Einen wunderschönen Abend wünsche ich euch allen!
Während sich so eben schon Autoren erfreuen können, dass sie die erste Hürde genommen haben, geht es gleich nahtlos weiter und wir gleiten hinab zu den Tiefen der Fischmenscheninsel. Welchen neuen, vertiefenden und anderen Blickwinkel können uns die Autoren in dieses doch sehr bekannte Volk gewähren?
In der ersten Phase gibt es nur ein Bewertungskriterium: Wer hat eurer Meinung nach den besten Text zusammengebracht?
Ihr könnt hier nur eine Option wählen. Ihr könnt eure Stimme im Laufe der Zeit der Umfrage ändern, bitte aber von späten Stimmänderungen nur um jemanden in der späten Phase noch zu pushen, oder das Ergebnis im letzten Moment zu ändern, tunlichst abzusehen.
Die Umfrage geht bis morgen, Dienstag den 26.10 bis 21:30 Uhr.
Mutterliebe
Nur noch fünf Minuten, bis die Uhr Eins schlagen würde… der Zeitpunkt, zudem sich die Strohhutbande auf Cacao-Island wieder vereinen wollte. Noch fünf Minuten, bis der Strohhut aus dem Spiegel springen sollte. Wohlgemerkt dem einzigen intakten Spiegel auf der gesamten Insel. Umringt von beinahe unzähligen Familienmitgliedern der Charlottes. Niemand von ihnen glaubte ernsthaft daran, dass es nicht ihr großer Bruder sein würde, der in wenigen Augenblicken aus dem Spiegel treten würde, den leblosen Körper des Strohhuts in seiner Hand. Katakuri galt als unfehlbar. Aber dennoch, tief in ihrem Inneren und ohne es sich zugestehen zu wollen hoffte Prim insgeheim darauf, dass das unmögliche doch eintreffen würde; dass sie die Chance bekommen würde, den Strohhut gefangen zu nehmen und somit ihren persönlichen Wert unter Beweis zu stellen. Denn von Geburt an verbrachte sie ein Leben im Schatten ihrer perfekten Zwillingsschwester.
Schon von klein auf verspürte sie nichts als Hass für Praline. Grund war die Leichtigkeit, mit derer Praline die Aufmerksamkeit ihrer Mutter auf sich ziehen konnte, gepaart mit dem Desinteresse gegenüber eben dieser Zuneigung; so als wäre sie selbstverständlich. Mit ihrem engelsgleichen Gesang verzauberte Praline regelmäßig Familienangehörige und Gäste zugleich. Ihr unfehlbares Gespür für alles Schöne und Erstrebenswerte brachte ihr nicht nur bewunderte Blicke ein, sondern auch die Position der Ministerin für Design. Es war Praline, die auserwählt wurde, die Beziehungen zur Fischmenscheninsel zu festigen, indem sie Aladdin heiratete. Ein Mann, der unter dem Meervolk großes Ansehen besaß. Diese äußere Schönheit spiegelte sich jedoch nicht in ihrem Charakter wider. Sie war arrogant, eitel und leicht zu erzürnen, sollte nicht alles nach ihren Vorstellungen verlaufen. Aber für diese hässliche Seite hatte Linlin natürlich kein Auge. Mama kannte das wahre Gesicht ihrer Lieblingsmeerjungfrau gar nicht! Praline war sehr geschickt darin, diese Eigenschaften im richtigen Moment zu verstecken. Nicht, dass es ihr etwas ausmachen würde, wenn sie Mama enttäuschen würde.
Alles, was Praline von Geburt an sorgfältig vor die Füße gelegt wurde, musste sich Prim schwer erarbeiten. Zu verdanken hatte sie diese ungleiche Behandlung ihrem Oktopuskörper. Keine elegante Haischwanzflosse, wie ihre perfekte Schwester sie besaß. Ein hässliches und bizarres Monster wurde sie von ihrer eigenen Mutter genannt. Diese Missgunst ließ Linlin ihre Tochter immer wieder spüren. Konnte sich die ach so perfekte Praline ohne Hilfsmittel an Land bewegen? Nein! Prim konnte es sogar besser als Menschen! Wo Praline ihre Zeit damit verschwendete, den Seeschnecken Lieder zu singen, perfektionierte Prim den Kampf mit ihrem Dreizack. Während ihre Schwester mit der Entscheidung haderte, ob im Schloss dunkel- oder hellrote Vorhänge aufgehangen werden sollten, verteidigte Prim den Ruf ihrer Familie, indem sie einem Königreich, welches eine Süßigkeitenlieferung ausgelassen hatte, eine unvergessliche Lektion erteilte. Unentwegt verbreitete sie im Namen ihrer Mutter Angst und Schrecken in der neuen Welt. Wurden diese Anstrengungen und all das, was sie für ihre Mutter aufgegeben hatte, jemals wertgeschätzt? Nein! Egal, was Prim auch tat, für ihre Mutter war es niemals genug! Niemals… Dabei wollte die Meerjungfrau doch gar nicht viel. War ein „das hast du gut gemacht“ oder „ich bin stolz auf dich“ denn wirklich zu viel? Dass die Liebe ihrer eigenen Mutter außerhalb ihrer Reichweite lag, war Prim vollkommen klar. An Liebe traute sie gar nicht zu denken… Sie wollte doch nur ein wenig Anerkennung der Frau, deren Ziele und Wünsche sie ihr komplettes Leben gewidmet hatte.
Nur noch eine Minute! In wenigen Augenblicken würde sie sehen, ob ihr Bruder oder Monkey D. Ruffy aus dem Spiegel treten würde. Nur noch eine Minute, bis sie erfahren würde, ob sie die Chance bekommt, sich den Respekt ihrer Mutter zu sichern!
Das Schiff der Strohhutbande war bereits nicht mehr zu sehen, in Sicherheit waren sie aber noch lange nicht. Praline musste die Stellung gemeinsam mit ihrem Mann weiterhin halten. Sich ihrer eigenen Mutter zu widersetzen war angsteinflößend und vitalisierend zugleich; Praline hat schon so viel Zeit im offenen Meer verbracht, wirklich frei fühlte sie sich aber heute zu ersten Mal!
Von klein an war sie nur ein Spielball der Machenschaften ihrer Mutter gewesen. Seitdem sie denken konnte, war sie nichts weiter als eine Trophäe. Was passiert wäre, hätte sie während einer Darstellung ihres Gesangs auf einer Tea Party auch nur einen Ton verfehlt, hätte sie Linlin nur auf dem kleinsten Wege Schmach zugefügt, traute sie sich niemals auch nur vorzustellen. Anfangs war sie strikt gegen die Hochzeit mit Aladdin. Nichts zementierte ihren Status als bloßes politisches Werkzeug mehr als eine arrangierte Ehe. Ihrer Mutter waren die Wünsche und Gefühle ihrer Tochter natürlich vollkommen egal: Die Hochzeit fand statt. Reines Glück, dass sich Pralines versprochener Gatte als der herzliche und verständnisvolle Mann herausstellte, der er letztendlich war. Wobei… es war kein Glück, es war Schicksal! Erst durch Aladdin und seiner Mannschaft wurde ihr so richtig klar, dass sie ihr bisheriges Leben in einem Käfig lebte; dass ihrer leiblichen Familie jeglicher tiefere Zusammenhalt fehlte. Blut war nicht dicker als Wasser. Nicht bei den Charlottes! Nicht einmal ihrer Zwillingsschwester stand sie besonders nahe. Ehrlich gesagt konnte sie sich nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal mit Prim unter vier Augen gesprochen hatte. Hatten sie jemals nur zu zweit Zeit miteinander verbracht? Eigentlich ein schrecklicher Gedanke…
Prim hatte immer alles, was Praline so sehr ersehnte. Prim stand niemals im Mittelpunkt. Von klein auf durfte sie sich aussuchen, was sie mit ihrem Leben anstellen wollte. Dass man diese Freiheit nicht mit echter Freiheit verwechseln durfte, war Praline natürlich klar. Auch ihre Schwester durfte letztendlich nur machen, was Linlin gestattete. Aber das war schon deutlich mehr, als Praline von ihrer eigenen Lebensgestaltung behaupten konnte. Leben war das Stichwort. Denn, ob Praline in zwei Stunden noch leben würde, war alles andere als gewiss. Ihre Mutter, die Verkörperung alles Schlechten und die Antithese zur Freiheit stand nun zwischen Praline und dem friedlichen Zusammenleben mit ihrer neuen Familie. Die Strohhutbande war entkommen, Boss Jinbei blieb jedoch zurück, um das Überleben jedes einzelnen Fischmenschen zu garantieren. Selbst, wenn ihm das sein eigenes Leben kosten sollte. Diese Selbstaufopferung war Praline bis vor kurzem völlig fremd gewesen. Und heute hatte sie diese gleich zweimal erlebt. Bei Jinbei, aber auch bei allen anderen Fischmenschen. Sie alle würden, ohne mit der Wimper zu zucken, für ihren ehemaligen Kapitän sterben. Dieser Gedanke war unglaublich beflügelnd! Praline konnte nicht anders, als bei dem Anblick ihrer alten Familie zu lachen. Die Zeit des Singens war vorbei. Sie war bereit, für ihre neugewonnenen Ideale zu sterben. Freiheit. Ein Wert, für den es sich lohnt, bis auf den tot zu kämpfen!
Der Strohhut war entkommen, die Chance auf Anerkennung vertan. Prim schaute auf das chaotische Treiben im Meer. Das gerade die Fischmenschen zur Rettung kamen, um der Strohhutbande zur Flucht zu verhelfen, würde natürlich wieder ein schlechtes Bild auf sie werfen. Nicht aber auf ihre perfekte Zwillingsschwester… „Praline?“ Prim rieb sich die Augen, da sie ihnen nicht traute. Zwischen den tosenden Wellen machte die Meerjungfrau eine bekannte Silhouette aus. Doch, das war Praline, ganz sicher! Offensichtlich hatte sie sich auf die Seite der Verräter geschlagen. Kein Zweifel, Praline kämpfte Seite an Seite mit den Sonnenpiraten… Freudige Aufregung breitete sich in Prims Körper aus. Das Schicksal meinte es heute wohl doch gut mit ihr. Eine zweite Chance, sich zu beweisen und was für eine! Endlich würde ihre Schwester das bekommen, was sie verdiente!
Freudentränen
1478
Chilo wollte nicht mehr. Wollte noch nie. Aber sie hatte keine andere Wahl. Die anderen Kinder waren in der Überzahl und selbst wenn nicht, wie sollte sie sich verteidigen? Wie sollte sie sich verteidigen ohne eine Grenze zu überschreiten, von der es kein Zurück mehr geben würde?
Sie hatten Chilo wieder so weit. Die bläuliche Bedrohung aufgerichteter Knochenstacheln glänzte im Licht von Eve, ein bezaubernder aber auch tödlicher Anblick.
Eine salzige Träne kämpfte sich ihre Wange hinunter. Wäre sie doch bloß anders geboren worden, harmloser.
Die übrigen Kinder schienen sich, wie immer, keiner Gefahr bewusst und strahlten nun mit übergroßen Augen auf den Körper des Igelfisch-Mädchens herab.
„Habt ihr nichts besseres zu tun als euch an Schwächeren zu vergreifen? Habe ich nicht schon euren Großeltern besseres im Dojo gelehrt?“, ertönte es hinter der weinenden Chilo.
„Aber Großmeister Narwal, wir wollen doch nur Chilo zum funkeln bringen. Ihre Stacheln sind schöner als der Schmuck der Königin!“, riefen die Kinder im Chor.
Es bedurfte keiner weiteren Worte des Großmeisters mehr. Der durchdringende Blick des Beluga-Fischmenschen genügte, um die versammelten Kinder zum Rückzug zu zwingen. Niemand wollte die Aufmerksamkeit von Narwal länger auf sich spüren als unbedingt nötig. Es hieß, er könne Seekönige mit einem bloßem Wimpernzucken außer Gefecht setzen.
„Chilo, richtig?“
Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und versuchte sich zu beruhigen. Als sich ihre Stacheln wieder langsam zurückzogen und auch ihr Glanz verdunkelte, war es ihr möglich den verschwommenen Blick auf den unvorstellbar alten Beluga vor sich zu richten.
Narwal war der vermutlich älteste Fischmensch auf dieser Welt. Als Erfinder des Fischmenschen-Kampfsports und Gründer des Karate-Dojo, welches als der Stolz der Insel bezeichnet wurde, genoss er eine der höchsten Stellungen in der Unterwassergesellschaft. Die Tatsache, dass er auch nur ein Wort mit Chilo wechselte und dieses nichtmal eine Rüge beinhaltete, war mehr Ehre als einem Igelfisch in ihrer gesamten Familienhistorie zuteil geworden war.
Von anderen Meeresbewohnern wurde ihre Gattung entweder gezielt als Bedrohung gejagt, oder zur Belustigung und Bewunderung bewusst gequält um die tödlich wirkendenGiftstacheln herauszulocken.
„Komm morgen früh in mein Dojo. Noch bevor sich die anderen Kinder auf den Weg machen.“
Und so begann Narwal damit, Chilo in den mysteriösen Wegen der Unterwasserkampfkunst auszubilden. Ihre Probleme lösten sich damit nicht in Luft auf. Im Gegenteil. Sie konnte nur zu den frühesten Morgenstunden trainieren, da sich die anderen Schüler aus Angst vor einer stressbedingten Abwehrreaktion des Igelfischtoxins weigerten, sie zu berühren. Zwar verfolgten die übrigen Kinder sie aus Angst vor Narwal nicht mehr, es brach jedoch eine völlige Isolation über sie herein. Niemand wollte mehr mit ihr sprechen. Sie hatte ihre Rolle auf der Insel gehabt. Das schweigsame gebeutelte Mädchen. Nur für Mitleid oder Schikane zu haben. Diese Rolle passte nun nicht mehr zu Chilo und dies passte den übrigen Bewohnern nicht. Eine Schülerin von Großmeister Narwal? Sondertrainingszeiten und Einzeltraining? Für ein armseliges Igelfisch-Mädchen?
Den altehrwürdigen Beluga kümmerte dies nicht. Im Gegenteil. Der Gründer des Dojoversuchte eine permanente Lösung für das Problem zu finden und geriet so auch an die Grenzen seiner Kunst.
„Fischmenschen-Karate basiert auf der Kontrolle des Wassers. Es zu formen, zu leiten und zu konzentrieren ist der Grundsatz unserer Kunst. Um diese Kontrolle zu erreichen müssen wir das Wasser berühren oder zumindest eine Berührung vortäuschen. Und genau hier liegt die Parallele zu deinem Problem: Die Kontrolle von anderen Personen.“
„Ich verstehe nicht Großmeister. Ich möchte andere nicht kontrollieren. Ich möchte nur normal leben, berühren und fühlen.“
Narwal runzelte die Stirn, sinnierte jedoch weiter: „Nun, das Wort Kontrolle war vielleicht etwas zu hoch gegriffen. Das Prinzip und Grundproblem bleibt aber. Wir müssen erreichen, dass du berühren kannst ohne tatsächlich zu berühren.“
„Berühren ohne zu berühren? Wie soll das funktionieren?“
„Eine neue Form des Fischmenschen-Karate.“
Ohne Vorwarnung riss Narwal seine rechte Faust hoch, zeigte in Richtung seiner ihmentfernt gegenübersitzenden Schülerin und stieß zu. Für den Bruchteil einer Sekunde passierte nichts. Doch bevor Chilo eine fragende Augenbraue in die Höhe ziehen konnte, spürte sie einen unvorstellbaren Druck in ihrem Inneren. Im nächsten Augenblick krachte sie gegen die rückwärtige Wand des Dojo. Geschockt starrte sie zur Raummitte.
„Wir saßen uns mit mindestens fünf Metern Abstand gegenüber! Großmeister, habt ihr euch bisher nur zurückgehalten und seid etwa noch schneller?“
Es hieß, seine Geschwindigkeit sei auf Augenhöhe mit den Segelfisch-Männern im Dojo, aber selbst deren Bewegungen konnte Chilo gut nachverfolgen, wenn sie sich heimlich an die Fenster schlich um die Tagestrainings zu beobachten.
„Du begreifst nicht Chilo. Ich habe dich nicht berührt. Zumindest nicht so, wie du es erwarten würdest.“
Chilo musste schwer schlucken.
„Großmeister, was habt ihr getan?“
„Ich habe das Fischmenschen-Karate nach hunderten von Jahren neu entdeckt. Vielleicht habe ich es auch jetzt erst in seiner wahren Form begriffen. Ja, unsere Kunst ist die Kontrolle des Wassers. Aber nicht nur des Wassers um uns herum, nein, auch des Wassers in uns.“
Die Realisation des Gesagten traf Chilo beinahe wie der Schlag zuvor.
Narwal und seine unscheinbare Schülerin behielten die revolutionäre Entdeckung zunächst für sich. Neben den frühmorgentlichen Trainings nutzten sie nunmehr auch die Nachtzeit um die neue Form des Fischmenschen-Karate zu verstehen und zu meistern.
Chilo machte ungeahnte Fortschritte. Wie Narwal angedeutet hatte, konnte auch sie mittlerweile erkennen was berühren ohne zu berühren für eine Igelfischin bedeuten könnte. Sie könnte Kontakt zu anderen Fischmenschen haben, ohne diese auch nur Ansatzweise in Gefahr zu bringen. Dazu bedurfte es allerdings einer subtileren Form der inneren Wasserkontrolle. Ihre Kampfkunst musste sanft werden, beinahe ein streicheln statt stoßen und ziehen.
„Ich glaube nicht, dass ich jemals so beeindruckt war, einen so sanften Fauststoß von einem Schüler bekommen zu haben. Chilo, ich bin stolz auf dich.“
Chilo war den Tränen nahe. Ein früher so gewohntes Gefühl wirkte mittlerweile fast fremd für sie. Es waren keine Tränen aus Furcht oder Trauer, was war dieses neue unbekannte Gefühl?
„Ich möchte dir hiermit, als erster Schülerin in der Geschichte des Dojo, ohne vorhergehende Prüfung den 1. Dan verleihen.“
Narwal band sich seinen eigenen, schon verblichenen Schwarzgurt ab und hielt ihn in Richtung seiner ungläubigen Schülerin.
„Aber Großmeister Narwal, das ist euer Gurt. Ich kann das nicht annehmen.“
„Unsinn. Ohne dich hätte ich nie die Kunst neu erdenken müssen. Ohne die nächtlichen Trainings und die ungewöhnliche Herangehensweise zur Lösung deiner Probleme hätte ich nie die Techniken in ihrer Gänze ergründet. Es ist mir eine Ehre meinen Gurt an dich weiterzugeben.“
Chilo konnte es nicht fassen. Von der traurigen hoffnungslosen Igelfischin zu einer der ranghöchsten Mitglieder des Dojo? Dazu die Möglichkeit endlich ihre Mitfischmenschen ohne Angst vor Konsequenzen zu berühren?
Sie konnte die Tränen endgültig nicht mehr zurückhalten. Sie erahnte nun auch das Gefühl, welches den salzigen Strom in ihr hervorrief: Freude.
Es war ein Reflex. Sie tat es aus Freude. Nur war ihr nicht bewusst, dass dieses neue Gefühl für ihren besonderen Körper genau so wirkte wie Angst. Wie konnte sie es auch wissen? Freude war für Chilo bislang nur ein Gerücht gewesen. Als sie den unverhofften Narwal freudenstrahlend in ihre Arme schloss, aktivierte ihr gesteigertes Adrenalin die Knochenstacheln und das darin gespeicherte Toxin.
Der Großmeister und Begründer des Fischmenschen-Karate verstarb auf der Stelle im bläulichen Glanz des Giftes.
Boss
Akt l: Rache
Ding Ding - Ding Ding - Ding Ding - Ding Ding
Die Schiffsglocke schlug Alarm, es kam Bewegung ins Schiff, Befehle wurden gebrüllt:
"Peilung 2 Strich steuerbord voraus."
Die Kanonen wurden bestückt, die Messer gewetzt und die Pistolen geladen, jeder Flossengriff saß.
Keine 2 Minuten nachdem der Alarm verstummt war, kehrte Ruhe ein, die Vorbereitungen zum bevorstehenden Kampf waren getroffen.
Langsam fing die Mannschaft an, einen mantraartigen Gesang anzustimmen:
"Boss - Boss - Boss - Boss - Boss - Boss - Boss - Boss - Boss - Boss - Boss - Boss"
Der Chorus schwoll an, wurde lauter, erhaben:
"Boss - Boss - Boss - Boss - Boss - Boss - Boss - Boss - Boss - Boss - Boss - Boss"
Auf dem Höhepunkt verstummten augenblicklich alle als ihr Kapitän das Deck betrat, er bot einen mächtigen Eindruck, verstärkt durch seine grimmige Miene hatte er eine gewaltige Ausstrahlung.
"Endlich haben wir es geschafft seinen Mörder ausfindig zu machen, bei unserer Ehre und Liebe werden wir Rache nehmen!"
Sein Bariton erschwoll über das gesamte Deck und entfachte den glühenden Kampfeswillen und brodelten Rachedurst seiner Mannschaft.
Das Schiff glich einem Pulverfass das kurz vor der Explosion stand.
Ihr Kapitän stellte sich an das allzu vertraute Steuerruder und rief Befehle:
"Schützenmannschaft an die Kanonen, Entermannschaft bereithalten, Schwimmer ins Meer - volle Kraft voraus!"
Sofort sprangen 20 Fischmenschen, angebunden mit Seilen, über die Reling und schwammen mit gewaltiger Geschwindigkeit vorwärts, das Schiff hinter sich herziehend.
Ihre Beute war nun deutlich zu sehen und auch sie waren offensichtlich endlich entdeckt worden, so hörten sie die Alarmpfeifen der Wachmannschaft über das Wasser.
Zu spät, denn sie hatten noch ein Ass im Ärmel, ein weiterer Befehl ertönte und weitere Fischmenschen sprangen von Bord und tauchten in erschreckender Rasanz zum feindlichen Schiff.
Bevor das Marineschiff ein Manöver starten konnte, wurden sie bereits von allen Seiten unter Feuer gesetzt. Doch keine normalen Kugeln flogen durch die Luft, im Fischmenschenkarate geschulte Fischmenschen reichen bereits die geringsten Mengen Wasser um aus ihnen tödliche Geschoße zu machen, und hier waren sie auf dem Meer.
Bevor die Snapper Head in Enterreichweite kam, hörten sie schon die Schreie und Einschläge auf dem feindlichen Schiff.
Durch ein gewagten Manöver brachte ihr Kapitän das Schiff bei voller Geschwindigkeit seitlich an das Marineschiff,
"Feuer!"
Die Kanonen brüllten, ihre tödliche Ladung ergoss sich in einer Breitseite die das gegnerische Schiff zum wanken brachte.
Jeder wusste was als nächstes kam, alle Sinne waren geschärft, jeder Muskel gespannt, wartend auf den Befehl.
"Entern!"
Wie eine angepannte Feder, sprang die Mannschaft, allen voran ihr Kapitän auf das feindliche Schiff.
"Findet Kadahl!"
Kadahl, ein Name der sich in jeden einzelnen der Sonnen-Piraten eingebrannt hatte, Kadahl, der Mörder von Fisher Tiger.
Die Blamage die die Sonnen-Piraten Kadahl zugefügt hatten als sie ihn besiegten und so seinen Auftrag ehemalige Sklaven der Himmelsmenschen zurückzuholen vereitelten, nagte an ihm und 3 Jahre später bekam er Informationen um Fisher Tiger eine Falle stellen zu können. Nachdem dieser ein ehemaliges Sklavenmädchen sicher in ihr Heimatdorf gebracht hatte, schnappte die Falle zu.
Zusammen mit einem weiteren Konteradmiral und einem ganzen Regiment Marinesoldaten lauerten sie Fisher Tiger auf seinem Rückweg auf.
Die Sonnen-Piraten konnten ihren damaligen Kapitän zwar zu Hilfe eilen und mit ihm fliehen, doch wurde Fisher Tiger tödlich verwundet und ertrug es nicht das Blut eines Menschens anzunehmen.
So verstarb ihr Kapitän und selbst in seinem zukünftigen Nachfolger, der sonst für seine Ritterlichkeit bekannt war, entfachte ein unbändiger Zorn.
Dieser Zorn schwemmte nun über das Marineschiff, drohte es gar zu ertränken, doch eine kleine Gruppe Marinesoldaten zusammen mit Konteradmiral Strawberry leisteten noch erbitterten Widerstand, Strawberry der Mann der Kadahl bei seinem Hinterhalt geholfen hatte.
Während seine Mannschaft das Hauptdeck überflutete, konzentrierte sich ihr Boss auf die kleine Widerstandsgruppe auf dem Oberdeck. Mit einem gewaltigen Sprung schoss sein mächtiger Körper vorwärts, direkt zwischen die Reihen der Marinesoldaten, mit schnellen Schlägen und einer überwältigenden Kraft sprengte er die Verteidigungsformation der Marine auseinander, seine Mannschaft zögerte keine Sekunde und fiel über die überrumpelten Soldaten her.
Strawberry, der einige Meter nach hinten geworfen wurde aber ansonsten unverletzt war, erkannte das er nur eine Chance hatte, er musste den Anführer der Piraten besiegen.
Doch der Pirat war ihm voraus und schleuderte wilde Wasserpfeile ihn seine Richtung.
Strawberry konnte diese knapp mit seinen Schwertern abwehren, doch kaum wollte er zum Gegenangriff übergehen bohrte sich auf einmal ein Speer in seine Eingeweide, nein kein Speer, eine Faust.
Strawberry erkannte seinen Fehler zu spät, die Wasserpfeile waren nur die Ablenkung , so traf ihn der perfekt ausgeführte Schlag eines Fischmenschenkarate-Meisters ohne Vorwarnung und mit voller Härte auf den Solarplexus.
Blutspuckend und nach Luft keuchend sankte der Konteradmiral auf die Knie, ein Gigant von Fischmensch vor ihm, noch immer in Kampfstellung.
Nach und nach schwappten die Schreie und Kampfgeräusche ab nachdem sich die letzten Marinesoldaten einer nach dem anderen ergaben und auch die Fischmenschen, die eben noch vom Blutdurst berauscht waren, wachten langsam wie aus einer Trance auf.
Alle blickten auf die Szenerie auf dem Oberdeck und warteten darauf was als nächstes passieren würde.
Ihr Kapitän fixierte den Konteradmiral mit einem Blick der selbst seine Mannschaft erschaudern ließ. Der Durst nach Rache war sichtbar zu spüren. Die Zeit verlief wie in Zeitlupe während ihr Boss zu einem weiteren Schlag ausholte. Strawberry schloss die Augen.
Doch Jinbei erinnerte sich auf einmal wieder an die Wörter seines Mentors:
"Wenn wir sie töten, verlieren wir!! Wollt ihr so werden wie sie?!"
Er erinnerte sich wieder an jenen Tag als er und Arlong fast zu weit gegangen wären, damals bei ihrem ersten aufeinandertreffen mit Kadahl. Der Sinn nach Rache war noch stark, doch er wurde nicht umsonst der Ritter der Meere genannt und so trieb er den blutroten Nebel der seine Sicht einschränkte zurück und hielt, die Faust erhoben, inne.
Strawberry kam es so vor als wären Minuten verstrichen, doch der erwartete Schlag kam nicht, als er endlich die Augen öffnete sah er den eben noch monströsen Fischmenschen vor sich sitzend.
Noch kniend, gaben seine Beine nun vollends nach und er fiel rückwärts auf den Hintern, beide Beine nach vorne ausgestreckt.
Strawberry sah sich um, auch die anderen Fischmenschen hatten sich beruhigt, als wären sie und ihr Kapitän eins im Geiste.
Jinbei wartete bis Strawberrys Blick wieder auf ihn fiel, bevor er zu ihm sprach:
"Unser Rachedurst hat uns geblendet und wahnsinnig werden lassen.
Nichtsdestotrotz müssen wir wissen wo sich Konteradmiral Kadahl befindet?"
Strawberry atmete langsam durch und antwortete:
"Konteradmiral Kadahl befindet sich in unserem Gewahrsam, er wird beschuldigt unschuldige Inselbewohner in die Sklaverei verkauft zu haben.
Wir sind gerade dabei ihn nach Enies Lobby zu bringen, wo er seine Strafe erhalten wird."
Daraufhin legte Jinbei die Stirn in Falten, so in Gedanken versunken verstrichen einige Minuten bis er wieder anfing zu sprechen:
"Im Gedenken an unseren großen Bruder Fisher Tiger verzichten wir auf unsere Rache, solange Kadahl für uns zufriedenstellend von euch bestraft wird."
Strawberry konnte kaum glauben was er hörte, doch er fasste sich schnell, er war kein Anhänger der absoluten Gerechtigkeit wie ein paar seiner Offiziers-Kollegen, er konnte eine Niederlage akzeptieren solange seine Männer nicht in unmittelbarer Gefahr waren.
Jinbei stand langsam auf und war im Begriff das Marineschiff zu verlassen, als er sich nocheinmal umdrehte und fragte:
"Wird immer noch ein neues Mitglied für die 7 Samurai der Meere gesucht?!"
Alltägliche Betrachtungen
Ich sitze an meinem Schreibtisch und schaue aus dem Fenster. Draußen kann ich im fahlen Abendlicht Kinder in einer Grube spielen sehen. Im Winter rodeln sie hier, ansonsten spielen sie Fangen, bauen Sandburgen oder so etwas; ich schenke dem wenig Beachtung. Die Grube aber war früher der Schindanger unserer schönen Stadt und ein paar tausend Meter unter mir leben die, für die er einst bestimmt war.
Schönheit ist beängstigend, zum Glück begegnet man ihr nur selten. Bei den Fischmenschen begegnet man ihr überhaupt nicht. Im Gegenteil, ihre Physiognomie widert einen an. Halb Mensch, halb Fisch sind sie unsägliche Zwittergeschöpfe, eine peinliche Unentschiedenheit der Natur. Im schwächer werdenden Licht in meiner Arbeitsstube sehe ich sie vor mir mit ihren glotzenden Glubschaugen, hinter denen kein Funken Intelligenz auszumachen ist, den überproportionierten Oberkörpern und ihren verdammten Haaren. Es heißt, sie hätten den Oberkörper von Fischen, wie können sie dann Haare haben? Ihre Existenz ist unlogisch, ein zynischer Witz. Ich kratze mir den kahlen Kopf, der auf meinem menschlichen Oberkörper sitzt, und denke an Fische mit Salonfrisur, mir wird übel.
Manchmal habe ich recht explizite Gewaltfantasien. Ich stelle mir vor, wie das wäre, jemandem einen Peitschenhieb zu versetzen oder ihn anderweitig zu demütigen, nicht selten kommt einem Fischmenschen diese Rolle zu. Manche meiner Mitbürger haben diesbezüglich wenig Skrupel, sie toben sich nach Lust und Laune an ihren Sklaven aus. Mir verschafft das keine Befriedigung. Eine Demütigung ist nur reizvoll, wenn sie wechselseitig mit einer Erhöhung des Demütigenden einhergeht. Sowas ist an diesem Ort aber undenkbar, es gibt keine Möglichkeit, wie ich mich hier über meinesgleichen erhöhen könnte – und die allgemeine Wertlosigkeit unserer Sklaven ist ohnehin ein anerkanntes Faktum.
Nun könnte man sich natürlich zwecks Durchführung der Demütigung eine andere Bühne suchen, man könnte zum einfachen Volk hinabsteigen und ihm seine Göttlichkeit demonstrieren. Allerdings, ich gebe es frei zu, habe ich davor Angst. Alles, was sie davon abhielte, mir Gewalt anzutun, wäre der Gedanke an die ferne, wenn auch gewisse Vergeltung. Von der ich aber außer etwas Schadenfreude nichts hätte, wenn sie mich vorher im Affekt töteten. Und dabei, so realistisch muss man sein, hätten sie leichtes Spiel. Ich bin eher klein und kränkle in letzter Zeit etwas. Sie würden mich in Stücke reißen. Nein, das ist mir als Sicherheit alles zu fragil, zu mittelbar. Ich bleibe dabei, wenn man den Fischmenschen Gewalt antun will, bleibt einem langfristig nur der Gang durch die Institutionen.
Aber was genau sollte man tun? Ein Feldzug gegen die Fischmenscheninsel ist ein militärischer Alptraum. Ich habe es oft in Gedanken durchgespielt und bin stets zu dem Ergebnis gekommen, dass es schlicht meine Möglichkeiten übersteigt, ein solches Unterfangen in die Wege zu leiten, geschweige denn, es erfolgreich auszuführen.
Wieder an meinem Schreibtisch nehme ich Papier und Tinte zur Hand und formuliere das Ersuchen, den Kinderspielplatz vor meinem Fenster stillzulegen. Ich füge einen Absatz bei, in dem ich anrege, zur Erschließung der hohen Lebensweise unserer ehrwürdigen Vorfahren an dieser Stelle Ausgrabungen vorzunehmen, und erbiete mich als Aufsicht an. Lange habe ich überlegt, ob ich direkt die neuerliche Inbetriebnahme des Schindangers fordern sollte. Doch ich bin zu dem Schluss gekommen, dass das kaum konsensfähig sein dürfte. Seltsamerweise hat ein Großteil meiner Mitbürger eine Abneigung gegen Leichenberge in ihrer Stadt entwickelt. Sie scheinen die Konsequenz einer dauerhaften, auch symbolischen Egalisierung von Fischmensch und Tier nicht zu erkennen: Der Mensch fängt erst da an, wo das Tier aufhört, schon der Begriff Fischmensch ist ein Widerspruch in sich, der mich wütend macht.
Wie gesagt, das ist aussichtslos. Meine einzige Chance, die Kinder zu vertreiben und gleichzeitig tote Fischmenschen zu Gesicht zu bekommen, ist die Beschriebene. Zwar kann ich nicht sagen, dass ich ehrliches Interesse an unseren Vorfahren hätte, aber hinter Begriffen wie „Kultur“, „Geschichte“ und „Andenken“, die ich sorgsam in meinen Text eingebaut habe, kann ich meine Absichten am besten tarnen.
Ich betrachte dieses scheinheilige Verhehlen des Wesentlichen als eine politische Notwendigkeit, deshalb hasse ich die Politik eigentlich. Keiner der Idioten um mich herum könnte auch nur in Ansätzen sagen, was die Essenz der „Kultur“ unserer Stadt ausmacht, trotzdem sind sie alle felsenfest davon überzeugt, dass wir im Zentrum der zivilisierten Welt leben. Anders als sie mache ich mir nichts vor, gehe nicht ins Theater, obwohl es mich zu Tode langweilt und besuche keine abendlichen Empfänge mit Anzügen, Zigarren, teurem Rotwein und was dort noch alles zum Verständnis von hoher Gesellschaft gehören mag. Ich bin ein Mann von einfachen Freuden, es genügt mir, meinen stillen Konflikt mit den Fischmenschen tief unter meinen Füßen auszufechten.
Guter Laune begebe ich mich ins Bett. Was meinen Entwurf anbelangt, den werde ich morgen wohl doch nicht einreichen. Es ist mir plötzlich zuwider, mich an dieses hohle Geschwafel von der Geschichte unserer Ahnen anzubiedern. Das Signum des Verrats an meiner eigenen Integrität schwebt vor mir, ich komme mir vor wie ein erbärmlicher Opportunist. Nein, ich werde einen anderen Weg finden müssen. Morgen. Ich habe ja den ganzen Tag Zeit.
Während sich so eben schon Autoren erfreuen können, dass sie die erste Hürde genommen haben, geht es gleich nahtlos weiter und wir gleiten hinab zu den Tiefen der Fischmenscheninsel. Welchen neuen, vertiefenden und anderen Blickwinkel können uns die Autoren in dieses doch sehr bekannte Volk gewähren?
In der ersten Phase gibt es nur ein Bewertungskriterium: Wer hat eurer Meinung nach den besten Text zusammengebracht?
Ihr könnt hier nur eine Option wählen. Ihr könnt eure Stimme im Laufe der Zeit der Umfrage ändern, bitte aber von späten Stimmänderungen nur um jemanden in der späten Phase noch zu pushen, oder das Ergebnis im letzten Moment zu ändern, tunlichst abzusehen.
Die Umfrage geht bis morgen, Dienstag den 26.10 bis 21:30 Uhr.
Nur noch fünf Minuten, bis die Uhr Eins schlagen würde… der Zeitpunkt, zudem sich die Strohhutbande auf Cacao-Island wieder vereinen wollte. Noch fünf Minuten, bis der Strohhut aus dem Spiegel springen sollte. Wohlgemerkt dem einzigen intakten Spiegel auf der gesamten Insel. Umringt von beinahe unzähligen Familienmitgliedern der Charlottes. Niemand von ihnen glaubte ernsthaft daran, dass es nicht ihr großer Bruder sein würde, der in wenigen Augenblicken aus dem Spiegel treten würde, den leblosen Körper des Strohhuts in seiner Hand. Katakuri galt als unfehlbar. Aber dennoch, tief in ihrem Inneren und ohne es sich zugestehen zu wollen hoffte Prim insgeheim darauf, dass das unmögliche doch eintreffen würde; dass sie die Chance bekommen würde, den Strohhut gefangen zu nehmen und somit ihren persönlichen Wert unter Beweis zu stellen. Denn von Geburt an verbrachte sie ein Leben im Schatten ihrer perfekten Zwillingsschwester.
Schon von klein auf verspürte sie nichts als Hass für Praline. Grund war die Leichtigkeit, mit derer Praline die Aufmerksamkeit ihrer Mutter auf sich ziehen konnte, gepaart mit dem Desinteresse gegenüber eben dieser Zuneigung; so als wäre sie selbstverständlich. Mit ihrem engelsgleichen Gesang verzauberte Praline regelmäßig Familienangehörige und Gäste zugleich. Ihr unfehlbares Gespür für alles Schöne und Erstrebenswerte brachte ihr nicht nur bewunderte Blicke ein, sondern auch die Position der Ministerin für Design. Es war Praline, die auserwählt wurde, die Beziehungen zur Fischmenscheninsel zu festigen, indem sie Aladdin heiratete. Ein Mann, der unter dem Meervolk großes Ansehen besaß. Diese äußere Schönheit spiegelte sich jedoch nicht in ihrem Charakter wider. Sie war arrogant, eitel und leicht zu erzürnen, sollte nicht alles nach ihren Vorstellungen verlaufen. Aber für diese hässliche Seite hatte Linlin natürlich kein Auge. Mama kannte das wahre Gesicht ihrer Lieblingsmeerjungfrau gar nicht! Praline war sehr geschickt darin, diese Eigenschaften im richtigen Moment zu verstecken. Nicht, dass es ihr etwas ausmachen würde, wenn sie Mama enttäuschen würde.
Alles, was Praline von Geburt an sorgfältig vor die Füße gelegt wurde, musste sich Prim schwer erarbeiten. Zu verdanken hatte sie diese ungleiche Behandlung ihrem Oktopuskörper. Keine elegante Haischwanzflosse, wie ihre perfekte Schwester sie besaß. Ein hässliches und bizarres Monster wurde sie von ihrer eigenen Mutter genannt. Diese Missgunst ließ Linlin ihre Tochter immer wieder spüren. Konnte sich die ach so perfekte Praline ohne Hilfsmittel an Land bewegen? Nein! Prim konnte es sogar besser als Menschen! Wo Praline ihre Zeit damit verschwendete, den Seeschnecken Lieder zu singen, perfektionierte Prim den Kampf mit ihrem Dreizack. Während ihre Schwester mit der Entscheidung haderte, ob im Schloss dunkel- oder hellrote Vorhänge aufgehangen werden sollten, verteidigte Prim den Ruf ihrer Familie, indem sie einem Königreich, welches eine Süßigkeitenlieferung ausgelassen hatte, eine unvergessliche Lektion erteilte. Unentwegt verbreitete sie im Namen ihrer Mutter Angst und Schrecken in der neuen Welt. Wurden diese Anstrengungen und all das, was sie für ihre Mutter aufgegeben hatte, jemals wertgeschätzt? Nein! Egal, was Prim auch tat, für ihre Mutter war es niemals genug! Niemals… Dabei wollte die Meerjungfrau doch gar nicht viel. War ein „das hast du gut gemacht“ oder „ich bin stolz auf dich“ denn wirklich zu viel? Dass die Liebe ihrer eigenen Mutter außerhalb ihrer Reichweite lag, war Prim vollkommen klar. An Liebe traute sie gar nicht zu denken… Sie wollte doch nur ein wenig Anerkennung der Frau, deren Ziele und Wünsche sie ihr komplettes Leben gewidmet hatte.
Nur noch eine Minute! In wenigen Augenblicken würde sie sehen, ob ihr Bruder oder Monkey D. Ruffy aus dem Spiegel treten würde. Nur noch eine Minute, bis sie erfahren würde, ob sie die Chance bekommt, sich den Respekt ihrer Mutter zu sichern!
Das Schiff der Strohhutbande war bereits nicht mehr zu sehen, in Sicherheit waren sie aber noch lange nicht. Praline musste die Stellung gemeinsam mit ihrem Mann weiterhin halten. Sich ihrer eigenen Mutter zu widersetzen war angsteinflößend und vitalisierend zugleich; Praline hat schon so viel Zeit im offenen Meer verbracht, wirklich frei fühlte sie sich aber heute zu ersten Mal!
Von klein an war sie nur ein Spielball der Machenschaften ihrer Mutter gewesen. Seitdem sie denken konnte, war sie nichts weiter als eine Trophäe. Was passiert wäre, hätte sie während einer Darstellung ihres Gesangs auf einer Tea Party auch nur einen Ton verfehlt, hätte sie Linlin nur auf dem kleinsten Wege Schmach zugefügt, traute sie sich niemals auch nur vorzustellen. Anfangs war sie strikt gegen die Hochzeit mit Aladdin. Nichts zementierte ihren Status als bloßes politisches Werkzeug mehr als eine arrangierte Ehe. Ihrer Mutter waren die Wünsche und Gefühle ihrer Tochter natürlich vollkommen egal: Die Hochzeit fand statt. Reines Glück, dass sich Pralines versprochener Gatte als der herzliche und verständnisvolle Mann herausstellte, der er letztendlich war. Wobei… es war kein Glück, es war Schicksal! Erst durch Aladdin und seiner Mannschaft wurde ihr so richtig klar, dass sie ihr bisheriges Leben in einem Käfig lebte; dass ihrer leiblichen Familie jeglicher tiefere Zusammenhalt fehlte. Blut war nicht dicker als Wasser. Nicht bei den Charlottes! Nicht einmal ihrer Zwillingsschwester stand sie besonders nahe. Ehrlich gesagt konnte sie sich nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal mit Prim unter vier Augen gesprochen hatte. Hatten sie jemals nur zu zweit Zeit miteinander verbracht? Eigentlich ein schrecklicher Gedanke…
Prim hatte immer alles, was Praline so sehr ersehnte. Prim stand niemals im Mittelpunkt. Von klein auf durfte sie sich aussuchen, was sie mit ihrem Leben anstellen wollte. Dass man diese Freiheit nicht mit echter Freiheit verwechseln durfte, war Praline natürlich klar. Auch ihre Schwester durfte letztendlich nur machen, was Linlin gestattete. Aber das war schon deutlich mehr, als Praline von ihrer eigenen Lebensgestaltung behaupten konnte. Leben war das Stichwort. Denn, ob Praline in zwei Stunden noch leben würde, war alles andere als gewiss. Ihre Mutter, die Verkörperung alles Schlechten und die Antithese zur Freiheit stand nun zwischen Praline und dem friedlichen Zusammenleben mit ihrer neuen Familie. Die Strohhutbande war entkommen, Boss Jinbei blieb jedoch zurück, um das Überleben jedes einzelnen Fischmenschen zu garantieren. Selbst, wenn ihm das sein eigenes Leben kosten sollte. Diese Selbstaufopferung war Praline bis vor kurzem völlig fremd gewesen. Und heute hatte sie diese gleich zweimal erlebt. Bei Jinbei, aber auch bei allen anderen Fischmenschen. Sie alle würden, ohne mit der Wimper zu zucken, für ihren ehemaligen Kapitän sterben. Dieser Gedanke war unglaublich beflügelnd! Praline konnte nicht anders, als bei dem Anblick ihrer alten Familie zu lachen. Die Zeit des Singens war vorbei. Sie war bereit, für ihre neugewonnenen Ideale zu sterben. Freiheit. Ein Wert, für den es sich lohnt, bis auf den tot zu kämpfen!
Der Strohhut war entkommen, die Chance auf Anerkennung vertan. Prim schaute auf das chaotische Treiben im Meer. Das gerade die Fischmenschen zur Rettung kamen, um der Strohhutbande zur Flucht zu verhelfen, würde natürlich wieder ein schlechtes Bild auf sie werfen. Nicht aber auf ihre perfekte Zwillingsschwester… „Praline?“ Prim rieb sich die Augen, da sie ihnen nicht traute. Zwischen den tosenden Wellen machte die Meerjungfrau eine bekannte Silhouette aus. Doch, das war Praline, ganz sicher! Offensichtlich hatte sie sich auf die Seite der Verräter geschlagen. Kein Zweifel, Praline kämpfte Seite an Seite mit den Sonnenpiraten… Freudige Aufregung breitete sich in Prims Körper aus. Das Schicksal meinte es heute wohl doch gut mit ihr. Eine zweite Chance, sich zu beweisen und was für eine! Endlich würde ihre Schwester das bekommen, was sie verdiente!
1478
Chilo wollte nicht mehr. Wollte noch nie. Aber sie hatte keine andere Wahl. Die anderen Kinder waren in der Überzahl und selbst wenn nicht, wie sollte sie sich verteidigen? Wie sollte sie sich verteidigen ohne eine Grenze zu überschreiten, von der es kein Zurück mehr geben würde?
Sie hatten Chilo wieder so weit. Die bläuliche Bedrohung aufgerichteter Knochenstacheln glänzte im Licht von Eve, ein bezaubernder aber auch tödlicher Anblick.
Eine salzige Träne kämpfte sich ihre Wange hinunter. Wäre sie doch bloß anders geboren worden, harmloser.
Die übrigen Kinder schienen sich, wie immer, keiner Gefahr bewusst und strahlten nun mit übergroßen Augen auf den Körper des Igelfisch-Mädchens herab.
„Habt ihr nichts besseres zu tun als euch an Schwächeren zu vergreifen? Habe ich nicht schon euren Großeltern besseres im Dojo gelehrt?“, ertönte es hinter der weinenden Chilo.
„Aber Großmeister Narwal, wir wollen doch nur Chilo zum funkeln bringen. Ihre Stacheln sind schöner als der Schmuck der Königin!“, riefen die Kinder im Chor.
Es bedurfte keiner weiteren Worte des Großmeisters mehr. Der durchdringende Blick des Beluga-Fischmenschen genügte, um die versammelten Kinder zum Rückzug zu zwingen. Niemand wollte die Aufmerksamkeit von Narwal länger auf sich spüren als unbedingt nötig. Es hieß, er könne Seekönige mit einem bloßem Wimpernzucken außer Gefecht setzen.
„Chilo, richtig?“
Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und versuchte sich zu beruhigen. Als sich ihre Stacheln wieder langsam zurückzogen und auch ihr Glanz verdunkelte, war es ihr möglich den verschwommenen Blick auf den unvorstellbar alten Beluga vor sich zu richten.
Narwal war der vermutlich älteste Fischmensch auf dieser Welt. Als Erfinder des Fischmenschen-Kampfsports und Gründer des Karate-Dojo, welches als der Stolz der Insel bezeichnet wurde, genoss er eine der höchsten Stellungen in der Unterwassergesellschaft. Die Tatsache, dass er auch nur ein Wort mit Chilo wechselte und dieses nichtmal eine Rüge beinhaltete, war mehr Ehre als einem Igelfisch in ihrer gesamten Familienhistorie zuteil geworden war.
Von anderen Meeresbewohnern wurde ihre Gattung entweder gezielt als Bedrohung gejagt, oder zur Belustigung und Bewunderung bewusst gequält um die tödlich wirkendenGiftstacheln herauszulocken.
„Komm morgen früh in mein Dojo. Noch bevor sich die anderen Kinder auf den Weg machen.“
Und so begann Narwal damit, Chilo in den mysteriösen Wegen der Unterwasserkampfkunst auszubilden. Ihre Probleme lösten sich damit nicht in Luft auf. Im Gegenteil. Sie konnte nur zu den frühesten Morgenstunden trainieren, da sich die anderen Schüler aus Angst vor einer stressbedingten Abwehrreaktion des Igelfischtoxins weigerten, sie zu berühren. Zwar verfolgten die übrigen Kinder sie aus Angst vor Narwal nicht mehr, es brach jedoch eine völlige Isolation über sie herein. Niemand wollte mehr mit ihr sprechen. Sie hatte ihre Rolle auf der Insel gehabt. Das schweigsame gebeutelte Mädchen. Nur für Mitleid oder Schikane zu haben. Diese Rolle passte nun nicht mehr zu Chilo und dies passte den übrigen Bewohnern nicht. Eine Schülerin von Großmeister Narwal? Sondertrainingszeiten und Einzeltraining? Für ein armseliges Igelfisch-Mädchen?
Den altehrwürdigen Beluga kümmerte dies nicht. Im Gegenteil. Der Gründer des Dojoversuchte eine permanente Lösung für das Problem zu finden und geriet so auch an die Grenzen seiner Kunst.
„Fischmenschen-Karate basiert auf der Kontrolle des Wassers. Es zu formen, zu leiten und zu konzentrieren ist der Grundsatz unserer Kunst. Um diese Kontrolle zu erreichen müssen wir das Wasser berühren oder zumindest eine Berührung vortäuschen. Und genau hier liegt die Parallele zu deinem Problem: Die Kontrolle von anderen Personen.“
„Ich verstehe nicht Großmeister. Ich möchte andere nicht kontrollieren. Ich möchte nur normal leben, berühren und fühlen.“
Narwal runzelte die Stirn, sinnierte jedoch weiter: „Nun, das Wort Kontrolle war vielleicht etwas zu hoch gegriffen. Das Prinzip und Grundproblem bleibt aber. Wir müssen erreichen, dass du berühren kannst ohne tatsächlich zu berühren.“
„Berühren ohne zu berühren? Wie soll das funktionieren?“
„Eine neue Form des Fischmenschen-Karate.“
Ohne Vorwarnung riss Narwal seine rechte Faust hoch, zeigte in Richtung seiner ihmentfernt gegenübersitzenden Schülerin und stieß zu. Für den Bruchteil einer Sekunde passierte nichts. Doch bevor Chilo eine fragende Augenbraue in die Höhe ziehen konnte, spürte sie einen unvorstellbaren Druck in ihrem Inneren. Im nächsten Augenblick krachte sie gegen die rückwärtige Wand des Dojo. Geschockt starrte sie zur Raummitte.
„Wir saßen uns mit mindestens fünf Metern Abstand gegenüber! Großmeister, habt ihr euch bisher nur zurückgehalten und seid etwa noch schneller?“
Es hieß, seine Geschwindigkeit sei auf Augenhöhe mit den Segelfisch-Männern im Dojo, aber selbst deren Bewegungen konnte Chilo gut nachverfolgen, wenn sie sich heimlich an die Fenster schlich um die Tagestrainings zu beobachten.
„Du begreifst nicht Chilo. Ich habe dich nicht berührt. Zumindest nicht so, wie du es erwarten würdest.“
Chilo musste schwer schlucken.
„Großmeister, was habt ihr getan?“
„Ich habe das Fischmenschen-Karate nach hunderten von Jahren neu entdeckt. Vielleicht habe ich es auch jetzt erst in seiner wahren Form begriffen. Ja, unsere Kunst ist die Kontrolle des Wassers. Aber nicht nur des Wassers um uns herum, nein, auch des Wassers in uns.“
Die Realisation des Gesagten traf Chilo beinahe wie der Schlag zuvor.
Narwal und seine unscheinbare Schülerin behielten die revolutionäre Entdeckung zunächst für sich. Neben den frühmorgentlichen Trainings nutzten sie nunmehr auch die Nachtzeit um die neue Form des Fischmenschen-Karate zu verstehen und zu meistern.
Chilo machte ungeahnte Fortschritte. Wie Narwal angedeutet hatte, konnte auch sie mittlerweile erkennen was berühren ohne zu berühren für eine Igelfischin bedeuten könnte. Sie könnte Kontakt zu anderen Fischmenschen haben, ohne diese auch nur Ansatzweise in Gefahr zu bringen. Dazu bedurfte es allerdings einer subtileren Form der inneren Wasserkontrolle. Ihre Kampfkunst musste sanft werden, beinahe ein streicheln statt stoßen und ziehen.
„Ich glaube nicht, dass ich jemals so beeindruckt war, einen so sanften Fauststoß von einem Schüler bekommen zu haben. Chilo, ich bin stolz auf dich.“
Chilo war den Tränen nahe. Ein früher so gewohntes Gefühl wirkte mittlerweile fast fremd für sie. Es waren keine Tränen aus Furcht oder Trauer, was war dieses neue unbekannte Gefühl?
„Ich möchte dir hiermit, als erster Schülerin in der Geschichte des Dojo, ohne vorhergehende Prüfung den 1. Dan verleihen.“
Narwal band sich seinen eigenen, schon verblichenen Schwarzgurt ab und hielt ihn in Richtung seiner ungläubigen Schülerin.
„Aber Großmeister Narwal, das ist euer Gurt. Ich kann das nicht annehmen.“
„Unsinn. Ohne dich hätte ich nie die Kunst neu erdenken müssen. Ohne die nächtlichen Trainings und die ungewöhnliche Herangehensweise zur Lösung deiner Probleme hätte ich nie die Techniken in ihrer Gänze ergründet. Es ist mir eine Ehre meinen Gurt an dich weiterzugeben.“
Chilo konnte es nicht fassen. Von der traurigen hoffnungslosen Igelfischin zu einer der ranghöchsten Mitglieder des Dojo? Dazu die Möglichkeit endlich ihre Mitfischmenschen ohne Angst vor Konsequenzen zu berühren?
Sie konnte die Tränen endgültig nicht mehr zurückhalten. Sie erahnte nun auch das Gefühl, welches den salzigen Strom in ihr hervorrief: Freude.
Es war ein Reflex. Sie tat es aus Freude. Nur war ihr nicht bewusst, dass dieses neue Gefühl für ihren besonderen Körper genau so wirkte wie Angst. Wie konnte sie es auch wissen? Freude war für Chilo bislang nur ein Gerücht gewesen. Als sie den unverhofften Narwal freudenstrahlend in ihre Arme schloss, aktivierte ihr gesteigertes Adrenalin die Knochenstacheln und das darin gespeicherte Toxin.
Der Großmeister und Begründer des Fischmenschen-Karate verstarb auf der Stelle im bläulichen Glanz des Giftes.
Akt l: Rache
Ding Ding - Ding Ding - Ding Ding - Ding Ding
Die Schiffsglocke schlug Alarm, es kam Bewegung ins Schiff, Befehle wurden gebrüllt:
"Peilung 2 Strich steuerbord voraus."
Die Kanonen wurden bestückt, die Messer gewetzt und die Pistolen geladen, jeder Flossengriff saß.
Keine 2 Minuten nachdem der Alarm verstummt war, kehrte Ruhe ein, die Vorbereitungen zum bevorstehenden Kampf waren getroffen.
Langsam fing die Mannschaft an, einen mantraartigen Gesang anzustimmen:
"Boss - Boss - Boss - Boss - Boss - Boss - Boss - Boss - Boss - Boss - Boss - Boss"
Der Chorus schwoll an, wurde lauter, erhaben:
"Boss - Boss - Boss - Boss - Boss - Boss - Boss - Boss - Boss - Boss - Boss - Boss"
Auf dem Höhepunkt verstummten augenblicklich alle als ihr Kapitän das Deck betrat, er bot einen mächtigen Eindruck, verstärkt durch seine grimmige Miene hatte er eine gewaltige Ausstrahlung.
"Endlich haben wir es geschafft seinen Mörder ausfindig zu machen, bei unserer Ehre und Liebe werden wir Rache nehmen!"
Sein Bariton erschwoll über das gesamte Deck und entfachte den glühenden Kampfeswillen und brodelten Rachedurst seiner Mannschaft.
Das Schiff glich einem Pulverfass das kurz vor der Explosion stand.
Ihr Kapitän stellte sich an das allzu vertraute Steuerruder und rief Befehle:
"Schützenmannschaft an die Kanonen, Entermannschaft bereithalten, Schwimmer ins Meer - volle Kraft voraus!"
Sofort sprangen 20 Fischmenschen, angebunden mit Seilen, über die Reling und schwammen mit gewaltiger Geschwindigkeit vorwärts, das Schiff hinter sich herziehend.
Ihre Beute war nun deutlich zu sehen und auch sie waren offensichtlich endlich entdeckt worden, so hörten sie die Alarmpfeifen der Wachmannschaft über das Wasser.
Zu spät, denn sie hatten noch ein Ass im Ärmel, ein weiterer Befehl ertönte und weitere Fischmenschen sprangen von Bord und tauchten in erschreckender Rasanz zum feindlichen Schiff.
Bevor das Marineschiff ein Manöver starten konnte, wurden sie bereits von allen Seiten unter Feuer gesetzt. Doch keine normalen Kugeln flogen durch die Luft, im Fischmenschenkarate geschulte Fischmenschen reichen bereits die geringsten Mengen Wasser um aus ihnen tödliche Geschoße zu machen, und hier waren sie auf dem Meer.
Bevor die Snapper Head in Enterreichweite kam, hörten sie schon die Schreie und Einschläge auf dem feindlichen Schiff.
Durch ein gewagten Manöver brachte ihr Kapitän das Schiff bei voller Geschwindigkeit seitlich an das Marineschiff,
"Feuer!"
Die Kanonen brüllten, ihre tödliche Ladung ergoss sich in einer Breitseite die das gegnerische Schiff zum wanken brachte.
Jeder wusste was als nächstes kam, alle Sinne waren geschärft, jeder Muskel gespannt, wartend auf den Befehl.
"Entern!"
Wie eine angepannte Feder, sprang die Mannschaft, allen voran ihr Kapitän auf das feindliche Schiff.
"Findet Kadahl!"
Kadahl, ein Name der sich in jeden einzelnen der Sonnen-Piraten eingebrannt hatte, Kadahl, der Mörder von Fisher Tiger.
Die Blamage die die Sonnen-Piraten Kadahl zugefügt hatten als sie ihn besiegten und so seinen Auftrag ehemalige Sklaven der Himmelsmenschen zurückzuholen vereitelten, nagte an ihm und 3 Jahre später bekam er Informationen um Fisher Tiger eine Falle stellen zu können. Nachdem dieser ein ehemaliges Sklavenmädchen sicher in ihr Heimatdorf gebracht hatte, schnappte die Falle zu.
Zusammen mit einem weiteren Konteradmiral und einem ganzen Regiment Marinesoldaten lauerten sie Fisher Tiger auf seinem Rückweg auf.
Die Sonnen-Piraten konnten ihren damaligen Kapitän zwar zu Hilfe eilen und mit ihm fliehen, doch wurde Fisher Tiger tödlich verwundet und ertrug es nicht das Blut eines Menschens anzunehmen.
So verstarb ihr Kapitän und selbst in seinem zukünftigen Nachfolger, der sonst für seine Ritterlichkeit bekannt war, entfachte ein unbändiger Zorn.
Dieser Zorn schwemmte nun über das Marineschiff, drohte es gar zu ertränken, doch eine kleine Gruppe Marinesoldaten zusammen mit Konteradmiral Strawberry leisteten noch erbitterten Widerstand, Strawberry der Mann der Kadahl bei seinem Hinterhalt geholfen hatte.
Während seine Mannschaft das Hauptdeck überflutete, konzentrierte sich ihr Boss auf die kleine Widerstandsgruppe auf dem Oberdeck. Mit einem gewaltigen Sprung schoss sein mächtiger Körper vorwärts, direkt zwischen die Reihen der Marinesoldaten, mit schnellen Schlägen und einer überwältigenden Kraft sprengte er die Verteidigungsformation der Marine auseinander, seine Mannschaft zögerte keine Sekunde und fiel über die überrumpelten Soldaten her.
Strawberry, der einige Meter nach hinten geworfen wurde aber ansonsten unverletzt war, erkannte das er nur eine Chance hatte, er musste den Anführer der Piraten besiegen.
Doch der Pirat war ihm voraus und schleuderte wilde Wasserpfeile ihn seine Richtung.
Strawberry konnte diese knapp mit seinen Schwertern abwehren, doch kaum wollte er zum Gegenangriff übergehen bohrte sich auf einmal ein Speer in seine Eingeweide, nein kein Speer, eine Faust.
Strawberry erkannte seinen Fehler zu spät, die Wasserpfeile waren nur die Ablenkung , so traf ihn der perfekt ausgeführte Schlag eines Fischmenschenkarate-Meisters ohne Vorwarnung und mit voller Härte auf den Solarplexus.
Blutspuckend und nach Luft keuchend sankte der Konteradmiral auf die Knie, ein Gigant von Fischmensch vor ihm, noch immer in Kampfstellung.
Nach und nach schwappten die Schreie und Kampfgeräusche ab nachdem sich die letzten Marinesoldaten einer nach dem anderen ergaben und auch die Fischmenschen, die eben noch vom Blutdurst berauscht waren, wachten langsam wie aus einer Trance auf.
Alle blickten auf die Szenerie auf dem Oberdeck und warteten darauf was als nächstes passieren würde.
Ihr Kapitän fixierte den Konteradmiral mit einem Blick der selbst seine Mannschaft erschaudern ließ. Der Durst nach Rache war sichtbar zu spüren. Die Zeit verlief wie in Zeitlupe während ihr Boss zu einem weiteren Schlag ausholte. Strawberry schloss die Augen.
Doch Jinbei erinnerte sich auf einmal wieder an die Wörter seines Mentors:
"Wenn wir sie töten, verlieren wir!! Wollt ihr so werden wie sie?!"
Er erinnerte sich wieder an jenen Tag als er und Arlong fast zu weit gegangen wären, damals bei ihrem ersten aufeinandertreffen mit Kadahl. Der Sinn nach Rache war noch stark, doch er wurde nicht umsonst der Ritter der Meere genannt und so trieb er den blutroten Nebel der seine Sicht einschränkte zurück und hielt, die Faust erhoben, inne.
Strawberry kam es so vor als wären Minuten verstrichen, doch der erwartete Schlag kam nicht, als er endlich die Augen öffnete sah er den eben noch monströsen Fischmenschen vor sich sitzend.
Noch kniend, gaben seine Beine nun vollends nach und er fiel rückwärts auf den Hintern, beide Beine nach vorne ausgestreckt.
Strawberry sah sich um, auch die anderen Fischmenschen hatten sich beruhigt, als wären sie und ihr Kapitän eins im Geiste.
Jinbei wartete bis Strawberrys Blick wieder auf ihn fiel, bevor er zu ihm sprach:
"Unser Rachedurst hat uns geblendet und wahnsinnig werden lassen.
Nichtsdestotrotz müssen wir wissen wo sich Konteradmiral Kadahl befindet?"
Strawberry atmete langsam durch und antwortete:
"Konteradmiral Kadahl befindet sich in unserem Gewahrsam, er wird beschuldigt unschuldige Inselbewohner in die Sklaverei verkauft zu haben.
Wir sind gerade dabei ihn nach Enies Lobby zu bringen, wo er seine Strafe erhalten wird."
Daraufhin legte Jinbei die Stirn in Falten, so in Gedanken versunken verstrichen einige Minuten bis er wieder anfing zu sprechen:
"Im Gedenken an unseren großen Bruder Fisher Tiger verzichten wir auf unsere Rache, solange Kadahl für uns zufriedenstellend von euch bestraft wird."
Strawberry konnte kaum glauben was er hörte, doch er fasste sich schnell, er war kein Anhänger der absoluten Gerechtigkeit wie ein paar seiner Offiziers-Kollegen, er konnte eine Niederlage akzeptieren solange seine Männer nicht in unmittelbarer Gefahr waren.
Jinbei stand langsam auf und war im Begriff das Marineschiff zu verlassen, als er sich nocheinmal umdrehte und fragte:
"Wird immer noch ein neues Mitglied für die 7 Samurai der Meere gesucht?!"
Ich sitze an meinem Schreibtisch und schaue aus dem Fenster. Draußen kann ich im fahlen Abendlicht Kinder in einer Grube spielen sehen. Im Winter rodeln sie hier, ansonsten spielen sie Fangen, bauen Sandburgen oder so etwas; ich schenke dem wenig Beachtung. Die Grube aber war früher der Schindanger unserer schönen Stadt und ein paar tausend Meter unter mir leben die, für die er einst bestimmt war.
Schönheit ist beängstigend, zum Glück begegnet man ihr nur selten. Bei den Fischmenschen begegnet man ihr überhaupt nicht. Im Gegenteil, ihre Physiognomie widert einen an. Halb Mensch, halb Fisch sind sie unsägliche Zwittergeschöpfe, eine peinliche Unentschiedenheit der Natur. Im schwächer werdenden Licht in meiner Arbeitsstube sehe ich sie vor mir mit ihren glotzenden Glubschaugen, hinter denen kein Funken Intelligenz auszumachen ist, den überproportionierten Oberkörpern und ihren verdammten Haaren. Es heißt, sie hätten den Oberkörper von Fischen, wie können sie dann Haare haben? Ihre Existenz ist unlogisch, ein zynischer Witz. Ich kratze mir den kahlen Kopf, der auf meinem menschlichen Oberkörper sitzt, und denke an Fische mit Salonfrisur, mir wird übel.
Manchmal habe ich recht explizite Gewaltfantasien. Ich stelle mir vor, wie das wäre, jemandem einen Peitschenhieb zu versetzen oder ihn anderweitig zu demütigen, nicht selten kommt einem Fischmenschen diese Rolle zu. Manche meiner Mitbürger haben diesbezüglich wenig Skrupel, sie toben sich nach Lust und Laune an ihren Sklaven aus. Mir verschafft das keine Befriedigung. Eine Demütigung ist nur reizvoll, wenn sie wechselseitig mit einer Erhöhung des Demütigenden einhergeht. Sowas ist an diesem Ort aber undenkbar, es gibt keine Möglichkeit, wie ich mich hier über meinesgleichen erhöhen könnte – und die allgemeine Wertlosigkeit unserer Sklaven ist ohnehin ein anerkanntes Faktum.
Nun könnte man sich natürlich zwecks Durchführung der Demütigung eine andere Bühne suchen, man könnte zum einfachen Volk hinabsteigen und ihm seine Göttlichkeit demonstrieren. Allerdings, ich gebe es frei zu, habe ich davor Angst. Alles, was sie davon abhielte, mir Gewalt anzutun, wäre der Gedanke an die ferne, wenn auch gewisse Vergeltung. Von der ich aber außer etwas Schadenfreude nichts hätte, wenn sie mich vorher im Affekt töteten. Und dabei, so realistisch muss man sein, hätten sie leichtes Spiel. Ich bin eher klein und kränkle in letzter Zeit etwas. Sie würden mich in Stücke reißen. Nein, das ist mir als Sicherheit alles zu fragil, zu mittelbar. Ich bleibe dabei, wenn man den Fischmenschen Gewalt antun will, bleibt einem langfristig nur der Gang durch die Institutionen.
Aber was genau sollte man tun? Ein Feldzug gegen die Fischmenscheninsel ist ein militärischer Alptraum. Ich habe es oft in Gedanken durchgespielt und bin stets zu dem Ergebnis gekommen, dass es schlicht meine Möglichkeiten übersteigt, ein solches Unterfangen in die Wege zu leiten, geschweige denn, es erfolgreich auszuführen.
Es ist jetzt dunkel, die Kinder sind heim gegangen, ich entscheide mich, spazieren zu gehen. Unterwegs kommen mir häufig die besten Ideen, außerdem war ich heute noch nicht an der frischen Luft.
Draußen zieht es mich in Richtung der Spielgrube. Ein unbestimmtes Glücksgefühl durchströmt mich, es ist wahrscheinlich das Wissen um die Bedeutung dieses Platzes, an dem man die Kadaver der Fischmenschen und die von Eseln, Hunden und Ratten unterschiedslos den Aasfressern überließ. Die Einfachheit und die Eleganz dieser Beleidigung versetzen mich geradezu in Ekstase. Ich gehe erfreut weiter und zertrete vor Überschwang eine Sandburg.Jetzt kommt mir tatsächlich jemand entgegen und er hat einen Sklaven dabei, der ihm die Schleppe hinterherträgt. Es ist eine junge Frau, nicht übel, Genaues kann ich in der Dunkelheit nicht erkennen. Wir nicken uns zu, ich beglückwünsche ihn zu seiner Anschaffung. Ich muss etwas hüsteln, meine Stimme wird brüchig, schnell gehe ich weiter.
Immerhin hatte er keinen Fischmenschen im Schlepptau, dieser Anblick hätte mir die schöne Augenblicksstimmung sicherlich verdorben. Allerdings kauft die heutzutage sowieso kaum noch jemand. Sie sind zwar gar nicht so einfach zu beschaffen, trotzdem sind die Preise für sie seit Jahren im Keller. Selbstverständlich ist das so. Sie taugen zu nichts außer schwerer körperlicher Arbeit und davon gibt es hier immer weniger zu verrichten. Manche von uns halten sich kleine Kuriositätenkabinette, da darf ein Fischmensch natürlich nicht fehlen. Nichtsdestotrotz, wäre ich Sklavenhändler, ich würde diesen Markt allmählich aufgeben.Wieder an meinem Schreibtisch nehme ich Papier und Tinte zur Hand und formuliere das Ersuchen, den Kinderspielplatz vor meinem Fenster stillzulegen. Ich füge einen Absatz bei, in dem ich anrege, zur Erschließung der hohen Lebensweise unserer ehrwürdigen Vorfahren an dieser Stelle Ausgrabungen vorzunehmen, und erbiete mich als Aufsicht an. Lange habe ich überlegt, ob ich direkt die neuerliche Inbetriebnahme des Schindangers fordern sollte. Doch ich bin zu dem Schluss gekommen, dass das kaum konsensfähig sein dürfte. Seltsamerweise hat ein Großteil meiner Mitbürger eine Abneigung gegen Leichenberge in ihrer Stadt entwickelt. Sie scheinen die Konsequenz einer dauerhaften, auch symbolischen Egalisierung von Fischmensch und Tier nicht zu erkennen: Der Mensch fängt erst da an, wo das Tier aufhört, schon der Begriff Fischmensch ist ein Widerspruch in sich, der mich wütend macht.
Wie gesagt, das ist aussichtslos. Meine einzige Chance, die Kinder zu vertreiben und gleichzeitig tote Fischmenschen zu Gesicht zu bekommen, ist die Beschriebene. Zwar kann ich nicht sagen, dass ich ehrliches Interesse an unseren Vorfahren hätte, aber hinter Begriffen wie „Kultur“, „Geschichte“ und „Andenken“, die ich sorgsam in meinen Text eingebaut habe, kann ich meine Absichten am besten tarnen.
Ich betrachte dieses scheinheilige Verhehlen des Wesentlichen als eine politische Notwendigkeit, deshalb hasse ich die Politik eigentlich. Keiner der Idioten um mich herum könnte auch nur in Ansätzen sagen, was die Essenz der „Kultur“ unserer Stadt ausmacht, trotzdem sind sie alle felsenfest davon überzeugt, dass wir im Zentrum der zivilisierten Welt leben. Anders als sie mache ich mir nichts vor, gehe nicht ins Theater, obwohl es mich zu Tode langweilt und besuche keine abendlichen Empfänge mit Anzügen, Zigarren, teurem Rotwein und was dort noch alles zum Verständnis von hoher Gesellschaft gehören mag. Ich bin ein Mann von einfachen Freuden, es genügt mir, meinen stillen Konflikt mit den Fischmenschen tief unter meinen Füßen auszufechten.
Guter Laune begebe ich mich ins Bett. Was meinen Entwurf anbelangt, den werde ich morgen wohl doch nicht einreichen. Es ist mir plötzlich zuwider, mich an dieses hohle Geschwafel von der Geschichte unserer Ahnen anzubiedern. Das Signum des Verrats an meiner eigenen Integrität schwebt vor mir, ich komme mir vor wie ein erbärmlicher Opportunist. Nein, ich werde einen anderen Weg finden müssen. Morgen. Ich habe ja den ganzen Tag Zeit.