Moin Moin,
da sitze ich hier im hohen Norden, bin umkreist von Möwen und rümpfe beim Geruch einer Fischsemmel angewidert die Nase, aber wohl das perfekte Setting, um in die zweite Runde der Meervölker zu starten.
Schauen wir einmal, in welche Richtung die Autoren ihre Geschichten gelenkt haben und ob sie in der Lage waren, auf Kritiken einzugehen und sich in ihrem Schreibstil weiterzuentwickeln.
Zum Thema Kritiken noch einmal ein kleiner Hinweis: Ihr müsst keine Romane schreiben. Es genügen auch zwei Stichpunkte pro Text, was euch gut gefallen hat und was ihr verbessern würdet! Gebt den Autoren doch hier die Möglichkeit, sich weiter zu entwickeln! Danke
Außerdem haben wir die Umfragezeit jetzt auf 36h erhöht. Die Umfrage endet am 01.11 um 22 Uhr.
Der letzte klare Moment
Text 1: Alltägliche Betrachtungen
Der entscheidende Moment
Text 1: Mutterliebe
Exil
Text 1: Freudentränen
1490
Zwölf Jahre. Eine gewaltige Zeitspanne um sie in völliger Isolation zu verbringen. Zwölf Jahre ohne jeglichen Fischmenschenkontakt. Sie wünschte sich beinahe die Zeiten der Erniedrigung zurück.
„Sie hat ihn getötet! Verdammte Gifthexe! Der Großmeister ist tot, der Stolz der Insel wurde begraben!“
Das Licht von Eve tat Chilo heute keinen Gefallen. Durch die Lichtstrahlen spiegelte sich ihr Gesicht im Großteil ihrer Umgebung wieder. Das letzte was Chilo sehen wollte, war ihr Gesicht. Am liebsten hätte sie dieses Gesicht vor zwölf Jahren zum letzten Mal gesehen. Nicht, dass sie nicht alles dafür getan hätte, jedoch war sie bisher immer an ihrem eigenen verdammten Selbsterhaltungstrieb gescheitert.
In ihrer Verbannung hatte sie viel Zeit zum nachdenken. Viel Zeit, um in Selbstmitleid zu versinken. Viel Zeit, um absolut nichts zu tun.
„Seht! Sie hat sogar den Schwarzgurt von Narwal an sich genommen! Diebin!“
Als sich Chilo also mal wieder vor ihrem eigenen Spiegelbild ekelte, entdeckte sie im Hintergrund ihrer Spiegelung noch eine weitere Figur. Ein bläulicher Fisch-Junge mit schwarzem strubbeligem Haar, zwei spitzen Reißzähnen und bulliger Statur ließ sich ebenfalls in einer der Strömungen treiben, in der auch Chilo ihr Dasein fristete. Er war mit zahlreichen Blessuren und Schnittwunden übersät, seine Stirn war in Zornesfalten gelegt und seine wässrig schimmernden Augen kündeten einen Schwall Tränen an.
Was sollte das?
„Was soll das?“, wiederholte Chilo ihre Gedanken laut.
Der Junge würdigte Chilo keines Blickes, im Gegenteil, er schloss gar seine Augen und ließ sich weiter treiben.
Von einer ungewohnten Wut erfasst, raffte sich Chilo auf und schwamm zu dem Eindringling. Beinahe hätte sie ihn berührt und wachgerüttelt, bis sie kurz vor einer Kollision beinahe schmerzerfüllt zurückzuckte und sich wieder einige Schwimmzüge zurückzog.
„Exekution! Und die Familie gleich mit! Wir dürfen nicht zulassen, dass so etwas noch einmal passiert. Wer ist als nächstes dran? Die Königsfamilie? Wir benötigen ein Mahnmal für alle Giftfisch-Menschen!“
Wie unbekümmert sie diesen kleinen Jungen berührt hätte. Was war in sie gefahren? War schon wieder alles vergessen? Erinnerungsfetzen an einen weißen Beluga und blaue Knochenstacheln zogen an ihr vorbei.
Sie schluckte schwer.
„Hey, Junge! Ich weiß nicht was du hier tust, aber das ist mein Exil!“
„Hmpf.“
„Das ist alles, was du zu deiner Verteidigung zu sagen hast?“
„Hmpf.“
Wieder von einem Schwall unüblicher Wut überkommen, schlug Chilo energisch die Hände zusammen. Eine Geste, welche den Jungen aufwecken und seine Aufmerksamkeit auf Chilo legen sollte.
Was die Geste jedoch bewirkte war, dass sich ein Wasserstrudel bildete, welcher den Jungen erfasste, dutzende Meter durch die Strömungen wirbelte und schließlich auf den Meeresboden aufschlagen ließ.
Geschockt eilte Chilo zum Meeresboden. Der Junge war bewusstlos.
*
„Wir sind doch keine Barbaren! Nein, ein Fischmenschenleben verloren zu haben genügt. Chilo Diodon, hiermit verurteilt dich das oberste Fischmenschengericht zu einem Leben im Exil! Du wirst die Fischmenscheninsel umgehend verlassen.“
Chilo stand über dem bewusstlosen Jungen. Er durfte kaum älter sein, als Chilo, als sie erstmals auf Meister Narwal getroffen war. Während sie damals ein abgemagertes untersetztes Igelfisch-Mädchen gewesen war, gehörte der Junge vor ihr offensichtlich zur Gattung der Walhaie, was sich auch in dessen kräftigen Erscheinungsbild widerspiegelte.
„Hey Junge, wach auf!“
Chilo lief rot an. Ob aus Scham oder Wut wusste sie selbst nicht. Zwölf Jahre Isolation hatten ihr nicht gerade bei der Einordnung von Gefühlen geholfen. Nichtsdestotrotz war es ihr merklich unangenehm einen kleinen Jungen niedergeschlagen zu haben. Schon wieder hatte sie sich nicht unter Kontrolle gehabt. Wie weit sollte sie noch gehen? Wenn das hier schief lief, würde das Exil vielleicht doch noch in eine Exekution umgewandelt. Aber andererseits, was machte das schon?
„Ich weiß nicht, was wieder in mich gefahren ist. Ich wollte das nicht. Ich habe mir selbst geschworen kein Karate mehr anzuwenden. Es war ein Versehen. Bitte wach auf. Bitte.“
Der Junge zuckte mit den Augenliedern. Er stöhnte schwer, setzte sich aber schließlich auf und rieb sich den Kopf.
„Karate?“, presste der Walhai-Junge aus aufgeplatzten Lippen hervor.
„Fischmenschen-Karate. Kennt man das auf der Insel nicht mehr?“
„Hmpf. Es ist verboten worden. Zumindest für Kinder. Ich kenne Niemanden der es noch ausübt.“
Chilo war geschockt. Wie weit reichte ihr Fehler noch? Es war ein Unfall gewesen, verdammt.
Faules Obst prasselte auf Chilo nieder. Sie hielt es kaum aus, die Menge anzublicken. Irgendetwas hartes traf sie am Kopf und sie fiel zu Boden. Als sie sich wieder aufrichtete, konnte sie in der Menge ihre Eltern erblicken. Sie hatten sich vermummt, waren nur an ihren Augen zu erkennen. Als sich ihre Blicke trafen, konnten die beiden älteren Igelfische den Blickkontakt nicht halten. Ihre Eltern wandten sich ab und verschwanden in der Masse.
„Kehr nie wieder zurück, Fluch der Insel!“
Chilo riss sich wieder aus ihren Gedanken. Der Junge starrte sie stirnrunzelnd an.
„Du bist Chilo Diodon, oder?“
Sie ignorierte ihn.
„Warum bist du überhaupt hier? Die Insel ist mindestens einen halben Tag von hier entfernt.“
„Hmpf.“
„Nun gut, deine Sache. Ich werde dir etwas Proviant mitgeben und dann zeige ich dir den Weg zurück. Aber versprich mir bitte, dass du über unser Zusammentreffen schweigst.“
Der kleine Walhai schüttelte vehement den Kopf. Er klopfte sich die Schultern ab, stand auf und sprach mit ernstem Blick:
„Ich möchte, dass du mir Fischmenschen-Karate lehrst.“
1492
Die Menge tuschelte. Ungläubige Blicke richteten sich auf das ungleiche Duo. Ein beängstigend kräftiger Walhai-Junge und eine neben ihm fast unsichtbar erscheinende Igelfisch-Frau betraten den Gyoncorde Plaza.
Ein Großteil der Bevölkerung war versammelt, auch diverse Mitglieder der Fischmenschen Justiz. Die Frau war keine Unbekannte. Es war Chilo Diodon.
„Wieso bist du damals bei mir aufgetaucht? Es war kein Zufall gewesen, oder?“
„Nein. Das Dojo war der Stolz der Insel. Du hast diesen Stolz vielleicht vorübergehend begraben, aber du kannst ihn auch wiederherstellen. Wir brauchen das Dojo. Das Fischmenschenviertel braucht das Dojo. Es ist deine Pflicht, die Kunst zur Insel zurückzubringen.“
Chilo trat in das Zentrum des Gyoncorde Plaza.
„Ich weiß, ihr hasst mich. Entweder weil ihr mich kanntet, oder weil euch meine schreckliche Tat überliefert wurde. Ich beschönige nichts. Ich hasse mich selbst.“
Das Tuscheln wurde lauter.
„Das Dojo war der Stolz der Insel. Narwal war die Galionsfigur dieses Stolzes. Er war der beste Fischmensch den ich je kennenlernen durfte. Er war, was ich immer sein wollte. Aber er hätte nie gewollt, dass wir die Kunst begraben. Das Fischmenschen-Karate war sein Leben. Wir hatten gerade gemeinsam die nächste Ebene der Kunst entdeckt, als, als…“
Sie stockte. Die Worte blieben ihr im Halse stecken. Sie verlor ihren Mut. Doch dann spürte sie eine beruhigende Hand auf ihrer Schulter. Sie blickte zu ihrem ersten und einzigen Schüler. Sein strenger, aber bestärkender Blick ließ keinen Zweifel zu. Sie musste diese Rede halten, sie hatte kein Recht sich weiter zu geißeln und zu verkriechen.
„Die Insel braucht das Dojo. Die Kinder brauchen das Dojo. Wir dürfen den zukünftigen Generationen nicht die Chance nehmen sich selbst zu festigen und ihr Bewusstsein für sich und ihre Umgebung zu stärken. Ich werde das Dojo neu eröffnen und lade hiermit jeden dazu ein zu trainieren. Zu jeder Zeit! Ich werde mein Exil im Dojo fortsetzen. Wer etwas dagegen hat, ihr wisst jetzt wo ihr mich findet!“
Entschlossen schritten Meisterin und Schüler vom Plaza in Richtung des Dojo.
Die Menge zögerte.
Gefangen
Text 1: Boss
Wie erstarrt kauerte er auf seiner Pritsche, die Kampfgeräusche und Schreie ein unentfliehbares Grauen, Angst pochte, schlug geradezu gegen sein Herz als wollte es sagen:
"Flieh, verschwinde, hau ab!" - doch wohin sollte er, eingesperrt in der Brigg gab es für ihn nur eine Freiheit, zwei mal zwei Meter groß, gerade genug für die Pritsche, einen Eimer und ihn selbst.
Doch der Lärm ebbte ab, er wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, doch es fühlte sich wie eine halbe Ewigkeit an bis er endlich Schritte vernahm. *Klang* - Das vertraute Geräusch des schweren Zellenschlüssels wenn er ins Schloss geschoben wird - *Klick* - die Zellentür öffnete sich, sein Herz zersprang beinahe vor Anspannung, es war Strawberry, sein ehemaliger Kollege und Freund.
Jetzt da er sich wieder in relativer Sicherheit wiegen konnte, legte er sich auf seine Pritsche, den Rücken zur Tür und ignorierte was sein Wärter ihm sagte. Einen Moment später hörte er wie sich die Tür schloss und der Schlüssel ihn wieder einsperrte. Er begann wegzudösen, mehr konnte er in seinem Gefängnis sowieso nicht machen.
Als er wach wurde fiel er fast von seiner Pritsche, nein, nicht seine Pritsche, er lag auf einem Bett oder wenigstens etwas weitaus bequemeren, der Raum war ebenfalls wesentlich größer und nicht mehr das vertraute Holz umgab ihn, sondern Mauern aus Stein. Wo zuvor die Zellentür war, befanden sich jetzt eiserne Gitterstäbe vom Boden bis zur Decke. Er sah eine jemanden hinter den Stäben stehen, nachdem er sich langsam an die Helligkeit im Raum gewöhnt hatte, erkannte er Strawberry:
"Wir befinden uns auf der Insel Brisenwind, wir müssen Reparaturen am Schiff durchführen, solange wirst du hier im Gemeindegefängnis untergebracht."
Kaum waren die Worte gesprochen, machte Strawberry auf dem Absatz kehrt und verließ den Raum. Kadahl blieb verdutzt zurück.
So vergingen zwei Tage ohne Ereignisse, aber an den eintönigen Alltag war Kadahl längst gewöhnt.
In mitten der Nacht auf den dritten Tag erwachte Kadahl aus einem Albtraum, es war nicht der erste Albtraum dieser Art - meist befand er sich auf seinem ersten Posten als Kadett an Bord einer Marine-Fregatte - alles schien normal, der Himmel war blau, die See ruhig - doch auf einmal verdunkelte sich der Himmel und die See wurde tobend - ein Geisterschiff wuchs hinter der Fregatte aus den Fluten empor - grauenerregende Wesen mit rasiermesserscharfen Zähnen und Tentakeln zeichneten sich an Bord des Geisterschiffs ab - dann füllte sich das Meer mit Blut als die schauderhaften Monster über sie herfielen - der Albtraum endete immer erst sobald er es schaffte sich in einem halb gefüllten Apfelfass zu verstecken. Der Albtraum erinnerte ihn stets an jenen furchtbaren Tag, jenen Tag an dem er die grausamen Fischmenschen kennenlernte.
Dem Schlaf überdrüssig stieg Kadahl aus dem schweißgebadeten Bett und blickte aus dem vergitterten Fenster, es war äußerst neblig doch er konnte ein großes Schiff in der Bucht ausmachen, etwas kam ihm unheimlich bekannt vor und eine kalte Furcht schlich sich an ihn heran, er merkte erst wie sehr er zitterte als er seine Zähne im Stakkato klappern hörte. Er versuchte sich zu beruhigen, seine ehemaligen Kollegen standen schließlich Wache und als Gefangener befand man sich immerhin nicht in unmittelbarer Gefahr. Kaum hatten ihn seine Gedanken einigermaßen beruhigt, hörte er auf einmal eine ohrenbetäubende Kanonade, er sah wie überall in der kleinen Stadt Feuer ausbrach, die Verteidigungsanlagen waren in einer Breitseite vollkommen verwüstet worden. Der Nebel lichtete sich ein wenig und der Mond fand kurzzeitig seinen Weg durch die Wolkendecke, sodass Kadahl einen guten Blick auf das Schiff werfen konnte und ihm sank das Herz zu Boden. Er erkannte das Geisterschiff aus seinen Albträumen, nein, von damals wieder. Unweit von ihm hörte er wie Alarm geläutet wurde. Die stationierten Marinesoldaten und selbst die Stadtmiliz machten sich kampfbereit, Strawberry sicherte mit seinen Soldaten die Flanken und möglichen Fluchtweg ins Inselinnere.
Kadahl sah mit schrecken geweiteten Augen wie die Kreaturen aus seinen Albträumen langsam aus den Wogen marschierten, eine zweite Breitseite zielte auf die Formation der Verteidiger und sprengte sie entzwei, wie Bestien fielen die Angreifer über die Stadt her, die Soldaten und Miliz, immer noch benommen durch den direkten Beschuss hatten keine Chance und die Straßen quollen über mit Blut.
Strawberry sah das die Schlacht verloren war und versuchte so viele der Stadtbewohner wie möglich zu retten, ihn durchzuckte Zorn als er die Schreie der letzten Verteidigungsbastion in der Stadt hörte, doch ihr Opfer war wichtig, jede Sekunde Widerstand verschaffte ihnen Zeit um mehr Menschen in Sicherheit zu bringen. Auch Kadahl musste zurückgelassen werden, abgeschnitten vom Gefängnis gab es für Strawberry keine Chance zu seinem ehemaligen Freund und Kollegen zu kommen. Er feuerte eine rote Signalrakete in der Luft, das Zeichen für einen kompletten Rückzug, doch er machte sich keine Hoffnungen das es noch jemand aus der Stadt schaffen würde.
Auch er hatte das Schiff kurzzeitig im Mondschein gesehen und erkannt, es war die gefürchtete Skylla, angeführt von dem berüchtigten Fischmenschen Nine-Eyes, der eine grausame Fischmenschensekte führte, sie waren bekannt dafür Inseln zu überfallen und die Bewohner ihrer Gottheit zu opfern, niemand kannte den Namen dieser Gottheit und es gab nur ein bekannten Überlebenden ihrer Überfälle, einen jungen Kadetten der Marine vor 10, Kadahl.
Sie hatte zusammen bei der Marine angeheuert, wurden aber für ihren ersten Posten getrennt, als Strawberry seinen Freund wiedertraf war dieser ein anderer Mensch und ihre Freundschaft ging entzwei.
Kadahl merkte mit steigender Furcht wie die Kampfgeräusche um ihn herum abebbten, kurz darauf hörte er nichts mehr, eine gespenstische Stille breitete sich aus, doch war dies wesentlich schlimmer als der eben noch unerträgliche Lärm.
Plötzlich hörte er wie sich jemand, oder etwas an der Tür zu schaffen machte, Kadahl versuchte sich in der finstersten Ecke der Zelle so klein wie möglich zu machen. Die Tür wurde aufgestoßen und drei Gestalten betraten den Raum, er hörte wie Saugnäpfe über den Boden gleiteten, gefolgt von schweren Schritten und einem grausamen Kichern.
Die Gitterstäbe waren jetzt der einzige Schutz für Kadahl, doch kein Hindernis für den bulligen Kraken-Wassermann der die Eisenstäbe auseinanderbog. Ein etwas kleinerer Anglerfischmensch der unaufhörlich leise vor sich her kicherte näherte sich den Gittern, auf seiner Stirn befand sich eine Art Horn, aber nicht solide und am Ende glühte ein Licht wie bei einer Kerze, es war ein grotesker Anblick und jeglicher Schatten verflüchtigte sich wohin auch immer das Horn zeigte: "Da haben wir noch einen!" kyakyakya - kicherte es. Die schweren Schritte näherten sich nun dem Gitter, Kadahl blickte mit aufgerissenen Augen auf das furchtbare Bild das sich ihm bot - Nine-Eyes, in einer schwarzen Kutte gekleidet, das obere Gesicht hinter einer Maske verborgen, darunter ein rundliches Maul gefüllt mit rasiermesserscharfen Zähnen:
"Ein weiteres Opfer für Sho'thul, bereitet ihn vor, bereitet sie alle vor, wir haben noch viel vor heute Nacht!" Shahahaha
Kadahl wurde von Tentakeln gepackt und aus dem Gefängnis gezerrt, immer weiter Richtung Geisterschiff durch die Ruinen der einstigen friedlichen Stadt, überall Blut und Leichen, vereinzelt sah Kadahl wie Überlebende von den Fischmenschen ebenfalls in Richtung Meer geführt wurden, er wusste was ihn erwartete doch er konnte keine Kraft zur Gegenwehr aufbringen, sein Geist hatte schon aufgegeben.
Doch plötzlich donnerte es und für einen kurzen Moment füllte sich die rabenschwarze Nacht mit Licht als das Geisterschiff von einer Breitseite getroffen wurde.
da sitze ich hier im hohen Norden, bin umkreist von Möwen und rümpfe beim Geruch einer Fischsemmel angewidert die Nase, aber wohl das perfekte Setting, um in die zweite Runde der Meervölker zu starten.
Schauen wir einmal, in welche Richtung die Autoren ihre Geschichten gelenkt haben und ob sie in der Lage waren, auf Kritiken einzugehen und sich in ihrem Schreibstil weiterzuentwickeln.
Zum Thema Kritiken noch einmal ein kleiner Hinweis: Ihr müsst keine Romane schreiben. Es genügen auch zwei Stichpunkte pro Text, was euch gut gefallen hat und was ihr verbessern würdet! Gebt den Autoren doch hier die Möglichkeit, sich weiter zu entwickeln! Danke
Außerdem haben wir die Umfragezeit jetzt auf 36h erhöht. Die Umfrage endet am 01.11 um 22 Uhr.
Text 1: Alltägliche Betrachtungen
Die Fischmenscheninsel hat seit langem ein Drogenproblem. Früher waren es diese langweiligen Steroide, mittlerweile sind es andere Dinge. Diejenigen, die dir direkt an der Psyche rumspielen, die Geilen eben.
„Problem“ nennen sie es, ich sehe das etwas anders. Wir leben isoliert, das Leben hier unten ist monoton und öde. Ja, wir können leben, selbst wenn alle anderen uns hassen oder zumindest niemand mit uns zu tun haben will. Aber nein, das ist nicht das, was sich ein junges Volk unter Lebensqualität vorstellt. Uns bleiben zwei Wege: das Abenteuer, oftmals verbunden mit Gefahr, Gewalt und Tod, und – eben Drogen. Zwar auch nicht selten verbunden mit Tod, aber in der Regel doch sicherer. Sie ermöglichen uns eine Flucht aus unserem eingeengten Alltag, sie bringen uns an fremde Orte oder nehmen uns den Frust. Ich würde sagen, ich bin ein Verfechter des Rauschs.
Heute habe ich mir etwas Besonderes gegönnt. Seit einer Weile kursiert allerhand neues Zeug, sie müssen sich in ihren Küchen richtig Gedanken gemacht haben. Der Stoff soll einen an die verrücktesten Orte schießen. Schon viele meiner Freunde haben das ausprobiert, einer meinte, er wäre mitten in Amazon Lily zu sich gekommen und am liebsten nie wieder gegangen, aber als er es wiederholen wollte, ist er in Kamabakka aufgewacht, haha. Mir persönlich ist das Ziel der Reise eigentlich egal, ich möchte einfach einmal hier raus und etwas von der Welt sehen, auch wenn es nur ein Trugbild sein wird.
Jedenfalls habe ich mir dieses Zeug jetzt auch besorgt. Im Moment sitze ich im Keller unseres Clubhauses und warte, dass die Jungs nach Hause gehen. Ich habe nämlich gehört, dass es allein am besten funktioniert. Ansonsten weiß ich nicht besonders viel über den Trip, nur, dass es heftig sein soll.
Mittlerweile sind fast alle gegangen und ich kann es langsam nicht mehr erwarten. Ich werfe die Pille ein, ein unscheinbares weißes Oval übrigens, spüle sie mit Wasser herunter.
Nach wenigen Minuten beginnt meine Kopfhaut zu kribbeln, es fühlt sich an als würde mein Gehirn von innen gegen meine Augäpfel drücken. Das ist so weit normal, das haben viele Substanzen gemein. Langsam fühle ich, wie meine Körperspannung abfällt und ich auf meinem Sofa zusammensinke. Der Kopf fällt mir in den Nacken, mein Blick wird starr und das Kribbeln stärker. Mit Freude heiße ich den Rausch willkommen, ich leiste keinen Widerstand und gebe mich völlig hin. Fast kann ich hören, wie er mich ruft: Ich bin ein Traum, schlaf endlich ein.
Um meine Füße spielen weiche Sandkörner, ich bemerke, dass ich an einer Art Abhang stehe, die Wiese scheint hinter mir zu sein. Nein, es ist kein Abhang, es ist nur eine Grube, sie hat einen Durchmesser von 50 Meter, ich habe es soeben nachgemessen, es sind 50 Meter. Ich mache mich schwer und tauche in die Sandmassen ein, die mir in den Mund laufen und in die Atemwege. Er schmeckt gut, er erinnert mich an Vanille. Diese Assoziation muss wohl die Farbe der beliebten Eissorte hervorgerufen habe, denn mit den fermentierten Kapselfrüchten bestimmter Orchideengattungen hat Sand natürlich nichts zu tun. Ich habe überhaupt keine Ahnung von Vanille, weiß das aber wundersamerweise instinktiv.
Ich schraube mich ins Erdreich hinab und komme mir vor wie eine antike Statue, die in einem Sandsturm versinkt. Möglicherweise wird man mich in hunderten von Jahren ausgraben, ich kann das Einschlagen der Schaufeln schon auf meiner Haut fühlen. Es kitzelt mich und ich fliege ruckartig nach oben, schieße aus dem Sand heraus und in den Nachthimmel empor wie ein Phönix aus der Asche. Ist das nicht ein wunderbares Gleichnis? Es ist ein überwältigendes Gefühl, ich muss lachen, die ganze Welt kann es hören. In meinem Keller verziehe ich womöglich kraftlos einen Mundwinkel.
Tatsächlich stehe ich schwerelos in der Luft. Unter mir erstrecken sich große Gebäudekomplexe, deren einheitlich blaue Dächer und große Fensterfronten unzweifelhaft den Eindruck von Wohlstand vermitteln. Das Blau der Dächer pulsiert etwas, das kommt mir für einen Augenblick merkwürdig vor, bis meine Aufmerksamkeit von der unermesslichen Weite zu meiner Rechten eingenommen wird, die sich reglos in weichem Weiß bis zum Horizont ausbreitet. Mein Hirn braucht lange, um zu verstehen, dass es Wolken sind, die dort in einiger Entfernung beginnen, und schlagartig realisiere ich, wo ich gelandet bin. Ich bin auf dem Dach der Welt!
Zu dem Rausch gesellt sich sofort ein besonderes, persönliches Hochgefühl. Es gibt keinen Fischmenschen, bei dem dieser Ort und die Möglichkeit, ihn niederzureißen, keine Freude auslösen würden. Der Zerstörungswahn kocht in mir hoch, frisst sich von innen nach außen und bricht in Feuerstößen aus mir heraus. Ich brenne. Wie ein Springbrunnen verteile ich Feuer über Mary Joa. Sie sollen büßen, endlich einmal mit ihren Leben büßen. Nun bemerke ich, dass das Blau der Dächer flüssig geworden ist. Es ist Wasser, das mein Feuer löscht und mich mit seiner Seelenruhe provoziert. Dann werden sie eben einzeln bezahlen.
Im Sturzflug halte ich auf ein Fenster zu, dessen Scheibe klirrend birst. Die Scherben schweben in der Luft, sie tanzen umher, irisieren grell und schneiden mich. Es macht mich rasend. Außer mir jage ich durch das Haus und ziehe eine Feuerschneise hinter mir her. Die dunklen Flure sind in die seltsamsten Farben getaucht, in einem Augenblick kommt es mir vor, als hätte ich einen grünen Filter vor den Augen, im nächsten einen blauen.
„Problem“ nennen sie es, ich sehe das etwas anders. Wir leben isoliert, das Leben hier unten ist monoton und öde. Ja, wir können leben, selbst wenn alle anderen uns hassen oder zumindest niemand mit uns zu tun haben will. Aber nein, das ist nicht das, was sich ein junges Volk unter Lebensqualität vorstellt. Uns bleiben zwei Wege: das Abenteuer, oftmals verbunden mit Gefahr, Gewalt und Tod, und – eben Drogen. Zwar auch nicht selten verbunden mit Tod, aber in der Regel doch sicherer. Sie ermöglichen uns eine Flucht aus unserem eingeengten Alltag, sie bringen uns an fremde Orte oder nehmen uns den Frust. Ich würde sagen, ich bin ein Verfechter des Rauschs.
Heute habe ich mir etwas Besonderes gegönnt. Seit einer Weile kursiert allerhand neues Zeug, sie müssen sich in ihren Küchen richtig Gedanken gemacht haben. Der Stoff soll einen an die verrücktesten Orte schießen. Schon viele meiner Freunde haben das ausprobiert, einer meinte, er wäre mitten in Amazon Lily zu sich gekommen und am liebsten nie wieder gegangen, aber als er es wiederholen wollte, ist er in Kamabakka aufgewacht, haha. Mir persönlich ist das Ziel der Reise eigentlich egal, ich möchte einfach einmal hier raus und etwas von der Welt sehen, auch wenn es nur ein Trugbild sein wird.
Jedenfalls habe ich mir dieses Zeug jetzt auch besorgt. Im Moment sitze ich im Keller unseres Clubhauses und warte, dass die Jungs nach Hause gehen. Ich habe nämlich gehört, dass es allein am besten funktioniert. Ansonsten weiß ich nicht besonders viel über den Trip, nur, dass es heftig sein soll.
Mittlerweile sind fast alle gegangen und ich kann es langsam nicht mehr erwarten. Ich werfe die Pille ein, ein unscheinbares weißes Oval übrigens, spüle sie mit Wasser herunter.
Nach wenigen Minuten beginnt meine Kopfhaut zu kribbeln, es fühlt sich an als würde mein Gehirn von innen gegen meine Augäpfel drücken. Das ist so weit normal, das haben viele Substanzen gemein. Langsam fühle ich, wie meine Körperspannung abfällt und ich auf meinem Sofa zusammensinke. Der Kopf fällt mir in den Nacken, mein Blick wird starr und das Kribbeln stärker. Mit Freude heiße ich den Rausch willkommen, ich leiste keinen Widerstand und gebe mich völlig hin. Fast kann ich hören, wie er mich ruft: Ich bin ein Traum, schlaf endlich ein.
Ich weiß nicht mehr, ob meine Augen geöffnet sind, trotzdem kann ich sehen. Das rauchverhangene Kellergewölbe, in dem sich mein Körper befindet, verschwimmt allmählich, die spärliche Beleuchtung bricht vereinzelt durch den Nebel hervor, dann setzt sie aus und kaum wahrnehmbar wieder ein. Mein Blick – ist es mein Blick? – schwankt unwillkürlich zur Seite und reißt mit seiner Wucht die Mauer neben mir entzwei. Der Einschlag ist körperlich spürbar, ich erschrecke mich und zucke vielleicht kurz zusammen, wahrscheinlich eher nicht. Die Mauer gibt in ihrer Mitte eine Wiese frei, ihre Steine werden davongeschleudert und sind plötzlich Blumen. Seltsam klare Luft umgibt mich, dieses mir so fremde Element, ich fühle, dass es kalt ist, aber es macht mir nichts aus. Als ich zurücksehe, ist der Keller verschwunden.
Um meine Füße spielen weiche Sandkörner, ich bemerke, dass ich an einer Art Abhang stehe, die Wiese scheint hinter mir zu sein. Nein, es ist kein Abhang, es ist nur eine Grube, sie hat einen Durchmesser von 50 Meter, ich habe es soeben nachgemessen, es sind 50 Meter. Ich mache mich schwer und tauche in die Sandmassen ein, die mir in den Mund laufen und in die Atemwege. Er schmeckt gut, er erinnert mich an Vanille. Diese Assoziation muss wohl die Farbe der beliebten Eissorte hervorgerufen habe, denn mit den fermentierten Kapselfrüchten bestimmter Orchideengattungen hat Sand natürlich nichts zu tun. Ich habe überhaupt keine Ahnung von Vanille, weiß das aber wundersamerweise instinktiv.
Ich schraube mich ins Erdreich hinab und komme mir vor wie eine antike Statue, die in einem Sandsturm versinkt. Möglicherweise wird man mich in hunderten von Jahren ausgraben, ich kann das Einschlagen der Schaufeln schon auf meiner Haut fühlen. Es kitzelt mich und ich fliege ruckartig nach oben, schieße aus dem Sand heraus und in den Nachthimmel empor wie ein Phönix aus der Asche. Ist das nicht ein wunderbares Gleichnis? Es ist ein überwältigendes Gefühl, ich muss lachen, die ganze Welt kann es hören. In meinem Keller verziehe ich womöglich kraftlos einen Mundwinkel.
Tatsächlich stehe ich schwerelos in der Luft. Unter mir erstrecken sich große Gebäudekomplexe, deren einheitlich blaue Dächer und große Fensterfronten unzweifelhaft den Eindruck von Wohlstand vermitteln. Das Blau der Dächer pulsiert etwas, das kommt mir für einen Augenblick merkwürdig vor, bis meine Aufmerksamkeit von der unermesslichen Weite zu meiner Rechten eingenommen wird, die sich reglos in weichem Weiß bis zum Horizont ausbreitet. Mein Hirn braucht lange, um zu verstehen, dass es Wolken sind, die dort in einiger Entfernung beginnen, und schlagartig realisiere ich, wo ich gelandet bin. Ich bin auf dem Dach der Welt!
Zu dem Rausch gesellt sich sofort ein besonderes, persönliches Hochgefühl. Es gibt keinen Fischmenschen, bei dem dieser Ort und die Möglichkeit, ihn niederzureißen, keine Freude auslösen würden. Der Zerstörungswahn kocht in mir hoch, frisst sich von innen nach außen und bricht in Feuerstößen aus mir heraus. Ich brenne. Wie ein Springbrunnen verteile ich Feuer über Mary Joa. Sie sollen büßen, endlich einmal mit ihren Leben büßen. Nun bemerke ich, dass das Blau der Dächer flüssig geworden ist. Es ist Wasser, das mein Feuer löscht und mich mit seiner Seelenruhe provoziert. Dann werden sie eben einzeln bezahlen.
Im Sturzflug halte ich auf ein Fenster zu, dessen Scheibe klirrend birst. Die Scherben schweben in der Luft, sie tanzen umher, irisieren grell und schneiden mich. Es macht mich rasend. Außer mir jage ich durch das Haus und ziehe eine Feuerschneise hinter mir her. Die dunklen Flure sind in die seltsamsten Farben getaucht, in einem Augenblick kommt es mir vor, als hätte ich einen grünen Filter vor den Augen, im nächsten einen blauen.
Endlich habe ich das Schlafzimmer gefunden. Schon bevor ich ihn sehen kann, höre ich seine mühsame Atmung. Er bietet einen jämmerlichen Anblick, klein und schwach und offensichtlich krank. Für eine Sekunde wechselt seine Hautfarbe unnatürlich den Ton, das irritiert mich sehr. In einem letzten klaren Moment frage ich mich, was es mit diesen Farben auf sich hat, niemand hatte so etwas erwähnt. Doch der Gedanke ist so schnell wieder verschwunden, wie er gekommen ist.
Fast als könnte er meine Anwesenheit bemerkt haben, schlägt der Mensch seine Augen auf. Es gibt mir den Rest, ich verliere jede Beherrschung. Jetzt gibt es nur noch eine Farbe: Rot.
Fast als könnte er meine Anwesenheit bemerkt haben, schlägt der Mensch seine Augen auf. Es gibt mir den Rest, ich verliere jede Beherrschung. Jetzt gibt es nur noch eine Farbe: Rot.
Text 1: Mutterliebe
Praline schwamm etwas abseits des Kampfgeschehens an der Meeresoberfläche. Sie feuerte ihre neue Familie an, während diese sich gegen ihre alte zu Wehr setzte. Wie sie in dem kochend heißen Wasser überleben konnten, war Praline ein Rätsel. Plötzlich und unvermittelt regte sich etwas in ihr. Wie aus dem Nichts verspürte die Meerjungfrau große Gefahr. Sie wusste nicht wieso, aber alle Sinne sagten ihr, dass sie sofort zur Seite schwimmen musste. Nur einen Augenblick, nachdem sie ihrem Instinkt gefolgt war, schoss eine Gestalt aus den Tiefen des Meeres an ihr vorbei und senkrecht aus dem Wasser, mindestens zwanzig Meter in die Luft. Keine Zeit zum Nachdenken! Ihre Instinkte übernahmen das Kommando und befahlen zur Flucht. Praline war keine Kämpferin, einen Zweikampf konnte sie nicht gewinnen. Kurz nachdem Praline losgeschwommen war, schlug ihr Angreifer wieder ins Wasser ein und setzte nahtlos zur Verfolgung an. Der Abstand zwischen den beiden wuchs nur äußerst langsam. Den Hass ihres Angreifers konnte Praline deutlich im Nacken spüren. Wer war das? Mit aller Kraft tiefer und tiefer schwimmend wagte die Meerjungfrau einen Schulterblick, sie erkannte ihre Zwillingsschwester sofort.
Dass Prim sich gegen sie stellen würde, verwunderte Praline nicht; sie schien Mama gegenüber immer loyal gewesen zu sein. Den Tötungswillen, den Prim dabei deutlich ausstrahlte, überraschte Praline aber sehr wohl. Sie würde auf keinen Fall abbremsen. Zum Glück war sie die bessere Schwimmerin. Aber nicht die bessere Strategin. Sie wurde nur in dem Glauben gelassen, dass sie vor ihrer Schwester floh. Wie Schafe von einem Hund kontrolliert vor sich getrieben wurden, wurde auch Praline in Wirklichkeit von ihrer Verfolgerin in eine Falle gelotst. Doch diese Erkenntnis kam zu spät. Vor ihr machte sich plötzlich ein verstecktes Riff auf. Praline wurde in eine Ecke getrieben. Es gab keine Richtung, in die sie mehr schwimmen konnte, keinen Ausweg. Praline presste sich mit ihrem Rücken an das schroffe, korallenbesetzte Stein und blickte ihrer anstürmenden Schwester in die wutendbrannten Augen. „Was habe ich dir angetan, um diesen Hass zu verdienen?“ Sie musste es einfach wissen. Obwohl die Worte laut genug waren, schienen sie ihre Schwester nicht zu erreichen. Prim bremste nicht ab, ihr Dreizack direkt auf Pralines Herz gerichtet. Sie wollte nicht sterben, nicht jetzt. Nach all den Jahren war Freiheit endlich zum Greifen nah. Praline schloss angsterfüllt die Augen.
Obwohl sie zur Hälfte Meerjungfrau war, hatte Prim das Meer seit frühen Kindheitstagen nicht mehr betreten. Sie wollte sich dadurch von ihrer Zwillingsschwester abgrenzen. Als sie vor wenigen Minuten das erste Mal seit Jahren zögerlich ihren ersten Atemzug unter der Meeresoberfläche nahm, als das kalte und salzige Wasser durch ihre Kiemen floss, schärften sich all ihre Sinne. Prim fühlte sich wie neugeboren! Dieses beflügelnde Gefühl hielt auch jetzt noch an. Vom ersten Moment, an dem sie Praline im Wasser treiben sah, bis hin zu dem Moment, als ihre Falle zuschnappte; Prim befand sich in einem Kampfrausch. Ihre Schwester rief ihr etwas entgegen, aber mehr als ein undefinierbares Dröhnen nahm sie in diesem Zustand nicht wahr. Gleich würde ihr Dreizack den zierlichen Körper ihrer Schwester durchdringen, dem Ursprung all ihres Leides das Leben aushauchen.
Doch als die Spitzen ihres Dreizacks nur noch wenige Zentimeter von der Brust ihrer Schwester entfernt waren, wurde ihr Vorstoß und damit ihr Angriff abrupt unterbrochen. Metall stieß auf Metall. Von der Seite hielt Aladdin beidhändig seinen eigenen Dreizack schützend vor seine Frau. Irgendwie hatte er es geschafft, zwischen die beiden Schwestern zu kommen. Seine Augen fixierten Prim. „Begib dich in Sicherheit.“ Kein Mann vieler Worte. Mehr Zeit hätte ihn Prim aber auch nicht gelassen. Eigentlich bewunderte sie Aladdin, aber sie musste durch ihn durch, um an die Trophäe zu gelangen, die sie mehr als alles andere in ihrem Leben begehrte. Er würde sie nicht aufhalten!
Sie zog ihre Waffe zurück, um erneut zuzustoßen. Auch diesen Angriff konterte Aladdin, welcher anschließend in den Gegenangriff überging. Er nutzte die Dreidimensionalität des Wassers, schwamm in einer halbkreisförmigen Bewegung um Prim herum und griff dabei mehrmals mit seinem Dreizack aus schlecht einsehbaren Winkeln an. Beinahe allen Hieben konnte Prim mit knappen und effizienten Bewegungen ausweichen, der letzte Stoß traf sie jedoch an der Schulter. Blut floss. Zeit sich zu sammeln, bekam Prim nicht. Ohne seinem Gegner eine Atempause zu gewähren, fuhr Aladdin mit seiner Zirkeltechnik fort. Der Druck auf Prim stieg. Ihre Ausweichbewegungen wirkten zunehmend unbeholfener. Wie sollte sie gegen jemanden gewinnen, der sein Leben lang unter Wasser gekämpft hatte? Bevor sie sich darauf einstellen konnte, dass ihr Gegner über ihr war, kam bereits der nächste Angriff von unten. Im dreidimensionalen Kampf hatte Prim keinerlei Erfahrung. Sie wurde gnadenlos in die Defensive gezwungen. Aufgeben würde sie aber niemals.
Mehr und mehr Angriffe ihres Gegners fanden ihr Ziel, mehr und mehr Blut vermischte sich mit dem salzigen Meerwasser und färbte das Kampfgeschehen rot. In diesem Moment erinnerte sich Prim an eine Fähigkeit, die sie besaß, nach all den Jahren an Land aber vollkommen vergessen hatte. Als sie das erste Mal seit Jahren ins Meer gestiegen war, schien ihr Körper das Wasser um sich herum förmlich aufzusaugen. Sie fühlte sich wie ein Schwamm, der an einem heißen Sommertag in der Sonne vergessen wurde und jeden Tropfen Wasser voller Begierde aufsog. In einem Moment noch ausgetrocknet, beinahe schon brüchig, im nächsten weich und zart. Prim war eine Oktopusmeerjungfrau und ihre Tintenreserven waren zum ersten Mal seit ihrer Kindheit prall gefüllt.
Wie aus dem nichts erzeugte sie explosionsartig eine große, pechschwarze Wolke, die sowohl sie als auch ihren Gegner vollkommen einhüllte. Schlagartig konnte Aladdin nichts mehr sehen; seine Kampftechnik, auf Koordination und Präzision ausgelegt, war für einen kurzen Augenblick unbrauchbar. Manchmal reichte ein kurzer Moment aus, um einen Kampf zu entscheiden. Ein Moment der Überraschung oder des Leichtsinns. Als sich die Tintenwolke auflöste, war es für Aladdin bereits zu spät. Vier Tentakel waren um seine Schwanzflosse gewickelt. Prim hatte die Strategie ihres Gegners gegen ihn verwendet, wie ein zappelnder Fisch war er ihr in die Falle gegangen. Bevor er sich wehren konnte, umwickelte sie mit den restlichen vier Tentakeln die Arme ihres Gegners und das mit solch einer Kraft, dass er seine Waffe fallen ließ. Prim zwang ihn dazu, die Arme von sich auszustrecken und ihr somit freie Bahn für ihren eigenen Dreizack zu gewähren. Ein präziser Stoß würde genügen!
Aber noch bevor sie ihren Dreizack vollkommen angehoben hatte, schwamm ihre Schwester, welche nicht geflohen war, schützend vor den Oberkörper ihres Mannes. „Töte ihn bitte nicht… du hast es doch offensichtlich auf mich abgesehen!“ Die Verzweiflung in Pralines Augen war deutlich zu sehen. „Nimm mich mit zurück zu Mama oder töte mich hier. Es ist mir egal. Aber lass bitte Aladdin frei!“ Praline brach dabei in Tränen aus. Dieser Anblick schockierte Prim. So sehr, dass sie aus ihrem Kampfrausch gerissen wurde. Sie verstand nicht, was vor sich ging. Ihre Schwester befahl nicht, sie flehte? Bereit, sich für jemand anderes aufzuopfern? Praline? Das selbstsüchtige Miststück, dass sich für niemand als sich selbst interessierte? Das passte nicht in Prims Weltbild.
Aber selbst wenn Praline hier kein Schauspiel darbot, änderte es etwas an der Gesamtsituation? Hatte Praline nicht trotzdem den Tod verdient? Jetzt konnte Prim mit ihrem Dreizack zustoßen. Niemand konnte sie daran hindern. Hier und jetzt konnte sie all ihr Leid beenden!
Doch sie zögerte.
Dass Prim sich gegen sie stellen würde, verwunderte Praline nicht; sie schien Mama gegenüber immer loyal gewesen zu sein. Den Tötungswillen, den Prim dabei deutlich ausstrahlte, überraschte Praline aber sehr wohl. Sie würde auf keinen Fall abbremsen. Zum Glück war sie die bessere Schwimmerin. Aber nicht die bessere Strategin. Sie wurde nur in dem Glauben gelassen, dass sie vor ihrer Schwester floh. Wie Schafe von einem Hund kontrolliert vor sich getrieben wurden, wurde auch Praline in Wirklichkeit von ihrer Verfolgerin in eine Falle gelotst. Doch diese Erkenntnis kam zu spät. Vor ihr machte sich plötzlich ein verstecktes Riff auf. Praline wurde in eine Ecke getrieben. Es gab keine Richtung, in die sie mehr schwimmen konnte, keinen Ausweg. Praline presste sich mit ihrem Rücken an das schroffe, korallenbesetzte Stein und blickte ihrer anstürmenden Schwester in die wutendbrannten Augen. „Was habe ich dir angetan, um diesen Hass zu verdienen?“ Sie musste es einfach wissen. Obwohl die Worte laut genug waren, schienen sie ihre Schwester nicht zu erreichen. Prim bremste nicht ab, ihr Dreizack direkt auf Pralines Herz gerichtet. Sie wollte nicht sterben, nicht jetzt. Nach all den Jahren war Freiheit endlich zum Greifen nah. Praline schloss angsterfüllt die Augen.
Obwohl sie zur Hälfte Meerjungfrau war, hatte Prim das Meer seit frühen Kindheitstagen nicht mehr betreten. Sie wollte sich dadurch von ihrer Zwillingsschwester abgrenzen. Als sie vor wenigen Minuten das erste Mal seit Jahren zögerlich ihren ersten Atemzug unter der Meeresoberfläche nahm, als das kalte und salzige Wasser durch ihre Kiemen floss, schärften sich all ihre Sinne. Prim fühlte sich wie neugeboren! Dieses beflügelnde Gefühl hielt auch jetzt noch an. Vom ersten Moment, an dem sie Praline im Wasser treiben sah, bis hin zu dem Moment, als ihre Falle zuschnappte; Prim befand sich in einem Kampfrausch. Ihre Schwester rief ihr etwas entgegen, aber mehr als ein undefinierbares Dröhnen nahm sie in diesem Zustand nicht wahr. Gleich würde ihr Dreizack den zierlichen Körper ihrer Schwester durchdringen, dem Ursprung all ihres Leides das Leben aushauchen.
Doch als die Spitzen ihres Dreizacks nur noch wenige Zentimeter von der Brust ihrer Schwester entfernt waren, wurde ihr Vorstoß und damit ihr Angriff abrupt unterbrochen. Metall stieß auf Metall. Von der Seite hielt Aladdin beidhändig seinen eigenen Dreizack schützend vor seine Frau. Irgendwie hatte er es geschafft, zwischen die beiden Schwestern zu kommen. Seine Augen fixierten Prim. „Begib dich in Sicherheit.“ Kein Mann vieler Worte. Mehr Zeit hätte ihn Prim aber auch nicht gelassen. Eigentlich bewunderte sie Aladdin, aber sie musste durch ihn durch, um an die Trophäe zu gelangen, die sie mehr als alles andere in ihrem Leben begehrte. Er würde sie nicht aufhalten!
Sie zog ihre Waffe zurück, um erneut zuzustoßen. Auch diesen Angriff konterte Aladdin, welcher anschließend in den Gegenangriff überging. Er nutzte die Dreidimensionalität des Wassers, schwamm in einer halbkreisförmigen Bewegung um Prim herum und griff dabei mehrmals mit seinem Dreizack aus schlecht einsehbaren Winkeln an. Beinahe allen Hieben konnte Prim mit knappen und effizienten Bewegungen ausweichen, der letzte Stoß traf sie jedoch an der Schulter. Blut floss. Zeit sich zu sammeln, bekam Prim nicht. Ohne seinem Gegner eine Atempause zu gewähren, fuhr Aladdin mit seiner Zirkeltechnik fort. Der Druck auf Prim stieg. Ihre Ausweichbewegungen wirkten zunehmend unbeholfener. Wie sollte sie gegen jemanden gewinnen, der sein Leben lang unter Wasser gekämpft hatte? Bevor sie sich darauf einstellen konnte, dass ihr Gegner über ihr war, kam bereits der nächste Angriff von unten. Im dreidimensionalen Kampf hatte Prim keinerlei Erfahrung. Sie wurde gnadenlos in die Defensive gezwungen. Aufgeben würde sie aber niemals.
Mehr und mehr Angriffe ihres Gegners fanden ihr Ziel, mehr und mehr Blut vermischte sich mit dem salzigen Meerwasser und färbte das Kampfgeschehen rot. In diesem Moment erinnerte sich Prim an eine Fähigkeit, die sie besaß, nach all den Jahren an Land aber vollkommen vergessen hatte. Als sie das erste Mal seit Jahren ins Meer gestiegen war, schien ihr Körper das Wasser um sich herum förmlich aufzusaugen. Sie fühlte sich wie ein Schwamm, der an einem heißen Sommertag in der Sonne vergessen wurde und jeden Tropfen Wasser voller Begierde aufsog. In einem Moment noch ausgetrocknet, beinahe schon brüchig, im nächsten weich und zart. Prim war eine Oktopusmeerjungfrau und ihre Tintenreserven waren zum ersten Mal seit ihrer Kindheit prall gefüllt.
Wie aus dem nichts erzeugte sie explosionsartig eine große, pechschwarze Wolke, die sowohl sie als auch ihren Gegner vollkommen einhüllte. Schlagartig konnte Aladdin nichts mehr sehen; seine Kampftechnik, auf Koordination und Präzision ausgelegt, war für einen kurzen Augenblick unbrauchbar. Manchmal reichte ein kurzer Moment aus, um einen Kampf zu entscheiden. Ein Moment der Überraschung oder des Leichtsinns. Als sich die Tintenwolke auflöste, war es für Aladdin bereits zu spät. Vier Tentakel waren um seine Schwanzflosse gewickelt. Prim hatte die Strategie ihres Gegners gegen ihn verwendet, wie ein zappelnder Fisch war er ihr in die Falle gegangen. Bevor er sich wehren konnte, umwickelte sie mit den restlichen vier Tentakeln die Arme ihres Gegners und das mit solch einer Kraft, dass er seine Waffe fallen ließ. Prim zwang ihn dazu, die Arme von sich auszustrecken und ihr somit freie Bahn für ihren eigenen Dreizack zu gewähren. Ein präziser Stoß würde genügen!
Aber noch bevor sie ihren Dreizack vollkommen angehoben hatte, schwamm ihre Schwester, welche nicht geflohen war, schützend vor den Oberkörper ihres Mannes. „Töte ihn bitte nicht… du hast es doch offensichtlich auf mich abgesehen!“ Die Verzweiflung in Pralines Augen war deutlich zu sehen. „Nimm mich mit zurück zu Mama oder töte mich hier. Es ist mir egal. Aber lass bitte Aladdin frei!“ Praline brach dabei in Tränen aus. Dieser Anblick schockierte Prim. So sehr, dass sie aus ihrem Kampfrausch gerissen wurde. Sie verstand nicht, was vor sich ging. Ihre Schwester befahl nicht, sie flehte? Bereit, sich für jemand anderes aufzuopfern? Praline? Das selbstsüchtige Miststück, dass sich für niemand als sich selbst interessierte? Das passte nicht in Prims Weltbild.
Aber selbst wenn Praline hier kein Schauspiel darbot, änderte es etwas an der Gesamtsituation? Hatte Praline nicht trotzdem den Tod verdient? Jetzt konnte Prim mit ihrem Dreizack zustoßen. Niemand konnte sie daran hindern. Hier und jetzt konnte sie all ihr Leid beenden!
Doch sie zögerte.
Text 1: Freudentränen
1490
Zwölf Jahre. Eine gewaltige Zeitspanne um sie in völliger Isolation zu verbringen. Zwölf Jahre ohne jeglichen Fischmenschenkontakt. Sie wünschte sich beinahe die Zeiten der Erniedrigung zurück.
„Sie hat ihn getötet! Verdammte Gifthexe! Der Großmeister ist tot, der Stolz der Insel wurde begraben!“
Das Licht von Eve tat Chilo heute keinen Gefallen. Durch die Lichtstrahlen spiegelte sich ihr Gesicht im Großteil ihrer Umgebung wieder. Das letzte was Chilo sehen wollte, war ihr Gesicht. Am liebsten hätte sie dieses Gesicht vor zwölf Jahren zum letzten Mal gesehen. Nicht, dass sie nicht alles dafür getan hätte, jedoch war sie bisher immer an ihrem eigenen verdammten Selbsterhaltungstrieb gescheitert.
In ihrer Verbannung hatte sie viel Zeit zum nachdenken. Viel Zeit, um in Selbstmitleid zu versinken. Viel Zeit, um absolut nichts zu tun.
„Seht! Sie hat sogar den Schwarzgurt von Narwal an sich genommen! Diebin!“
Als sich Chilo also mal wieder vor ihrem eigenen Spiegelbild ekelte, entdeckte sie im Hintergrund ihrer Spiegelung noch eine weitere Figur. Ein bläulicher Fisch-Junge mit schwarzem strubbeligem Haar, zwei spitzen Reißzähnen und bulliger Statur ließ sich ebenfalls in einer der Strömungen treiben, in der auch Chilo ihr Dasein fristete. Er war mit zahlreichen Blessuren und Schnittwunden übersät, seine Stirn war in Zornesfalten gelegt und seine wässrig schimmernden Augen kündeten einen Schwall Tränen an.
Was sollte das?
„Was soll das?“, wiederholte Chilo ihre Gedanken laut.
Der Junge würdigte Chilo keines Blickes, im Gegenteil, er schloss gar seine Augen und ließ sich weiter treiben.
Von einer ungewohnten Wut erfasst, raffte sich Chilo auf und schwamm zu dem Eindringling. Beinahe hätte sie ihn berührt und wachgerüttelt, bis sie kurz vor einer Kollision beinahe schmerzerfüllt zurückzuckte und sich wieder einige Schwimmzüge zurückzog.
„Exekution! Und die Familie gleich mit! Wir dürfen nicht zulassen, dass so etwas noch einmal passiert. Wer ist als nächstes dran? Die Königsfamilie? Wir benötigen ein Mahnmal für alle Giftfisch-Menschen!“
Wie unbekümmert sie diesen kleinen Jungen berührt hätte. Was war in sie gefahren? War schon wieder alles vergessen? Erinnerungsfetzen an einen weißen Beluga und blaue Knochenstacheln zogen an ihr vorbei.
Sie schluckte schwer.
„Hey, Junge! Ich weiß nicht was du hier tust, aber das ist mein Exil!“
„Hmpf.“
„Das ist alles, was du zu deiner Verteidigung zu sagen hast?“
„Hmpf.“
Wieder von einem Schwall unüblicher Wut überkommen, schlug Chilo energisch die Hände zusammen. Eine Geste, welche den Jungen aufwecken und seine Aufmerksamkeit auf Chilo legen sollte.
Was die Geste jedoch bewirkte war, dass sich ein Wasserstrudel bildete, welcher den Jungen erfasste, dutzende Meter durch die Strömungen wirbelte und schließlich auf den Meeresboden aufschlagen ließ.
Geschockt eilte Chilo zum Meeresboden. Der Junge war bewusstlos.
*
„Wir sind doch keine Barbaren! Nein, ein Fischmenschenleben verloren zu haben genügt. Chilo Diodon, hiermit verurteilt dich das oberste Fischmenschengericht zu einem Leben im Exil! Du wirst die Fischmenscheninsel umgehend verlassen.“
Chilo stand über dem bewusstlosen Jungen. Er durfte kaum älter sein, als Chilo, als sie erstmals auf Meister Narwal getroffen war. Während sie damals ein abgemagertes untersetztes Igelfisch-Mädchen gewesen war, gehörte der Junge vor ihr offensichtlich zur Gattung der Walhaie, was sich auch in dessen kräftigen Erscheinungsbild widerspiegelte.
„Hey Junge, wach auf!“
Chilo lief rot an. Ob aus Scham oder Wut wusste sie selbst nicht. Zwölf Jahre Isolation hatten ihr nicht gerade bei der Einordnung von Gefühlen geholfen. Nichtsdestotrotz war es ihr merklich unangenehm einen kleinen Jungen niedergeschlagen zu haben. Schon wieder hatte sie sich nicht unter Kontrolle gehabt. Wie weit sollte sie noch gehen? Wenn das hier schief lief, würde das Exil vielleicht doch noch in eine Exekution umgewandelt. Aber andererseits, was machte das schon?
„Ich weiß nicht, was wieder in mich gefahren ist. Ich wollte das nicht. Ich habe mir selbst geschworen kein Karate mehr anzuwenden. Es war ein Versehen. Bitte wach auf. Bitte.“
Der Junge zuckte mit den Augenliedern. Er stöhnte schwer, setzte sich aber schließlich auf und rieb sich den Kopf.
„Karate?“, presste der Walhai-Junge aus aufgeplatzten Lippen hervor.
„Fischmenschen-Karate. Kennt man das auf der Insel nicht mehr?“
„Hmpf. Es ist verboten worden. Zumindest für Kinder. Ich kenne Niemanden der es noch ausübt.“
Chilo war geschockt. Wie weit reichte ihr Fehler noch? Es war ein Unfall gewesen, verdammt.
Faules Obst prasselte auf Chilo nieder. Sie hielt es kaum aus, die Menge anzublicken. Irgendetwas hartes traf sie am Kopf und sie fiel zu Boden. Als sie sich wieder aufrichtete, konnte sie in der Menge ihre Eltern erblicken. Sie hatten sich vermummt, waren nur an ihren Augen zu erkennen. Als sich ihre Blicke trafen, konnten die beiden älteren Igelfische den Blickkontakt nicht halten. Ihre Eltern wandten sich ab und verschwanden in der Masse.
„Kehr nie wieder zurück, Fluch der Insel!“
Chilo riss sich wieder aus ihren Gedanken. Der Junge starrte sie stirnrunzelnd an.
„Du bist Chilo Diodon, oder?“
Sie ignorierte ihn.
„Warum bist du überhaupt hier? Die Insel ist mindestens einen halben Tag von hier entfernt.“
„Hmpf.“
„Nun gut, deine Sache. Ich werde dir etwas Proviant mitgeben und dann zeige ich dir den Weg zurück. Aber versprich mir bitte, dass du über unser Zusammentreffen schweigst.“
Der kleine Walhai schüttelte vehement den Kopf. Er klopfte sich die Schultern ab, stand auf und sprach mit ernstem Blick:
„Ich möchte, dass du mir Fischmenschen-Karate lehrst.“
1492
Die Menge tuschelte. Ungläubige Blicke richteten sich auf das ungleiche Duo. Ein beängstigend kräftiger Walhai-Junge und eine neben ihm fast unsichtbar erscheinende Igelfisch-Frau betraten den Gyoncorde Plaza.
Ein Großteil der Bevölkerung war versammelt, auch diverse Mitglieder der Fischmenschen Justiz. Die Frau war keine Unbekannte. Es war Chilo Diodon.
„Wieso bist du damals bei mir aufgetaucht? Es war kein Zufall gewesen, oder?“
„Nein. Das Dojo war der Stolz der Insel. Du hast diesen Stolz vielleicht vorübergehend begraben, aber du kannst ihn auch wiederherstellen. Wir brauchen das Dojo. Das Fischmenschenviertel braucht das Dojo. Es ist deine Pflicht, die Kunst zur Insel zurückzubringen.“
Chilo trat in das Zentrum des Gyoncorde Plaza.
„Ich weiß, ihr hasst mich. Entweder weil ihr mich kanntet, oder weil euch meine schreckliche Tat überliefert wurde. Ich beschönige nichts. Ich hasse mich selbst.“
Das Tuscheln wurde lauter.
„Das Dojo war der Stolz der Insel. Narwal war die Galionsfigur dieses Stolzes. Er war der beste Fischmensch den ich je kennenlernen durfte. Er war, was ich immer sein wollte. Aber er hätte nie gewollt, dass wir die Kunst begraben. Das Fischmenschen-Karate war sein Leben. Wir hatten gerade gemeinsam die nächste Ebene der Kunst entdeckt, als, als…“
Sie stockte. Die Worte blieben ihr im Halse stecken. Sie verlor ihren Mut. Doch dann spürte sie eine beruhigende Hand auf ihrer Schulter. Sie blickte zu ihrem ersten und einzigen Schüler. Sein strenger, aber bestärkender Blick ließ keinen Zweifel zu. Sie musste diese Rede halten, sie hatte kein Recht sich weiter zu geißeln und zu verkriechen.
„Die Insel braucht das Dojo. Die Kinder brauchen das Dojo. Wir dürfen den zukünftigen Generationen nicht die Chance nehmen sich selbst zu festigen und ihr Bewusstsein für sich und ihre Umgebung zu stärken. Ich werde das Dojo neu eröffnen und lade hiermit jeden dazu ein zu trainieren. Zu jeder Zeit! Ich werde mein Exil im Dojo fortsetzen. Wer etwas dagegen hat, ihr wisst jetzt wo ihr mich findet!“
Entschlossen schritten Meisterin und Schüler vom Plaza in Richtung des Dojo.
Die Menge zögerte.
Text 1: Boss
Wie erstarrt kauerte er auf seiner Pritsche, die Kampfgeräusche und Schreie ein unentfliehbares Grauen, Angst pochte, schlug geradezu gegen sein Herz als wollte es sagen:
"Flieh, verschwinde, hau ab!" - doch wohin sollte er, eingesperrt in der Brigg gab es für ihn nur eine Freiheit, zwei mal zwei Meter groß, gerade genug für die Pritsche, einen Eimer und ihn selbst.
Doch der Lärm ebbte ab, er wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, doch es fühlte sich wie eine halbe Ewigkeit an bis er endlich Schritte vernahm. *Klang* - Das vertraute Geräusch des schweren Zellenschlüssels wenn er ins Schloss geschoben wird - *Klick* - die Zellentür öffnete sich, sein Herz zersprang beinahe vor Anspannung, es war Strawberry, sein ehemaliger Kollege und Freund.
Jetzt da er sich wieder in relativer Sicherheit wiegen konnte, legte er sich auf seine Pritsche, den Rücken zur Tür und ignorierte was sein Wärter ihm sagte. Einen Moment später hörte er wie sich die Tür schloss und der Schlüssel ihn wieder einsperrte. Er begann wegzudösen, mehr konnte er in seinem Gefängnis sowieso nicht machen.
Als er wach wurde fiel er fast von seiner Pritsche, nein, nicht seine Pritsche, er lag auf einem Bett oder wenigstens etwas weitaus bequemeren, der Raum war ebenfalls wesentlich größer und nicht mehr das vertraute Holz umgab ihn, sondern Mauern aus Stein. Wo zuvor die Zellentür war, befanden sich jetzt eiserne Gitterstäbe vom Boden bis zur Decke. Er sah eine jemanden hinter den Stäben stehen, nachdem er sich langsam an die Helligkeit im Raum gewöhnt hatte, erkannte er Strawberry:
"Wir befinden uns auf der Insel Brisenwind, wir müssen Reparaturen am Schiff durchführen, solange wirst du hier im Gemeindegefängnis untergebracht."
Kaum waren die Worte gesprochen, machte Strawberry auf dem Absatz kehrt und verließ den Raum. Kadahl blieb verdutzt zurück.
So vergingen zwei Tage ohne Ereignisse, aber an den eintönigen Alltag war Kadahl längst gewöhnt.
In mitten der Nacht auf den dritten Tag erwachte Kadahl aus einem Albtraum, es war nicht der erste Albtraum dieser Art - meist befand er sich auf seinem ersten Posten als Kadett an Bord einer Marine-Fregatte - alles schien normal, der Himmel war blau, die See ruhig - doch auf einmal verdunkelte sich der Himmel und die See wurde tobend - ein Geisterschiff wuchs hinter der Fregatte aus den Fluten empor - grauenerregende Wesen mit rasiermesserscharfen Zähnen und Tentakeln zeichneten sich an Bord des Geisterschiffs ab - dann füllte sich das Meer mit Blut als die schauderhaften Monster über sie herfielen - der Albtraum endete immer erst sobald er es schaffte sich in einem halb gefüllten Apfelfass zu verstecken. Der Albtraum erinnerte ihn stets an jenen furchtbaren Tag, jenen Tag an dem er die grausamen Fischmenschen kennenlernte.
Dem Schlaf überdrüssig stieg Kadahl aus dem schweißgebadeten Bett und blickte aus dem vergitterten Fenster, es war äußerst neblig doch er konnte ein großes Schiff in der Bucht ausmachen, etwas kam ihm unheimlich bekannt vor und eine kalte Furcht schlich sich an ihn heran, er merkte erst wie sehr er zitterte als er seine Zähne im Stakkato klappern hörte. Er versuchte sich zu beruhigen, seine ehemaligen Kollegen standen schließlich Wache und als Gefangener befand man sich immerhin nicht in unmittelbarer Gefahr. Kaum hatten ihn seine Gedanken einigermaßen beruhigt, hörte er auf einmal eine ohrenbetäubende Kanonade, er sah wie überall in der kleinen Stadt Feuer ausbrach, die Verteidigungsanlagen waren in einer Breitseite vollkommen verwüstet worden. Der Nebel lichtete sich ein wenig und der Mond fand kurzzeitig seinen Weg durch die Wolkendecke, sodass Kadahl einen guten Blick auf das Schiff werfen konnte und ihm sank das Herz zu Boden. Er erkannte das Geisterschiff aus seinen Albträumen, nein, von damals wieder. Unweit von ihm hörte er wie Alarm geläutet wurde. Die stationierten Marinesoldaten und selbst die Stadtmiliz machten sich kampfbereit, Strawberry sicherte mit seinen Soldaten die Flanken und möglichen Fluchtweg ins Inselinnere.
Kadahl sah mit schrecken geweiteten Augen wie die Kreaturen aus seinen Albträumen langsam aus den Wogen marschierten, eine zweite Breitseite zielte auf die Formation der Verteidiger und sprengte sie entzwei, wie Bestien fielen die Angreifer über die Stadt her, die Soldaten und Miliz, immer noch benommen durch den direkten Beschuss hatten keine Chance und die Straßen quollen über mit Blut.
Strawberry sah das die Schlacht verloren war und versuchte so viele der Stadtbewohner wie möglich zu retten, ihn durchzuckte Zorn als er die Schreie der letzten Verteidigungsbastion in der Stadt hörte, doch ihr Opfer war wichtig, jede Sekunde Widerstand verschaffte ihnen Zeit um mehr Menschen in Sicherheit zu bringen. Auch Kadahl musste zurückgelassen werden, abgeschnitten vom Gefängnis gab es für Strawberry keine Chance zu seinem ehemaligen Freund und Kollegen zu kommen. Er feuerte eine rote Signalrakete in der Luft, das Zeichen für einen kompletten Rückzug, doch er machte sich keine Hoffnungen das es noch jemand aus der Stadt schaffen würde.
Auch er hatte das Schiff kurzzeitig im Mondschein gesehen und erkannt, es war die gefürchtete Skylla, angeführt von dem berüchtigten Fischmenschen Nine-Eyes, der eine grausame Fischmenschensekte führte, sie waren bekannt dafür Inseln zu überfallen und die Bewohner ihrer Gottheit zu opfern, niemand kannte den Namen dieser Gottheit und es gab nur ein bekannten Überlebenden ihrer Überfälle, einen jungen Kadetten der Marine vor 10, Kadahl.
Sie hatte zusammen bei der Marine angeheuert, wurden aber für ihren ersten Posten getrennt, als Strawberry seinen Freund wiedertraf war dieser ein anderer Mensch und ihre Freundschaft ging entzwei.
Kadahl merkte mit steigender Furcht wie die Kampfgeräusche um ihn herum abebbten, kurz darauf hörte er nichts mehr, eine gespenstische Stille breitete sich aus, doch war dies wesentlich schlimmer als der eben noch unerträgliche Lärm.
Plötzlich hörte er wie sich jemand, oder etwas an der Tür zu schaffen machte, Kadahl versuchte sich in der finstersten Ecke der Zelle so klein wie möglich zu machen. Die Tür wurde aufgestoßen und drei Gestalten betraten den Raum, er hörte wie Saugnäpfe über den Boden gleiteten, gefolgt von schweren Schritten und einem grausamen Kichern.
Die Gitterstäbe waren jetzt der einzige Schutz für Kadahl, doch kein Hindernis für den bulligen Kraken-Wassermann der die Eisenstäbe auseinanderbog. Ein etwas kleinerer Anglerfischmensch der unaufhörlich leise vor sich her kicherte näherte sich den Gittern, auf seiner Stirn befand sich eine Art Horn, aber nicht solide und am Ende glühte ein Licht wie bei einer Kerze, es war ein grotesker Anblick und jeglicher Schatten verflüchtigte sich wohin auch immer das Horn zeigte: "Da haben wir noch einen!" kyakyakya - kicherte es. Die schweren Schritte näherten sich nun dem Gitter, Kadahl blickte mit aufgerissenen Augen auf das furchtbare Bild das sich ihm bot - Nine-Eyes, in einer schwarzen Kutte gekleidet, das obere Gesicht hinter einer Maske verborgen, darunter ein rundliches Maul gefüllt mit rasiermesserscharfen Zähnen:
"Ein weiteres Opfer für Sho'thul, bereitet ihn vor, bereitet sie alle vor, wir haben noch viel vor heute Nacht!" Shahahaha
Kadahl wurde von Tentakeln gepackt und aus dem Gefängnis gezerrt, immer weiter Richtung Geisterschiff durch die Ruinen der einstigen friedlichen Stadt, überall Blut und Leichen, vereinzelt sah Kadahl wie Überlebende von den Fischmenschen ebenfalls in Richtung Meer geführt wurden, er wusste was ihn erwartete doch er konnte keine Kraft zur Gegenwehr aufbringen, sein Geist hatte schon aufgegeben.
Doch plötzlich donnerte es und für einen kurzen Moment füllte sich die rabenschwarze Nacht mit Licht als das Geisterschiff von einer Breitseite getroffen wurde.