Die Minks melden sich zurück! An den Menschen sanft und liebevoll herumknabbern ist eine ihrer gutmütigen Seiten. Doch sie haben sicherlich auch noch andere Seiten.
Die Umfrage läuft 26h lang, endet also morgen (Mittwoch) um 22 Uhr!
Der Fremde III - Der Fremde und der Krieg
Saga über der Fremde I - Der Fremde in der Bar
Saga über der Fremde II - Der Fremde und das Geschäft
Drei Tage später, ein eisig kalter Morgen. Cap und Capper konnten ihren Atem sehen, als sie an die Tür der Bar „Zum lachenden Mink“ klopften. Wie verabredet öffnete Balbo, der kräftige Schwarzbär-Mink, ihnen die Tür.
„Habt ihr alles bekommen?“ fragte er die beiden hundeartigen Wesen.
„Klar“ knurrte ihm Capper entgegen, der dafür bekannt war, sich mit Worten zurückzuhalten. Lieber ließ er seine Fäuste für sich sprechen. Cap tätschelte die große Holzkiste, die auf dem zerbrechlich aussehendem Holzwagen stand, den Cap und Capper mitgebracht hatten.
Bevor er die beiden in seine Bar hineinließ, spitzte Balbo die Ohren und schaute sich um. Er musste sichergehen, dass ihnen niemand gefolgt war. Cap und Capper verdrehten die Augen, sie hätten es schon gemerkt, wenn sich jemand an ihre Fersen gehangen hätte. Nachdem Balbo sich, für sein empfinden, ausreichend umgeschaut hatte, ging er mit großen festen Schritten in seine Bar.
„Folgt mir und dann zeigt her.“ Balbo zog hinter dem Tresen an einer ranzig aussehenden Rumflasche, die auf eine spezielle Art und Weise mit einem mechanischen Hebel verbunden zu sein schien. Neben dem Tresen bildete sich wie von Zauberhand eine Luke, die in einen versteckten Keller herabführte. Cap und Capper schauten sich gegenseitig fragend an, blickten dann verwundert zurück zum Tresen. Dort hantierte Balbo mit irgendwelchen Gegenständen rum, sie hörten es nur poltern und scheppern.
„Da ist sie ja!“, zufrieden zog Balbo eine Holzleiter hervor, mit dessen Hilfe er über die Falltür im Boden eine Verbindung zu einer tieferliegenden Ebene schaffen konnte.
„Hier geht es lang und seid vorsichtig“.
Der Fuchsmink und der Hundemink glitten elegant die Leiter herunter und trugen dabei die vollbeladene Kiste. Als Mensch wären sie längst gestürzt doch ihre tierischen Fähigkeiten verliehen ihnen einen unerschütterlichen Gleichgewichtssinn.
Unten angekommen staunten die beiden nicht schlecht. Der Keller war deutlich weitläufiger als ursprünglich erwartet, er übertraf in seiner Fläche den Umriss der darüberliegenden Bar um ein Vielfaches. Wo man auch hinblickte, man erspähte Flinten, Kisten mit der Aufschrift „Munition“, Fässer mit Sprengpulver und Kanonenkugeln. In einer Wand schien ein enger Tunnel aus dem Keller herauszuführen.
„Das ist also dein Geheimversteck.“ Kläffte Cap dem Bärenmink zu. Durch die steinernen Wände und die hohe Decke hallte das gesprochene Wort. Als Antwort erhielt der Fuchs einen entschlossenen Blick in die Augen und ein kurzes Nicken.
„Ich halte es für einen Fehler Balbo“. Platzte es aus Cap heraus. Der Fuchs und der Bär standen sich nun gegenüber und schauten sich tief in die Augen. Capper stand ein paar Schritte abseits.
„Warum?“
„Ich traue ihm nicht. Er taucht hier so aus dem Nichts auf. Hat von Gerüchten gehört. Will Waffen, ein Schiff. Und dann die Sache mit den Revolutionären“ Cap konnte dem Blick von Balbo nicht standhalten, er blickte zum Boden runter.
„Er wirkt auf mich anständig. Und wir brauchen das Geld. Cap, du weißt doch was wir vorhaben. Jeden scheiß Penny brauchen wir! Jeden!“ Balbo ging zu der mitgebrachten Holzkiste und stemmte sie mit einem Brecheisen auf.
„Natürlich weiß ich das Balbo! Aber keine Geschäfte mit den Revolutionären! Nicht nach der ganzen Sache“ Capper fing wie aus dem Nichts an zu knurren und seine Zähne zu fletschen. Zwischen dem furchteinflößendem knurren konnte man das Wort Mutter heraushören.
Balbo begutachtete währenddessen den Inhalt der Kiste. Gewähre, Munition, Dynamit. Verdammt gute Qualität.
„Außerdem wissen wir überhaupt nicht, ob der Fremde überhaupt ein Revolutionär ist, Cap.“
Capper schlug mit seiner flachen Hand gegen die Wand.
„Sollte er einer sein, ich reiß ihm die Eingeweide raus.“ An der Stelle, wo seine Hand einschlug, bröselten kleine Steine herunter.
„Nein Capper, das wirst du nicht tun. Wenn dieses Geschäft hinhaut, fehlt uns nicht mehr viel! Und er ist bestimmt kein Revolutionär! Dafür agiert er viel zu offen. Einen Revolutionär hätten wir niemals so schnell als Fremden erkannt.“
„Balbo, du weißt was die Revolutionäre uns angetan haben. Niemals, ich wiederhole, niemals werde ich ein Geschäft mit denen machen. Und der Typ… ich habe ihn ganz direkt gefragt, ob er einer ist. Er hat mir keine Antwort gegeben.“
Nun ergriff Capper wieder das Wort.
„Und sowas mögen wir gar nicht!“
Balbo wusste, wie sehr die beiden die Revolutionäre hassten. Er hasste sie ja auch. Doch er konnte diesen Hass zur Seite schieben. Ihn ignorieren, wenn es um das Geschäft ging. Immerhin hatten sie einen Traum. Eine Mission. Da ist es doch vertretbar, Geschäfte mit verhassten Gruppierungen zu machen, oder? Sie brauchten Geld. Viel Geld. Genau wie es der Mann mit der Eisenmaske vor Jahren beschrieben hat.
Das Trio begab sich wieder hoch in die Bar. Jetzt hieß es warten. Niemand sprach mehr ein Wort.
Balbo dachte an Geld und ihr großes Ziel.
Cap dachte an alles, was er von der Organisation, die sich als die Revolutionäre bezeichnet, gehört hatte.
Capper dachte an Kämpfen und Töten. Er stellte sich vor, wie er den Fremden zu Boden wirft. Seinen Kopf mit roher Gewalt auf dem Boden aufschlägt. So wie es damals mit dem Kopf seiner Mutter passierte. Verdammte Revolutionäre. Der Mann mit der Maske hatte ihnen alles erklärt. Wie die Revolutionäre Kriege anzetteln. Unruhe erzeugen. Alte antike Waffen suchen. Alles, nur um die Regierung zu stürzen. Wie konnten sie nur.
Es klopfte. Der Fremde war da. Balbo öffnete die Tür. Der Fremde trat ein. Wortlos. Er setzte sich an einen Tisch. Schaute Cap und Capper an. Capper fletschte die Zähne. Der Fremde blieb unbeeindruckt und fing an zu sprechen.
„Ich habe gehört, ihr habt etwas für mich.“
Balbo wollte antworten, doch Cap fiel ihm ins Wort und sprach als erstes.
„Zuerst“, er machte eine dramatische Pause. „Wollen wir wissen wer du bist und was du mit den Waffen anstellen willst.“
Der Fremde atmete tief ein und wieder aus.
„Mein Name? Für euch unbedeutend. Meine Mission? Übersteigt eure Vorstellungskraft.“
Diese nichtssagende Antwort machte Capper rasend vor Wut.
„Jetzt sag uns, ob du ein Scheiß Revolutionär bist oder nicht!“ Er sprang von seinem Stuhl auf, dieser fiel dadurch nach hinten um.
„Revolutionäre? Weltregierung? Piraten? Marine? Was hat das schon zu bedeuten in unserer Welt?“
Capper hatte genug. Er machte einen Satz nach vorne, die Fäuste zum Schlag ausgeholt. Der Fremde bewegte sich nicht. Versuchte kein Ausweichmanöver. Er wurde im Gesicht getroffen. Sein Kopf rührte sich trotz des Treffers keinen Millimeter. Kein Anzeichen von Schmerz in seinem Gesicht. Er blickte Capper tief in die Augen und dieser sackte bewusstlos zu Boden. Blut floss aus seiner Nase, Schaum sprudelte aus seinem Mund.
Der Fremde stand nun auf und ging langsam auf den geschockten Balbo zu.
„Wenn der wahre Gott auf der Erde erscheint, sind unsere irdischen Verbindungen lächerlich. Unerheblich. Bedeutungslos. Könnte ich jetzt bitte meine Waffen bekommen? Wir haben einen Krieg zu gewinnen.“
Unzertrennliche Freunde III - Gemeinsame Trauer
Saga über Unzertrennlich Freunde I - Hilflose Schwäche
Saga über Unzertrennliche Freunde II - Unabhängige Stärke
Der Geruch von Eisen lag in der Luft und meine sensible Nase konnte es nur allzu gut riechen. Ich bildete mir ein, unter all dem metallischen Düften eine süßliche Note auszumachen. Das muss das Blut von Huff gewesen sein. Vielleicht auch das von Druff, sicher war ich mir nicht. Aber Huff war das Leckermaul von den beiden. Er hat immer die süßen Beeren gegessen, wogegen Druff eher etwas herbere Kost bevorzugte. „Hey Staggers, wo hast du die Walnüsse versteckt?! Spuck‘s aus, sonst machst du Bekanntschaft mit meinem Hammer!“ Das Lachen der Zwillinge schallte in meinem Kopf, wie ein längst vergangenes Echo und das, obwohl ich mit ihnen vor einer halben Stunde noch Witze gerissen hatte. Ihre Stimmen werde ich nie wieder hören. Meine Gedanken schweiften noch weiter ab, bevor mir wieder bewusstwurde, in welcher Situation ich mich befand. Niak, die offensichtliche Mörderin unserer, nein meiner Freunde, stand vor mir. Während das Blut der vier verheißungsvoll um sie herumkreiste, redete sie mit befremdlich ruhiger Stimme zu mir. Ich nahm nur einige, wenige Fetzen von dem mit, was sie sagte. Lediglich drei Wörter erreichten meinen vom Schock verschwommen und gelähmten Verstand. Opfer…kryptisch…zurückholen... Dann hörte sie auf zu sprechen.
Niak schloss ihre Augen und wenige Augenblicke später änderten die Bluttropfen um sie herum ihre Laufbahnen. Es schien Chaos auszubrechen. Zuvor bewegten sich alle Tropfen konzentriert auf einer einzelnen horizontalen Bahn, ungefähr auf Brusthöhe. Nun breiteten sie sich weiter aus, wirbelten in verschiedensten Winkeln quer durcheinander, kollidierten miteinander und zerbarsten, nur um sich erneut wieder zusammenzufügen. Dann kehrte wieder Ordnung ein. Nach einigen Sekunden hatte sich die rote Flüssigkeit in vier klar getrennte Umlaufbahnen aufgeteilt. Wie Elektronen in festgelegten Bahnen um ihren Atomkern kreisten, so kreisten nun auch vier Blutbahnen um Niak. Wobei nicht alle gleich dick waren. Zwei waren deutlich schmaler. Ich konnte nur Vermutungen anstellen, aber für mich war klar, dass Niak das Blut meiner Freunde fein säuberlich getrennt hatte. Die dickste Blutbahn musste zu Ramboo gehören. Bei diesem Gedanken wanderte mein Blick unweigerlich zu seinem leblosen Körper. Der einst weiße Fellanteil des Pandabärenminks war in kräftigem Rot getränkt. Selbst im Tod sah er noch friedfertig aus.
Bonk! Niaks Tatze knallte lautstark auf den massiven Holztisch. Es war vielleicht doch ein Fehler gewesen, Huff und Druff gemeinsam beim Armdrückturnier antreten zu lassen. Der Kampf gegen Staggers war zwar knapp gewesen, aber Niak hatte keine Chance. „Das kommt davon, wenn man sein Gemüse nicht aufisst!“ Demonstrativ schnappte sich Druff einen griffbereiten Sellerie und biss herzhaft davon ab. Eine scheinbar von langer Hand geplante Geste, da Huff den Sellerie kurz zuvor aus dem Kühlschrank geholt hatte. Niak schien ehrlich betrübt über ihre Niederlage und machte mit angelegten Ohren Platz für mich. Selbstsicher platzierte ich meinen Ellbogen auf dem Tisch legte meine Pfote in die zwei kleinen Mäusepfötchen der Zwillinge und warnte sie selbstbewusst davor, dass sie keine Chance hatten. Bonk! Im nächsten Augenblick knalle auch meine Pfote lautstark auf das dunkle Holz. Ein erneuter herzhafter Biss, gefolgt von lautem Lachen, in welches auch Staggers mit einstimmte. „Jetzt fehlt nur noch der Dicke!“ Der Übermut war deutlich in Druffs Stimme zu hören. Aber Ramboo wies von sich ab, da er nicht gegen Freunde antreten wollte. Den Zwillingen hätte das gereicht und als sie sich schon als Sieger feierten warf Niak ein, dass sie Ramboo für eine Woche jederzeit die Stelle an seinem Rücken kratzen würde, die ihn immer juckt, an der er aber selbst nicht rankam. Alles, was er dafür tun musste, war, gegen die beiden anzutreten und zu gewinnen. Wenige Augenblicke später nahm der friedliche Pandabärmink gegenüber den Zwillingen Platz. „Sagt mir bitte Bescheid, wenn ich euch wehtue.“ Die Mäusezwillinge wiederholten diesen Satz laut in einer nachahmenden und spöttischen Stimme, sie blieben siegessicher. Staggers gab das Startsignal… es passierte erst einmal nichts. Nach einigen Sekunden konnte man deutliche Anstrengung in den Gesichtern der Zwillinge sehen. Sie schienen wirklich alles zu geben. Ramboo merkte man dagegen nichts an. „Ich werde jetzt losdrücken.“ Mit sanfter Stimme leitete der Pandabär eine langsame, aber unaufhaltsame Armbewegung ein. Die Mäuse kämpften dagegen mit aller Kraft an, aber es gelang ihnen nicht, gegen die Kraft ihres Gegenübers anzukämpfen. Als das Pfötchen des ersten Zwillings sanft den Tisch berührte und Ramboo somit gewonnen hatte, ließ er los, versicherte sich noch einmal, dass er den Mäusen nicht wehgetan hatte und bat Niak, ihn am Rücken zu kratzen. Mit einem zufriedenen Lächeln kam sie der bitte nach.
Als ich mich wieder Niak zuwandte, hatte sich das groteske Bild erneut geändert. Mittlerweile kreisten nur noch drei Blutbahnen um sie herum. Die vierte schwebte zu einer großen und wabernden Kugel geformt über Niaks Kopf. Wie aus dem Nichts schoss der Blutball plötzlich auf Staggers Leiche zu und bahnte sich durch die tödliche Schnittwunde an seiner Kehle einen Weg in sein Inneres. Einige Sekunden passierte nichts, doch dann regte sich etwas. Zuerst bewegten sich die Finger des toten Hirschminks, kurz darauf begann er auch schon aufzustehen. Was passierte hier? War Staggers doch nicht tot? Dieser kurze Moment der Hoffnung schwand nach einem Blick in seine leeren und toten Augen sofort wieder einem erdrückenden Gefühl der Wut. Welche Fähigkeiten Niak auch immer besitzen mochte, zum Leben erwecken konnte sie meine Freunde offensichtlich nicht.
Nein, sie schändet meine Freunde nur noch weiter und ich werde das nicht zulassen! Wer auch immer hier vor mir steht, das ist nicht die Niak, die ich liebe…
Ich werfe mir mein Stachelgeschirr über und während sich meine Beine in Spiralen verwandeln, bis zum Anschlag angespannt, laden sich meine Pfoten mit Elektro auf. Eine Technik, die ich bisher niemals unter Kontrolle bekommen habe. Niak weiß natürlich, was auf sie zukommt, schließlich haben wir schon zahlreiche Kämpfe zusammen im Duo bestritten. Deshalb bin ich mir auch sicher, dass sie zu langsam ist, um dieser Attacke auszuweichen. Ich blicke ihr ein letztes Mal in ihre Augen, um in ihnen einen Grund für ihre Taten oder Reue zu finden. Bis auf kühle und distanzierte Schwärze sehe ich nichts. Vielleicht ist das auch besser so… Ich gebe der Spannung der Spiralen nach. Im Bruchteil einer Sekunde beschleunige ich auf eine unglaubliche Geschwindigkeit. Die kinetischen Kräfte zerren an meinem gesamten Körper. Ich reiße meine krallenbesetzten Pfoten nach vorne und versetze mir mithilfe meines Schweifes einen Spin, sodass ich wie ein Drehbohrer auf Niak zufliege. Kurz, bevor sich meine Krallen in ihrem Körper vergraben, löst sie sich plötzlich in zahllose Fledermäuse auf. Vollkommen überrascht bohre ich mich komplett ungebremst in einen der blutverschmierten weißen Felsen hinter ihr. Als ich mich verwirrt umblicke, steht sie wieder an gleicher Stelle.
„Wir hätten ganz normal weiter auf Abenteuerreise gehen können, so wie zuvor.“ In Niaks Stimme ist aufrichtige Traurigkeit zu hören. „Aber ich kann sehen, wie dein Blut förmlich kocht.“ Sie schreitet langsam auf mich zu. Ich merke, dass ich an Armen und Beinen von Fledermäusen festgehalten werde. Ihr Griff ist zu stark. „Ich wollte, dass du ganz du selbst bleiben kannst, aber das funktioniert nicht.“ Nachdenklich fletscht sie die Fangzähne, so wie es ihre Angewohnheit war. Zum Vorschein kommen prägnante Schneidezähne, größer und spitzer als ich sie in Erinnerung habe. „Ich sehe leider keinen anderen Weg.“ Niak öffnet ihren Mund und beißt in meinen Hals. Ich bin ihrer Macht hilflos ausgeliefert.
Schuld und Sühne III - Antworten
Saga über Schuld und Sühne I - Klarheit
Saga über Schuld und Sühne II - Ungewissheit
Adrenalin fließt in reißenden Strömen durch meinen gesamten Körper. Ein animalisches Jaulen entfährt meiner Kehle, ehe ich mich vor Schmerzen krümme. Blinde Wut lässt mich schütteln und treibt Schaum vor meine spitzen Zähne. Nein, möchte ich stöhnen, aber meinen bebenden Lippen entflieht nur ein bedrohliches Knurren. Jeder Knochen in meinem Leib scheint zu splittern und sich wieder zusammenzusetzen. Ein grausamer Zyklus aus Tod und Geburt.
Ich möchte niemanden verletzen!
Der staubige Boden tränkt sich mit meinen salzigen Tränen, während elektrisierende Schauer meinen schlotternden Körper durchzucken.
„Wer hat der Bestie die Augenbinde abgenommen?!!!“, kreischt eine mir bekannte Stimme aus der Ferne in hysterischer Panik. Verrat, Zorn und Hass flackern als weißgoldene Irrlichter im dichten Nebel meines verblassenden Bewusstseins. Trotz des betäubenden Blutrauschens in meinen Ohren höre ich mich seinen Namen knurren: „Reg Eisner“.
Ich schmecke beim Anblick meiner gefesselten Handgelenke die bittersüßen Freiheitsversprechungen des Menschenhändlers, nur um anschließend meine Naivität Lügen zu strafen. Plötzlich ist es mir so klar wie diese Vollmondnacht. Entschlossen reiße ich die Augen auf. Der schwarze Onyx meiner Pupillen trifft das funkelnde Gold am sternenklaren Firmament. Einen flüchtigen Moment fühlt es sich an, als würde ich zerbersten, doch dann spüre ich die schlummernden Instinkte in meinem Inneren erwachen. Kreischend sprenge ich meine Fesseln und durchlebe erneut die Metamorphose im unheilschwangeren Mondlicht.
Die kommenden Augenblicke verschmelzen in einem Kaleidoskop aus Blut, bestialischem Gebrüll und zerfließenden Gestirnen. Ich bin kaum mehr als teilnahmsloser Zeuge meiner eigenen Blutrünstigkeit. Ich treibe meine Opfer in blinder Raserei vor mir her. Sie alle haben das helle Haar meiner Mutter oder die saphirblauen Augen meiner Brüder. Wieder und wieder zerfetzen meine Krallen ihre puppenhaften Körper. Beinahe genieße ich ihre jaulenden Schmerzensschreie. Irgendwo schlägt eine Kirchenglocke in eiserner Monotonie Mitternacht. Plötzlich taumle ich zur Seite und erbreche einen Schwall Blut.
Doch mir bleibt keine Zeit. Mein schneeweißes Fell stellt sich knisternd auf und meine geschärften Sinne schlagen Alarm, als sich begleitet vom donnergleichen Schlag der Kirchenglocke etwas nähert. Im Spiegelbild glänzenden Metalls erkenne ich meine gefletschten Zähne. Sie verbeißen sich im dunkelgrünen Mantel des bewaffneten Fremden. Selbst als Dolche aus Elektrizität mein pulsierendes Herz aus dem Leib zu reißen scheinen, lasse ich nicht locker. Im Antlitz des gütig schimmernden Mondes, der meine glorreiche Niederlage bezeugt, kämpfe ich bis zum letzten Atemzug.
Stumme Schreie aus verzerrten Gesichtern.
Saphirblau wird zu Aschgrau.
Ein vertrautes Rauschen weckt mich. Dann rieche ich das Meer, spüre wie salzige Luft meine Lungen füllt, aber ich traue mich nicht, meine Augen zu öffnen. Ich möchte nicht wieder aus demselben verhassten Albtraum erwachen. Ich möchte nicht das widerwärtige Gesicht des Menschenhändlers sehen, der mich von Auktion zu Auktion schleppt, um noch eine Unze mehr in seinen knochigen Fingern zu wälzen. Doch irgendetwas fühlt sich anders an. Jeder einzelne Knochen in meinem Körper ist geschunden und wund. Zögerlich blinzle ich und erblicke ein schwarzes Segel unter einem bonbonrosafarbenen Himmel. Mein Herz macht einen Hüpfer, den eine knurrige Stimme jedoch sofort niederschlägt.
„War das deine erste Verwandlung, Kleiner?“
Ich versuche mich aufzurichten und einen Blick auf die Person zu erhaschen, aber mein Körper rebelliert.
„Bist du taub?“, knurrt der Fremde erneut.
„N-Nein“, stammle ich heiser. Ich komme mir dämlich vor, flach wie eine Flunder auf dem Deck eines Schiffes.
„Nicht taub oder nicht deine erste Verwandlung??!“, blafft er unnachgiebig. Aus den Augenwinkeln mache ich die Silhouette mit lockigem, schulterlangem Haar aus, aber irgendetwas irritiert mich. Seltsam unmenschlich und vertraut zugleich.
„Bei Zuneshas Rüssel“, seufzt er und springt elegant von der Reling. „Ein amoklaufender Minkfrischling!“
Mink. Bei diesem Wort beginnt mein Herzschlag zu rasen. Voller Euphorie will ich aufspringen, nur um von meinem Körper wieder schmerzhaft zur Besinnung gebracht zu werden. Ich möchte den Fremden tausend Fragen stellen, aber vor lauter Aufregung und unterdrückter Schmerzen ächze ich lediglich. Als er sich plötzlich über mich beugt und ich in den grinsenden Schlund einer riesigen Raubkatze blicke, wird mir unter einem erbärmlichen Quieken schwarz vor Augen.
Smaragdgrün blitzt unter grauen Trümmern hervor.
Ein fahler Lichtstrahl in der Dunkelheit.
Ungläubig starre ich das Wesen an, dessen Erklärungen im wilden Echo durch meine Gedanken hallen. Er ist gänzlich mit zotteligem Fell bedeckt. Doch wo sich bei mir schmutziges Grau und Schwarz mischen, erstrahlt der majestätische Mink gold- und onyxverziert. Selbst sein Name flüstert in fremdländischen Zungen von Abenteuern. Pedro, aus dem Herzogtum Mokomo.
Ich hingegeben? Ich bin nur Kohn. Kohn, der nicht weiß, wer er ist, wo er herkommt und nirgends hin kann. Tränen steigen mir in die Augen und ich unterdrücke vergeblich ein Schluchzen.
„Reiß dich zusammen, Junge!“, fährt Pedro mich barsch an.
„I-ich…me-meine Fam-“, setze ich unbeholfen stotternd an. Ich weiß ohnehin nicht genau, was ich sagen soll. Alles seit dieser ersten verhängnisvollen Vollmondnacht gleicht einem grausamen Fiebertraum.
„Du hast sie bei deiner Verwandlung getötet“, erwidert der Jaguar mit ruchloser Gelassenheit. Mit offenem Mund starre ich ihn an, weiß nicht, ob ich traurig, beschämt oder empört sein soll. Doch er schenkt mir nur ein Lächeln, welches ich nicht deuten kann, sich mir aber später als aufrichtiges Mitleid offenbaren sollte.
„Du schreist ihre Namen jede Nacht. Und gemessen an unserer Begegnung auf dem Basar von Cacao…“.
Er lässt den Satz ins Leere laufen, als wären die Bilder meiner Blutrünstigkeit selbst für ihn nicht in Worte zu fassen. Kraftlos sacke ich zusammen. Die Scham frisst sich erbarmungslos durch meine Eingeweide.
„Wage es ja nicht, dich selbst zu bemitleiden, Junge!“
Als hätten seine Worte einen Schalter umgelegt, springe ich auf, ignoriere das lautstarke Rebellieren meiner Glieder und hole mit mickriger Faust zum Schlag aus. Wir stürzen als wildes Knäuel zu Boden. In hilfloser Rage prügle ich auf meinen Retter ein.
„Ich habe ALLES verloren! Meine Familie ist tot! MEINETWEGEN! Fahr zur Hölle, du Bastard!“
Irgendwann lasse ich erschöpft von ihm ab und rolle neben einen scheinbar zufriedenen Pedro zur Seite. Nach einer Phase des Schweigens blicken wir uns in die Augen. Ein kalter Schauer durchjagt meinen gesamten Körper, als ich erstmals die klaffende Wunde und das schwarze Nichts erblicke, aus dem früher sein linkes Auge geleuchtet ist. Pedro bemerkt meinen Blick, lächelt und beginnt mit ruhiger Stimme zu sprechen.
„Kohn, ich kann dir nicht sagen, wer du bist, woher du kommst und dass alles wieder gut wird. Ich selbst suche teilweise noch schmerzlich nach diesen Antworten. Jedoch ist eines sicher: Stirbt ein geliebter Mensch durch deine Hände, stirbt auch etwas in dir. Dennoch muss es einen Grund geben, warum wir noch leben. Muss es einfach! Ihretwegen!“
Von den eigenen Taten gebrochen fangen wir beide unvermittelt zu weinen an. Ich mustere Pedros Gesichtszüge und die frische Wunde, die ihn für immer an seine Schuld erinnern sollte — und ein letztes Mal, aber nun in aller Deutlichkeit, sehe ich in diesem pechschwarzen Abgrund Saphirblau und Smaragdgrün erlöschen. Betrachte die reglosen Körper meiner Eltern und Brüder sowie meine tollwütige Gestalt im schneeweißen Fellmantel. Die einsetzende Klarheit teilt den Vorhang der Ungewissheit, hinter den ich mich in schlaflosen Nächten zurückgezogen hatte. Sie schenkt mir Antworten auf all die wortlosen Fragen. Ich atme schwer. Meine Lippen kräuseln sich vor überwältigender Trauer und Dankbarkeit.
Ich bin Kohn. Ein Mink. Ich wurde geliebt.
„Sieh nur!“, lächelt Pedro das erste Mal seit unserer Bekanntschaft „Die Dämmerung setzt ein!“
Die volle Bedeutung seiner Worte sollte ich erst Jahre später verstehen.
Die Suche nach der Freiheit III - Jäger und Gejagte 3
Saga über die Suche nach der Freiheit I - Jäger und Gejagte 1
Saga über die Suche nach der Freiheit II - Jäger und Gejagte 2
„KATSUMIII!!!!“, schrie ich hasserfüllt. In diesem Moment war nichts mehr wichtig. Nichts mehr von Bedeutung. Wutentbrannt rannte ich auf Katsumi hinzu. Sieg oder Niederlage spielte hierbei keine Rolle. Er sollte meinen Zorn spüren, denn er hatte Schuld!
Ich hätte es besser wissen müssen. In meiner aktuellen Verfassung war ich nicht mehr Herr der Lage. Mein Zorn vernebelte all meine klaren Gedanken und so versagte ich erneut gegen den Tiger-Mink. Blutüberströmt lag ich auf dem Boden. Ich kämpfte gegen die drohende Ohnmacht an. Dann beugte sich der ebenfalls sichtlich mitgenommene Tiger-Mink über mich.
„Du bist für mich nutzlos geworden“, entgegnete er mir. Dann verstummte er und schaute mir tief in die Augen. Ich konnte es spüren, wie er meinen hasserfüllten Blick realisierte. Seine Tatze vergrub sich in seinem Innenmantel und dann zog er einen Eternal-Port heraus und ließ ihn auf den Boden fallen.
„Nun bin ich dir nichts mehr schuldig“, waren seine letzten Worte, dann wandte er sich ab von mir und verschwand in der Dunkelheit der Nacht. Ungläubig starrte ich zum Eternal-Port. In der Holzfassung war ZOU eingeritzt.
Tränen rannen über mein Gesicht, als ich mich an das Versprechen an meine geliebte Schwester erinnerte: „Viz, eines Tages werden wir Zou finden!“
Ich japste auf. Zou, das sagenumwobene Land. Ist es das wirklich? Aber mich interessierte das nicht mehr. Mit letzter Kraft griff ich zum Eternal-Port und zerbrach ihn mit meiner Pfote. Mein Versprechen konnte ich nicht halten ...
Zwei Jahre später
Mein Name ist Lawliet. Ich bin Kapitän der 21. Marine-Einheit und ein Hasen-Mink. Nur sehr wenige Mitglieder meiner Rasse haben sich für den Weg der Marine entschieden. Doch wann immer ein bekannter Mink von meiner Laufbahn erfuhr, dann sagten sie so etwas wie: „Ja, das passt zu Lawliet.“
Meine Aufrichtigkeit und Loyalität zur Marine ebnete mir den Weg bis zum Rang des Kapitäns. Doch auch ich bin nicht unfehlbar und umso bewundernswerter fand ich es, dass meine Crew dennoch stets hinter mir stand. Vermutlich lag es daran, dass ich mit all ihren Macken und ihrer Bereitschaft, stets furchtlos die nächste Hürde zu erklimmen, gut umgehen konnte.
Seit einiger Zeit jagten wir ein wildes Tier. Zumindest nannten wir so unsere aktuelle Beute. Es handelte sich um einen Grizzlybären. Einige Zeugen wollten gesehen haben, dass er für die Flucht nach seinen Taten die Gestalt eines Minks annahm. Das weckte mein Interesse. Für Aufsehen sorgte er, als er ein Auktionshaus in Schutt und Asche legte. Unseren Hinweisen zufolge hatte der Grizzlybär auch an anderen Orten zugeschlagen. So wurde uns berichtet, dass er Ländereien und Schiffe von Adligen angriff. Auffällig dabei war, von den Sklaven fehlte danach jede Spur.
Eines Tages erreichten wir eine kleine unbelebte Insel in der Neuen Welt. Sie stand im Zentrum der meisten Anschläge und hier vermuteten wir sein Versteck. Es mag ungewöhnlich klingen, aber während meine Mannschaft das Schiff absicherte und sich auf alle Eventualitäten vorbereitete und erst als zweite Welle auftauchen würde, bildete ich die Vorhut. Schließlich war ich für meine Geschicklichkeit, Wendigkeit und Schnelligkeit bekannt. Dazu schien der Grizzlybär kein zu unterschätzender Gegner zu sein und ich verlor nur ungern Mitglieder meiner Crew. Die Insel bestand aus einer trostlosen Wüste. Zerstreute Felsen rundeten die karge Landschaft ab. Hier konnte eigentlich niemand leben, außer man wollte natürlich nicht gefunden werden. Auf der anderen Seite der Insel fand ich ein altes heruntergekommenes Fischerhaus vor. Ein kleines Boot lag auf dem Wüstensand und dann erspähte ich eine Gestalt, die sich liegend an das Boot anlehnte. Ohne mich anzuschleichen, schritt ich auf die Person zu. Wohin sollte sie schon in der Einöde fliehen und bis das Boot fahrtüchtig wäre, hätte ich längst den Unbekannten erreicht. Noch bevor ich in seine Nähe kam, schien er mich bereits bemerkt zu haben. Die Gestalt erhob sich und schaute in meine Richtung. Mit jedem Schritt, den ich näher kam, wurde ich mir sicherer. Es war ein Katzen-Mink. Da standen wir nun von Angesicht zu Angesicht. Ich hatte ihn noch nie gesehen. Er war also kein Mink, der seine Vergangenheit in Zou verbrachte. Auf meine Fragen reagierte er nur mit einem verachtenden Blick. Es gab also nur eine Möglichkeit, um herauszufinden, ob er der Grizzlybär war. In Windeseile stürmte ich auf ihn zu und holte zum Schlag aus. Er wich mit einer Seitwärtsbewegung aus und nahm eine Abwehrstellung ein.
„Es ist schon lange her, dass ich ein Mink sah“, konnte ich plötzlich seine Stimme wahrnehmen und er fuhr fort: „Damals war es ein Pirat. Dieses Mal ist es ein Marinesoldat. Welch Ironie.“ Wir lieferten uns einen erbitterten Kampf. Ich war kämpferisch im Vorteil aber er schlug sich nicht schlecht, dafür, dass er noch so jung war. Doch dann kam der Moment als er sich verwandelte. Er war wirklich der gesuchte Grizzlybär. Auf meine Fragen warum er dieses Leben einschlug erwiderte er nur mit neuen Angriffen. Nun waren wir uns ebenbürtig. Doch ich musste ihn nur so lange hinhalten bis die Verstärkung kam.
Plötzlich hielt er inne und schaute sich um. Ich tat es ihm gleich und konnte noch nicht meine Crew sehen. Spürte er die drohende Gefahr?
„Was bedeutet es für dich ein Leben in Freiheit zu verbringen?“, fragte er mich plötzlich mit einer neugierigen Stimme.
Ich überlegte kurz. Wollte er irgendwas damit bezwecken? Nein, er löste seine Kampfstellung auf, die Frage schien mein Kontrahent ernst zu meinen.
„Hmm, das zu tun, was immer ich möchte“, antwortete ich, ohne groß darüber nachzudenken. Warum tat ich das eigentlich?
„Ach so“, erwiderte er und starrte mich mit seinen eiskalten Augen an. Ein Moment der Schweigsamkeit verging bevor der Katzen-Mink fortfuhr: „Als ich das Auktionshaus niederbrannte, die Sklaven befreite, fühlte ich mich für einen Moment befreit von meinen Gefühlen. Doch es änderte nichts daran was geschehen ist. Sie würde es sich wünschen, dass ich nach Zou segle aber ich kann einfach nicht!“
Auch wenn ich nicht alles verstand, was er mir sagte, so wusste ich, dass sein Herz gebrochen war. Er schien unglücklich zu sein. Seine Taten waren ein Verbrechen an die Gerechtigkeit, doch er half Menschen, die versklavt wurden. Er zerstörte ein Auktionshaus ...
Und dann wurde es mir bewusst. Er musste selbst ein Sklave gewesen sein, der sich befreite und nach seiner Bestimmung suchte. Aber irgendwas hält ihn davon ab. Da war sie wieder. Meine dunkle Seite. Mitgefühl.
„Besiege mich“, schrie ich so laut ich konnte. Der Katzen-Mink schaute mich verwirrt an.
„Wenn du mich besiegst, dann verspreche ich dir, du kannst machen, was du willst. Wenn du verlierst, dann wirst du den Rest deines Lebens im Impel Down verbringen. Diese Insel ist jedoch bereits dein Impel Down, oder?“
Der Katzen-Mink schaute mich mit weit aufgerissene Augen entsetzt an. Ich wusste nicht was in ihm vorging, aber sein Blick schien sich nun geändert zu haben.
„Versprechen ...“, wiederholte er langsam das Wort. Er bewegte sich zurück in seine Angriffshaltung. Dann sah ich den Katzen-Mink zum ersten Mal lächeln.
„Du musst mich schon töten. Denn entweder sehe ich heute Viz wieder oder ich Dummkopf erfülle uns endlich unseren Traum.“
Die Umfrage läuft 26h lang, endet also morgen (Mittwoch) um 22 Uhr!
Saga über der Fremde I - Der Fremde in der Bar
Saga über der Fremde II - Der Fremde und das Geschäft
Drei Tage später, ein eisig kalter Morgen. Cap und Capper konnten ihren Atem sehen, als sie an die Tür der Bar „Zum lachenden Mink“ klopften. Wie verabredet öffnete Balbo, der kräftige Schwarzbär-Mink, ihnen die Tür.
„Habt ihr alles bekommen?“ fragte er die beiden hundeartigen Wesen.
„Klar“ knurrte ihm Capper entgegen, der dafür bekannt war, sich mit Worten zurückzuhalten. Lieber ließ er seine Fäuste für sich sprechen. Cap tätschelte die große Holzkiste, die auf dem zerbrechlich aussehendem Holzwagen stand, den Cap und Capper mitgebracht hatten.
Bevor er die beiden in seine Bar hineinließ, spitzte Balbo die Ohren und schaute sich um. Er musste sichergehen, dass ihnen niemand gefolgt war. Cap und Capper verdrehten die Augen, sie hätten es schon gemerkt, wenn sich jemand an ihre Fersen gehangen hätte. Nachdem Balbo sich, für sein empfinden, ausreichend umgeschaut hatte, ging er mit großen festen Schritten in seine Bar.
„Folgt mir und dann zeigt her.“ Balbo zog hinter dem Tresen an einer ranzig aussehenden Rumflasche, die auf eine spezielle Art und Weise mit einem mechanischen Hebel verbunden zu sein schien. Neben dem Tresen bildete sich wie von Zauberhand eine Luke, die in einen versteckten Keller herabführte. Cap und Capper schauten sich gegenseitig fragend an, blickten dann verwundert zurück zum Tresen. Dort hantierte Balbo mit irgendwelchen Gegenständen rum, sie hörten es nur poltern und scheppern.
„Da ist sie ja!“, zufrieden zog Balbo eine Holzleiter hervor, mit dessen Hilfe er über die Falltür im Boden eine Verbindung zu einer tieferliegenden Ebene schaffen konnte.
„Hier geht es lang und seid vorsichtig“.
Der Fuchsmink und der Hundemink glitten elegant die Leiter herunter und trugen dabei die vollbeladene Kiste. Als Mensch wären sie längst gestürzt doch ihre tierischen Fähigkeiten verliehen ihnen einen unerschütterlichen Gleichgewichtssinn.
Unten angekommen staunten die beiden nicht schlecht. Der Keller war deutlich weitläufiger als ursprünglich erwartet, er übertraf in seiner Fläche den Umriss der darüberliegenden Bar um ein Vielfaches. Wo man auch hinblickte, man erspähte Flinten, Kisten mit der Aufschrift „Munition“, Fässer mit Sprengpulver und Kanonenkugeln. In einer Wand schien ein enger Tunnel aus dem Keller herauszuführen.
„Das ist also dein Geheimversteck.“ Kläffte Cap dem Bärenmink zu. Durch die steinernen Wände und die hohe Decke hallte das gesprochene Wort. Als Antwort erhielt der Fuchs einen entschlossenen Blick in die Augen und ein kurzes Nicken.
„Ich halte es für einen Fehler Balbo“. Platzte es aus Cap heraus. Der Fuchs und der Bär standen sich nun gegenüber und schauten sich tief in die Augen. Capper stand ein paar Schritte abseits.
„Warum?“
„Ich traue ihm nicht. Er taucht hier so aus dem Nichts auf. Hat von Gerüchten gehört. Will Waffen, ein Schiff. Und dann die Sache mit den Revolutionären“ Cap konnte dem Blick von Balbo nicht standhalten, er blickte zum Boden runter.
„Er wirkt auf mich anständig. Und wir brauchen das Geld. Cap, du weißt doch was wir vorhaben. Jeden scheiß Penny brauchen wir! Jeden!“ Balbo ging zu der mitgebrachten Holzkiste und stemmte sie mit einem Brecheisen auf.
„Natürlich weiß ich das Balbo! Aber keine Geschäfte mit den Revolutionären! Nicht nach der ganzen Sache“ Capper fing wie aus dem Nichts an zu knurren und seine Zähne zu fletschen. Zwischen dem furchteinflößendem knurren konnte man das Wort Mutter heraushören.
Balbo begutachtete währenddessen den Inhalt der Kiste. Gewähre, Munition, Dynamit. Verdammt gute Qualität.
„Außerdem wissen wir überhaupt nicht, ob der Fremde überhaupt ein Revolutionär ist, Cap.“
Capper schlug mit seiner flachen Hand gegen die Wand.
„Sollte er einer sein, ich reiß ihm die Eingeweide raus.“ An der Stelle, wo seine Hand einschlug, bröselten kleine Steine herunter.
„Nein Capper, das wirst du nicht tun. Wenn dieses Geschäft hinhaut, fehlt uns nicht mehr viel! Und er ist bestimmt kein Revolutionär! Dafür agiert er viel zu offen. Einen Revolutionär hätten wir niemals so schnell als Fremden erkannt.“
„Balbo, du weißt was die Revolutionäre uns angetan haben. Niemals, ich wiederhole, niemals werde ich ein Geschäft mit denen machen. Und der Typ… ich habe ihn ganz direkt gefragt, ob er einer ist. Er hat mir keine Antwort gegeben.“
Nun ergriff Capper wieder das Wort.
„Und sowas mögen wir gar nicht!“
Balbo wusste, wie sehr die beiden die Revolutionäre hassten. Er hasste sie ja auch. Doch er konnte diesen Hass zur Seite schieben. Ihn ignorieren, wenn es um das Geschäft ging. Immerhin hatten sie einen Traum. Eine Mission. Da ist es doch vertretbar, Geschäfte mit verhassten Gruppierungen zu machen, oder? Sie brauchten Geld. Viel Geld. Genau wie es der Mann mit der Eisenmaske vor Jahren beschrieben hat.
Das Trio begab sich wieder hoch in die Bar. Jetzt hieß es warten. Niemand sprach mehr ein Wort.
Balbo dachte an Geld und ihr großes Ziel.
Cap dachte an alles, was er von der Organisation, die sich als die Revolutionäre bezeichnet, gehört hatte.
Capper dachte an Kämpfen und Töten. Er stellte sich vor, wie er den Fremden zu Boden wirft. Seinen Kopf mit roher Gewalt auf dem Boden aufschlägt. So wie es damals mit dem Kopf seiner Mutter passierte. Verdammte Revolutionäre. Der Mann mit der Maske hatte ihnen alles erklärt. Wie die Revolutionäre Kriege anzetteln. Unruhe erzeugen. Alte antike Waffen suchen. Alles, nur um die Regierung zu stürzen. Wie konnten sie nur.
Es klopfte. Der Fremde war da. Balbo öffnete die Tür. Der Fremde trat ein. Wortlos. Er setzte sich an einen Tisch. Schaute Cap und Capper an. Capper fletschte die Zähne. Der Fremde blieb unbeeindruckt und fing an zu sprechen.
„Ich habe gehört, ihr habt etwas für mich.“
Balbo wollte antworten, doch Cap fiel ihm ins Wort und sprach als erstes.
„Zuerst“, er machte eine dramatische Pause. „Wollen wir wissen wer du bist und was du mit den Waffen anstellen willst.“
Der Fremde atmete tief ein und wieder aus.
„Mein Name? Für euch unbedeutend. Meine Mission? Übersteigt eure Vorstellungskraft.“
Diese nichtssagende Antwort machte Capper rasend vor Wut.
„Jetzt sag uns, ob du ein Scheiß Revolutionär bist oder nicht!“ Er sprang von seinem Stuhl auf, dieser fiel dadurch nach hinten um.
„Revolutionäre? Weltregierung? Piraten? Marine? Was hat das schon zu bedeuten in unserer Welt?“
Capper hatte genug. Er machte einen Satz nach vorne, die Fäuste zum Schlag ausgeholt. Der Fremde bewegte sich nicht. Versuchte kein Ausweichmanöver. Er wurde im Gesicht getroffen. Sein Kopf rührte sich trotz des Treffers keinen Millimeter. Kein Anzeichen von Schmerz in seinem Gesicht. Er blickte Capper tief in die Augen und dieser sackte bewusstlos zu Boden. Blut floss aus seiner Nase, Schaum sprudelte aus seinem Mund.
Der Fremde stand nun auf und ging langsam auf den geschockten Balbo zu.
„Wenn der wahre Gott auf der Erde erscheint, sind unsere irdischen Verbindungen lächerlich. Unerheblich. Bedeutungslos. Könnte ich jetzt bitte meine Waffen bekommen? Wir haben einen Krieg zu gewinnen.“
Saga über Unzertrennlich Freunde I - Hilflose Schwäche
Saga über Unzertrennliche Freunde II - Unabhängige Stärke
Der Geruch von Eisen lag in der Luft und meine sensible Nase konnte es nur allzu gut riechen. Ich bildete mir ein, unter all dem metallischen Düften eine süßliche Note auszumachen. Das muss das Blut von Huff gewesen sein. Vielleicht auch das von Druff, sicher war ich mir nicht. Aber Huff war das Leckermaul von den beiden. Er hat immer die süßen Beeren gegessen, wogegen Druff eher etwas herbere Kost bevorzugte. „Hey Staggers, wo hast du die Walnüsse versteckt?! Spuck‘s aus, sonst machst du Bekanntschaft mit meinem Hammer!“ Das Lachen der Zwillinge schallte in meinem Kopf, wie ein längst vergangenes Echo und das, obwohl ich mit ihnen vor einer halben Stunde noch Witze gerissen hatte. Ihre Stimmen werde ich nie wieder hören. Meine Gedanken schweiften noch weiter ab, bevor mir wieder bewusstwurde, in welcher Situation ich mich befand. Niak, die offensichtliche Mörderin unserer, nein meiner Freunde, stand vor mir. Während das Blut der vier verheißungsvoll um sie herumkreiste, redete sie mit befremdlich ruhiger Stimme zu mir. Ich nahm nur einige, wenige Fetzen von dem mit, was sie sagte. Lediglich drei Wörter erreichten meinen vom Schock verschwommen und gelähmten Verstand. Opfer…kryptisch…zurückholen... Dann hörte sie auf zu sprechen.
Niak schloss ihre Augen und wenige Augenblicke später änderten die Bluttropfen um sie herum ihre Laufbahnen. Es schien Chaos auszubrechen. Zuvor bewegten sich alle Tropfen konzentriert auf einer einzelnen horizontalen Bahn, ungefähr auf Brusthöhe. Nun breiteten sie sich weiter aus, wirbelten in verschiedensten Winkeln quer durcheinander, kollidierten miteinander und zerbarsten, nur um sich erneut wieder zusammenzufügen. Dann kehrte wieder Ordnung ein. Nach einigen Sekunden hatte sich die rote Flüssigkeit in vier klar getrennte Umlaufbahnen aufgeteilt. Wie Elektronen in festgelegten Bahnen um ihren Atomkern kreisten, so kreisten nun auch vier Blutbahnen um Niak. Wobei nicht alle gleich dick waren. Zwei waren deutlich schmaler. Ich konnte nur Vermutungen anstellen, aber für mich war klar, dass Niak das Blut meiner Freunde fein säuberlich getrennt hatte. Die dickste Blutbahn musste zu Ramboo gehören. Bei diesem Gedanken wanderte mein Blick unweigerlich zu seinem leblosen Körper. Der einst weiße Fellanteil des Pandabärenminks war in kräftigem Rot getränkt. Selbst im Tod sah er noch friedfertig aus.
Bonk! Niaks Tatze knallte lautstark auf den massiven Holztisch. Es war vielleicht doch ein Fehler gewesen, Huff und Druff gemeinsam beim Armdrückturnier antreten zu lassen. Der Kampf gegen Staggers war zwar knapp gewesen, aber Niak hatte keine Chance. „Das kommt davon, wenn man sein Gemüse nicht aufisst!“ Demonstrativ schnappte sich Druff einen griffbereiten Sellerie und biss herzhaft davon ab. Eine scheinbar von langer Hand geplante Geste, da Huff den Sellerie kurz zuvor aus dem Kühlschrank geholt hatte. Niak schien ehrlich betrübt über ihre Niederlage und machte mit angelegten Ohren Platz für mich. Selbstsicher platzierte ich meinen Ellbogen auf dem Tisch legte meine Pfote in die zwei kleinen Mäusepfötchen der Zwillinge und warnte sie selbstbewusst davor, dass sie keine Chance hatten. Bonk! Im nächsten Augenblick knalle auch meine Pfote lautstark auf das dunkle Holz. Ein erneuter herzhafter Biss, gefolgt von lautem Lachen, in welches auch Staggers mit einstimmte. „Jetzt fehlt nur noch der Dicke!“ Der Übermut war deutlich in Druffs Stimme zu hören. Aber Ramboo wies von sich ab, da er nicht gegen Freunde antreten wollte. Den Zwillingen hätte das gereicht und als sie sich schon als Sieger feierten warf Niak ein, dass sie Ramboo für eine Woche jederzeit die Stelle an seinem Rücken kratzen würde, die ihn immer juckt, an der er aber selbst nicht rankam. Alles, was er dafür tun musste, war, gegen die beiden anzutreten und zu gewinnen. Wenige Augenblicke später nahm der friedliche Pandabärmink gegenüber den Zwillingen Platz. „Sagt mir bitte Bescheid, wenn ich euch wehtue.“ Die Mäusezwillinge wiederholten diesen Satz laut in einer nachahmenden und spöttischen Stimme, sie blieben siegessicher. Staggers gab das Startsignal… es passierte erst einmal nichts. Nach einigen Sekunden konnte man deutliche Anstrengung in den Gesichtern der Zwillinge sehen. Sie schienen wirklich alles zu geben. Ramboo merkte man dagegen nichts an. „Ich werde jetzt losdrücken.“ Mit sanfter Stimme leitete der Pandabär eine langsame, aber unaufhaltsame Armbewegung ein. Die Mäuse kämpften dagegen mit aller Kraft an, aber es gelang ihnen nicht, gegen die Kraft ihres Gegenübers anzukämpfen. Als das Pfötchen des ersten Zwillings sanft den Tisch berührte und Ramboo somit gewonnen hatte, ließ er los, versicherte sich noch einmal, dass er den Mäusen nicht wehgetan hatte und bat Niak, ihn am Rücken zu kratzen. Mit einem zufriedenen Lächeln kam sie der bitte nach.
Als ich mich wieder Niak zuwandte, hatte sich das groteske Bild erneut geändert. Mittlerweile kreisten nur noch drei Blutbahnen um sie herum. Die vierte schwebte zu einer großen und wabernden Kugel geformt über Niaks Kopf. Wie aus dem Nichts schoss der Blutball plötzlich auf Staggers Leiche zu und bahnte sich durch die tödliche Schnittwunde an seiner Kehle einen Weg in sein Inneres. Einige Sekunden passierte nichts, doch dann regte sich etwas. Zuerst bewegten sich die Finger des toten Hirschminks, kurz darauf begann er auch schon aufzustehen. Was passierte hier? War Staggers doch nicht tot? Dieser kurze Moment der Hoffnung schwand nach einem Blick in seine leeren und toten Augen sofort wieder einem erdrückenden Gefühl der Wut. Welche Fähigkeiten Niak auch immer besitzen mochte, zum Leben erwecken konnte sie meine Freunde offensichtlich nicht.
Nein, sie schändet meine Freunde nur noch weiter und ich werde das nicht zulassen! Wer auch immer hier vor mir steht, das ist nicht die Niak, die ich liebe…
Ich werfe mir mein Stachelgeschirr über und während sich meine Beine in Spiralen verwandeln, bis zum Anschlag angespannt, laden sich meine Pfoten mit Elektro auf. Eine Technik, die ich bisher niemals unter Kontrolle bekommen habe. Niak weiß natürlich, was auf sie zukommt, schließlich haben wir schon zahlreiche Kämpfe zusammen im Duo bestritten. Deshalb bin ich mir auch sicher, dass sie zu langsam ist, um dieser Attacke auszuweichen. Ich blicke ihr ein letztes Mal in ihre Augen, um in ihnen einen Grund für ihre Taten oder Reue zu finden. Bis auf kühle und distanzierte Schwärze sehe ich nichts. Vielleicht ist das auch besser so… Ich gebe der Spannung der Spiralen nach. Im Bruchteil einer Sekunde beschleunige ich auf eine unglaubliche Geschwindigkeit. Die kinetischen Kräfte zerren an meinem gesamten Körper. Ich reiße meine krallenbesetzten Pfoten nach vorne und versetze mir mithilfe meines Schweifes einen Spin, sodass ich wie ein Drehbohrer auf Niak zufliege. Kurz, bevor sich meine Krallen in ihrem Körper vergraben, löst sie sich plötzlich in zahllose Fledermäuse auf. Vollkommen überrascht bohre ich mich komplett ungebremst in einen der blutverschmierten weißen Felsen hinter ihr. Als ich mich verwirrt umblicke, steht sie wieder an gleicher Stelle.
„Wir hätten ganz normal weiter auf Abenteuerreise gehen können, so wie zuvor.“ In Niaks Stimme ist aufrichtige Traurigkeit zu hören. „Aber ich kann sehen, wie dein Blut förmlich kocht.“ Sie schreitet langsam auf mich zu. Ich merke, dass ich an Armen und Beinen von Fledermäusen festgehalten werde. Ihr Griff ist zu stark. „Ich wollte, dass du ganz du selbst bleiben kannst, aber das funktioniert nicht.“ Nachdenklich fletscht sie die Fangzähne, so wie es ihre Angewohnheit war. Zum Vorschein kommen prägnante Schneidezähne, größer und spitzer als ich sie in Erinnerung habe. „Ich sehe leider keinen anderen Weg.“ Niak öffnet ihren Mund und beißt in meinen Hals. Ich bin ihrer Macht hilflos ausgeliefert.
Saga über Schuld und Sühne I - Klarheit
Saga über Schuld und Sühne II - Ungewissheit
Adrenalin fließt in reißenden Strömen durch meinen gesamten Körper. Ein animalisches Jaulen entfährt meiner Kehle, ehe ich mich vor Schmerzen krümme. Blinde Wut lässt mich schütteln und treibt Schaum vor meine spitzen Zähne. Nein, möchte ich stöhnen, aber meinen bebenden Lippen entflieht nur ein bedrohliches Knurren. Jeder Knochen in meinem Leib scheint zu splittern und sich wieder zusammenzusetzen. Ein grausamer Zyklus aus Tod und Geburt.
Ich möchte niemanden verletzen!
Der staubige Boden tränkt sich mit meinen salzigen Tränen, während elektrisierende Schauer meinen schlotternden Körper durchzucken.
„Wer hat der Bestie die Augenbinde abgenommen?!!!“, kreischt eine mir bekannte Stimme aus der Ferne in hysterischer Panik. Verrat, Zorn und Hass flackern als weißgoldene Irrlichter im dichten Nebel meines verblassenden Bewusstseins. Trotz des betäubenden Blutrauschens in meinen Ohren höre ich mich seinen Namen knurren: „Reg Eisner“.
Ich schmecke beim Anblick meiner gefesselten Handgelenke die bittersüßen Freiheitsversprechungen des Menschenhändlers, nur um anschließend meine Naivität Lügen zu strafen. Plötzlich ist es mir so klar wie diese Vollmondnacht. Entschlossen reiße ich die Augen auf. Der schwarze Onyx meiner Pupillen trifft das funkelnde Gold am sternenklaren Firmament. Einen flüchtigen Moment fühlt es sich an, als würde ich zerbersten, doch dann spüre ich die schlummernden Instinkte in meinem Inneren erwachen. Kreischend sprenge ich meine Fesseln und durchlebe erneut die Metamorphose im unheilschwangeren Mondlicht.
Die kommenden Augenblicke verschmelzen in einem Kaleidoskop aus Blut, bestialischem Gebrüll und zerfließenden Gestirnen. Ich bin kaum mehr als teilnahmsloser Zeuge meiner eigenen Blutrünstigkeit. Ich treibe meine Opfer in blinder Raserei vor mir her. Sie alle haben das helle Haar meiner Mutter oder die saphirblauen Augen meiner Brüder. Wieder und wieder zerfetzen meine Krallen ihre puppenhaften Körper. Beinahe genieße ich ihre jaulenden Schmerzensschreie. Irgendwo schlägt eine Kirchenglocke in eiserner Monotonie Mitternacht. Plötzlich taumle ich zur Seite und erbreche einen Schwall Blut.
Doch mir bleibt keine Zeit. Mein schneeweißes Fell stellt sich knisternd auf und meine geschärften Sinne schlagen Alarm, als sich begleitet vom donnergleichen Schlag der Kirchenglocke etwas nähert. Im Spiegelbild glänzenden Metalls erkenne ich meine gefletschten Zähne. Sie verbeißen sich im dunkelgrünen Mantel des bewaffneten Fremden. Selbst als Dolche aus Elektrizität mein pulsierendes Herz aus dem Leib zu reißen scheinen, lasse ich nicht locker. Im Antlitz des gütig schimmernden Mondes, der meine glorreiche Niederlage bezeugt, kämpfe ich bis zum letzten Atemzug.
Stumme Schreie aus verzerrten Gesichtern.
Saphirblau wird zu Aschgrau.
Ein vertrautes Rauschen weckt mich. Dann rieche ich das Meer, spüre wie salzige Luft meine Lungen füllt, aber ich traue mich nicht, meine Augen zu öffnen. Ich möchte nicht wieder aus demselben verhassten Albtraum erwachen. Ich möchte nicht das widerwärtige Gesicht des Menschenhändlers sehen, der mich von Auktion zu Auktion schleppt, um noch eine Unze mehr in seinen knochigen Fingern zu wälzen. Doch irgendetwas fühlt sich anders an. Jeder einzelne Knochen in meinem Körper ist geschunden und wund. Zögerlich blinzle ich und erblicke ein schwarzes Segel unter einem bonbonrosafarbenen Himmel. Mein Herz macht einen Hüpfer, den eine knurrige Stimme jedoch sofort niederschlägt.
„War das deine erste Verwandlung, Kleiner?“
Ich versuche mich aufzurichten und einen Blick auf die Person zu erhaschen, aber mein Körper rebelliert.
„Bist du taub?“, knurrt der Fremde erneut.
„N-Nein“, stammle ich heiser. Ich komme mir dämlich vor, flach wie eine Flunder auf dem Deck eines Schiffes.
„Nicht taub oder nicht deine erste Verwandlung??!“, blafft er unnachgiebig. Aus den Augenwinkeln mache ich die Silhouette mit lockigem, schulterlangem Haar aus, aber irgendetwas irritiert mich. Seltsam unmenschlich und vertraut zugleich.
„Bei Zuneshas Rüssel“, seufzt er und springt elegant von der Reling. „Ein amoklaufender Minkfrischling!“
Mink. Bei diesem Wort beginnt mein Herzschlag zu rasen. Voller Euphorie will ich aufspringen, nur um von meinem Körper wieder schmerzhaft zur Besinnung gebracht zu werden. Ich möchte den Fremden tausend Fragen stellen, aber vor lauter Aufregung und unterdrückter Schmerzen ächze ich lediglich. Als er sich plötzlich über mich beugt und ich in den grinsenden Schlund einer riesigen Raubkatze blicke, wird mir unter einem erbärmlichen Quieken schwarz vor Augen.
Smaragdgrün blitzt unter grauen Trümmern hervor.
Ein fahler Lichtstrahl in der Dunkelheit.
Ungläubig starre ich das Wesen an, dessen Erklärungen im wilden Echo durch meine Gedanken hallen. Er ist gänzlich mit zotteligem Fell bedeckt. Doch wo sich bei mir schmutziges Grau und Schwarz mischen, erstrahlt der majestätische Mink gold- und onyxverziert. Selbst sein Name flüstert in fremdländischen Zungen von Abenteuern. Pedro, aus dem Herzogtum Mokomo.
Ich hingegeben? Ich bin nur Kohn. Kohn, der nicht weiß, wer er ist, wo er herkommt und nirgends hin kann. Tränen steigen mir in die Augen und ich unterdrücke vergeblich ein Schluchzen.
„Reiß dich zusammen, Junge!“, fährt Pedro mich barsch an.
„I-ich…me-meine Fam-“, setze ich unbeholfen stotternd an. Ich weiß ohnehin nicht genau, was ich sagen soll. Alles seit dieser ersten verhängnisvollen Vollmondnacht gleicht einem grausamen Fiebertraum.
„Du hast sie bei deiner Verwandlung getötet“, erwidert der Jaguar mit ruchloser Gelassenheit. Mit offenem Mund starre ich ihn an, weiß nicht, ob ich traurig, beschämt oder empört sein soll. Doch er schenkt mir nur ein Lächeln, welches ich nicht deuten kann, sich mir aber später als aufrichtiges Mitleid offenbaren sollte.
„Du schreist ihre Namen jede Nacht. Und gemessen an unserer Begegnung auf dem Basar von Cacao…“.
Er lässt den Satz ins Leere laufen, als wären die Bilder meiner Blutrünstigkeit selbst für ihn nicht in Worte zu fassen. Kraftlos sacke ich zusammen. Die Scham frisst sich erbarmungslos durch meine Eingeweide.
„Wage es ja nicht, dich selbst zu bemitleiden, Junge!“
Als hätten seine Worte einen Schalter umgelegt, springe ich auf, ignoriere das lautstarke Rebellieren meiner Glieder und hole mit mickriger Faust zum Schlag aus. Wir stürzen als wildes Knäuel zu Boden. In hilfloser Rage prügle ich auf meinen Retter ein.
„Ich habe ALLES verloren! Meine Familie ist tot! MEINETWEGEN! Fahr zur Hölle, du Bastard!“
Irgendwann lasse ich erschöpft von ihm ab und rolle neben einen scheinbar zufriedenen Pedro zur Seite. Nach einer Phase des Schweigens blicken wir uns in die Augen. Ein kalter Schauer durchjagt meinen gesamten Körper, als ich erstmals die klaffende Wunde und das schwarze Nichts erblicke, aus dem früher sein linkes Auge geleuchtet ist. Pedro bemerkt meinen Blick, lächelt und beginnt mit ruhiger Stimme zu sprechen.
„Kohn, ich kann dir nicht sagen, wer du bist, woher du kommst und dass alles wieder gut wird. Ich selbst suche teilweise noch schmerzlich nach diesen Antworten. Jedoch ist eines sicher: Stirbt ein geliebter Mensch durch deine Hände, stirbt auch etwas in dir. Dennoch muss es einen Grund geben, warum wir noch leben. Muss es einfach! Ihretwegen!“
Von den eigenen Taten gebrochen fangen wir beide unvermittelt zu weinen an. Ich mustere Pedros Gesichtszüge und die frische Wunde, die ihn für immer an seine Schuld erinnern sollte — und ein letztes Mal, aber nun in aller Deutlichkeit, sehe ich in diesem pechschwarzen Abgrund Saphirblau und Smaragdgrün erlöschen. Betrachte die reglosen Körper meiner Eltern und Brüder sowie meine tollwütige Gestalt im schneeweißen Fellmantel. Die einsetzende Klarheit teilt den Vorhang der Ungewissheit, hinter den ich mich in schlaflosen Nächten zurückgezogen hatte. Sie schenkt mir Antworten auf all die wortlosen Fragen. Ich atme schwer. Meine Lippen kräuseln sich vor überwältigender Trauer und Dankbarkeit.
Ich bin Kohn. Ein Mink. Ich wurde geliebt.
„Sieh nur!“, lächelt Pedro das erste Mal seit unserer Bekanntschaft „Die Dämmerung setzt ein!“
Die volle Bedeutung seiner Worte sollte ich erst Jahre später verstehen.
Saga über die Suche nach der Freiheit I - Jäger und Gejagte 1
Saga über die Suche nach der Freiheit II - Jäger und Gejagte 2
„KATSUMIII!!!!“, schrie ich hasserfüllt. In diesem Moment war nichts mehr wichtig. Nichts mehr von Bedeutung. Wutentbrannt rannte ich auf Katsumi hinzu. Sieg oder Niederlage spielte hierbei keine Rolle. Er sollte meinen Zorn spüren, denn er hatte Schuld!
Ich hätte es besser wissen müssen. In meiner aktuellen Verfassung war ich nicht mehr Herr der Lage. Mein Zorn vernebelte all meine klaren Gedanken und so versagte ich erneut gegen den Tiger-Mink. Blutüberströmt lag ich auf dem Boden. Ich kämpfte gegen die drohende Ohnmacht an. Dann beugte sich der ebenfalls sichtlich mitgenommene Tiger-Mink über mich.
„Du bist für mich nutzlos geworden“, entgegnete er mir. Dann verstummte er und schaute mir tief in die Augen. Ich konnte es spüren, wie er meinen hasserfüllten Blick realisierte. Seine Tatze vergrub sich in seinem Innenmantel und dann zog er einen Eternal-Port heraus und ließ ihn auf den Boden fallen.
„Nun bin ich dir nichts mehr schuldig“, waren seine letzten Worte, dann wandte er sich ab von mir und verschwand in der Dunkelheit der Nacht. Ungläubig starrte ich zum Eternal-Port. In der Holzfassung war ZOU eingeritzt.
Tränen rannen über mein Gesicht, als ich mich an das Versprechen an meine geliebte Schwester erinnerte: „Viz, eines Tages werden wir Zou finden!“
Ich japste auf. Zou, das sagenumwobene Land. Ist es das wirklich? Aber mich interessierte das nicht mehr. Mit letzter Kraft griff ich zum Eternal-Port und zerbrach ihn mit meiner Pfote. Mein Versprechen konnte ich nicht halten ...
Zwei Jahre später
Mein Name ist Lawliet. Ich bin Kapitän der 21. Marine-Einheit und ein Hasen-Mink. Nur sehr wenige Mitglieder meiner Rasse haben sich für den Weg der Marine entschieden. Doch wann immer ein bekannter Mink von meiner Laufbahn erfuhr, dann sagten sie so etwas wie: „Ja, das passt zu Lawliet.“
Meine Aufrichtigkeit und Loyalität zur Marine ebnete mir den Weg bis zum Rang des Kapitäns. Doch auch ich bin nicht unfehlbar und umso bewundernswerter fand ich es, dass meine Crew dennoch stets hinter mir stand. Vermutlich lag es daran, dass ich mit all ihren Macken und ihrer Bereitschaft, stets furchtlos die nächste Hürde zu erklimmen, gut umgehen konnte.
Seit einiger Zeit jagten wir ein wildes Tier. Zumindest nannten wir so unsere aktuelle Beute. Es handelte sich um einen Grizzlybären. Einige Zeugen wollten gesehen haben, dass er für die Flucht nach seinen Taten die Gestalt eines Minks annahm. Das weckte mein Interesse. Für Aufsehen sorgte er, als er ein Auktionshaus in Schutt und Asche legte. Unseren Hinweisen zufolge hatte der Grizzlybär auch an anderen Orten zugeschlagen. So wurde uns berichtet, dass er Ländereien und Schiffe von Adligen angriff. Auffällig dabei war, von den Sklaven fehlte danach jede Spur.
Eines Tages erreichten wir eine kleine unbelebte Insel in der Neuen Welt. Sie stand im Zentrum der meisten Anschläge und hier vermuteten wir sein Versteck. Es mag ungewöhnlich klingen, aber während meine Mannschaft das Schiff absicherte und sich auf alle Eventualitäten vorbereitete und erst als zweite Welle auftauchen würde, bildete ich die Vorhut. Schließlich war ich für meine Geschicklichkeit, Wendigkeit und Schnelligkeit bekannt. Dazu schien der Grizzlybär kein zu unterschätzender Gegner zu sein und ich verlor nur ungern Mitglieder meiner Crew. Die Insel bestand aus einer trostlosen Wüste. Zerstreute Felsen rundeten die karge Landschaft ab. Hier konnte eigentlich niemand leben, außer man wollte natürlich nicht gefunden werden. Auf der anderen Seite der Insel fand ich ein altes heruntergekommenes Fischerhaus vor. Ein kleines Boot lag auf dem Wüstensand und dann erspähte ich eine Gestalt, die sich liegend an das Boot anlehnte. Ohne mich anzuschleichen, schritt ich auf die Person zu. Wohin sollte sie schon in der Einöde fliehen und bis das Boot fahrtüchtig wäre, hätte ich längst den Unbekannten erreicht. Noch bevor ich in seine Nähe kam, schien er mich bereits bemerkt zu haben. Die Gestalt erhob sich und schaute in meine Richtung. Mit jedem Schritt, den ich näher kam, wurde ich mir sicherer. Es war ein Katzen-Mink. Da standen wir nun von Angesicht zu Angesicht. Ich hatte ihn noch nie gesehen. Er war also kein Mink, der seine Vergangenheit in Zou verbrachte. Auf meine Fragen reagierte er nur mit einem verachtenden Blick. Es gab also nur eine Möglichkeit, um herauszufinden, ob er der Grizzlybär war. In Windeseile stürmte ich auf ihn zu und holte zum Schlag aus. Er wich mit einer Seitwärtsbewegung aus und nahm eine Abwehrstellung ein.
„Es ist schon lange her, dass ich ein Mink sah“, konnte ich plötzlich seine Stimme wahrnehmen und er fuhr fort: „Damals war es ein Pirat. Dieses Mal ist es ein Marinesoldat. Welch Ironie.“ Wir lieferten uns einen erbitterten Kampf. Ich war kämpferisch im Vorteil aber er schlug sich nicht schlecht, dafür, dass er noch so jung war. Doch dann kam der Moment als er sich verwandelte. Er war wirklich der gesuchte Grizzlybär. Auf meine Fragen warum er dieses Leben einschlug erwiderte er nur mit neuen Angriffen. Nun waren wir uns ebenbürtig. Doch ich musste ihn nur so lange hinhalten bis die Verstärkung kam.
Plötzlich hielt er inne und schaute sich um. Ich tat es ihm gleich und konnte noch nicht meine Crew sehen. Spürte er die drohende Gefahr?
„Was bedeutet es für dich ein Leben in Freiheit zu verbringen?“, fragte er mich plötzlich mit einer neugierigen Stimme.
Ich überlegte kurz. Wollte er irgendwas damit bezwecken? Nein, er löste seine Kampfstellung auf, die Frage schien mein Kontrahent ernst zu meinen.
„Hmm, das zu tun, was immer ich möchte“, antwortete ich, ohne groß darüber nachzudenken. Warum tat ich das eigentlich?
„Ach so“, erwiderte er und starrte mich mit seinen eiskalten Augen an. Ein Moment der Schweigsamkeit verging bevor der Katzen-Mink fortfuhr: „Als ich das Auktionshaus niederbrannte, die Sklaven befreite, fühlte ich mich für einen Moment befreit von meinen Gefühlen. Doch es änderte nichts daran was geschehen ist. Sie würde es sich wünschen, dass ich nach Zou segle aber ich kann einfach nicht!“
Auch wenn ich nicht alles verstand, was er mir sagte, so wusste ich, dass sein Herz gebrochen war. Er schien unglücklich zu sein. Seine Taten waren ein Verbrechen an die Gerechtigkeit, doch er half Menschen, die versklavt wurden. Er zerstörte ein Auktionshaus ...
Und dann wurde es mir bewusst. Er musste selbst ein Sklave gewesen sein, der sich befreite und nach seiner Bestimmung suchte. Aber irgendwas hält ihn davon ab. Da war sie wieder. Meine dunkle Seite. Mitgefühl.
„Besiege mich“, schrie ich so laut ich konnte. Der Katzen-Mink schaute mich verwirrt an.
„Wenn du mich besiegst, dann verspreche ich dir, du kannst machen, was du willst. Wenn du verlierst, dann wirst du den Rest deines Lebens im Impel Down verbringen. Diese Insel ist jedoch bereits dein Impel Down, oder?“
Der Katzen-Mink schaute mich mit weit aufgerissene Augen entsetzt an. Ich wusste nicht was in ihm vorging, aber sein Blick schien sich nun geändert zu haben.
„Versprechen ...“, wiederholte er langsam das Wort. Er bewegte sich zurück in seine Angriffshaltung. Dann sah ich den Katzen-Mink zum ersten Mal lächeln.
„Du musst mich schon töten. Denn entweder sehe ich heute Viz wieder oder ich Dummkopf erfülle uns endlich unseren Traum.“
Die Nacht ist finster und voller Schrecken aber das Feuer wird sie alle verbrennen...
Absolute Gerechtigkeit!