Weiter geht es im Programm. Da sitze ich mit einer Horde Minks am Lagerfeuer und sie erzählen Geschichten und dabei gönnen wir uns reichlich Sake und zählen die Sterne am Nachthimmel. Jedenfalls gibt es nun den zweiten Teil der Minks zu lesen und über Kritiken und zahlreiche Stimmen freuen wir uns natürlich. Viel Spaß beim lesen.
Die Umfrage endet am Mittwoch Vormittag um 08:00 Uhr.
Unabhängige Stärke
Text 1: Hilflose Schwäche
…ßen Felsen versteckt dieser Ort.
Erklimme den höchsten Punkt vor dir liegend.
Schwarzer Granit rund am Boden schmiegend.
Dort erhältst du, was sich Schwäche ersehnt.
Doch musst du bereit sein, niemals gelähmt.
Geopfert werden die Herzen, nur im Quartett.
Sonst die Frucht des Blutes weiterhin versteckt.
Hier nimm es auf, gräme nicht was du verlierst.
Lasse zu, dass diese fulminante Stärke regiert.
Dann geh, für Blicke zurück bleibt dir keine Zeit.
Spüre im Jetzt, wie der Tod neues Leben verleiht.
Ich starrte mit ausgestorbenen Augen auf die Furchen ihrer verschlossenen Kajütentür. Drei Tage Isolation. Drei Tage kein Essen. Drei Tage ohne einen Hauch Gemütsbewegung von Niak. Es gab kein Durchdringen zu ihr. Weder Witze, noch Essen, noch brummender Gesang. Nun brandete endgültig die Verzweiflung hoch. Ich ballte meine Pfote zur Faust. Reiß dich zusammen! Ich schlug meine Faust in einem metronomischen Takt gegen die Stirn. Versagen war keine Option! Ein weiterer Schlag. Sie im Stich lassen war keine Option! Ein weiterer Schlag. Ziellos zu bleiben war keine Option! Noch ein Schlag. Ich brauche Fokus…Sie braucht Fokus! Ein Ziel.
Ich warf den erdrückenden Mantel der desaströsen Gefühle von meinen Schultern und durchschritt die Tür, einem allzu bekannten Anblick entgegen.
Ich wartete neben ihr. Ein weiterer stiller Wächter, ohne ein sinnvolles Wort auf den Lippen.
„Du hättest nichts für sie tun können…“ Irgendetwas musste gesagt werden. „Es waren zu viele.“
Sie spitzte leicht die Ohren. „Nichts hat sich geändert.“ Sie murmelte es kaum hörbar vor sich hin. „Ich bin schwach wie immer. Und jetzt allein.“
Prompte Wut kochte in mir hoch wegen dieser Worte. Ich packte sie am Fellkragen und schüttelte sie durch. „Du bist nicht allein. Sag das nie wieder! Und du hast Stärke in dir.“
Sie hob den Kopf. Ein subtiles Leuchten in ihren Augen. Unsere Blicke umschlossen uns, ein ewiger Moment aus gegenseitiger Dankbarkeit und Fürsorge. Mit einem plötzlichen Ruck stand sie auf und brach den fesselnden Bann. „Lass uns verschwinden und nie wieder zurückblicken.“
„Wir brauchen dich.“
Fast unmerklich registrierten ihre schwefelgelben Augen die Schrift und sie huschten rasant über die Zeilen hinweg. Schweigen. Ich wartete gespannt wie eine Bogensehne.
Niak fletschte wie üblich angestrengt nachdenkend ihre Fangzähne, dazu ein unsicheres Knurren, welches beinahe durch das ständige Knarren des Schiffes verschlungen wurde. „Ich bin mir nicht sicher, Leba…“
Ich atmete sichtlich erleichtert auf. Sie sprach. Das war ein Anfang. Der Erfolg war keine Frage von fehlender Cleverness. Es fehlte nur noch ein kleiner Schubs.
„Komm schon. Du hast mich. Du hast die Anderen.“ Ich rang nach den richtigen Worten. „Mit der Stärke aus dem Herz.“
Ich wusste nicht warum ich gerade diese Wort wählte, doch es schien mir als müsste sie genau das hören.
Die eisige und fremde Atmosphäre des Zimmers entschwand urplötzlich. Niaks zusammengesackter Körper straffte sich, sie schlug einen kurzen Buckel, ein aufbrausender Stimulus, der ihre tief verankerten Zweifel hinweg fegte. Ihre Augen leuchteten nicht, sondern loderten im wilden Feuer der Entschlossenheit. „Die Anderen… aus dem Herz.“ Schon schritt sie an mir vorüber. „Ich weiß genau, was ich tun muss.“
Lachend und voller Vorfreude gingen wir mit Niak an der Spitze von Bord. Die Insel Full Shout im Schatten ihrer riesigen Kakteen und den spitzen weißen Felsen, deren Glanz im Sonnenlicht einem die Sicht raubten.
Niak wandte sich am Strand strahlend zu uns um und breitete verheißungsvoll die Arme aus. „Leute, hier ist es.“ Sie wies mit ihren Arm in die Ferne Richtung Süden. „Es war ein langer Weg, aber wir haben es beinahe geschafft.“
Wir jubelten aus vollen Hals, Huff und Druff kreischten sich in Ekstase. Niaks Ansporn war ein seltener Anblick.
Sie zögerte kurz und trat einen Schritt näher, legte die Arme auf die Schultern der anderen. „Ich wisst nicht, wie sehr ich euch brauche.“
Das war zuviel. Die Zwillinge zerflossen in Bächen aus Tränen. Staggers wandte sich glühend errötet ab. Ramboo lachte glücklich in einem brachialen Bass.
„Los weiter, bevor wir in einer Gruppenumarmung hier festwachsen.“, lachte ich schallend und verteilte eine Runde freundschaftliche Klapse zur Förderung der Truppenmoral.
Fröhlich plaudernd wanderten wir den stetig steilen Hügel hinauf und schlugen uns durch dichtes Unterholz. Auf einmal blieb Staggers wie angewurzelt stehen. „Verdammt, ich hab die Schaufeln vergessen.“
Theatralisches Stöhnen war die Antwort.
„Du würdest wohl auch dein Geweih vergessen, wenn es nicht festgewachsen wäre“, grinste ich und verdrehte dabei künstlich die Augen. „Ich geh sie holen. Bis gleich.“
Die Schaufeln lagen offen an der Reling gelehnt. Ich schüttelte lächelnd den Kopf. Typisch.
Gemächlich trat ich den Weg wieder nach oben an. Was machte jetzt schon eine Minute mehr oder weniger. Langsam lichtete sich das Gestrüpp am höchsten Punkt.
Blut. Pechschwarzer Stein durchfurcht von Rinnsalen, Spritzern und Lachen von tiefroten, frischen Blut. Vier Silhouetten am Boden, eine düsterfarbene Gestalt, sich schemenhaft abhebend vom finsteren Fels. Niak beugt sich über den noch einzig lebendigen Ramboo und schlägt mit ihrer Pranke zu. Ein schneidender Ton zerfetzt die Luft. Ein feiner Niesel aus winzigen roten Tropfen prasselt zu Boden und bringt das grausame Scharlachgemälde zu einem krönenden Abschluss. Ich stolpere vor, aber bleibe unbewegt. Ramboos letzter rasselnder Atemzug dringt an mein Ohr, in seinen Augen spiegelt sich Unverständnis oder Trauer? Ich weiß es nicht. Ich bringe kein Wort heraus. Jeder Schrei, jedes Flehen, jeder Ton aus meinem Mund bleibt verschollen. Ich krieche zurück. Aber wohin? Nirgends gibt es Halt.
Leichter Druck regt sich langsam in meinen Untiefen empor. Ein dunkler Batzen beginnt in meinen Gedärmen zu entstehen. Unendlich langsam schwillt er an, wie ein Hefeteig im Ofen. Dieser fremdartige Batzen braucht Platz, doch ich will ihn nicht. Ich muss ihn loswerden! Ich übergebe mich röchelnd und spuckend auf dem Gestein. Doch der garstige Batzen wächst weiter, füllt mich aus, hämmert und zerrt an meinen körperlichen Rändern und quillt schleimig über mich hinaus.
Niak beginnt zu sprechen, doch ich höre sie kaum. Der Batzen umschließt mich nun, überzieht mich wie eine wabernde, undurchdringliche Membran und schottet mich von dieser Welt ab. Niaks Stimme ist nur noch das Echo eines Flüsterns aus einem fernen Universum. Die Membran umschließt mich wie einen Harnisch aus harten Stahl, doch warum fühle ich mich dann nicht sicher? Schon werde ich nach unten rausgedrückt. Der Fels spaltet sich auf und dutzende Greifarme packen mich. Langsam aber sicher ziehen sie mich aus meinem Körper. Ich versinke nach unten in die verschlingende Finsternis und sehe mich selbst regungslos am Boden kauernd. Die Dunkelheit umhüllt mich weiter. Mein Körper verschwimmt zu einer entrückenden Schattenfigur. Äonen vergehen, oder Augenblicke? Hier ist nichts. Der weiße Schnee ist schwarzer Ascheregen. Die wehende Flagge hängt herab. Nur ich und der undeutliche Blick auf mich selbst. Bin ich die Seele, der Geist, der Rest eines kümmerlichen Daseins? Ich könnte hier ewig verweilen…
Aber ich will nicht. Ich bewege mich. Ich kämpfe. Schwimme zurück durch die trübe Suppe zu mir. Tauche nach Luft ringend wieder auf in die Realität. Doch die Welt gleicht nun einem dystopischen Inferno. Grelles Licht brennt. Knackende Geräusche dröhnen. Die Luft erdrückend schwer durch metallischen Geruch. Rot und Schwarz in einer chaotischen Umarmung. Und Niak aufrecht in der Mitte, einem Gesicht in rußfarbenen Stein gemeißelt, das Blut unserer Crew sanft um sie herum kreisend.
Nichts kann dem gerecht werden. Kein Wort, kein Satz, keine Ansprache. „Warum?“
Jäger und Gejagte 2
Text 1: Jäger und Gejagte
Wann ist eine Person wirklich frei? Als ich Viz diese Frage mal stellte, sagte Sie mir „Man ist erst frei, wenn man sich dazu entscheidet frei zu sein“. Ihre Antwort habe ich nie wirklich verstanden. Schließlich konnte ich mir nicht aussuchen, versklavt zu werden. Ich konnte mir nicht aussuchen, ob ich eine Teufelsfrucht esse. Ich konnte mir auch nicht aussuchen, als Mink geboren zu werden. War ich also jemals frei? Oder eher, könnte ich überhaupt jemals frei werden?
Viz und Ich segeln nun seit etwa 1 Jahr auf Katsumis schiff mit. In diesem Jahr musste Viz ganze 6-mal Katsumis Krankheit heilen. Die Prozedur ist jedes Mal schmerzvoll für Viz. Dass sie sich weigert die Krankheit weiterzugeben macht es nicht besser. Und auch wenn Viz danach körperlich wieder gesund ist, so sieht man es Ihr an, wie sehr es sie belastet. Sie isst kaum noch. Man muss sie förmlich dazu zwingen etwas zu Essen. Psychisch geht es ihr auch immer schlechter.
Bisher sind alle meine Fluchtversuche gescheitert. Ich habe auch schon mehrmals versucht Katsumi mit Gewalt zu besiegen.Aber seine Kraft ist der meinen überlegen. Ich dachte immer meine Wendigkeit als Katzen-Mink gepaart mit meiner bestialischen Kraft der Grizzlybären-Frucht würde mich unbesiegbar machen, aber da kannte ich Katsumi noch nicht. Er ist ein Meister des Rüstungshaki. Nach jedem Fluchtversuch werde ich von ihm eingesperrt. Ganz allein Viz habe ich es zu verdanken, dass Katsumi mich noch nicht über Bord geworfen hat. Wenn ich eingesperrt werde, geht Viz aber in den Hungerstreik, bis ich freigelassen werde.
Am Abend, bevor wir unser neues Ziel erreichen, liege ich zusammen mit Viz in unserer Koje auf einer Hängematte. Nachts klammert sich Viz immer an mich. Auf dem Schiff ist es ruhig und bis auf das Knacksen der Dielen, den Wind, der gegen das Segel weht und die Wellen, die den Rumpf treffen, hört man nichts.
„Viz, bist du wach?“ flüsterte ich.
„Ja“ antwortet sie.
„Von den anderen habe ich erfahren, dass wir morgen an einer Insel anlegen …. Es soll ein Piratenparadies sein. Wenn der richtige Zeitpunkt kommt, verschwinden wir beide und verstecken uns auf eins der anderen Schiffe“
„Bist du dir dabei sicher? Die anderen male hat es auch nicht funktioniert“. Viz war in dem Moment sichtlich besorgt. „Ich möchte nicht das du wieder geschlagen und eingesperrt wirst“. Während Viz das sagte, schlief sie auch schon ein.
„Keine Angst“ erwiderte ich mit einer ruhigen Stimme. „Diesmal entkommen wir ganz bestimmt“.
Am nächsten Tag noch bevor wir ankamen, wollte Katsumi, dass Viz ihn wieder heilt.
„Viz, es ist wieder Zeit“ sagte er und holte währenddessen einer der vielen Ratte von den Käfigen, die er mittlerweile hält. Viz machte diesmal wenig Probleme, was selbst mich erstaunte.
Nachdem Viz die Krankheit von Katsumi aufgenommen hat, verspürte sie wieder diesen großen Schmerz im Kopf. Sie übertrug mit ihren leuchtenden Händen die Krankheit schnell auf die Ratte, was mich erstaunte. Normalerweise weigert sie sich in diesen Moment immer. Die Ratte starb dieses Mal nicht sofort. Manchmal dauert das halt.
Kurze Zeit später kamen wir auf der Insel an. Unsere erste Anlaufstelle war eine Bar in der Stadt. Katsumi liebte es sich zu betrinken. Gerade die Tage nachdem er von Viz geheilt wird. Dort blieben wir auch spät zum Abend, ich blieb mit Viz in einer Ecke.
„Mir geht es nicht gut“ sagte Viz.
„Gleich ist es vorbei“ erwiderte ich.
Ich wollte mit dem Fluchtversuch warten, bis sich Katsumi vollsauft. Er ruft mich jedoch zu ihm. Mist, denke ich mir. Wenn ich bei Ihm bin, werde ich nicht fliehen können.
„Setz dich. Wir haben was zu bereden“ erklärte er in einer betrunkenen Stimme.
„Was willst du von mir?“
„Ich mache dir ein Angebot“. Er holte ein Stück Papier aus seiner Tasche. „Das ist eine Vivre-Card, sie kann dich zu Zou bringen. Wir ziehen morgen wieder ab. Viz kommt mit mir und du kannst mit der Vivre-Card hierbleiben. Du kannst endlich Zou finden“.
„Ohne Viz gehe ich nirgendwo hin“ antwortete sich sofort. „Ich dachte, das ist mittlerweile klar“.
Katsumi schlug mit seiner Faust auf den Tisch „Du kleine Göre, das ist deine Chance auf Freiheit. Und das willst du für ein kleines Mädchen aufgeben?“
„Das wirst du nie verstehen, jemanden zu lieben“
Nachdem ich das gesagt habe, lachte Katsumi lautstark los. „Lieben? Das ich nicht lache! In dieser Welt ist kein Platz für Liebe!“ „Die Person, die ich dachte, am meisten zu lieben schieß mir mit einer Giftpistole in den Kopf“ schreite er. „Wer sich auf die Liebe verlässt, der ist verloren“ …. „Weißt du, ich war auch ein Sklave, genau wie du“
„Du warst ebenfalls ein Sklave und tust uns das trotzdem an?!“
„Ob Sklave oder Sklavenbesitzer, das macht keinen Unterschied. Es ist alles dieselbe Seite einer Medaille. Es war ein Sklavenmink, der mir auf Befehl in den Kopf geschossen hat. Es waren Sklaven, die mich, ohne zu zögern töten wollten, nur um an mein Fleisch zu knabbern.“ „In dieser Welt musst du nur an einer einzigen Person denken, dich selbst“
In diesem Moment kam in mir eine Wut auf, die ich nicht bändigen konnte. Wenn wir bei ihm bleiben, würden wir beide sterben. Das wusste ich nun. Ich schlug ihn mit dem Krug an den Kopf so stark, dass er in die Bar krachte.
Ich lief zu Viz und nahm sie in meine Arme.
„Es ist so weit, wir fliehen“ sagte ich.
Wir liefen also schnell nach draußen. Viz ging es aber immer schlechter.
„Ich kann nicht mehr“ sagte sie, während sie nur schwer atmen kann.
„Was ist den los? Hast du Fieber?“
Viz war kurz vorm Kollabieren, deshalb lief ich anstelle zu den Docks in den Wald. Dort suchte ich eine freie Stelle, um sie ablegen zu können.
„Viz, sag mir jetzt was los ist“
„Mein Kopf, es fühlt sich so an als würde er explodieren“
„Dein Kopf? Aber du hast die Krankheit doch weitergegeben. Hast du doch?!“
„Ich möchte nicht mehr das du wegen mir leidest, Kira.“
„WAS REDEST DU DA?“ schrie ich. „Ich suche jetzt schnell ein Tier“
„Ich werde nie wieder ein unschuldiges Tier krank machen. Nie wieder“
Im selben Moment hörte ich jemanden schreiben. Es war Katsumi.
„KIRAAA!!!“ „Ich weiß das Ihr hier seid! Kommt raus!“
Ich geriet in Panik und wusste nicht wirklich, was ich tun sollte.
„Viz wir müssen schnell hier weg“ sagte ich.
Ihr viel die Atmung noch schwerer, sie bekam kaum Worte aus dem Mund „Kira. Bitte versprich mit etwas“
„Nein, tu das nicht“ sagte ich, während mir Tränen aus den Augen kamen.
„Versprich mir Frei zu sein“ sagte sie, „Versprich mir das, Kira“. Im selben Moment hörte Viz auf zu atmen.
„Viz, nein. Bitte nicht“ Ich konnte meine Tränen nicht aufhalten, also weinte ich. „Viz, bitte…“ Im selben Moment hatte uns Katsumi gefunden. Es war alles seine schuld. Die Wut kochte in mir über, so sehr, dass ich nicht mehr bei Sinnen war. Ich verwandelte mich in meine Grzzlybären-Hybridform und dachte nur noch an eine Sache. Katsumi töten. Ich schaute schreiend den Mond an, dessen Licht plötzlich durch meine ganzen Adern fließt. Noch nie konnte ich so klarsehen. Meine Augen färbten sich Rot, meine Krallen wurden so groß wie nie und mein Fell wuchs unermesslich. Währenddessen schrie ich das einzige, an was ich dachte „KATSUMIII!!!!“
Der Fremde und das Geschäft
Text 1: Der Fremde in der Bar
Vier Tage später betrat der Fremde erneut die Bar. Diesmal war es später als beim ersten Mal und die Bar war voll. Jeder Tisch war besetzt und überall unterhielten sich die anwesenden Gäste lautstark. Balbo war gerade dabei, mehrere Biere zu zapfen, als sich der Fremde an die Theke setzte.
"Ein Bier bitte." bestellte dieser und legte das Geld auf die Theke.
"Kommt sofort.", erwiderte Balbo, während er sich aufmachte, die Biere an einen Tisch zu bringen. Auf dem Rückweg warf er einem der Gäste einen kurzen Blick zu und deutete mit einem Nicken auf den Fremden.
Hinter der Theke angekommen, ging Balbo an den Zapfhahn und machte die Bestellung für den Fremden fertig. "So, bitte sehr, Eure Bestellung.", sagte er, stellte das Bier vor ihn und nahm das Geld. Währenddessen setzte sich der andere Gast, dem Balbo eben zugenickt hatte, neben ihn.
"Hallo mein Freund", sagte der Gast mit einer freundlichen Stimme. "Euch habe ich hier noch nicht gesehen. Seid Ihr neu in der Stadt?" fragte er, während sich der Fremde zu ihm drehte. Dabei bemerkte er, dass es sich bei seinem neuen Nachbarn um einen galant gekleideten Fuchsmink handelte.
Nachdem er den Mink einen kurzen Moment gemustert hatte erwiderte der Fremde: "Ja, bin erst vor ein paar Tagen hier angekommen."
"Ah, verstehe, verstehe. Und, gefällt Euch unsere schöne, kleine Stadt? Ich hoffe doch. Sie ist so ein ruhiger und friedfertiger Ort." fuhr der Fuchsmink freundlich fort, drehte sich auf seinem Stuhl um und sah in die Bar. "Aber deswegen seid Ihr nicht hier, oder?" Plötzlich war seine Stimme ernster geworden.
Eine Weile lang schwieg der Fremde, ehe er schließlich antwortete. "Nein, das bin ich nicht. Ich bin auf der Suche nach jemandem."
"Oh, das hört sich interessant an. Wenn Ihr mir meine Neugier verzeiht, handelt es sich dabei um jemanden, den Ihr liebt oder anderweitig vermisst? Oder was sind die Beweggründe, warum Ihr nach dieser Person sucht?" schoss es wieder freundlicher aus dem Fuchsmink.
"Ich wüsste nicht, was Euch dies angeht. Schließlich kenne ich ja nicht mal Euren Namen." kam es angespannt von dem Fremden zurück.
"Oh bitte, ist dies alles? Gerne verrate ich Euch meinen Namen. Er lautet Cap." Während er sich vorstellte, drehte sich Cap wieder dem Fremden zu, lächelte ihn an und hielt ihm die Hand hin.
"Danke für Euren Namen, Cap. Aber das macht uns noch nicht zu Freunden. Und wenn Ihr jetzt entschuldigen würdet, ich warte noch auf jemanden." Die Stimme des Fremden war gereizt und dies ließ er deutlich durchblicken.
"Dann habt Ihr also schon diesen Jemanden gefunden? Na das ist doch schön. Dann will ich Euch nicht weiter stören. Auch ich warte auch noch auf jemanden. Jemanden, der mit mir ein Geschäft abschließen will." antwortete Cap und lächelte dabei verschmitzt, während ein kurzes Funkeln in seine Augen trat. Dann erhob er sich und ging wieder in die Richtung seines Tisches.
Er war kaum zwei Schritte gegangen, als der Fremde sich wieder an ihn wandte. "Wartet." Sofort blieb Cap stehen. "Wenn Ihr auf jemanden wartet und ich auf jemanden warte. Wer sagt uns dann, dass wir nicht beide aufeinander warten?" fragte er Fremde.
Daraufhin drehte sich Cap um und lächelte den Fremden an. "Ja, das stimmt. Das wäre eine sehr gute Möglichkeit. Warum kommt Ihr nicht mit an meinen Tisch und wir sprechen darüber?" lud er ihn ein und deutete auf seinen Tisch, der in einer der Ecken der Bar stand. Der Fremde griff nach seinem Bier, stand auf und folgte Cap.
Auch wenn es unwahrscheinlich schien, in der Ecke war es deutlich ruhiger, als der Fremde es erwartet hatte. Zwar hörte man noch immer die Stimmen und Gespräche der anderen Barbesucher, doch irgendwie wirkten sie leiser als sonst.
"So, da wären wir. Ich denke, hier haben wir es etwas ruhiger und können uns besser unterhalten, was meint Ihr?" erkundigte sich der Fuchsmink.
"Ja, hier scheint es wirklich angenehmer zu sein als an der Bar." stimmte ihm der Fremde zu, nach dem er sich gesetzt und sein Bier auf den Tisch gestellt hatte. Einen Moment lang blickte er Cap an, bevor er fortfuhr. "Also, wie habt Ihr davon erfahren, dass ich nach Euch suche?"
"Was das? Ach, das hat mir ein gemeinsamer Bekannter mitgeteilt." gab er fröhlich zurück und zwinkerte dabei mit einem Auge. "Er sagte, hier sei jemand neues in der Stadt und dieser jemand habe Gerüchte über gute Geschäfte gehört, die man hier abschließen kann und da bin ich hellhörig geworden. Denn mich würde sehr interessieren, um was für Geschäfte es sich diesem Fall handelt." Während er dies sagte, lehnte sich Cap ein wenig über den Tisch, legte die Arme darauf und verschränkte die Hände. Dabei registrierte der Fremde ein schwerer Siegelring, welchen der Fuchsmink an der linken Hand trug und in den eine schwarze Pfote eingelassen war.
Erneut blickte der Fremde sich um, ehe er antwortete. "Ist es hier denn sicher, um darüber zu reden?", fragte er skeptisch.
"Ob es hier sicher ist?", erwiderte Cap und lachte dabei kurz auf. "Oh, mein Freund, vertraut mir. Hier ist es sicherer als im Marinehauptquatier. Schaut Euch um, die Leute sind hier, trinken, reden, lachen und haben Spaß. Da hat keiner von ihnen Zeit, sich um unser Gespräch zu kümmern."
"Nun gut", gab sich der Fremde zufrieden und sammelte sich, ehe er fortfuhr. "Ich bin auf der Suche nach jemandem, bei dem ich einige Dinge erwerben kann. Dinge, die man nicht so leicht in einem Laden kaufen kann. Jedenfalls nicht in der Menge, in der ich sie benötige, ohne Aufmerksamkeit zu erregen." erklärte er sich.
"So, so, ich verstehe. Das müssen dann schon besondere Ware sein, nicht wahr? Denn niemand würde sich groß dafür interessieren, wenn Ihr ein paar Sack Getreide oder ein paar Planken kaufen würdet. Nein, Ihr scheint von Dingen zu reden, bei dem schon der Kauf von Zweien oder Dreien die lokalen Behörden aufmerksam machen würde, richtig?" fasste Cap zusammen.
"Ja, genauso etwas meine ich." bestätige der Fremde.
"Und wovon genau sprechen wir in diesem Fall?", erkundige sich der Fuchsmink.
"Nun, ich rede von Waffen, Munition, Verpflegung. Vielleicht auch ein Schiff. Je nachdem, was so im Angebot ist." erklärte der Fremde.
"Uh, das ist ja einiges. Da scheint jemand mächtig etwas vorzuhaben. Ihr seid doch hoffentlich kein Revolutionär, oder?" scherzte Cap.
"Und wenn dem so wäre?", stellte der Fremde die Gegenfrage.
"Nun, wenn dem so wäre, mein Freund, dann währt Ihr ein ganz schön schlechter Lügner. Denn wenn Ihr von der Revolution wäret, so wüsstet Ihr, dass wir mit ihnen auf diese Art und Weise keine Geschäfte machen!" Während er sprach wurde die Stimme von Cap immer dunkler und knurrender, welches sich auch auf seinem Gesicht widerspiegelte.
In diesem Moment spürte der Fremde ein Kribbeln im Nacken und als er sich umdrehte, sah er einen großen muskulösen Hundemink der plötzlich hinter ihm aufgetaucht war. "Alles in Ordnung?", fragte er mit tiefer knurrender Stimme.
"Ich denke schon Capper", antwortete Cap, und dann dem Fremden gewannt. "Sollte Ihr nicht zu diesen Leuten gehören, dann treffen wir uns in drei Tagen wieder, um die jeweiligen Angebote zu vergleichen"; und mit diesen Worten verließ er zusammen mit den anderen Mink die Bar, während der Fremde ihnen nachdenklich nachblickte.
Ungewissheit
Text 1: Klarheit
Ein fahler Lichtstrahl in der Dunkelheit.
Erdrückendes Schwarz wird zu blendendem Weiß.
Eine Feuersbrunst breitet sich aus.
Sämtliche Muskeln an meinem Körper schmerzen. In meinem Kopf dröhnt es. Ich kann kaum einen klaren Gedanken fassen. Wo bin ich? Massive Eisenstäbe ragen vor mir vom Boden bis zur Decke. Wie bin ich hierhergekommen? Ich will mich aufsetzen, doch mein Körper gehorcht mir nicht. Ich habe Durst. „Wa…sser“, keuche ich.
„Der Gefangene ist aufgewacht. Macht Meldung an den Oberwärter!“, ein leises klack ist nach den Worten zu hören. Eine Tür öffnet sich quietschend. Ein Mann in weißer Uniform blickt auf mich herab. Sein Blick wirkt angewidert. Dann wird wieder alles schwarz.
Warmes Wasser fließt über die Hände.
Rubinrote Perlen liegen im Schnee.
Ein Hungergefühl breitet sich aus.
„Tod durch Erhängen. Die Strafe ist in zwanzig Tagen zu vollstrecken.“
Ich vernehme das Urteil des Gerichts wortlos. Tränen fließen endlos über meine Wangen. Mein Magen verknotet sich, als berichtet wird, was ich in der Nacht vor einer Woche getan haben soll. Ich möchte mich übergeben. So viele Menschen tot… wegen mir?! Meine Erinnerungen wie ausgelöscht und doch liegen meine Schuldgefühle wie eine tonnenschwere Last auf mir. Ich weiß nicht mehr, was ich getan habe. Aber ich weiß, dass ich es getan habe.
Ich will aufstehen, doch mein Körper gehorcht mir nicht. Nicht, weil die Muskeln schmerzen. Es fühlt sich nur alles taub an. Meine Gedanken kreisen. Tränen fallen weiter unaufhörlich in meinen Schoß. Plötzlich durchfährt mich ein Gefühl der Angst. Als der Richter sich erhebt, bricht es aus mir heraus.
„Wen habe ich getötet?? Bitte, sagen Sie mir die Namen. Ich… Ich muss es wissen!“
„Die Identitäten der Opfer haben für das Urteil keine Relevanz“, die Stimme des Richters klingt fast schon gelangweilt. Der Knoten in meinem Magen zieht sich weiter zusammen. Zwei Wachen packen mich unsanft an meinen Oberarmen und ziehen mich aus meinem Sessel hoch.
„Zurück in die Zelle mit dir!“, keucht der kleinere der beiden und drückt mich nach vorne weg. Ich sage kein Wort. Mein Kopf ist leer. Meine Tränen versiegen. Mein Körper gibt auf. Ich falle auf meine Knie. Fluchend schleifen mich die Wärter aus dem Gerichtssaal, hinunter in die Katakomben. Ich nehme noch das Flackern der Fackeln an den Wänden wahr und den Gestank, der aus den Zellen kommt. Als der größere der Wärter mein Verlies aufschließt, bemerke ich, wie ein paar Augen im Schein des Feuers aufblitzten. Sie sind auf mich gerichtet. Ich schlage hart mit dem Kopf auf dem Steinboden auf.
Stumme Schreie aus verzerrten Gesichtern.
Saphirblau wird zu Aschgrau.
Der Hunger wird größer.
Der Wächter vor meiner Zelle schaut auf seine Taschenuhr. Gleich wird er gehen. Kurz darauf wird der nächste kommen und seinen Platz einnehmen. Viermal am Tag beobachte ich dieses Schauspiel. Nur noch zehn Tage. Ich kann mich immer noch nicht erinnern, was damals geschehen war. Abstrakte Bilder reißen mich immer wieder aus dem Schlaf. Ich esse nur wenig. Der graue Brei, den wir jeden Tag bekommen, schmeckt aber eh nicht. Ich fühle mich erschöpft. Ausgelaugt. Meine einzige Unterhaltung ist, dem Verlauf der Sonne durch ein winziges Fenster zu folgen und den Wächtern bei ihrem Wechsel zuzusehen. Ich habe schnell aufgegeben, mit ihnen zu sprechen. Entweder ignorierten sie mich komplett, oder sie forderten mich schroff dazu auf, mein Maul zu halten. Es ist wieder so weit. Er atmet erleichtert auf, macht auf dem Absatz kehrt und marschiert nach rechts davon. Es ist jedes Mal dasselbe. Sie bewegen sich wie geölte Maschinen.
Es wird jetzt ein paar Minuten dauern, bis sein Ersatz mit exakt denselben Bewegungen an exakt die gleiche Stelle treten wird. In der Zwischenzeit widme ich mich wieder dem Lichtstrahl, als eine tiefe Stimme die drückende Stille durchbrach.
„Wie kommt ein Mink wie du in diese gottlose Gegend am Arsch des West Blue?“
Meine Gedanken beginnen zu kreisen. Wie war ich hierhergekommen? Ich kann mich nicht erinnern. Woher komme ich? Mama und Papa meinten immer, dass mich der Wind zu ihnen getragen hat. Ich war mit ihrer Erklärung nie zufrieden, doch wenn ich weiter nachbohrte, lächelten sie nur und wechselten das Thema. Wie kommt also ein Mink wie ich-? Warte… Was hat er gesagt? Mink?! Das heißt-!
„Hast du mich gerade Mink genannt?! Du weißt, was ein Mink ist?? Ich BIN ein Mink?!“
„Natürlich weiß ich, was ein Mink ist. Und du bist so sicher ein Mink, wie mein linkes Bein vor Jahren das Abendessen eines Seekönigs wurde, Junge.“
Tränen steigen in meine Augen. Das Fell in meinem Nacken stellt sich aufgeregt auf. Mein Schwanz beginnt, wie wild zu wedeln. Ich stürme zu den Gitterstäben. Versuche, die Person auszumachen, von der die Stimme ausgeht.
„Es gibt sie also wirklich!“, meine Stimme bebt vor Erregung, „Sag mir, wo kann ich sie-?“
„RUHE DA DRIN!“ Ein harter Knüppelschlag trifft meine linke Hand. Der neue Wärter steht hünenhaft vor mir.
„Später!“, zischt es aus meiner Nachbarzelle und noch bevor der Wachmann erneut zuschlagen kann, schwinge ich mich unerwartet leichtfüßig zurück an die Zellenwand. Energie durchströmt meinen gesamten Körper. Ein wohliges Kribbeln entsteht in meiner Magengegend. Meine Mundwinkel zieht es unkontrollierbar nach oben. Ungeduldig warte ich darauf, dass der Wärter auf seine Taschenuhr sieht. Die Sonnenstrahlen ziehen ihre Bahn durch meine Zelle, doch meine Gedanken sind auf etwas ganz anderes fokussiert.
Es ist so weit. Gleich wird der Wärter sich umdrehen und verschwinden. Als der Hüne außer Hörweite ist, stürme ich wieder an die Gitterstäbe vor. Meine Worte überschlagen sich. Unzählige Fragen wollen zugleich aus mir heraussprudeln. Ich bekomme kaum Luft.
„Beruhige dich!“, fordert mich der Mann auf, „Ich werde versuchen, alle deine Fragen zu beantworten. Nenne mir aber zuerst einmal deinen Namen, Junge.“
Heißer Atem schmilzt den Schnee.
Smaragdgrün blitzt unter grauen Trümmern hervor.
Ekstase.
Morgen ist der Tag meiner Hinrichtung. Dann ist es vorbei. Ausgerechnet jetzt, wo ich endlich mehr über mich erfahren habe. In den kurzen Zeitfenstern, die wir hatten, erzählte mir mein Zellennachbar vieles über das Volk der Minks. Reg Eisner heißt er. Er ist ein Pirat, deshalb ist er hier eingesperrt. Was würde ich nicht alles geben, nur um hier rauszukommen. Um mein Volk zu suchen. Meine Herkunft. Meine Familie. Wieder schnürt sich mein Magen zu. Meine Familie… Habe ich wirklich…? Bitte nicht. Bitte, lass sie leben. Lass sie gesund sein.
Der Wärter bewegt sich. Bevor er jedoch nach rechts abgeht, betritt er wortlos meine Zelle. Er gibt ein Zeichen durch das kleine Fenster nach draußen. Daraufhin wird dieses mit einem Holzbrett versiegelt. Er geht. Ignoriert meine fragenden Blicke.
„Kohn hör zu“, flüstert Reg, „Heute Abend beim Wächterwechsel hole ich uns hier raus. Alles was du machen musst, ist, dir deine Augen mit einem Fetzen deiner Kleidung zu verbinden. Vertraue mir.“
Meine Antwort wehrt er mit einem kurzen Zischen ab. Ich spüre ein Kribbeln in mir. Ist das… Hoffnung? Ich sollte mich ausruhen vor heute Abend.
Ein fahler Lichtstrahl in der Dunkelheit.
Das ohrenbetäubende Alarmsignal wurde endlich abgestellt, als die Tür seines Büros aufschwingt.
„Herr Direktor. Ausbruch in Sektor C. Die Gefängnismauer wurde von außen mit Sprengstoff zerstört. Allerdings melden uns die Wärter nur zwei Flüchtige.“
Zwei Akten werden vor ihn gelegt.
Name: Kohn
Alter: 19
Delikt(e): Mehrfacher Homizid
Name: Reg Eisner
Alter: 38
Delikt(e): Bestechung, Mord, Menschenhandel
Die Umfrage endet am Mittwoch Vormittag um 08:00 Uhr.
Text 1: Hilflose Schwäche
…ßen Felsen versteckt dieser Ort.
Erklimme den höchsten Punkt vor dir liegend.
Schwarzer Granit rund am Boden schmiegend.
Dort erhältst du, was sich Schwäche ersehnt.
Doch musst du bereit sein, niemals gelähmt.
Geopfert werden die Herzen, nur im Quartett.
Sonst die Frucht des Blutes weiterhin versteckt.
Hier nimm es auf, gräme nicht was du verlierst.
Lasse zu, dass diese fulminante Stärke regiert.
Dann geh, für Blicke zurück bleibt dir keine Zeit.
Spüre im Jetzt, wie der Tod neues Leben verleiht.
Ich starrte mit ausgestorbenen Augen auf die Furchen ihrer verschlossenen Kajütentür. Drei Tage Isolation. Drei Tage kein Essen. Drei Tage ohne einen Hauch Gemütsbewegung von Niak. Es gab kein Durchdringen zu ihr. Weder Witze, noch Essen, noch brummender Gesang. Nun brandete endgültig die Verzweiflung hoch. Ich ballte meine Pfote zur Faust. Reiß dich zusammen! Ich schlug meine Faust in einem metronomischen Takt gegen die Stirn. Versagen war keine Option! Ein weiterer Schlag. Sie im Stich lassen war keine Option! Ein weiterer Schlag. Ziellos zu bleiben war keine Option! Noch ein Schlag. Ich brauche Fokus…Sie braucht Fokus! Ein Ziel.
Ich warf den erdrückenden Mantel der desaströsen Gefühle von meinen Schultern und durchschritt die Tür, einem allzu bekannten Anblick entgegen.
Ich wartete neben ihr. Ein weiterer stiller Wächter, ohne ein sinnvolles Wort auf den Lippen.
„Du hättest nichts für sie tun können…“ Irgendetwas musste gesagt werden. „Es waren zu viele.“
Sie spitzte leicht die Ohren. „Nichts hat sich geändert.“ Sie murmelte es kaum hörbar vor sich hin. „Ich bin schwach wie immer. Und jetzt allein.“
Prompte Wut kochte in mir hoch wegen dieser Worte. Ich packte sie am Fellkragen und schüttelte sie durch. „Du bist nicht allein. Sag das nie wieder! Und du hast Stärke in dir.“
Sie hob den Kopf. Ein subtiles Leuchten in ihren Augen. Unsere Blicke umschlossen uns, ein ewiger Moment aus gegenseitiger Dankbarkeit und Fürsorge. Mit einem plötzlichen Ruck stand sie auf und brach den fesselnden Bann. „Lass uns verschwinden und nie wieder zurückblicken.“
„Wir brauchen dich.“
Fast unmerklich registrierten ihre schwefelgelben Augen die Schrift und sie huschten rasant über die Zeilen hinweg. Schweigen. Ich wartete gespannt wie eine Bogensehne.
Niak fletschte wie üblich angestrengt nachdenkend ihre Fangzähne, dazu ein unsicheres Knurren, welches beinahe durch das ständige Knarren des Schiffes verschlungen wurde. „Ich bin mir nicht sicher, Leba…“
Ich atmete sichtlich erleichtert auf. Sie sprach. Das war ein Anfang. Der Erfolg war keine Frage von fehlender Cleverness. Es fehlte nur noch ein kleiner Schubs.
„Komm schon. Du hast mich. Du hast die Anderen.“ Ich rang nach den richtigen Worten. „Mit der Stärke aus dem Herz.“
Ich wusste nicht warum ich gerade diese Wort wählte, doch es schien mir als müsste sie genau das hören.
Die eisige und fremde Atmosphäre des Zimmers entschwand urplötzlich. Niaks zusammengesackter Körper straffte sich, sie schlug einen kurzen Buckel, ein aufbrausender Stimulus, der ihre tief verankerten Zweifel hinweg fegte. Ihre Augen leuchteten nicht, sondern loderten im wilden Feuer der Entschlossenheit. „Die Anderen… aus dem Herz.“ Schon schritt sie an mir vorüber. „Ich weiß genau, was ich tun muss.“
Lachend und voller Vorfreude gingen wir mit Niak an der Spitze von Bord. Die Insel Full Shout im Schatten ihrer riesigen Kakteen und den spitzen weißen Felsen, deren Glanz im Sonnenlicht einem die Sicht raubten.
Niak wandte sich am Strand strahlend zu uns um und breitete verheißungsvoll die Arme aus. „Leute, hier ist es.“ Sie wies mit ihren Arm in die Ferne Richtung Süden. „Es war ein langer Weg, aber wir haben es beinahe geschafft.“
Wir jubelten aus vollen Hals, Huff und Druff kreischten sich in Ekstase. Niaks Ansporn war ein seltener Anblick.
Sie zögerte kurz und trat einen Schritt näher, legte die Arme auf die Schultern der anderen. „Ich wisst nicht, wie sehr ich euch brauche.“
Das war zuviel. Die Zwillinge zerflossen in Bächen aus Tränen. Staggers wandte sich glühend errötet ab. Ramboo lachte glücklich in einem brachialen Bass.
„Los weiter, bevor wir in einer Gruppenumarmung hier festwachsen.“, lachte ich schallend und verteilte eine Runde freundschaftliche Klapse zur Förderung der Truppenmoral.
Fröhlich plaudernd wanderten wir den stetig steilen Hügel hinauf und schlugen uns durch dichtes Unterholz. Auf einmal blieb Staggers wie angewurzelt stehen. „Verdammt, ich hab die Schaufeln vergessen.“
Theatralisches Stöhnen war die Antwort.
„Du würdest wohl auch dein Geweih vergessen, wenn es nicht festgewachsen wäre“, grinste ich und verdrehte dabei künstlich die Augen. „Ich geh sie holen. Bis gleich.“
Die Schaufeln lagen offen an der Reling gelehnt. Ich schüttelte lächelnd den Kopf. Typisch.
Gemächlich trat ich den Weg wieder nach oben an. Was machte jetzt schon eine Minute mehr oder weniger. Langsam lichtete sich das Gestrüpp am höchsten Punkt.
Blut. Pechschwarzer Stein durchfurcht von Rinnsalen, Spritzern und Lachen von tiefroten, frischen Blut. Vier Silhouetten am Boden, eine düsterfarbene Gestalt, sich schemenhaft abhebend vom finsteren Fels. Niak beugt sich über den noch einzig lebendigen Ramboo und schlägt mit ihrer Pranke zu. Ein schneidender Ton zerfetzt die Luft. Ein feiner Niesel aus winzigen roten Tropfen prasselt zu Boden und bringt das grausame Scharlachgemälde zu einem krönenden Abschluss. Ich stolpere vor, aber bleibe unbewegt. Ramboos letzter rasselnder Atemzug dringt an mein Ohr, in seinen Augen spiegelt sich Unverständnis oder Trauer? Ich weiß es nicht. Ich bringe kein Wort heraus. Jeder Schrei, jedes Flehen, jeder Ton aus meinem Mund bleibt verschollen. Ich krieche zurück. Aber wohin? Nirgends gibt es Halt.
Leichter Druck regt sich langsam in meinen Untiefen empor. Ein dunkler Batzen beginnt in meinen Gedärmen zu entstehen. Unendlich langsam schwillt er an, wie ein Hefeteig im Ofen. Dieser fremdartige Batzen braucht Platz, doch ich will ihn nicht. Ich muss ihn loswerden! Ich übergebe mich röchelnd und spuckend auf dem Gestein. Doch der garstige Batzen wächst weiter, füllt mich aus, hämmert und zerrt an meinen körperlichen Rändern und quillt schleimig über mich hinaus.
Niak beginnt zu sprechen, doch ich höre sie kaum. Der Batzen umschließt mich nun, überzieht mich wie eine wabernde, undurchdringliche Membran und schottet mich von dieser Welt ab. Niaks Stimme ist nur noch das Echo eines Flüsterns aus einem fernen Universum. Die Membran umschließt mich wie einen Harnisch aus harten Stahl, doch warum fühle ich mich dann nicht sicher? Schon werde ich nach unten rausgedrückt. Der Fels spaltet sich auf und dutzende Greifarme packen mich. Langsam aber sicher ziehen sie mich aus meinem Körper. Ich versinke nach unten in die verschlingende Finsternis und sehe mich selbst regungslos am Boden kauernd. Die Dunkelheit umhüllt mich weiter. Mein Körper verschwimmt zu einer entrückenden Schattenfigur. Äonen vergehen, oder Augenblicke? Hier ist nichts. Der weiße Schnee ist schwarzer Ascheregen. Die wehende Flagge hängt herab. Nur ich und der undeutliche Blick auf mich selbst. Bin ich die Seele, der Geist, der Rest eines kümmerlichen Daseins? Ich könnte hier ewig verweilen…
Aber ich will nicht. Ich bewege mich. Ich kämpfe. Schwimme zurück durch die trübe Suppe zu mir. Tauche nach Luft ringend wieder auf in die Realität. Doch die Welt gleicht nun einem dystopischen Inferno. Grelles Licht brennt. Knackende Geräusche dröhnen. Die Luft erdrückend schwer durch metallischen Geruch. Rot und Schwarz in einer chaotischen Umarmung. Und Niak aufrecht in der Mitte, einem Gesicht in rußfarbenen Stein gemeißelt, das Blut unserer Crew sanft um sie herum kreisend.
Nichts kann dem gerecht werden. Kein Wort, kein Satz, keine Ansprache. „Warum?“
Text 1: Jäger und Gejagte
Wann ist eine Person wirklich frei? Als ich Viz diese Frage mal stellte, sagte Sie mir „Man ist erst frei, wenn man sich dazu entscheidet frei zu sein“. Ihre Antwort habe ich nie wirklich verstanden. Schließlich konnte ich mir nicht aussuchen, versklavt zu werden. Ich konnte mir nicht aussuchen, ob ich eine Teufelsfrucht esse. Ich konnte mir auch nicht aussuchen, als Mink geboren zu werden. War ich also jemals frei? Oder eher, könnte ich überhaupt jemals frei werden?
Viz und Ich segeln nun seit etwa 1 Jahr auf Katsumis schiff mit. In diesem Jahr musste Viz ganze 6-mal Katsumis Krankheit heilen. Die Prozedur ist jedes Mal schmerzvoll für Viz. Dass sie sich weigert die Krankheit weiterzugeben macht es nicht besser. Und auch wenn Viz danach körperlich wieder gesund ist, so sieht man es Ihr an, wie sehr es sie belastet. Sie isst kaum noch. Man muss sie förmlich dazu zwingen etwas zu Essen. Psychisch geht es ihr auch immer schlechter.
Bisher sind alle meine Fluchtversuche gescheitert. Ich habe auch schon mehrmals versucht Katsumi mit Gewalt zu besiegen.Aber seine Kraft ist der meinen überlegen. Ich dachte immer meine Wendigkeit als Katzen-Mink gepaart mit meiner bestialischen Kraft der Grizzlybären-Frucht würde mich unbesiegbar machen, aber da kannte ich Katsumi noch nicht. Er ist ein Meister des Rüstungshaki. Nach jedem Fluchtversuch werde ich von ihm eingesperrt. Ganz allein Viz habe ich es zu verdanken, dass Katsumi mich noch nicht über Bord geworfen hat. Wenn ich eingesperrt werde, geht Viz aber in den Hungerstreik, bis ich freigelassen werde.
Am Abend, bevor wir unser neues Ziel erreichen, liege ich zusammen mit Viz in unserer Koje auf einer Hängematte. Nachts klammert sich Viz immer an mich. Auf dem Schiff ist es ruhig und bis auf das Knacksen der Dielen, den Wind, der gegen das Segel weht und die Wellen, die den Rumpf treffen, hört man nichts.
„Viz, bist du wach?“ flüsterte ich.
„Ja“ antwortet sie.
„Von den anderen habe ich erfahren, dass wir morgen an einer Insel anlegen …. Es soll ein Piratenparadies sein. Wenn der richtige Zeitpunkt kommt, verschwinden wir beide und verstecken uns auf eins der anderen Schiffe“
„Bist du dir dabei sicher? Die anderen male hat es auch nicht funktioniert“. Viz war in dem Moment sichtlich besorgt. „Ich möchte nicht das du wieder geschlagen und eingesperrt wirst“. Während Viz das sagte, schlief sie auch schon ein.
„Keine Angst“ erwiderte ich mit einer ruhigen Stimme. „Diesmal entkommen wir ganz bestimmt“.
Am nächsten Tag noch bevor wir ankamen, wollte Katsumi, dass Viz ihn wieder heilt.
„Viz, es ist wieder Zeit“ sagte er und holte währenddessen einer der vielen Ratte von den Käfigen, die er mittlerweile hält. Viz machte diesmal wenig Probleme, was selbst mich erstaunte.
Nachdem Viz die Krankheit von Katsumi aufgenommen hat, verspürte sie wieder diesen großen Schmerz im Kopf. Sie übertrug mit ihren leuchtenden Händen die Krankheit schnell auf die Ratte, was mich erstaunte. Normalerweise weigert sie sich in diesen Moment immer. Die Ratte starb dieses Mal nicht sofort. Manchmal dauert das halt.
Kurze Zeit später kamen wir auf der Insel an. Unsere erste Anlaufstelle war eine Bar in der Stadt. Katsumi liebte es sich zu betrinken. Gerade die Tage nachdem er von Viz geheilt wird. Dort blieben wir auch spät zum Abend, ich blieb mit Viz in einer Ecke.
„Mir geht es nicht gut“ sagte Viz.
„Gleich ist es vorbei“ erwiderte ich.
Ich wollte mit dem Fluchtversuch warten, bis sich Katsumi vollsauft. Er ruft mich jedoch zu ihm. Mist, denke ich mir. Wenn ich bei Ihm bin, werde ich nicht fliehen können.
„Setz dich. Wir haben was zu bereden“ erklärte er in einer betrunkenen Stimme.
„Was willst du von mir?“
„Ich mache dir ein Angebot“. Er holte ein Stück Papier aus seiner Tasche. „Das ist eine Vivre-Card, sie kann dich zu Zou bringen. Wir ziehen morgen wieder ab. Viz kommt mit mir und du kannst mit der Vivre-Card hierbleiben. Du kannst endlich Zou finden“.
„Ohne Viz gehe ich nirgendwo hin“ antwortete sich sofort. „Ich dachte, das ist mittlerweile klar“.
Katsumi schlug mit seiner Faust auf den Tisch „Du kleine Göre, das ist deine Chance auf Freiheit. Und das willst du für ein kleines Mädchen aufgeben?“
„Das wirst du nie verstehen, jemanden zu lieben“
Nachdem ich das gesagt habe, lachte Katsumi lautstark los. „Lieben? Das ich nicht lache! In dieser Welt ist kein Platz für Liebe!“ „Die Person, die ich dachte, am meisten zu lieben schieß mir mit einer Giftpistole in den Kopf“ schreite er. „Wer sich auf die Liebe verlässt, der ist verloren“ …. „Weißt du, ich war auch ein Sklave, genau wie du“
„Du warst ebenfalls ein Sklave und tust uns das trotzdem an?!“
„Ob Sklave oder Sklavenbesitzer, das macht keinen Unterschied. Es ist alles dieselbe Seite einer Medaille. Es war ein Sklavenmink, der mir auf Befehl in den Kopf geschossen hat. Es waren Sklaven, die mich, ohne zu zögern töten wollten, nur um an mein Fleisch zu knabbern.“ „In dieser Welt musst du nur an einer einzigen Person denken, dich selbst“
In diesem Moment kam in mir eine Wut auf, die ich nicht bändigen konnte. Wenn wir bei ihm bleiben, würden wir beide sterben. Das wusste ich nun. Ich schlug ihn mit dem Krug an den Kopf so stark, dass er in die Bar krachte.
Ich lief zu Viz und nahm sie in meine Arme.
„Es ist so weit, wir fliehen“ sagte ich.
Wir liefen also schnell nach draußen. Viz ging es aber immer schlechter.
„Ich kann nicht mehr“ sagte sie, während sie nur schwer atmen kann.
„Was ist den los? Hast du Fieber?“
Viz war kurz vorm Kollabieren, deshalb lief ich anstelle zu den Docks in den Wald. Dort suchte ich eine freie Stelle, um sie ablegen zu können.
„Viz, sag mir jetzt was los ist“
„Mein Kopf, es fühlt sich so an als würde er explodieren“
„Dein Kopf? Aber du hast die Krankheit doch weitergegeben. Hast du doch?!“
„Ich möchte nicht mehr das du wegen mir leidest, Kira.“
„WAS REDEST DU DA?“ schrie ich. „Ich suche jetzt schnell ein Tier“
„Ich werde nie wieder ein unschuldiges Tier krank machen. Nie wieder“
Im selben Moment hörte ich jemanden schreiben. Es war Katsumi.
„KIRAAA!!!“ „Ich weiß das Ihr hier seid! Kommt raus!“
Ich geriet in Panik und wusste nicht wirklich, was ich tun sollte.
„Viz wir müssen schnell hier weg“ sagte ich.
Ihr viel die Atmung noch schwerer, sie bekam kaum Worte aus dem Mund „Kira. Bitte versprich mit etwas“
„Nein, tu das nicht“ sagte ich, während mir Tränen aus den Augen kamen.
„Versprich mir Frei zu sein“ sagte sie, „Versprich mir das, Kira“. Im selben Moment hörte Viz auf zu atmen.
„Viz, nein. Bitte nicht“ Ich konnte meine Tränen nicht aufhalten, also weinte ich. „Viz, bitte…“ Im selben Moment hatte uns Katsumi gefunden. Es war alles seine schuld. Die Wut kochte in mir über, so sehr, dass ich nicht mehr bei Sinnen war. Ich verwandelte mich in meine Grzzlybären-Hybridform und dachte nur noch an eine Sache. Katsumi töten. Ich schaute schreiend den Mond an, dessen Licht plötzlich durch meine ganzen Adern fließt. Noch nie konnte ich so klarsehen. Meine Augen färbten sich Rot, meine Krallen wurden so groß wie nie und mein Fell wuchs unermesslich. Währenddessen schrie ich das einzige, an was ich dachte „KATSUMIII!!!!“
Text 1: Der Fremde in der Bar
Vier Tage später betrat der Fremde erneut die Bar. Diesmal war es später als beim ersten Mal und die Bar war voll. Jeder Tisch war besetzt und überall unterhielten sich die anwesenden Gäste lautstark. Balbo war gerade dabei, mehrere Biere zu zapfen, als sich der Fremde an die Theke setzte.
"Ein Bier bitte." bestellte dieser und legte das Geld auf die Theke.
"Kommt sofort.", erwiderte Balbo, während er sich aufmachte, die Biere an einen Tisch zu bringen. Auf dem Rückweg warf er einem der Gäste einen kurzen Blick zu und deutete mit einem Nicken auf den Fremden.
Hinter der Theke angekommen, ging Balbo an den Zapfhahn und machte die Bestellung für den Fremden fertig. "So, bitte sehr, Eure Bestellung.", sagte er, stellte das Bier vor ihn und nahm das Geld. Währenddessen setzte sich der andere Gast, dem Balbo eben zugenickt hatte, neben ihn.
"Hallo mein Freund", sagte der Gast mit einer freundlichen Stimme. "Euch habe ich hier noch nicht gesehen. Seid Ihr neu in der Stadt?" fragte er, während sich der Fremde zu ihm drehte. Dabei bemerkte er, dass es sich bei seinem neuen Nachbarn um einen galant gekleideten Fuchsmink handelte.
Nachdem er den Mink einen kurzen Moment gemustert hatte erwiderte der Fremde: "Ja, bin erst vor ein paar Tagen hier angekommen."
"Ah, verstehe, verstehe. Und, gefällt Euch unsere schöne, kleine Stadt? Ich hoffe doch. Sie ist so ein ruhiger und friedfertiger Ort." fuhr der Fuchsmink freundlich fort, drehte sich auf seinem Stuhl um und sah in die Bar. "Aber deswegen seid Ihr nicht hier, oder?" Plötzlich war seine Stimme ernster geworden.
Eine Weile lang schwieg der Fremde, ehe er schließlich antwortete. "Nein, das bin ich nicht. Ich bin auf der Suche nach jemandem."
"Oh, das hört sich interessant an. Wenn Ihr mir meine Neugier verzeiht, handelt es sich dabei um jemanden, den Ihr liebt oder anderweitig vermisst? Oder was sind die Beweggründe, warum Ihr nach dieser Person sucht?" schoss es wieder freundlicher aus dem Fuchsmink.
"Ich wüsste nicht, was Euch dies angeht. Schließlich kenne ich ja nicht mal Euren Namen." kam es angespannt von dem Fremden zurück.
"Oh bitte, ist dies alles? Gerne verrate ich Euch meinen Namen. Er lautet Cap." Während er sich vorstellte, drehte sich Cap wieder dem Fremden zu, lächelte ihn an und hielt ihm die Hand hin.
"Danke für Euren Namen, Cap. Aber das macht uns noch nicht zu Freunden. Und wenn Ihr jetzt entschuldigen würdet, ich warte noch auf jemanden." Die Stimme des Fremden war gereizt und dies ließ er deutlich durchblicken.
"Dann habt Ihr also schon diesen Jemanden gefunden? Na das ist doch schön. Dann will ich Euch nicht weiter stören. Auch ich warte auch noch auf jemanden. Jemanden, der mit mir ein Geschäft abschließen will." antwortete Cap und lächelte dabei verschmitzt, während ein kurzes Funkeln in seine Augen trat. Dann erhob er sich und ging wieder in die Richtung seines Tisches.
Er war kaum zwei Schritte gegangen, als der Fremde sich wieder an ihn wandte. "Wartet." Sofort blieb Cap stehen. "Wenn Ihr auf jemanden wartet und ich auf jemanden warte. Wer sagt uns dann, dass wir nicht beide aufeinander warten?" fragte er Fremde.
Daraufhin drehte sich Cap um und lächelte den Fremden an. "Ja, das stimmt. Das wäre eine sehr gute Möglichkeit. Warum kommt Ihr nicht mit an meinen Tisch und wir sprechen darüber?" lud er ihn ein und deutete auf seinen Tisch, der in einer der Ecken der Bar stand. Der Fremde griff nach seinem Bier, stand auf und folgte Cap.
Auch wenn es unwahrscheinlich schien, in der Ecke war es deutlich ruhiger, als der Fremde es erwartet hatte. Zwar hörte man noch immer die Stimmen und Gespräche der anderen Barbesucher, doch irgendwie wirkten sie leiser als sonst.
"So, da wären wir. Ich denke, hier haben wir es etwas ruhiger und können uns besser unterhalten, was meint Ihr?" erkundigte sich der Fuchsmink.
"Ja, hier scheint es wirklich angenehmer zu sein als an der Bar." stimmte ihm der Fremde zu, nach dem er sich gesetzt und sein Bier auf den Tisch gestellt hatte. Einen Moment lang blickte er Cap an, bevor er fortfuhr. "Also, wie habt Ihr davon erfahren, dass ich nach Euch suche?"
"Was das? Ach, das hat mir ein gemeinsamer Bekannter mitgeteilt." gab er fröhlich zurück und zwinkerte dabei mit einem Auge. "Er sagte, hier sei jemand neues in der Stadt und dieser jemand habe Gerüchte über gute Geschäfte gehört, die man hier abschließen kann und da bin ich hellhörig geworden. Denn mich würde sehr interessieren, um was für Geschäfte es sich diesem Fall handelt." Während er dies sagte, lehnte sich Cap ein wenig über den Tisch, legte die Arme darauf und verschränkte die Hände. Dabei registrierte der Fremde ein schwerer Siegelring, welchen der Fuchsmink an der linken Hand trug und in den eine schwarze Pfote eingelassen war.
Erneut blickte der Fremde sich um, ehe er antwortete. "Ist es hier denn sicher, um darüber zu reden?", fragte er skeptisch.
"Ob es hier sicher ist?", erwiderte Cap und lachte dabei kurz auf. "Oh, mein Freund, vertraut mir. Hier ist es sicherer als im Marinehauptquatier. Schaut Euch um, die Leute sind hier, trinken, reden, lachen und haben Spaß. Da hat keiner von ihnen Zeit, sich um unser Gespräch zu kümmern."
"Nun gut", gab sich der Fremde zufrieden und sammelte sich, ehe er fortfuhr. "Ich bin auf der Suche nach jemandem, bei dem ich einige Dinge erwerben kann. Dinge, die man nicht so leicht in einem Laden kaufen kann. Jedenfalls nicht in der Menge, in der ich sie benötige, ohne Aufmerksamkeit zu erregen." erklärte er sich.
"So, so, ich verstehe. Das müssen dann schon besondere Ware sein, nicht wahr? Denn niemand würde sich groß dafür interessieren, wenn Ihr ein paar Sack Getreide oder ein paar Planken kaufen würdet. Nein, Ihr scheint von Dingen zu reden, bei dem schon der Kauf von Zweien oder Dreien die lokalen Behörden aufmerksam machen würde, richtig?" fasste Cap zusammen.
"Ja, genauso etwas meine ich." bestätige der Fremde.
"Und wovon genau sprechen wir in diesem Fall?", erkundige sich der Fuchsmink.
"Nun, ich rede von Waffen, Munition, Verpflegung. Vielleicht auch ein Schiff. Je nachdem, was so im Angebot ist." erklärte der Fremde.
"Uh, das ist ja einiges. Da scheint jemand mächtig etwas vorzuhaben. Ihr seid doch hoffentlich kein Revolutionär, oder?" scherzte Cap.
"Und wenn dem so wäre?", stellte der Fremde die Gegenfrage.
"Nun, wenn dem so wäre, mein Freund, dann währt Ihr ein ganz schön schlechter Lügner. Denn wenn Ihr von der Revolution wäret, so wüsstet Ihr, dass wir mit ihnen auf diese Art und Weise keine Geschäfte machen!" Während er sprach wurde die Stimme von Cap immer dunkler und knurrender, welches sich auch auf seinem Gesicht widerspiegelte.
In diesem Moment spürte der Fremde ein Kribbeln im Nacken und als er sich umdrehte, sah er einen großen muskulösen Hundemink der plötzlich hinter ihm aufgetaucht war. "Alles in Ordnung?", fragte er mit tiefer knurrender Stimme.
"Ich denke schon Capper", antwortete Cap, und dann dem Fremden gewannt. "Sollte Ihr nicht zu diesen Leuten gehören, dann treffen wir uns in drei Tagen wieder, um die jeweiligen Angebote zu vergleichen"; und mit diesen Worten verließ er zusammen mit den anderen Mink die Bar, während der Fremde ihnen nachdenklich nachblickte.
Text 1: Klarheit
Ein fahler Lichtstrahl in der Dunkelheit.
Erdrückendes Schwarz wird zu blendendem Weiß.
Eine Feuersbrunst breitet sich aus.
Sämtliche Muskeln an meinem Körper schmerzen. In meinem Kopf dröhnt es. Ich kann kaum einen klaren Gedanken fassen. Wo bin ich? Massive Eisenstäbe ragen vor mir vom Boden bis zur Decke. Wie bin ich hierhergekommen? Ich will mich aufsetzen, doch mein Körper gehorcht mir nicht. Ich habe Durst. „Wa…sser“, keuche ich.
„Der Gefangene ist aufgewacht. Macht Meldung an den Oberwärter!“, ein leises klack ist nach den Worten zu hören. Eine Tür öffnet sich quietschend. Ein Mann in weißer Uniform blickt auf mich herab. Sein Blick wirkt angewidert. Dann wird wieder alles schwarz.
Warmes Wasser fließt über die Hände.
Rubinrote Perlen liegen im Schnee.
Ein Hungergefühl breitet sich aus.
„Tod durch Erhängen. Die Strafe ist in zwanzig Tagen zu vollstrecken.“
Ich vernehme das Urteil des Gerichts wortlos. Tränen fließen endlos über meine Wangen. Mein Magen verknotet sich, als berichtet wird, was ich in der Nacht vor einer Woche getan haben soll. Ich möchte mich übergeben. So viele Menschen tot… wegen mir?! Meine Erinnerungen wie ausgelöscht und doch liegen meine Schuldgefühle wie eine tonnenschwere Last auf mir. Ich weiß nicht mehr, was ich getan habe. Aber ich weiß, dass ich es getan habe.
Ich will aufstehen, doch mein Körper gehorcht mir nicht. Nicht, weil die Muskeln schmerzen. Es fühlt sich nur alles taub an. Meine Gedanken kreisen. Tränen fallen weiter unaufhörlich in meinen Schoß. Plötzlich durchfährt mich ein Gefühl der Angst. Als der Richter sich erhebt, bricht es aus mir heraus.
„Wen habe ich getötet?? Bitte, sagen Sie mir die Namen. Ich… Ich muss es wissen!“
„Die Identitäten der Opfer haben für das Urteil keine Relevanz“, die Stimme des Richters klingt fast schon gelangweilt. Der Knoten in meinem Magen zieht sich weiter zusammen. Zwei Wachen packen mich unsanft an meinen Oberarmen und ziehen mich aus meinem Sessel hoch.
„Zurück in die Zelle mit dir!“, keucht der kleinere der beiden und drückt mich nach vorne weg. Ich sage kein Wort. Mein Kopf ist leer. Meine Tränen versiegen. Mein Körper gibt auf. Ich falle auf meine Knie. Fluchend schleifen mich die Wärter aus dem Gerichtssaal, hinunter in die Katakomben. Ich nehme noch das Flackern der Fackeln an den Wänden wahr und den Gestank, der aus den Zellen kommt. Als der größere der Wärter mein Verlies aufschließt, bemerke ich, wie ein paar Augen im Schein des Feuers aufblitzten. Sie sind auf mich gerichtet. Ich schlage hart mit dem Kopf auf dem Steinboden auf.
Stumme Schreie aus verzerrten Gesichtern.
Saphirblau wird zu Aschgrau.
Der Hunger wird größer.
Der Wächter vor meiner Zelle schaut auf seine Taschenuhr. Gleich wird er gehen. Kurz darauf wird der nächste kommen und seinen Platz einnehmen. Viermal am Tag beobachte ich dieses Schauspiel. Nur noch zehn Tage. Ich kann mich immer noch nicht erinnern, was damals geschehen war. Abstrakte Bilder reißen mich immer wieder aus dem Schlaf. Ich esse nur wenig. Der graue Brei, den wir jeden Tag bekommen, schmeckt aber eh nicht. Ich fühle mich erschöpft. Ausgelaugt. Meine einzige Unterhaltung ist, dem Verlauf der Sonne durch ein winziges Fenster zu folgen und den Wächtern bei ihrem Wechsel zuzusehen. Ich habe schnell aufgegeben, mit ihnen zu sprechen. Entweder ignorierten sie mich komplett, oder sie forderten mich schroff dazu auf, mein Maul zu halten. Es ist wieder so weit. Er atmet erleichtert auf, macht auf dem Absatz kehrt und marschiert nach rechts davon. Es ist jedes Mal dasselbe. Sie bewegen sich wie geölte Maschinen.
Es wird jetzt ein paar Minuten dauern, bis sein Ersatz mit exakt denselben Bewegungen an exakt die gleiche Stelle treten wird. In der Zwischenzeit widme ich mich wieder dem Lichtstrahl, als eine tiefe Stimme die drückende Stille durchbrach.
„Wie kommt ein Mink wie du in diese gottlose Gegend am Arsch des West Blue?“
Meine Gedanken beginnen zu kreisen. Wie war ich hierhergekommen? Ich kann mich nicht erinnern. Woher komme ich? Mama und Papa meinten immer, dass mich der Wind zu ihnen getragen hat. Ich war mit ihrer Erklärung nie zufrieden, doch wenn ich weiter nachbohrte, lächelten sie nur und wechselten das Thema. Wie kommt also ein Mink wie ich-? Warte… Was hat er gesagt? Mink?! Das heißt-!
„Hast du mich gerade Mink genannt?! Du weißt, was ein Mink ist?? Ich BIN ein Mink?!“
„Natürlich weiß ich, was ein Mink ist. Und du bist so sicher ein Mink, wie mein linkes Bein vor Jahren das Abendessen eines Seekönigs wurde, Junge.“
Tränen steigen in meine Augen. Das Fell in meinem Nacken stellt sich aufgeregt auf. Mein Schwanz beginnt, wie wild zu wedeln. Ich stürme zu den Gitterstäben. Versuche, die Person auszumachen, von der die Stimme ausgeht.
„Es gibt sie also wirklich!“, meine Stimme bebt vor Erregung, „Sag mir, wo kann ich sie-?“
„RUHE DA DRIN!“ Ein harter Knüppelschlag trifft meine linke Hand. Der neue Wärter steht hünenhaft vor mir.
„Später!“, zischt es aus meiner Nachbarzelle und noch bevor der Wachmann erneut zuschlagen kann, schwinge ich mich unerwartet leichtfüßig zurück an die Zellenwand. Energie durchströmt meinen gesamten Körper. Ein wohliges Kribbeln entsteht in meiner Magengegend. Meine Mundwinkel zieht es unkontrollierbar nach oben. Ungeduldig warte ich darauf, dass der Wärter auf seine Taschenuhr sieht. Die Sonnenstrahlen ziehen ihre Bahn durch meine Zelle, doch meine Gedanken sind auf etwas ganz anderes fokussiert.
Es ist so weit. Gleich wird der Wärter sich umdrehen und verschwinden. Als der Hüne außer Hörweite ist, stürme ich wieder an die Gitterstäbe vor. Meine Worte überschlagen sich. Unzählige Fragen wollen zugleich aus mir heraussprudeln. Ich bekomme kaum Luft.
„Beruhige dich!“, fordert mich der Mann auf, „Ich werde versuchen, alle deine Fragen zu beantworten. Nenne mir aber zuerst einmal deinen Namen, Junge.“
Heißer Atem schmilzt den Schnee.
Smaragdgrün blitzt unter grauen Trümmern hervor.
Ekstase.
Morgen ist der Tag meiner Hinrichtung. Dann ist es vorbei. Ausgerechnet jetzt, wo ich endlich mehr über mich erfahren habe. In den kurzen Zeitfenstern, die wir hatten, erzählte mir mein Zellennachbar vieles über das Volk der Minks. Reg Eisner heißt er. Er ist ein Pirat, deshalb ist er hier eingesperrt. Was würde ich nicht alles geben, nur um hier rauszukommen. Um mein Volk zu suchen. Meine Herkunft. Meine Familie. Wieder schnürt sich mein Magen zu. Meine Familie… Habe ich wirklich…? Bitte nicht. Bitte, lass sie leben. Lass sie gesund sein.
Der Wärter bewegt sich. Bevor er jedoch nach rechts abgeht, betritt er wortlos meine Zelle. Er gibt ein Zeichen durch das kleine Fenster nach draußen. Daraufhin wird dieses mit einem Holzbrett versiegelt. Er geht. Ignoriert meine fragenden Blicke.
„Kohn hör zu“, flüstert Reg, „Heute Abend beim Wächterwechsel hole ich uns hier raus. Alles was du machen musst, ist, dir deine Augen mit einem Fetzen deiner Kleidung zu verbinden. Vertraue mir.“
Meine Antwort wehrt er mit einem kurzen Zischen ab. Ich spüre ein Kribbeln in mir. Ist das… Hoffnung? Ich sollte mich ausruhen vor heute Abend.
Ein fahler Lichtstrahl in der Dunkelheit.
Das ohrenbetäubende Alarmsignal wurde endlich abgestellt, als die Tür seines Büros aufschwingt.
„Herr Direktor. Ausbruch in Sektor C. Die Gefängnismauer wurde von außen mit Sprengstoff zerstört. Allerdings melden uns die Wärter nur zwei Flüchtige.“
Zwei Akten werden vor ihn gelegt.
Name: Kohn
Alter: 19
Delikt(e): Mehrfacher Homizid
Name: Reg Eisner
Alter: 38
Delikt(e): Bestechung, Mord, Menschenhandel
Die Nacht ist finster und voller Schrecken aber das Feuer wird sie alle verbrennen...
Absolute Gerechtigkeit!