“
Ivar wehrte sich noch kurz, dann atmete er tief durch und beruhigte sich. Er blickte Arden noch einmal finster an, dann drehte er sich um und verschwand mit Pitt im Schwarz der Nacht.
„Geht es dir gut?“, stammelte Ilvy.
„Ja, es geht…“, ächzte Arden und rieb sich den Hals, „Komm, wir gehen lieber auch nach Hause. Ich muss morgen früh mit meinem Vater raus zum Fischen.“
Die Nacht war dunkel, dichte Wolken verdeckten den Himmel. Arden hatte ein schlechtes Gewissen. Er war zu weit gegangen. Da nahm Ilvy seine Hand und flüsterte ihm ängstlich zu: „Glaubst du, diesen Borkas gibt es wirklich? Will er mich denn wirklich holen?“
„Ach was! Das ist doch nur eine Geistergeschichte. Die Orphan’s Turf gibt es bestimmt nicht. Außerdem hast du doch Eltern! Die sind nur auf einer Handelsreise“, beruhigte Arden seine Freundin.
„Aber sie hätten schon vor drei Wochen zurück sein sollen“, Ilvy kamen wieder die Tränen.
„Da ist sicher nur etwas dazwischengekommen. Sie kommen bestimmt bald! Außerdem hast du ja noch die alte Meg, bei der du wohnst. Also, du siehst, du bist nicht alleine!“
Plötzlich erhellte alles. Die Wolkendecke lockerte auf und der Vollmond erfüllte die Nacht mit seinem fahlen Licht. Der Anblick des Mondes jagte Arden einen Schauer über den Rücken. Ilvy umklammerte ängstlich Ardens Arm.
Beim Haus der alten Meg angekommen, verschwand Ilvy zögerlich hinter der Tür. Als Arden zuhause war, blickte er noch einmal aus dem Fenster, ehe er sich in sein Bett legte. Immer noch geisterte ihm die Geschichte von Ivar im Kopf herum. Irgendwann übermannte ihn aber doch die Müdigkeit und er schlief ein.
…
„Arden, wach auf! Wir müssen los! Sonst erwischen wir die Orionmakrelen nicht!“, die Stimme seines Vaters riss Arden aus seinem Schlummer. Er war todmüde. Beim Blick aus dem Fenster sah Arden, dass die Mondscheibe bereits am Horizont im Meer versank. Doch da war noch etwas draußen, direkt vor dem Mond. Ein Schiff? Arden rieb sich den Schlaf aus den Augen und blickte noch einmal aufs Meer hinaus. Nichts. Seine Gedanken spielten ihm wohl einen Streich.
Arden zog sich seine Stiefel an und trat vors Haus, wo sein Vater bereits ungeduldig wartete. Sie gingen still hinunter in den Hafen. Dichter Nebel lag unheilvoll über dem Wasser im Hafenbecken. Den Jungen überkam ein ungutes Gefühl. Seinen Vater schien das Naturphänomen nicht zu beeindrucken. Die beiden stiegen auf ihren Fischkutter und machten die Leinen los. Ardens Vater ruderte gemächlich hinaus aufs offene Meer. Arden blickte zum Mond.
Und dort, versteckt unter dem Nebel, trieb, unbemerkt von den beiden Fischern, ein rosarotes Haarband auf der Wasseroberfläche…